Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem Beitrag der Frau Senatorin ist mir wichtig, einen Sachverhalt hier nicht stehen zu lassen. Ich halte es schon für sehr wesentlich, dass wir hier auch wirklich bei dem bleiben, was hier gesagt worden ist.
Ich darf Ihnen noch einmal einen Satz aus meiner Rede in Erinnerung rufen. Ich habe mich wörtlich dafür ausgesprochen, dass wir die Bearbeitung von bestimmten Problemthemen im Kontext beider Geschlechter fordern. Das habe ich vorhin hier gesagt, auch zu dem hier angesprochenen Sachverhalt. Ich halte es schon für wichtig, dass man hier differenziert an die Themen herangeht, auch das ist Inhalt meines Redebeitrags gewesen. Allerdings denke ich schon, das ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass es rituelle Beschneidungen bei beiden Geschlechtern gibt, und das hier festzustellen, denke ich, ist nur redlich und der Sache auch dienlich, wenn man über diesen Kontext spricht.
Ich halte es auch für angemessen, dass man dieses Thema hier nicht verschweigt. Wir können uns auch gern einmal differenziert damit auseinandersetzen. Ich halte überhaupt nichts davon, Frau Senatorin, das habe ich hier auch mehrfach gesagt, dass man diese Themen gegeneinander ausspielt oder gegeneinander setzt. Wir wollen beide Geschlechter in gleicher Weise berücksichtigen. Das ist übrigens auch Thema dieses Antrags, das ist hier bei vielen Beiträgen nicht so herausgekommen, aber darum ging es hier, und das ist das, was ich in meinem ersten Re––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
debeitrag hier versucht habe, deutlich zu machen. Ich hoffe, dass die Klarstellung dies auch deutlich macht, dass es uns nicht darum geht, hier das eine gegen das andere zu setzen. – Herzlichen Dank!
Wer das Gesetz zur Sicherung der Chancengleichheit von Jungen und Männern und zur Umsetzung des Gender Mainstreaming, Drucksache 17/665, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten. – Das ist der Fall.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Anfrage zu Kettenduldungen im Land Bremen ist uns besonders wichtig. Man könnte sagen, sie ist uns eine Herzensangelegenheit, denn unsere geduldeten Mitbürgerinnen und Mitbürger haben mit sehr schwierigen Lebensbedingungen zu kämpfen. Ich habe selbst oft genug mitbekommen, welche Probleme eine Duldung mit sich bringt und welche Auswirkungen sie auf betroffene Menschen hat.
Zurzeit bekommt ja auch die Öffentlichkeit einen solchen Fall mit, dass eine Familie nach 21 Jahren Duldung abgeschoben werden soll. Das ist absolut unfassbar! Es ist unmenschlich, dass Kettenduldungen teilweise über 20 Jahre dauern und der Senat den Betroffenen ihre zumindest humanitären Rechte verweigert. Bei solch einer Rechtspraxis wundert mich die Lage in Bremen überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich denke, dieser öffentlich bekannt gewordene Fall ist nur die Spitze des Eisbergs und stellt ganz deutlich dar, wie wenig hier von den rechtlichen Aufnahmemöglichkeiten Gebrauch gemacht wird. In dieser Angelegenheit praktiziert Bremen Hardliner-Politik, liebe Damen und Herren. Kettenduldungen sind menschenunwürdig, erniedrigend und humanitär unhaltbar.
Der Status einer Duldung beherrscht alle Lebensbereiche der betroffenen Menschen und hat fatale Auswirkungen auf ihr Leben, auf ihre Gesundheit, Bildung, sozialen Kontakte, einfach auf alles. Geduldete Menschen können ihren Kindern und Familien keine Antworten auf deren Fragen nach der Zukunft geben und keine Perspektiven bieten. Sie können sich noch nicht einmal frei bewegen, sondern müssen die Behörden um Erlaubnis fragen, wenn sie das Gebiet des Landes Bremen verlassen möchten. Ein solches Leben ist erniedrigend und unwürdig, und es ist ein unhaltbarer und absolut unzumutbarer Zustand, wenn er sich über Jahre hinzieht. Wenn eine vorübergehende Duldung zur Kette wird und dieser unsichere Status zum Dauerzustand, dann bedeutet das eine menschliche Tragödie.
Deshalb muss es allererste Priorität sein, diesen rechtlichen Schwebezustand schnellstmöglich und flächendeckend zu beenden, meine Damen und Herren.
Dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden wurden rechtliche Instrumente in die Hand gegeben, einen Abbau der Kettenduldung voranzutreiben. Trotzdem gibt es immer noch im Land Bremen 2487 geduldete Personen. Das sind meiner Meinung nach genau 2487 zu viel, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, die deutlich machen, warum ich hier von einer HardlinerPolitik spreche. Bremen war bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für langjährig Geduldete im Rahmen der Bleiberechtsregelung vom Jahr 2006 kein Leuchtturm, sondern einsames Schlusslicht. Nur zwölf Prozent der geduldeten Personen in Bremen haben eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, im Vergleich dazu haben selbst in Bayern 48 Prozent eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Das ist vor allem vor dem Hintergrund unverständlich, dass circa 60 Prozent der 110 000 Geduldeten in Deutschland schon über sechs Jahre hier sind. In Bremen fallen diese Zahlen noch drastischer aus. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag waren über 90 Prozent der Geduldeten in Bremen schon länger als sechs Jahre hier. Kettenduldungen bedeuten eine emotionale Sackgasse für die Betroffenen, das muss man sich immer wieder klarmachen. Gerade für junge Menschen ist dieser Zustand zermürbend, sie haben einen Großteil ihres Lebens hier verbracht, gehen hier zur Schule und haben hier ihr gesamtes soziales Umfeld. Unsere Anfrage war notwendig, um auch einmal die breite Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Allerdings lassen die Antworten des Senats noch viele Fragen offen. So hat der Senat beispielsweise geantwortet, dass er die Verwaltung in Erlassen angewiesen hat, das Aufenthaltsrecht möglichst großzügig auszulegen. Eine großzügige Auslegung sieht für mich anders aus, meine Damen und Herren. Das hört sich auch alles schön und gut an, was Sie dort geschrieben haben, aber leider haben Sie manchmal dabei vergessen, auf unsere Fragen zu antworten. Es wäre überhaupt kein Problem für den Senat gewesen, die Aufenthaltsdauer der in Bremen geduldeten Personen herauszufinden. Nächstes Mal bieten wir Ihnen gern unsere Hilfe und unser Wissen an, liebe Kolleginnen und Kollegen vom Senat, aber ich gebe zu, die Zahlen hätten ein etwas anderes Bild von der Situation dargestellt, und zwar ein viel, viel dramatischeres. Alles in allem sind die Antworten des Senats zwar schön formuliert, aber leider meistens eine leere Hülle ohne Inhalt. Sie haben einfach unsere Fragen übergangen und haben immer schön auf die rechtliche Situation aufmerksam gemacht. Die kennen wir aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was wir wollten, waren Antworten, und die ist uns der Senat leider allzu oft schuldig geblieben. Im Interesse der Menschen mit einer Duldung in Bremen werden wir die Entwicklung der Kettenduldungen weiter beobachten. Irgendjemand muss ja auch darauf achten, dass Sie Ihre eigenen Koalitionsvereinbarungen nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema der Kettenduldungen ist für uns in Bremen nach wie vor ein zentrales Thema. Es ist aber auch kein einfaches, denn wir befinden uns in einem Spannungsverhältnis zwischen dem, was zwölf Jahre lang durch den damaligen CDU-Innensenator bewusst gelenkt wurde, und dem derzeitigen Stand, die Reduzierung dieser Aufenthaltstitel vorzunehmen. Aus unserem Gutachten, welches die grüne Fraktion im Jahr 2006 herausgegeben hat, geht eindeutig hervor, dass es damals politisch gewollt war, Personen über Jahre in der Duldung zu halten, die Aufenthaltserlaubnisse nur für einzelne Wochen zu verlängern, anstatt Familien aus Bürgerkriegsregionen die ständige Angst vor Abschiebungen zu nehmen und ihnen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Rot-Grün hat sich zur Aufgabe gemacht, meine Damen und Herren, genau dies zu ändern!
Wie aus der Antwort des Senats hervorgeht, konnten bis zum Stichtag am 30. September 2008 – wir haben auch inzwischen aktuelle Zahlen, dafür bedanke ich mich bei dem Innenressort – etwa 712 Menschen ihre sogenannten Kettenduldungen in Aufenthaltserlaubnisse umwandeln. Ein Teil dieser Erlaubnisse wurde nach der Bleiberechtsregelung der Innenminister, ein weiterer Teil nach der Altfallregelung erteilt, wobei die Bremer Erlasse in der Praxis der Ausländerbehörde ermöglichen, Ermessensspielräume bei der Einzelüberprüfung zu nutzen. Zudem liegen aktuell 191 Anträge vor, die noch nicht entschieden sind, dort hoffen wir ebenfalls auf eine positive Entscheidung. So sind es insgesamt circa 1000 Menschen, die von der genannten Regelung profitiert haben oder noch profitieren werden. In keinem der zurückliegenden Jahre, das möchte ich gern betonen, gelang dies in diesem hohen Umfang, Duldungen in Aufenthaltserlaubnisse umzuwandeln. Wir begrüßen das als Fraktion sehr!
Dennoch können wir uns auf diesen Ergebnissen nicht ausruhen. Wir müssen die 700 Personen zur Anzahl der Menschen ins Verhältnis setzen, die heute noch mit einer Duldung in Bremen leben. Aktuell sind dies 2451 Personen. Wir wollen diese Anzahl weiterhin reduzieren, dazu gehört natürlich ein ordentliches Verfahren, das denjenigen, die vor allem von Passlosigkeit betroffen sind, gerecht wird. 60 Prozent der Geduldeten in Bremen, meine Damen und Herren, bleiben gegenwärtig in diesem Status, im Status der Duldung, weil ihnen die Papiere fehlen.
(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Weil sie sie weggeworfen haben!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)
Das scheint mir ein unvertretbar hoher Anteil, der sich offenbar zum Teil daraus erklärt, dass die zuständigen Dienststellen nicht flexibel genug sind. Wir haben Kenntnis von Fällen, in denen sich Bremer Behörden dagegen sperren, Passersatzpapiere auszustellen. Damit nehmen sie den Betroffenen die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung zu bekommen. In diesen Fällen ist es entweder unmöglich, aus den Herkunftsländern einen Pass zu bekommen, oder es liegen andere Gründe vor. Aber wenn die Betroffenen sich darum bemühen und es auch nachweisen können, dann kann es doch keinen Grund geben, ihnen die Ausstellung eines in Deutschland lebensnotwendigen Papiers zu verwehren. Selbst bei Jugendlichen, die gut in Schulen, in Gymnasien, in Ausbildung sind, integrierte Migranten, ist es manchmal der Fall, dass es einzig und allein an der fehlenden Bereitschaft der Behörde scheitert, tätig zu werden. In diesen Fällen kommt es mir so vor, als sei ein wesentlicher Faktor nicht etwa eine gesetzliche Bestimmung oder die starre Rechtslage, sondern woran es hier fehlt, ist die gegenüber zu früher veränderte Einstellung im Ermessensspielraum. Zugegeben, jahrelang haben die Verwaltungen in erster Linie im Sinne der möglichst zügigen Beendigung des Aufenthalts gehandelt. Dem einen oder anderen fällt es vielleicht heute schwer, flexibler oder eher im Sinne der Betroffenen zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum Schluss! Wir müssen alles tun, damit die zuständigen Stellen unseren Paradigmenwechsel durch Rot-Grün übernehmen, damit die Verwaltung das mitmacht und damit die integrationspolitische Zielsetzung, die ja auch in diesem Hohen Haus immer wieder bekräftigt wird, nicht durch Unkenntnis oder Unwillen konterkariert wird. Meine Damen und Herren, Kettenduldungen machen Menschen unfrei. In dieser Freiheit und in dieser Demokratie, in der wir gern leben, müssen wir diese Freiheit bewahren, aber auch weitertragen und sie auch mit den anderen ein Stück teilen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir Kettenduldung in diesem Haus diskutieren. Ich habe einmal geschaut, es lag bereits ein Antrag am 4. Dezember 2007 vor. Danach hat es dann weitere Debatten bis in den April und Mai im Jahre 2008 hinein gegeben. Das heißt, Kettenduldung ist ein Dauerthema, eben wie eine Kette, die uns hier beschäftigt. Wir als Sozialdemokraten haben schon damals erklärt, wir wollen diese Kettenduldungen nicht mehr und haben in dem Antrag auch den Senat gebeten und auf––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.