Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

(Beifall bei der LINKEN)

All diesen aktiven Menschen, ob ihre Projekte auf der Liste des Senats auftauchen oder nicht, haben wir zu danken. Sie brauchen weiterhin unsere Unterstützung, und es ist zu hoffen, dass der Senat die notwendige Kontinuität in seiner Mittelvergabe walten lässt und Angebote des gemeinsamen Arbeitens und Handelns ermöglicht.

In Erinnerung an den 9. November 1938 ist es unsere Verantwortung, jeden Tag wachsam zu sein und Zivilcourage zu zeigen, und zwar nicht erst dann, wenn es irgendwo im wahrsten Sinne des Wortes brennt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Namen der FDP-Fraktion möchte ich mich erst einmal für den Bericht bedanken. Ich finde, er ist auf der einen Seite ermutigend, weil die Zahl der Straftaten – in Anführungszeichen – relativ gering ist. Auf der anderen Seite ist er aber gleichzeitig Anlass, weiter wachsam zu sein. Wir haben es

hier schon diskutiert. Das Thema Rechtsextremismus sollte nicht überbewertet werden, es sollte aber auch nicht heruntergeredet werden.

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP kann ich feststellen, dass wir uns gegen jede Form des Extremismus wenden, ob sie nun von links oder rechts komme oder ob sie religiös bedingt sei.

(Beifall bei der FDP)

Ich will aber ausdrücklich betonen, dass wir das nicht gegeneinander aufrechnen wollen!

(Beifall bei der FDP)

Wir beschäftigen uns in dieser Debatte ausdrücklich mit dem Rechtsextremismus, und deshalb möchte ich dabei noch auf einige Punkte eingehen. Wir hatten gerade – das ist vielleicht eine ganz gute Verbindung, dass der Bericht erst heute debattiert wird – in Erinnerung zur Reichspogromnacht die Kranzniederlegung. Da wird es einem auch im Zusammenspiel der ehemals Betroffenen und der jungen Leute, die an dieser Veranstaltung teilgenommen haben, sehr deutlich, dass es dort ein klares Erinnern gibt, ein Erinnern über Jahrzehnte und Generationen. Das finde ich gut so, das muss fortgesetzt werden und immer wieder in das öffentliche Bewusstsein eindringen und dort auch verankert werden.

(Beifall bei der FDP und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Denn gerade bei dieser Veranstaltung und im Rückblick auf die Ereignisse 1938 in unserem Land wird noch einmal deutlich, welch verbrecherisches Regime geherrscht hat, was für eine menschenverachtende Ideologie dieses Regime sozusagen angefeuert und angestachelt hat und wie die Menschen diesem Regime gefolgt sind. Ich denke, darauf muss man insbesondere in Bildungsveranstaltungen immer wieder hinweisen. Es war ein verbrecherisches Regime, und man darf diesen Ideologien nicht folgen, weil man sonst in Barbarei endet.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Toleranz muss das oberste Gebot sein; durch Fremdheit darf keine Angst erzeugt werden. Wir brauchen Zivilcourage, das ist gesagt worden. Zivilcourage bedeutet aber auch, dass sie von der Gesellschaft anschließend unterstützt wird. Es gibt Ereignisse der letzten Tage – ich möchte sie jetzt nicht weiter aufrollen –, da muss man sehr genau hinsehen, damit man nicht sagt: Zivilcourage führt eventuell dazu, dass

man selbst den Angriffen ausgesetzt wird, Herr Dr. Güldner hatte das im Zusammenhang mit dem Ostkurvensaal auch noch einmal gesagt. Das führt bei den Menschen dazu, dass die Fenster geschlossen und die Rollläden heruntergelassen werden, und dann erreicht man genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich haben wollte. Nein, wir müssen den Leuten, die aufstehen und sagen „Wir wollen das nicht!“ – ob das in einem Linienbus der Bremer Straßenbahn AG ist, ob das am Flughafen oder am Bahnhof ist oder ob das in der direkten Nachbarschaft ist –, diesen Menschen wollen und müssen wir ganz einfach den Rücken stärken!

(Beifall)

Wer „Stopp“ sagt, „ich bin dagegen, ich lasse mir das nicht gefallen“, der muss unsere Unterstützung bekommen! Ich finde es gut, dass die Werder-Fans – das ist schon öfter erwähnt worden – mit den Bochumer Fans in der vergangenen Woche zusammen ein Signal gesetzt haben. Ich finde es auch gut, dass die Vereinsführungen der Bundesligavereine und auch anderer Vereine Stadionverbote ausgesprochen haben. Ich finde es aber auch gut, wenn wir in der Politik darauf achten, dass der Sport und die Schulen – Musik auf Schulhöfen war hier eben schon das Thema – nicht das Einfallstor für rechte Ideologien und rechtes Gedankengut werden.

(Beifall bei der FDP)

Da müssen wir aufpassen und gegensteuern.

Aber der Bericht gibt mir auch die Zuversicht, dass dies geschieht. Ich glaube, wer die „Nacht der Jugend“ besucht hat, der sieht auch, so etwas muss gar nicht von oben verordnet werden, es gibt auch einen Ansporn aus der Jugend und aus den Jugendlichen heraus. Mir hat diese Nacht sehr viel Spaß gemacht, und ich denke, in diesem Zusammenhang sollten wir weiterarbeiten. – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren. Sehr geehrter Herr Dr. Güldner, Sie sagten gerade sinngemäß, dass ich hier in der Bürgerschaft noch beweisen müsse, nicht im rechtsextremen Lager zu stehen. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich als Demokrat, der auf dem Boden des Grundgesetzes steht, weder etwas beweisen muss noch etwas beweisen werde, was diese Sache angeht! Nehmen Sie auch bitte zur Kenntnis, dass ich hier im Parlament zukünftig nicht über jedes Stöckchen springen werde, das Sie mir hinhalten! Wissen Sie, Herr Dr. Güldner, einerseits erheben Sie hier den Zeigefin

ger und sagen, Timke muss was beweisen, andererseits bestimmt aber auch Ihre Fraktion im Vorstand, dass ich mich neben Herrn Tittmann setzen soll. Das passt nicht zusammen!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das hätten wir gedacht!)

Allein die Tatsache, dass Sie mich namentlich nennen, wenn es um einen Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit geht, empfinde ich persönlich als Frechheit, und es zeigt mir deutlich, dass Sie sich gerade nicht mit unserem Wahlprogramm auseinandergesetzt haben.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Blick auf die Homepage hilft ja!)

Das können Sie gern tun, dann schauen Sie sich bitte das Bundesprogramm an, da haben wir ganz klare Aussagen auch zu den Ereignissen von 1933 bis 1945. Das kann ich Ihnen nur empfehlen.

Ich habe aber auch mit Freuden zur Kenntnis genommen, dass Sie sich mit meinen Anträgen auseinandersetzen wollen, Herr Dr. Güldner. Dazu haben Sie ja morgen Gelegenheit, und ich freue mich auf eine lebhafte Debatte. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke Ihnen für diese Diskussion, auch zu dieser späten Stunde. Ich würde ganz gern einige wenige Aspekte noch einmal aufgreifen und ein

(Unruhe – Glocke)

vorläufiges Fazit dieser Debatte ziehen. Ich glaube, acht Jahre sind zu lang, der Bericht aus dem Jahr 2000 war der dritte, niemand kann sich mehr daran erinnern. Ich denke, der neue Senat wird dafür sorgen, dass diese Bürgerschaft in einem deutlich kürzeren Zeitraum über die aktuelle Entwicklung unterrichtet wird.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP)

Auch die Qualität des Berichts muss verbessert werden. Es geht hier nicht um die Seitenzahl, sondern es geht hier um die Analyse, die Ursachen, und auch da haben wir einen gewissen Nachholbedarf. Geschuldet ist dies natürlich auch einer objektiven Situation. Die klassischen Strukturen im Bereich des Rechtsextremismus haben sich in den letzten Jahren und in diesem Zeitraum von acht Jahren deutlich

verändert. Die klassischen Parteien DVU und NPD haben massenhaft an Einfluss verloren. Man sieht es, wenn man sich die Mitgliederentwicklungen anschaut. Die NPD verfügt im Lande Bremen „nur noch“ über 60 Mitglieder, das zeigt, dass sie eigentlich in die absolute Bedeutungslosigkeit abgestürzt ist.

Aber auf der anderen Seite haben wir eine völlig neue Szene. Wir haben autonome Gruppen, wir haben einen fließenden Übergang von Hooligans zu Skinheads, wir haben Kameradschaften, wir haben Vereine, alles dies ist nicht mehr so klar überschaubar. Es ist auch eine neue Aufgabe für unsere Ämter, hier zu observieren und das Ganze im Auge zu behalten, dadran arbeiten wir. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass mit dieser Veränderung im rechtsextremen Bereich auch eine Zunahme der Gewaltbereitschaft einhergeht. Wir haben das erlebt, beziehungsweise meine Beamtinnen und Beamten, die in Hamburg am 1. Mai 2008 eingesetzt waren, haben zum ersten Mal eine so massive Auseinandersetzung erlebt, wie sie sie bisher nie gekannt haben. Das zeigt auch, dass es hier im Bereich der Rechtsextremen zu Veränderungen gekommen ist, die für uns bedrohlich sind.

Auf der anderen Seite – ich komme wieder zu den positiven Sachen –, dass wir heute eine Polizei haben, eine Justiz, die nicht mehr auf dem rechten Auge blind ist, die demokratisch organisiert ist und ihre Aufgabe wahrnimmt, das finde ich eigentlich das Schönste an meiner Tätigkeit. Deswegen möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen, die diese Arbeit leisten, an dieser Stelle herzlichen Dank sagen.

(Beifall)

Sie haben es schon gesagt, die Bilder, die am Samstag über die ARD gesendet wurden, wo die Bremer Fans deutlich gemacht haben, dass diese Gruppierungen keine Bremer sind und dass sie eigentlich nicht dazugehören, das fand ich eine ganz tolle Werbung für diese Stadt. Sie haben gesehen, wie Werder Bremen reagiert hat, wie Bochum reagiert hat, der DFB hat dann bundesweit erklärt, dass diese Hooligans kein Stadion mehr besuchen werden, und wir sind darauf vorbereitet. Wir wissen natürlich, dass das noch nicht das Ende war, und erwarten, dass auch am Sonntag, wenn Bremen gegen Köln spielt, diese Gruppen wieder auflaufen werden, es wäre ein Wunder, wenn es anders wäre. Aber darauf sind wir vorbereitet, und wir werden alles tun, um unsere Bremer Fans vor diesen Gruppierungen zu schützen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Vielleicht noch ein letztes Wort zum Problem des Radikalismus im religiösen Bereich! Auch das ist ein Thema, das wir sehr ernst nehmen. Ich glaube, Herr Hinners – wir sind ja gemeinsam in der Parlamenta

rischen Kontrollkommission –, Sie wissen auch, warum ich hier nicht offen darüber sprechen kann. Ich glaube, Bremen hat die Probleme der Zeit erkannt, und wir werden alles tun, damit wir gerade auch in diesem Bereich verhindern, dass sich hier extremistische Bewegungen in Bremen ausbreiten, dass hier Bremen eine negative Rolle spielt im Bereich des internationalen Terrorismus, und ich hoffe, dass wir das gemeinsam auch hinbekommen. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Druck: Hans Krohn · Bremen

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats Kenntnis.