Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung haben wir ausführlich über das Problem der Leih- und Zeitarbeit debattiert. Die Fragen der Mindestlohnsicherung und der Tariftreue beschäftigen uns hier in diesem Haus immer wieder. Da geht es einerseits um staatliche Regelungen, aber auch darum, dass wir gesellschaftliche Bündnispartner gegen eine Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten und Tarifrechten brauchen.
Die Kirchen sind dabei ein wichtiger Ansprechpartner gerade auch als großer Arbeitgeber im sozialen Bereich. Umso mehr muss es uns beschäftigen, wenn offenbar im Bereich der kirchlichen Sozialdienste einiges im Argen liegt.
Wir reden hier von einem konkreten Arbeitgeber, der in den letzten Jahren nahezu jährlich seine Struktur durch Umgründungen und Ausgründungen verändert hat und jedes Mal mit nachteiligen Wirkungen auf die Arbeitnehmer. Dieser Arbeitgeber hat eine eigene Zeitarbeitsfirma gegründet. Er hat zwei weitere Gesellschaften gegründet, in denen Zeitarbeit und Serviceleistungen vermischt werden. Er hat eine Struktur geschaffen, wo in der gleichen Dienststelle unterschiedliche Arbeitsverhältnisse und Tarife gelten. Er hat den Beschäftigten lange Zeit eine gemeinsame Mitarbeitervertretung verwehrt, weil sie zwar im
gleichen Haus arbeiten, aber inzwischen zu unterschiedlichsten Teilfirmen gehören. Er nimmt Einstellungen über eine neue Firmeneinheit vor, für die der allgemeine Tarif nicht gilt, und er sagt seinen Arbeitnehmern: Streiken dürft ihr nicht, denn ihr arbeitet ja bei einem kirchlichen Arbeitgeber! Die Rede ist hier von der Stiftung Friedehorst.
Friedehorst ist ein Teil des Diakonischen Werks in Bremen, des Wohlfahrtsverbandes der Evangelischen Kirche in Bremen. Aber Friedehorst ist eben nicht nur Friedehorst. Friedehorst ist die Stiftung Friedehorst, die Servicegesellschaften, Diakonische Dienste für Friedehorst 1 und 2, die Zeitarbeitsfirma Parat und so weiter. Hier passiert genau das, was wir auf dem Arbeitsmarkt seit langem mit Sorge beobachten, ein systematisches Ausnutzen der Möglichkeit, sich Tarifen zu entziehen, Arbeitsverhältnisse mit ungesichertem Status zu schaffen und eine einheitliche Stellung und Vertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst zu verhindern. Ich finde, das ist Grund genug, hier auf den kirchlichen Arbeitgeber zuzugehen und sich für die Rechte der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stark zu machen.
Kurz zur Stellungnahme des Vorstandes der Stiftung Friedehorst, die wir nun gestern bekommen haben. Im Wesentlichen wird gesagt: Der Markt ist hart! Wir brauchen unsere Margen. Wir machen nichts Ungesetzliches. Das, meine Damen und Herren, haben wir mit unserem Antrag auch nicht bestritten, aber genau das ist auch das Problem. Hier wird von einem kirchlichen Arbeitgeber all das vollzogen, was die Kirchen selbst mit Recht immer wieder an der Arbeitsmarktentwicklung kritisiert haben. Ich finde, da muss man sich dann entscheiden, wenn man sagt, wir sind ein Unternehmen wie jedes andere, auf mehr könnt ihr euch nicht berufen, dann soll man sich bitte auch auf Streik und Arbeitskampf einstellen. Wenn man aber sagt, wir machen all das, was ein Unternehmen am freien Markt heutzutage so machen kann, aber ihr als Angestellte eines diakonischen Betriebs habt eine besondere Verpflichtung und deshalb dürft ihr nicht streiken, dann wird das an dieser Stelle besonders zynisch.
Was unser Antrag will, das stellen wir hier zur Beschlussfassung, ist, dass sich der Senat seiner Verantwortung stellt und hier das Gespräch mit den kirchlichen Arbeitgebern sucht, der Senat soll hinsehen, nicht wegsehen. Es gibt einen Senator für kirchliche Angelegenheiten, es gibt die Tradition eines besonderen Gesprächsverhältnisses zwischen Senat und Kirchen, und das muss man in solch einem Fall ernst nehmen. Ferner sind die kirchlichen Dienste im großen Umfang auch Auftragnehmer und Zuwendungsemp
fänger der öffentlichen Hand, und auch da ist das so, wenn das Diakonische Werk sagt, wir sind ein Arbeitgeber wie jeder andere, etwas anderes könnt ihr von uns nicht erwarten, und wir setzen die Möglichkeiten ein, um Kosten zu drücken, dann muss der Senat bei der Vergabe seiner Selbstverpflichtung nachkommen und Tariftreue zur Bedingung machen. Das ist der Inhalt unseres Antrags, und ich bitte sehr darum, diesem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten hier heute einen Dringlichkeitsantrag der Fraktion der LINKEN, wobei der Vorgang ja nun fast schon über Jahre bekannt ist und bereits durch die Presse ausführlich begleitet und behandelt wurde. Worum geht es? Es geht in erster Linie um Friedehorst, einen großen Arbeitgeber im Norden Bremens im Bereich der Pflege mit circa 1400 Beschäftigten.
Friedehorst ist gemeinnützig und gehört zum Diakonischen Werk, dem Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche. Friedehorst verfügt über keinen Betriebsrat, das ist bei Verbänden, bei Betrieben, bei Dienstleistern im Bereich der Kirche so üblich, sondern über eine Mitarbeitervertretung. In Friedehorst ist diese 13 Personen stark, wovon fünf Mitglieder halbtags freigestellt sind. Die Bezahlung der Mitarbeiter erfolgt dort nach den Arbeitsrichtlinien der Evangelischen Kirche in der Anlehnung an den BAT, teilweise gilt jedoch auch der Tarif eines Zeitarbeitsunternehmens.
Seit Jahren in der Kritik ist gerade die Gründung dieser Zeitarbeitsfirma mit dem Namen Parat, quasi eine Firma in der Firma, die das benötigte Personal für das Diakonische Werk, auch für Friedehorst, akquiriert, einstellt und dahin ausleiht. Natürlich kann man zum Tarif einer Zeitarbeitsfirma einfach nur sagen, dass er mit dem richtigen Tarif der Diakonie nicht vergleichbar ist, sondern dass die Zeitarbeit mit Sicherheit etwas schlechter bezahlt wird und auch in ihren Leistungen etwas schlechter ist, aber das ist bei Zeitarbeitsfirmen allgemein bekannt. Für diese Zeitarbeitsfirma muss jedoch angemerkt werden, dass man hier nicht vom Mindestlohn sprechen sollte, dies zeigt sich daran, dass sie selbst bei den Einstiegslöhnen über acht Euro bezahlt. Sie liegen also weit über den Mindestlöhnen und sind zumindest hier, denke ich einmal, nicht angreifbar. Aber darum geht es auch gar nicht, denn die Mitarbeitervertretung geht davon aus, dass Zeitarbeitsverträge immer nur für die Überbrückung von besonderem Bedarf in Anspruch genommen werden können, das heißt, dass Zeitarbeit ausschließlich nur kurzfristig eingesetzt werden soll,
Immer häufiger werden längerfristige Verträge geschlossen, die, so die Mitarbeitervertretung, nicht mehr die Besetzung echter, tarifgerechter Arbeitsplätze zur Folge haben. Um dagegen vorzugehen, hat es die Mitarbeitervertretung abgelehnt, dass zwei Leiharbeiter für zwei Jahre bei Friedehorst beschäftigt werden. Das Ergebnis war, dass die Geschäftsleitung dagegen vor das Bremer Kirchengericht gezogen ist mit dem Ergebnis: Erfolgreich! Dieses befand als Urteilsspruch, dass die Mitarbeitervertretung keinen Widerspruch hätte einlegen dürfen. Gegen dieses Urteil legte die Mitarbeitervertretung Beschwerde beim Kirchengerichtshof in Hannover ein und bekam dort recht. Das Urteil des Bremer Kirchengerichts wurde aufgehoben. Der Kirchengerichtshof in Hannover sah durch die Ungleichbehandlung der Beschäftigten elementare kirchliche Grundsätze verletzt. Das Urteil des Kirchengerichtshofs ist gleichbedeutend mit einem Grundsatzurteil. Diesem kann sich die CDU in diesem Hause nur voll und ganz anschließen.
Aus dem Urteil ist zu entnehmen, wenn Friedehorst weiterhin eine diakonische Einrichtung bleiben möchte, muss die Stiftung dieses Urteil als bindend anerkennen. Die schriftliche Fassung des Urteils erfolgt in den nächsten Wochen. Aufgrund dieser Vorgänge verhandelt seit dem 1. November dieses Jahres die Mitarbeitervertretung mit der Geschäftsführung des Diakonischen Werks. Anmerken sollte man hier auch, dass nicht nur Parat, sondern auch Bolero, Auxilia oder Dia Logistik eigens gegründete Leiharbeitsfirmen sind, mit denen gemeinnützige Unternehmen aus dem diakonischen Bereich ihre Tarife anders gestalten. Die ersten Ergebnisse aus diesen Leiharbeitsunternehmen liegen uns bereits vor. Wir wissen auch, dass die Diakonische Behindertenhilfe in Bremen Leiharbeiter einsetzt, die Firma heißt dann Dia Logistik, erfüllt aber den gleichen Zweck wie die Firma Parat.
Im eigenen Interesse und zum Erhalt der Glaubwürdigkeit sollte das Diakonische Werk schnellstens in Zusammenarbeit mit der Mitarbeitervertretung bemüht sein, die Problemlage zu beseitigen. Das Verfahren, um das es geht, ist, wie ich das schon sagte, durch die Mitarbeitervertretung und die Geschäftsführung in Fluss und wird bearbeitet. Das Urteil ist gesprochen, und es ist rechtskräftig. Die Gespräche laufen, sie finden statt. Ob der Präsident des Senats und Senator für kirchliche Angelegenheiten in Friedehorst oder beim Diakonischen Werk Einfluss nimmt, wird er mit Sicherheit selbst entscheiden. Dazu be
Wir, meine Damen und Herren, sind der Meinung, für dieses Problem gibt es keine Dringlichkeit. Wir sind der Meinung, für dieses Problem gibt es in diesem Fall nicht einmal einen Handlungsbedarf.
Wir sind der Meinung, dass diese Angelegenheit von den Betroffenen allein geregelt werden kann, und es bedarf hier keiner Unterstützung der Politik. Wir sind auch der Meinung, dass der Staat schlicht und einfach seine Nase nicht in alles stecken sollte. Wir lehnen diesen Antrag ab!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich die Vertreterinnen der Mitarbeitervertretung der Stiftung Friedehorst und des Diakonischen Werkes hier auch von unserer Fraktion herzlich im Hause begrüßen.
Voranstellen möchte ich auch die Anerkennung der hohen Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Einrichtungen.
Gleichzeitig muss man die sich auch immer weiter nach unten entwickelnde Refinanzierung durch die Kostenträger in diesen Einrichtungen deutlich kritisieren. Dies führt nicht nur in den Einrichtungen der Diakonie zu einem enormen Kostendruck, der dort weithin auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird. Nein, das führt auch in den privaten Unternehmen zu einer Kostenspirale, die sich leider weiter nach unten öffnet. Hier sieht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringenden Handlungsbedarf, um der weiteren negativen Entwicklung für alle Betroffenen, seien es Träger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Inanspruchnehmer, ein Ende zu setzen.
Nun zum Antrag der LINKEN! Es muss festgestellt werden, dass es unterschiedliche Lösungen für die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wahrnehmung oder Wahrung von Tariffindungen gibt. Tut man dies, stellt man fest, dass es die öffentlich bekannteste Form, nämlich die der Tarifparteien, gibt, wo sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Tarifpartner im Rahmen eines allseits bekannten Arbeitsrechts an einen Tisch setzen und miteinander verhandeln, dies mit allen bekannten Formen der Auseinandersetzung.
Auf der anderen Seite gibt es die Form, mit der wir es hier in diesem Antrag eigentlich zu tun haben, dem sogenannten dritten Weg, in den die unter das Kirchenrecht fallenden Einrichtungen Eingang gefunden haben. Auch hier gibt es Mitarbeitervertretungen, die wir hier heute im Hause sehen, und Arbeitgeber. Jedoch unterscheiden sich diese zur öffentlichen Form, indem bestimmte Auseinandersetzungsformen, wie zum Beispiel Streik oder Aussperrung, ausgeschlossen sind. Das Ganze findet man unter dem Stichwort Tendenzschutz oder auch Tendenzbetrieb. Das kann man erst einmal gut oder schlecht finden, Fakt ist jedoch, dass dies, ebenso wie der klassische Arbeitskampf, in die Tarifautonomie der Betriebe oder der Institutionen fällt. Wir meinen jedoch, dass eine starke Arbeitnehmervertretung auch große Rechte in der Aushandlung ihrer Entlohnung finden muss!
Der Antrag der LINKEN macht jedoch etwas, das für uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als ein weiter Eingriff in die Tarifautonomie empfunden wird. Ein solcher Antrag, wie Sie ihn hier heute am eigentlichen Tag weiterer Tarifgespräche lanciert haben – übrigens haben sich gestern die Tarifpartner auf einen weiteren Tarifvertrag geeinigt –, und Bürgermeister Böhrnsen als zuständigen Kirchensenator aktiv auffordern, in die Verhandlungen einzugreifen, ist für uns als Bündnis 90/Die Grünen ein allzu offenes populistisches Vorgehen und wird in dieser Form nicht unsere Zustimmung finden!
Das Land Bremen ist kein direkter Arbeitgeber in den von Ihnen angesprochenen Einrichtungen. Gleichwohl – und das habe ich ja bereits eingangs gesagt – erkennen wir die schwierigen und verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Arbeitsfeld an. Ebenso müssen wir aber auch aus eigenen Erfahrungen in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Bereich – Sie erinnern sich hier im Hause alle an die kontroversen Auseinandersetzungen – den finanziell immer schwierigeren Kostendruck feststellen!
ne Regierung uns dafür einsetzen wollen, eine Setzung von Mindestlohnstandards und eine gleiche Entlohnung von gleicher Arbeit sicherzustellen. Reine, auf Effekthascherei der LINKEN kreierte Anträge für die Galerie tragen wir nicht mit! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn man diesen Antrag, den DIE LINKE uns hier als Dringlichkeitsantrag vorgelegt hat, liest, findet man darin viele recht wohlklingende Sätze, bis man irgendwann auf den Punkt stößt, um den es eigentlich geht.
Mit meiner Person spricht heute für unsere Fraktion nicht jemand zu Ihnen, der in dem Ruf stünde, den Kirchen besonders nahe zu stehen, gleichwohl möchte auch ich für die FDP-Fraktion ausdrücklich würdigen, dass alle Einrichtungen in diesen Bereichen, insbesondere auch das Diakonische Werk und seine Einrichtungen, in den vergangenen Jahren sehr verlässliche Partner für Bremen gewesen sind und aus unserer Sicht eine ganz hervorragende diakonische soziale Arbeit leisten.
Es ist in der Debatte schon mehrfach angesprochen worden, auch in dem letzten Wortbeitrag des Kollegen Willmann: Es ist in allen Bereichen des Arbeitslebens nun einmal so, dass es immer wieder Konflikte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, zwischen Dienstgeber- und Dienstnehmerseite gibt. Das ist auch erst einmal grundsätzlich nichts Verwunderliches oder Verwerfliches. Die Frage ist, ob es immer Thema der Politik ist, sich damit auseinanderzusetzen. Das, was die Fraktion DIE LINKE uns hier vorschlägt, geht uns viel zu weit: Das sind Eingriffe des Staates, die wir so nicht wollen! Wir wollen explizit nicht, dass sich der Senat in Tarifverhandlungen oder Verhandlungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer einmischt!