Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen wir zu den Zahlen: Es wurde ja vorhin gesagt, man solle nicht immer auf Excel-Tabellen starren. Jetzt finde ich es durchaus sympathisch, denn es zeigt einem ein bisschen, was wir eigentlich tun müssen, um bis 2020 diese Form von Ergebnis zu erzielen. Nun sind schon Zahlen im Raum, dass man irgendwo 30 Millionen Euro im Jahr wegsparen muss, bis 2020 würde es sich auf 300 Millionen Euro aufsummieren. Ich glaube, das ist zu wenig!

Ich habe einmal die Eckwerte der Senatorin für Finanzen bis 2013 genommen, wenn man diese in die Perspektive bis 2020 rechnet, stellt sich die Frage, was eigentlich eintreten muss, damit wir 2020 tatsächlich einen ausgeglichenen Haushalt haben. Bis 2013 werden Einnahmeerhöhungen von 2,5 Prozent im Jahr prognostiziert, die ich bis 2020 weitergerechnet habe. Solch eine Phase gab es in Bremen zwar noch nie, aber ich habe es trotzdem einmal gemacht. Dann habe ich geschaut, wie die Primärausgaben steigen, also alles außer Zinsen: 1,3 Prozent bis 2013. Auch das habe ich genommen und weitergeschrieben, das reichte nicht, man muss herunter auf 1,2 Prozent, und selbst dann muss man noch Glück haben, dass die Zinsen, die bis 2013 bei 4,6 Prozent prognostiziert werden, auch bis 2020 bei 4,6 Prozent bleiben.

Wenn das alles funktioniert, dann haben wir mit den 300 Millionen Euro höchstwahrscheinlich einen ausgeglichenen Haushalt. In dieser Zeit haben wir in einer solchen Rechnung aber weder Tarifsteigerungen noch irgendeine Form von Inflationsrate berücksichtigt. Macht man das einmal spaßeshalber – wir werden wahrscheinlich 2 Prozent Tarif- und 2 Prozent Inflationsrate haben –, dann geben wir 2020 ungefähr 400 Millionen Euro weniger im Primärhaushalt aus, das macht ein Ausgabenniveau von ungefähr 90 Prozent von heute.

Jetzt möchte ich noch einmal eine Erklärung abgeben. Erstens: Wir brauchen optimale Einnahmebedingungen! Zweitens: Wir brauchen einen richtig restriktiven Sparkurs, und wir müssen Glück haben, dass die Inflationsrate bei zwei Prozent bleibt und die Beschäftigten mit Einnahmesteigerungen, die möglicherweise unter der Inflationsrate liegen, zufrieden sind. Das Ergebnis der Föderalismusreform unter solchen Bedingungen als Chance zu begreifen, muss man mir noch einmal vorrechnen. Ich sage, das ist der Einstieg in eine weitere Sparrunde, und am Ende werden wir wieder mehr Leute haben, die arm sind, wir werden noch schlechtere Schulen haben und eine noch schlechtere Gesundheitsversorgung.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Welche Alternative schlägt DIE LINKE vor?)

Herr Kollege Dr. Kuhn, keine Hast! Vielleicht können Sie sich angewöhnen, mir die Fragen zu stellen, wenn ich mit meiner Rede fertig bin, dann müssen Sie nicht immer dazwischenrufen!

(Beifall bei der LINKEN)

Das macht er gern, ich weiß.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Eigentlich eine parlamentarische Gepflogenheit!)

Blicken wir noch einmal auf die Frage der Ergebnisse der Föderalismusreformkommission: Ansonsten wahr ist, es ist schon gesagt worden, es gibt keine Altschulden. Wahr ist auch, dass wir 2020 eine Form von fiskalischen Handschellen haben werden. Ich teile nicht die Einschätzung, dass es keine Auswirkungen auf Privatisierungsdruck, auf Verarmung öffentlicher Haushalte oder auf eine Beibehaltung von Haushaltsnotstand in den Ländern hat, denn diese Föderalismusreformkommission hat natürlich eins gemacht: Sie hat die Länder zusammengesetzt und gesagt, ein paar seien arm, ein paar seien zurzeit reich; einigt euch einmal, verschiebt die Kohle untereinander! Das ist auch der beste Trick: Zunächst beschließt man Steuererleichterungen, die Kommunen und Länder arm machen, und dann setzt man sich an einen Tisch und sagt, seht einmal zu, wie ihr mit dem wenigen Geld auskommt! Das ist Teilen und Herrschen und überhaupt keine vernünftige Alternative!

(Beifall bei der LINKEN)

Man kann – und ich wäre sehr dafür, wenn das ginge – den Haushalt in Bremen bis 2020 unter der Bedingung sanieren, dass wir zwei bis drei Prozent Primärausgabensteigerung jedes Jahr haben, möglicherweise etwas mehr, und darauf brauchen wir ungefähr 1,5 Prozent Einnahmesteigerung jedes Jahr. Dann ha

ben wir eine Chance, den bremischen Haushalt sowohl fiskalisch zu sanieren als auch zu vermeiden, dass wir weitere soziale und ökologische Schulden in einem Maße anhäufen, das, wenn man den jetzigen Kurs nimmt, den Wert von ungefähr 2,8 Milliarden Euro hätte, dann kann man das vermeiden. Dazu muss man im Bund aufhören, so zu tun, als könne man eine Gesellschaft wie diese, eine soziale Marktwirtschaft, einen ökologischen Umbau, eine Armutsbekämpfung bekommen, ohne die Steuern zu erhöhen, das wird nicht gehen! Wir werden darüber reden müssen: Einkommensteuer, hohe Einkommen, Vermögensteuer, wir werden Gewinne weiter versteuern müssen, und wir werden zusehen müssen, dass man beispielsweise bei der Erbschaftsteuer nachlegt! Ohne das wird es nicht gehen, und ohne das werden Sie gezwungen, trotz aller Rhetorik, dass Sie es nicht wollen, dieses Land weiter kaputtzusparen. Am Ende wird es 2020 so sein, dass dieses Land kaputtgespart worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich empfehle dringend, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, was Schulden und Steuern eigentlich sind. Wir haben ja völlig recht, wir haben eine Situation, in der es, wenn es gut geht, wenn wir beispielsweise Mehreinnahmen im Bundeshaushalt haben, Leute kommen und sagen, jetzt können wir eine Steuererleichterung haben, aus dieser Ecke vor allem, Sie sagen, jetzt muss man irgendwie die Leute entlasten.

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Aus dieser Seite heißt es, nicht aus dieser Ecke!)

Wenn es schlecht läuft, sagen Sie, jetzt müssen wir dringend Steuererleichterung haben, damit es wieder besser läuft. Ich befürchte, so geht es nicht! Wenn wir jedes Jahr die Steuern erleichtern, hätte es schon längst besser werden müssen, denn das haben wir zehn Jahre lang getan, und es ist nicht besser geworden. So funktioniert es nicht, und wir werden darüber reden müssen, dass bestimmte Formen von Steuern in diesem Land einen Wert haben, nämlich den Wert einer lebenswerten Stadt, einer lebenswerten Kommune und eines lebenswerten Landes, und dafür werden wir gemeinsam werben müssen!

Wir werden auch dafür werben müssen, dass möglicherweise Schulden nicht gleich Schulden sind. Wir werden akzeptieren müssen, dass wir für bestimmte Dinge Geld ausgeben, vielleicht auch für Dinge, die sich rentieren. Um die Stadtwerke der swb zu kaufen, müsste man Schulden machen. Wir zahlen 4,6 Prozent. Wenn wir realistisch davon ausgehen, dass die swb fünf bis sechs Prozent Gewinn macht, wäre es sozusagen betriebswirtschafticher Blödsinn, dies nicht zu kaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen gibt es eine Schuldendebatte jenseits von einfacher populistischer Rhetorik, wir müssen eine Debatte führen, die sich wieder an den Interessen der Gesellschaft orientiert.

Als Letztes: Es ist auch nicht besonders lohnenswert zu sagen, Bremens Einnahmen müssten sich an der Wirtschaftskraft messen. Ich würde es ja teilen, aber das wäre nicht mein erstes Ziel. Mein erstes Ziel ist immer noch, dass jeder Mensch in der Bundesrepublik und beileibe auch weltweit, aber insbesondere hier in der Bundesrepublik und in Bremen, ein Recht auf eine vernünftige Ausbildung, auf eine vernünftige Wohnung, auf ein vernünftiges Einkommen und ein würdevolles Leben hat!

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen muss sich eine reiche Gesellschaft so organisieren, dass sie für möglichst viele oder möglichst alle Menschen diese Basis organisiert. Das bedeutet wiederum Steuern, und dass die Frage der Wirtschaftskraft eines Bundeslandes nicht die erste Frage ist, die man stellt, sondern die erste Frage ist, erlaubt diese Politik, die wir machen, möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Leben oder nicht? Mit dem, was zurzeit auf der Tagesordnung ist, steht zu befürchten, dass es 2020 noch weniger Menschen gibt, die das haben. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass wir heute die Debatte führen können, und ich freue mich natürlich auch darüber, dass in dieser Debatte die FDP schon in aller Munde war. Das ist positiv für die Liberalen, weil wir immer gute Vorschläge machen, über die man auch immer gut debattieren kann!

(Beifall bei der FDP)

Ich bin außerdem froh darüber, dass wir über ein Ergebnis der Föderalismusreformkommission sprechen können, denn ein Ergebnis ist immer besser als gar kein Ergebnis, und deshalb haben wir auch unter Beteiligung der FDP und der Bremer FDP bis zum Schluss darum gerungen, dass ein Ergebnis dabei herauskommt.

(Beifall bei der FDP)

Nun kann man natürlich sagen, dass es ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, ich würde mich diesem Sprichwort jetzt annähern, obwohl es nicht ganz geglückt ist: Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach! 300 Millionen Euro sind eine

Menge Geld, und damit kommen wir erst einmal ein Stück weiter, und wenn wir uns selbst nur auf die Position zurückziehen, wir haben dadurch eine Atempause gewonnen, uns weiter zu strukturieren.

Zu Beginn möchte ich darauf eingehen, was der Kollege Dr. Sieling gesagt hat: Nicht wir haben die swb-Debatte losgetreten, wir haben diese swb-Debatte, dass Bremen eventuell Interesse daran hat – –.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Nach Ber- lin getragen!)

Nein, wir haben sie auch nicht nach Berlin getragen! Im „Weser-Kurier“, den man auch in Berlin kaufen kann, stand es wunderbar und ausgesprochen deutlich, und daraus haben wir es entnommen. Wir haben es dann natürlich kommentiert, anschließend auch im Zusammenhang mit dem geplanten Klinikkauf in Lilienthal, da ist ein wenig die Bodenhaftung verloren gegangen.

(Beifall bei der FDP)

Man kann nicht auf der einen Seite argumentieren, wir brauchen Geld, und bitte, andere Länder, setzt euch mit unserer Lage auseinander und schaut einmal, dass wir nichts in unserer Kasse haben, auf der anderen Seite aber argumentieren, wir könnten uns an diesem Unternehmen beteiligen! Das macht sicher in der Bundesrepublik und in anderen Bundesländern keine gute Stimmung.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben uns immer an dieser Debatte unter dem Stichwort „Bremens Selbstständigkeit sichern“ beteiligt, denn wir sind als FDP immer die Bremen-Partei gewesen, die für die bremische Selbstständigkeit einsteht. Deshalb haben wir auch ausdrücklich unterstützt, dass wir eigentlich eine Regelung für Altschulden brauchen und dass wir unbedingt eine Änderung des Länderfinanzausgleichs brauchen mit einer gerechteren Steuerverteilung und einer höheren Berücksichtigung der Hafenlasten und aller anderen Themen, die damit einhergehen.

(Beifall bei der FDP)

In der Debatte, die sich über lange Zeit hinggezogen hat – und da hätten wir gern mehr bremische Impulse gesehen –, haben wir gesehen, dass dies im Moment nicht umsetzbar ist. Deshalb begrüßen wir es auf der einen Seite, dass die 300 Millionen Euro jetzt jährlich als Zinsbeihilfen an Bremen fließen, auf der anderen Seite sind hier aber heute Morgen auch eine Menge Nebelkerzen geworfen worden, ich denke, die Verkäufer von Nebelkerzen können sich freuen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist nicht gesagt worden, wie und wo wir die Einsparungen erbringen wollen und mit welcher Strategie wir vorgehen wollen, dass wir nachhaltig sparen können.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte jetzt nicht noch einmal die Debatte über Gewoba und BLG eröffnen, das können wir erst einmal beiseite schieben, darüber werden wir uns im ersten Schritt nicht einigen, das ist völlig klar.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Im zwei- ten auch nicht!)

Das werden wir dann im Lichte der weiteren Entwicklung betrachten, es ist völlig klar, dass wir dort zunächst einen Dissens haben. Ich möchte aber, um es ganz deutlich zu sagen, es nicht Pakt für Bremen nennen, denn es ist heute mit Recht darauf hingewiesen worden, wir hatten schon so viele Pakt-Geschichten, und wir haben schon so viele Vereinbarungen unterschrieben! Ich kann mich an eine große Veranstaltung im Rathaus erinnern, bei der alle an einer langen Tafel saßen, ich glaube, es war 1994, da gibt es auch so ein legendäres Foto, das man als Postkarte fast auseinanderklappen kann. Wir müssen doch zu einer einheitlichen Linie kommen! Deshalb nehme ich die Debatte heute noch einmal so auf: Das war auf der einen Seite der Aufgalopp von RotGrün, die den Bürgermeister und die Bürgermeisterin gelobt haben, das ist aus dieser Sicht auch in Ordnung, und das war auf der anderen Seite noch einmal ein Nachgeplänkel und eine Nachhutveranstaltung: Große Koalition Ade!

Wenn wir aber mit Bremen nach dieser Situation weiterkommen wollen, müssen wir unter diese Debatte endgültig einen Schlussstrich ziehen und uns fragen, wo die Einsparpotenziale sind.

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. S i e - l i n g [SPD]: Gestaltungspotenzial!)

Im normalen Leben ist Sparen eigentlich etwas Positives. Kein Mensch spart sich kaputt, sondern man spart normalerweise, weil man gern Geld haben möchte, das man in einer anderen Situation ausgeben kann. Deshalb finde ich auch dieses Totschlagargument, man dürfe Bremen nicht kaputtsparen, bevor man überhaupt mit der Diskussion begonnen hat, problematisch.