Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Der zweite Teil des Antrags der CDU-Fraktion bezog sich richtigerweise auf die Schaffung ausreichender Therapiemöglichkeiten für bereits verurteilte Sexualstraftäter. Darüber hat sich der Rechtsausschuss sehr sorgfältig im Rahmen einer Anhörung informiert, unter anderem waren das Ressort für Justiz und Verfassung, das Innenressort, der Präsident des Amtsgerichts, der Präsident der Psychotherapeutenkammer geladen, die Fachstelle für Gewaltprävention selbst und auch das Gesundheitsressort sind angehört worden zu dieser Thematik. Insofern blicken wir auf eine sehr sorgfältige und auch an vielen Stellen recht langwierige Auseinandersetzung mit diesem Thema zurück.

Der Kollege Frehe hat es vorhin angesprochen, wir sind im Ausschuss zu der Überzeugung gekommen, dass lediglich ein Teil dessen, was in dem Antrag besprochen wurde, nämlich der Bereich, in dem bestimmte Bewährungsauflagen in Form einer Therapie vorhanden sind, in den Bereich des Justiz- und Verfassungsressorts fallen und in den Beratungsbereich des Rechtsausschusses fallen können.

Alle übrigen Anliegen, insbesondere dort, wo es sich um Persönlichkeitsstörungen mit Krankheitsbild oder ohne handelt, müssen von den Leistungsträgern der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen beziehungsweise als Sozialleistungen nach dem SGB XII abgebildet werden und sind abschließend nicht Gegenstand der Beratungen im Rechtsausschuss gewesen. Auch hier ist es die Meinung der FDP-Fraktion, dass das in der Gesundheitsdeputation noch geeignet erfolgen kann, dort auch eine fachliche Beurteilung des Präventionsprojektes an der Charité erfolgen und auch überlegt werden kann, welche Schlussfolgerungen für Bremen zu ziehen sind, also ob man ein ähnlich geartetes Projekt hier möglicherweise initiiert, ob man bestimmte andere Erfahrungen ableiten kann, die für die Bremer Gesundheitslandschaft übertragbar wären oder Ähnliches mehr.

Die FDP-Fraktion wird sich, weil sie sowohl das Ziel des CDU-Antrags, nämlich den Opferschutz, als auch das Mittel, nämlich die Prävention, für geeignet hält, zu dem Antrag hier enthalten. Wir begrüßen ausdrücklich eine Initiative, die darauf abzielen würde, in der

Gesundheitsdeputation noch einmal eine erweiterte fachliche Beratung zu diesem Thema durchzuführen und dann auch vielleicht zu neuen Schlussfolgerungen zu kommen im Hinblick auf die Zielsetzung und das Mittel der Prävention. Dem Antrag des Rechtsausschusses werden wir selbstverständlich zustimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU richtete sich auf die Finanzierung der Fachstelle für Gewaltprävention, das war der erste Punkt. In dem zweiten Punkt ging es um das Charité-Modell. Zu dem ersten Punkt haben wir eingehend geprüft, ob diese Fachstelle für Gewaltprävention fachlich geeignet ist, Sexualstraftäter nach ihrer Haft zu behandeln. Die Anhörung der Psychotherapeutenkammer hat ergeben, dass dafür vor allen Dingen niedergelassene Psychotherapeuten eingesetzt werden müssen, weil Sexualstraftäter insbesondere psychotherapeutisch behandelt werden müssen. Diese Fachstelle für Gewaltprävention ist aber überwiegend mit Pädagogen besetzt, und das ist allenfalls in Bremerhaven, wo wir nicht hinreichend Psychotherapeuten haben, verantwortbar, diese Fachstelle für Gewaltprävention einzusetzen, nicht jedoch in Bremen.

Die Anhörung hat ergeben, dass wir in Bremen ausreichend niedergelassene Psychotherapeuten haben, die hoch qualifiziert sind, die auch bereit sind, Sexualstraftäter zu behandeln. Durch sie ist fachlich die Behandlung sicherzustellen. Das ist im Übrigen auch die beste Form der Prävention gegen Sexualstraftaten, das ist jetzt gegen Herrn Tittmann gerichtet. Wenn man nämlich Sexualstraftäter wegsperrt, und sie kommen irgendwann nach Vollverbüßung aus der Haft, oder sie kommen nach der Sicherungsverwahrung nach fünf Jahren oder nach weiteren fünf Jahren aus der Haft und sind nicht therapiert, dann hat man eine gewaltige Gefahr des Rückfalls, und man muss damit rechnen, dass es zu weiteren Sexualstraftaten kommt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Ein wirksamer Schutz gegen Sexualstraftaten muss unbedingt mit therapeutischer Behandlung nach der Haftentlassung verbunden werden. Das ist in Bremen durch die niedergelassenen Psychotherapeuten gewährleistet, deshalb brauchen wir nicht die zusätzliche Finanzierung dieser Fachstelle für Gewaltprävention, das muss man deutlich sagen.

In Bremerhaven bemühen wir uns sehr ernsthaft darum, mehr niedergelassene Psychotherapeuten zu

gewinnen, die bereit sind, Sexualstraftäter zu behandeln, das ist aber sehr schwierig. Das ist bisher noch nicht gelungen, deshalb wird auch weiterhin für Bremerhaven diese Fachstelle für Gewaltprävention finanziert, das ist ganz klar.

Das Entscheidende ist: Wir haben zugesagt, wenn es in wenigen Einzelfällen dazu kommt, dass nicht sofort nach der Haft Psychotherapie erfolgen kann, dann wird das Justizressort eintreten und die Zwischenfinanzierung übernehmen. In aller Regel ist es so, wie der Abgeordnete Frehe das zutreffend gesagt hat, es wird durch die Krankenkassen finanziert. Wir haben bisher auch mit einer hohen Rate den direkten Anschluss der Therapie an die Haft gehabt, und das muss gewährleistet werden, das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Noch wenige Sätze zu dem Charité-Projekt: Dieses Charité-Projekt ist bundesweit angelegt gewesen, galt also auch für Bremen. Sexualstraftäter aus dem gesamten Bundesgebiet konnten sich dort melden, 800 haben sich gemeldet, und mit einer größeren Zahl ist auch verbindlicherer Kontakt aufgenommen worden. Das sind Leute, die noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, die sich aber selbst als gefährdet eingeschätzt haben. Natürlich ist das ein sinnvolles Projekt, aber man muss sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, dass das kleinste Bundesland jetzt hergeht und das Gleiche macht, was in Berlin für das gesamte Bundesgebiet aufgesetzt ist. Man muss die Evaluation dieses großen und wichtigen Projektes abwarten und dann einschätzen, ob es sinnvoll ist, das im Rahmen eines Landes wie Bremen auch zu machen. Das ist die Frage, die sich für das CharitéProjekt stellt. Man könnte darüber nachdenken, eine Beratungsstelle beim Gesundheitsamt einzurichten, die genau als eine solche Anlaufstelle dienen kann. Das muss aber natürlich im Gesundheitsressort geprüft werden und auch dort in dem Ausschuss, dorthin gehört es. Das kann auch nicht von hier überwiesen werden.

Von daher stimme ich allen zu, die hier sagen, wenn der Antrag in der Sache nicht für erledigt erklärt wird, dann muss er leider abgelehnt werden. Das Anliegen, darin sind wir uns völlig einig: Wir tun alles, was erforderlich und was nötig ist, um die Gewaltprävention bei Sexualstraftätern zu gewährleisten, und springen auch ein, wenn das erforderlich ist, aber es müssen immer die richtigen Maßnahmen sein. Wir können nicht mit Pädagogen versuchen, Sexualstraftäter zu behandeln, sondern das müssen vernünftige und im Grunde auch richtig erfahrene Psychotherapeuten sein. Das Beste ist aus unserer Erfahrung die Forensik, die wir in Bremen-Ost haben. Soweit das nicht in der Forensik geschieht, muss das durch die niedergelassenen Psychotherapeuten erfolgen, und das gewährleisten wir hier in Bremen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/164 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, Abg. T i t t m a n n [partei- los] und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

(FDP)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag des Rechtsausschusses, Drucksache 17/562, abstimmen.

Wer den Bemerkungen des Rechtsausschusses beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, DIE LINKE und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des Rechtsausschusses bei.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht des Rechtsausschusses, Drucksache 17/562, Kenntnis.

Kinderarmut und Bildung

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 7. Oktober 2008 (Drucksache 17/566)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 28. Oktober 2008

(Drucksache 17/583)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Rosenkötter, dass Sie darauf verzichten wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann können wir gleich in die Debatte eintreten. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Antwort ist durchaus ergebnisreich. Ich möchte in drei Bereichen darauf eingehen, einerseits auf den Bereich Schule, dann den Bereich „die Quartiere stärken“ und damit im Zusammenhang dann den Bereich frühkindliche Bildung, Kindergärten. Wir haben bei der Anfrage zur Kinderarmut und Bildung grundsätzlich zwei Fragestellungen, nämlich erstens: Was ist die Situation? Zweitens: Was tut die Politik, mit welchen Maßnahmen wird Kinderarmut bekämpft? Was kann die Bildungspolitik dabei tun, was kann die Bildungspolitik tun, um zu verhindern, dass aus Kinderarmut Bildungsarmut wird? Zusammenfassen möchte ich das Ergebnis von vornherein schon einmal so: Erstens, es sieht nicht gut aus bei der Bestandsaufnahme, und zweitens könnte und müsste die Politik deutlich mehr tun. Die soziale Spaltung der Stadt verstärkt sich selbst, sie ist ein mittlerweile bekanntes Phänomen, natürlich nicht nur in Bremen. Ob Ihre Maßnahmen die Verschlimmerung aufhalten, wird vor Ort, wie ich gelegentlich immer wieder von verschiedener Seite höre, angezweifelt. Selbst wenn ich als Oppositionspolitiker die Hoffnung äußere, dass die Verschlimmerung aufgehalten wird, werde ich mit Zweifeln angeschaut. Natürlich sind diese Zweifel auch unsere Zweifel. Was noch weniger geschieht, ist wirklich eine Verbesserung, und in Ihrem Bericht ist gerade auch diese Problematik offen angesprochen. Ich komme zu den einzelnen Punkten: In der Vorbemerkung des Senats wird auf den Armuts- und Reichtumsbericht verwiesen. Das finde ich sehr gut, als Zielwert wird angegeben, eine integrierte Strategie zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts zu implementieren. Das ist natürlich ein wirklicher Pluspunkt. Wir sind gespannt, wir erkennen in dieser Konzeption eine Parallele zu unserer Strategie des Masterplans Armut, dass man wirklich eine vernetzte Struktur schafft und sich bei dieser Entwicklung und bei allen Bereichen fragt, was die Wirkung auf die Frage der weiteren Spaltung ist, Vertiefung der Spaltung oder aber auch Zurückführung der Spaltung in der Stadt, die wir ja anstreben wollen. Dies mit Ihrem Armuts- und Reichtumsbericht zu verbinden, kann ein ähnliches Ziel verfolgen, so hören wir es hier, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

und so lesen wir es hier in der Antwort. Das finden wir gut, wir sind gespannt darauf, und wir würden es gut finden, wenn diese Frage dann auch mit den Betroffenen diskutiert wird, ob das tatsächlich erreicht wird, damit wir uns nicht als Politik hier zu sehr mit den Hoffnungen begnügen und vielleicht noch hier und dort positive Meldungen wahrnehmen von möglicherweise einer Seite, die uns etwas Angenehmes berichten will.

Wir müssen bei extra Versammlungen die Betroffenen und die vor Ort Arbeitenden einbeziehen, um diese Frage zu klären. Ich bin gespannt: Wir würden uns als LINKE gern daran beteiligen, das wäre ein guter Weg, der diesen Bereich der Kinderarmut dann auch betrifft, der nun wirklich auch mit Recht eigentlich vorn ansteht im öffentlichen Interesse.

Für den Handlungsbedarf und die Analyse zitieren Sie beim Bereich Schule den Sonderberichterstatter der UN, Vernor Muñoz. Ich zitiere aus Ihrer Antwort mit Genehmigung des Präsidenten: „Die im Muñoz-Bericht zusammengestellten Beobachtungen und Empfehlungen enthalten zwar keine wesentlich neuen Erkenntnisse, bestätigen aber Grundpositionen des Senats, insbesondere die Kritik am mehrgliedrigen Schulsystem, das“ – da wird Muñoz zitiert – „‚sehr selektiv und sicher auch diskriminierend’ an der Politik der Absonderung’“, auch wieder von Muñoz zitiert, „,von behinderten Kindern’ werden vom Senat geteilt.“ Sie stimmen Muñoz in diesen Kritikpunkten zu: Gliedrigkeit ist selektiv und diskriminierend, und die Politik der Absonderung in Bezug auf Kinder mit besonderem Förderungsbedarf desgleichen. Der Senat schreibt hier weiter: „Das gilt auch für die Kritik von Vernor Muñoz an einer verbreiteten Haltung gegenüber Kindern, die“ – wieder Zitat Muñoz – „‚Defizite und nicht das Potenzial zu betonen’.“

Ich frage mich nur, wie der Senat das zusammenbringt mit seiner Absicht, eben nicht das mehrgliedrige Schulsystem verlässlich und absehbar zu überwinden in dieser Legislaturperiode und auch nicht absehbar danach. Wir haben auch eine Fortsetzung der Politik der Absonderung. Wir haben alle, denke ich, einen Brief von den Eltern bekommen, die sich für eine Schule für alle einsetzen, gerade im Interesse der Kinder mit besonderem Förderbedarf, und dies auch noch einmal einfordern per Brief vom 5. Dezember, dass es eine Schule für alle, und wirklich für alle sein muss, und dass es nicht geht, hier einerseits Gymnasiasten und andererseits Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf weiterhin abzusondern. Wie ich schon sagte, gerade bei den Betroffenen ist der Zweifel sehr groß, dass hier überhaupt irgendein Fortschritt passiert.

Tatsächlich muss man schon sehr fantasievoll sein, um gerade in der Schulentwicklung im Moment einen Fortschritt zu erkennen. Wir wissen, dass nicht alles mit einem Ruck zu machen ist, aber es fehlt mittlerweile sehr klar die glaubwürdige Perspekti

ve. Die Defizite, die eben zu dieser sozialen Spaltung führen, und dass eben Kinderarmut dann auch Bildungsarmut wird, werden so nicht ausgeglichen. Wir haben positive Aussagen vonseiten der Lehrergewerkschaft, dass dies möglich sei, wir haben positive Aussagen vom Zentralelternbeirat. Die Schülerinnen und Schüler sind hier auf dem Marktplatz auf der Straße gewesen und haben gerade diese gemeinschaftliche und individuelle Förderung verlangt. Die Selektion gehörte mit zu den Dingen, die denen nicht gepasst haben. Ich habe das selbst genau miterlebt. Wo der Beifall dann sehr stark war, waren gerade dieses Selektionsprinzip und der Druck, der davon ausgeht, auch nach der Selektion, auch noch in den Gymnasien.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Zu welchem Thema reden Sie hier eigentlich?)