Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Die Arbeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz wird, so fürchte ich, leider in Zukunft nicht geringer. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten noch einmal aus der Pressemitteilung vom 28. März 2008 zitieren. Es ist nämlich „etwas grundsätzlich Verschiedenes, ob sich jemand selbst in aller Öffentlichkeit auszieht oder ob jemand gegen seinen Willen entblößt wird“. Mein Schlusswort: Aber merken muss man es schon können! – Danke!

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Es wurde ja schon einiges gesagt. An dieser Stelle möchte ich zunächst anmerken, dass Herr Holst aufgrund einer Krankheit momentan nicht hier sein kann. In Namen der Grünen-Fraktion wünsche auch ich gute Genesung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bedanken möchte ich mich auch beim Ausschuss für Medienangelegenheiten und Kommunikation sowie bei der Ausschussassistenz und eben beim Landesdatenschutzbeauftragten und bei dem Arbeitsstab für die geleistete Arbeit, die immer wieder – nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Parlament – Anerkennung findet!

Einiges wurde zu dem vorliegenden Jahresbericht gesagt. Ich möchte gerade jetzt den Anlass nutzen, um kurz Revue passieren zu lassen, was das Jahr 2008 aus datenschutzpolitischen Beweggründen für uns gebracht hat, nämlich eine Fülle von Datenskandalen, die damit endeten, dass den Bürgerinnen und Bürgern einmal mehr bewusst geworden ist, dass die Daten eines Einzelnen einen solchen Stellenwert besitzen, dass man damit weder Handel noch eine illegale Form der Weitergabe betreiben darf.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Datengipfel vom September 2008 ist leider nicht zu den Ergebnissen gekommen, die wir uns für alle Menschen gewünscht hätten, nämlich mehr Sicherheit aller Daten aller Bürgerinnen und Bürger. Nun hat das Kabinett erst gestern Folgendes beschlossen, und das finde ich ziemlich makaber: Entgegen allen Ankündigungen im Laufe des Jahres innerhalb der gesamten Datenskandale, die vorgelegen haben sollen, soll das Verbot der Datenweitergabe ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen erst nach einer dreijährigen Übergangsfrist gelten. Das heißt nichts anderes als frühestens Mitte 2012! Bis dahin soll der Werbebranche, der Branche der Adresshändler und der Verlagsbranche, die massiv gegen diese Datenbeschränkung und -einschränkung protestiert haben, Zeit gegeben werden, sich der Lage anzupassen. Zudem sollen aber kirchliche und gemeinnützige Organisationen alle Daten ihrer Spender weiterhin ohne deren Zustimmung weitergeben dürfen.

Das heißt nichts anderes, als dass einerseits ein Regelwerk geschaffen wird, mit dem kirchlichen und gemeinnützigen Organisationen der sogenannte legale Datenhandel ermöglicht wird, ohne die Zustimmung der Spender, und andererseits gibt es solch löchrige Angebote und restriktive Einschränkungen mehr oder weniger für unterschiedliche Branchen, bei de

nen gar keine Klarheit herrscht, inwieweit man früher oder später diesen Datenhandel noch aufhalten kann oder ob er weiterhin in dieser Form florieren wird. Es wird einfach ein lohnendes Geschäft bleiben.

Aus grüner Sicht ist dieser eingeschränkte Datenschutz, um es einmal sachte zu formulieren, eine sehr löchrige Mogelpackung. Sie schafft keine Klarheit, Datenschutz wird weiterhin geschwächt, anstatt ihn zu stärken. Als Grüne halten wir auch unsere Forderung aufrecht, dass der Datenschutz ins Grundgesetz gehört.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Hamann hat es gerade eben betont: Wenn man sich den Jahresbericht anschaut, gab es auch aus unserer Sicht erhebliche Probleme, unter anderem bei Dataport und bei den Gerichtsvollziehern. Von Vertrauen war und ist auch nach wie vor die Rede. Befragt man die Bürgerinnen und Bürger, ob sie überhaupt wissen, wie viele Daten sie an einem einzigen Tag preisgeben, sprich beim Einkaufen, wenn man im Supermarkt ist, wird man gefragt, ob man irgendwelche Happy-Digits-Karten hat, ob man diese Karten preisgeben möchte, damit es entsprechend verbucht wird, ob man Punkte sammelt bei der Deutschen Bahn – überall werden Daten erhoben. Wenn man über die Autobahn fährt, wird man gescannt, Kennzeichen werden gefilmt, was Herr Schäuble auf unseren Rechnern treibt, wissen wir noch lange nicht, ob sich in der E-Mail, die wir öffnen, ein Trojanisches Pferd befindet oder nicht.

Hier haben wir es eindeutig mit Bürgerrechten zu tun. Die Bürgerrechte so massiv einzuschränken, dass die Bürgerinnen und Bürger sich ständig ausgeliefert fühlen und – Herr Richter, da gebe ich Ihnen recht, Sie haben es absolut treffend formuliert – es ist ein Unterschied, ob man sich freiwillig auszieht oder ob man ausgezogen wird und es nicht bemerkt. Die Bürgerrechte – da sind wir uns alle einig – haben doch eines zum Ziel, nämlich dass wir als Bürgerinnen und Bürger dieses Staates das Recht haben, bemerken zu dürfen, wann uns der Staat auszieht und mit welchen Mitteln er dies tut. Entsprechend sollte man auch dagegen angehen, und entsprechend müssen wir diese ganzen schlüpfrigen Löcher im Datenschutz endgültig stopfen, indem wir massiv dagegen protestieren, solche Tage nutzen und den Datenschutz, insbesondere den betrieblichen Datenschutz, weiter aufwerten.

Vielleicht zuletzt: Es ist viel von der Wirtschaft die Rede. Die Wirtschaft ist einmal mehr gefordert, für den innerbetrieblichen Datenschutz zu sorgen. Man kann nicht auf der einen Seite halbherzig Datenschutzbeauftragte einstellen, aber auf der anderen Seite für den Datenschutz nicht sorgen. Dann haben wir solche Fälle wie bei den großen Konzernen, wie bei Siemens oder bei der Telekom. Da fragt man sich: Was passiert bei mittelständischen Unternehmen? Das

sollte uns noch einmal zum Nachdenken anregen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Neumeyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Holst am Radio, meine besten Genesungswünsche!

Im September 2008 hatten wir bereits die Debatte zur Stellungnahme des Senats zum 30. Jahresbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz. Nach Beratung im Ausschuss für Medienangelegenheiten liegen heute der Bericht und Antrag vor. Wie die Kollegin Troedel schon ausgiebig dargestellt hat, können wir die meisten Punkte als erledigt betrachten, alle anderen werden wir vom Ausschuss im Auge behalten.

Nach den Meldungen vom Wochenende, wonach dem Magazin „Wirtschaftswoche“ eine CD mit Bankverbindungen von 21 Millionen Bürgern angeboten wurde, hat die Bundesregierung den bereits für November auf der Datenschutzkonferenz angekündigten Gesetzentwurf gestern endlich vorgelegt. Die Veränderungen zum Schutz des Bürgers sind zu begrüßen, zu bedauern ist die Übergangsfrist von drei Jahren. Aber auch die Wirtschaft muss ihre Kontrollpflichten wahrnehmen. Banken und Kreditkartenunternehmen vernachlässigen oft ihre Datenschutzmaßnahmen.

Ganz wichtig ist in meinen Augen aber auch die Aufklärung der Bürger im Umgang mit ihren Daten. Diese muss noch verstärkt werden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch ein Präventionsprojekt der Stiftung Deutscher Polizeibeamter Bremen erwähnen: Das Präventionsprojekt hat das Ziel, Eltern, Erzieher, Jugendliche und Kinder im Umgang mit ihren persönlichen Daten im Netz zu sensibilisieren, zum Beispiel in den Foren knuddels, StudiVZ oder SchülerVZ, ein hervorragendes Projekt der Polizeibeamten. Zu der Vorstellung dieses Projekts waren auch Mitglieder der Bürgerschaft geladen, auf jeden Fall die bildungspolitischen Sprecher. Leider konnte ich außer den Kollegen der CDU-Fraktion niemanden entdecken – schade, aber das kann ja in Zukunft besser werden! Jedenfalls waren viele interessierte Pädagogen anwesend, die das Präventionsprojekt an ihre Schule holen wollen. Eltern und Schüler werden von ihnen aufgeklärt.

Herr Kollege Hamann, für Sie habe ich nun vielleicht kein Rätsel, aber ich habe mir erlaubt, Ihren Namen auch etwas umzustellen und habe festgestellt, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überbrüft.

dass Sie wahrscheinlich der Mann mit dem Aha-Effekt sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Holst, Ihnen und Ihren Mitarbeitern möchte ich an dieser Stelle noch einmal vielen Dank sagen, und ich wünsche Ihnen noch einmal alles Gute, und den Kollegen vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Möglichkeiten der Erfassung, Sammlung und Speicherung von personenbezogenen Daten wachsen in einem rasanten Tempo. Immer mehr persönliche Daten werden erfasst, gesammelt und ausgetauscht, mit Eifer von Staats wegen und Begierde von Unternehmern. Die Offenlegung von absichtlichen Verstößen gegen das Datenschutzgesetz bei Lidl und der Telekom hat gezeigt, dass es um die Überwachung und Kontrolle von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ging. Vorfälle dieser Art hat die Bevölkerung stetig aufmerksamer gemacht, die Sensibilität für Datenschutz ist in letzter Zeit gewachsen.

An dieser Stelle möchte ich die Arbeit des Landesdatenschutzbeauftragten Herrn Holst würdigen. Der Tätigkeit von Herrn Holst, seiner Beharrlichkeit und Akribie sind es zu verdanken, dass im Land Bremen das Thema Datenschutz einen hohen Wert hat und etliche Verbesserungen erreicht worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch im 30. Jahresbericht für Datenschutz weist Herr Holst auf die Gefahr der Sammelwut durch staatliche Stellen hin, ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: „Erschreckend ist, wie dabei oft die Öffentlichkeit für dumm verkauft wird. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sind gegen gut organisierte Terroristen wirkungslos. Sie treffen aber ins Herz einer freien Gesellschaft. Der Staat mischt sich immer mehr in alle Lebensbereiche seiner Bürgerinnen und Bürger ein. Es gibt trotzdem keine absolute Sicherheit.“ Seiten 5/6 des Datenschutzberichtes. Unter dem Argument der Terrorismusbekämpfung verbirgt sich die Gefahr, dass die umfangreichen Sammlungen von persönlichen Daten für andere Zwecke genutzt werden sollen. Dabei vermischen sich strafrechtlich relevante Belange und kommerzielle Interessen. Ich zitiere: „Schon jetzt würde zum Beispiel bei der Debatte um die Einführung der Vorratsdatenspeicherung deutlich, dass politische Kräfte sich dieser Daten gern bemächtigt hätten, um die Daten für die Verfolgung von Raubkopien der Musikindustrie

zur Verfügung zu stellen.“ Seite 6 des Datenschutzberichtes. In dem Bericht wird deutlich zur Sprache gebracht, dass Regelungen zu Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmerschutzdaten fehlen. Durch die hochleistungsfähigen Personalinformationssysteme wird die elektronische Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Arbeitsplatz bereits jetzt eingesetzt, die Praxis ist uns ja von Lidl hinreichend bekannt.

Ein anderes aktuelles Thema ist auch in Bremen das Projekt Street View von Google. Das Ziel ist die Erfassung der gesamten Stadt, um sie weltweit im Internet abrufbar zu machen. Vonseiten der bundesdeutschen Datenschutzbeauftragten bestehen erhebliche Bedenken, einen Einwand formuliert Herr Holst in der Pressemitteilung vom 19. August 2008: „Das Medium Street View kann“ – und so weiter – „sensible Einrichtungen, wie beispielsweise Frauenhäuser, gefährden.“ Erreicht wurde nach Einwänden der Datenschutzbeauftragen immerhin, dass Gesichter von Personen, Hausnummern und Kfz-Kennzeichen gepixelt werden müssen. Gegen den Willen von Betroffenen dürfen die Häuserfassaden nicht im Internet veröffentlicht werden.

Durch Weiterbildungsmaßnahmen sind in Bremen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden achtsamer geworden. Problematisch ist immer wieder die Situation bei der BAgIS. Das hat allerdings weniger persönliche als vielmehr strukturelle Ursachen. Durch den häufigen Wechsel des Personals durch Zeitarbeitsverträge und Versetzungen haben die Schulungsmaßnahmen zum Datenschutz nicht alle erreicht und nicht alle ausreichend erreicht.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufgabe verantwortungsvoller Politik ist es, die Bürgerinnen und Bürger vor ungerechtfertigten Eingriffen in ihre Persönlichkeitsrechte zu schützen, das ist eine entscheidende Säule der Demokratie. Das Angebot zum Verkauf von 21 Millionen Datensätzen mit Kontoverbindungen belegt, dass es höchste Zeit für ein modernes Datenschutzrecht des 21. Jahrhunderts ist. Eine ausführliche Debatte über den Datenschutz in der Bürgerschaft ist daher ein Gebot der Stunde! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Informations- uns Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten mit der Drucksachen-Nummer 17/614 abstimmen.

Wer den Bemerkungen des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten mit der Drucksachen Nr. 17/614 beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des Ausschusses bei.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem 30. Jahresbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz, Drucksachen-Nummer 17/325, und der Stellungnahme des Senats, Drucksachen-Nummer 17/509, und von dem Bericht des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten, Drucksachen-Nummer 17/614, Kenntnis.

Nutzung der Fernwärme im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 30. September 2008 (Drucksache 17/555)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 18. November 2008