(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Zinsen für die Schulden füh- ren dazu, dass es hungrig zur Schule geht!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir könnten jetzt lange über die gesellschaftspolitische Konzeption streiten, aber ich möchte gern zu dem zurück, was uns vorliegt. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, und das ist schon öfter gesagt worden, die Finanzmarktkrise verunsichert die Menschen zutiefst, das spürt man jeden Tag. Darauf muss Politik reagieren, wenn Politik ernst genommen werden will.
Es ist gesellschaftlich wichtig, für Stabilisierung zu sorgen, auch für Beschäftigung zu sorgen und auch Beschäftigung zu schaffen. Deshalb, und das betone ich ausdrücklich, begrüßen wir grundsätzlich die Investitionen, die durch das Konjunkturprogramm in Bremen und Bremerhaven geschaffen werden sollen.
Gegen ein Feuerlösch- und Polizeiboot kann man genauso wenig etwas sagen wie gegen eine Schulgebäudesanierung, denn es kann ja nicht sein, dass es in dieses Schulgebäude hineinregnet und die Schülerinnen und Schüler in ein marodes Gebäude gehen sollen. Das gilt genauso für andere Bereiche, für Kindergärten und für Schulturnhallen.
Bei Bädern und Sportanlagen ist es ganz ähnlich, und deshalb begrüßen wir dies. Wir müssen allerdings auch, wenn man diese Debatte führt, das ist heute aber zu weit gegriffen, natürlich fragen, wer für diesen Sanierungsstau über diese vielen Jahre denn überhaupt verantwortlich ist. Wer hat diesen Sanierungsstau überhaupt herbeigeführt?
Wir werden uns aber, und das sage ich hier auch gleich am Anfang noch einmal deutlich, bei der Abstimmung nachher enthalten. Wir werden dem Nachtragshaushalt und den einzelnen Punkten nicht zustimmen, weil wir es für intransparent und unausgewogen halten, wie dieses Programm zustande gekommen ist. Wobei sich das Wort „intransparent“ bei uns auf einen anderen Aspekt bezieht. Intransparenz bedeutet für uns, es ist für uns völlig unklar, wie die einzelnen Programmpunkte in dieses Programm gekommen sind. Wer hat sie aufgestellt, woher sind sie gekommen, wer unterstützt sie, wer ist dafür verantwortlich? (Beifall bei der FDP)
Wir haben das ja in den Debatten der vergangenen Tage und Wochen erlebt, in den Deputationen und Ausschüssen, es ist immer wieder danach gefragt worden, ob es eine Liste gibt. Wir wissen mittlerweile, es gibt in einigen Bereichen Listen, in anderen Bereichen gibt es keine, und in dritten gibt es so etwas Ähnliches wie Listen. Wir wissen aber auch, dass es Anmeldungen von insgesamt einer Milliarde Euro gegeben haben soll, davon haben wir jetzt 120 Millionen Euro im Programm. Deshalb wissen wir genau, es gibt einen ganz breiten Bereich, der nicht berücksichtigt werden konnte. Wer hat wo entschieden und warum? Das müsste deutlicher gesagt werden, dann könnten wir uns diesem Programm auch deutlicher nähern. (Beifall bei der FDP)
Es ist klar, das hat die Finanzsenatorin gesagt, dieses Programm ist in Windeseile aufgestellt worden. Das merkt man an einigen Ecken und Enden auch deutlich, aber deshalb wäre es umso wichtiger gewesen, in diesen Bereichen deutlich darzustellen, warum man sich dafür entschieden hat und warum man sich beispielsweise gegen etwas anderes entschieden hat. Dies wird für uns ganz deutlich bei der Frage botanika, dort hätten wir lieber gesehen, dass botanika nicht in diesem Programm ist, sondern dass dieses Geld in den Bereich Bildung fließt, deshalb auch unser Petitum. Wir werden uns enthalten.
Ich möchte noch einmal den Aspekt aufgreifen, dass natürlich Konjunkturprogramme in der Vergangenheit öfter als einmal verpufft sind, dass sie auch Strohfeuer waren und dass man sich auch danach fragen muss: Wirken die gewählten Maßnahmen? Auf der anderen Seite wäre es für Bremen allerdings unklug gewesen, sich in diesem Fall zu enthalten, denn das Geld stand zur Verfügung, deshalb sollte und muss sich Bremen auch daran beteiligen. Es wäre ein falsches Signal nach außen gewesen, wenn wir das nicht getan hätten.
Wir müssen in dieser Debatte aber auch langfristig und nach vorn denken, deshalb will ich hier nicht vergessen, das noch einmal anzusprechen. Wir brauchen unbedingt Verwaltungsreform und Bürokratieabbau in Bremen! Das müssen wir gleich im nächsten Schritt angehen. Wir müssen das nachhaltig angehen, damit wir hier in diesen Bereichen auch sparen können.
Wir begrüßen ausdrücklich, was heute angekündigt worden ist, dass es bei der Auftragsvergabe ein sehr scharfes Controllingsystem geben soll, das kann man nur unterstützen, und das werden wir machen.
Ich fand es schade bei der Debatte heute, dass wir ja immer noch – ich hatte gehofft, dass wir es langsam einmal abgelegt hätten – in den alten FreundFeind-Bildern denken, wir arbeiten immer noch die Große Koalition auf und die mittlerweile regierende rot-grüne Koalition ab. Ich denke, wir sollten endlich davon Abschied nehmen, denn das ist wirklich nicht das, was die Menschen wollen. Die Menschen wollen Problemlösungen und nicht das Aufbauen von Feindbildern, die man in der Debatte anschließend wieder niederschlägt.
Wir sind gespannt auf den zweiten Nachtragshaushalt, der ja durch die Tariferhöhungen erforderlich wird. Auf der anderen Seite muss ich noch einmal zu der Geschichte mit den Derivaten sagen: Ich würde diesen Bereich lieber Zinssicherungsgeschäfte nennen, das war früher einmal so, ich finde, das hört sich solider an, weil wir ja jetzt mit Derivaten unsere Probleme haben. (Beifall bei der FDP)
Um es abschließend zusammenzufassen, wir stimmen dem Entwurf nicht zu, weil er unausgewogen ist, weil er intransparent ist und weil er kaum nachhaltig ist, und deshalb werden wir uns enthalten. – Vielen Dank! (Beifall bei der FDP)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur noch zwei ganz kurze Anmerkungen auch zu dem machen, was von den Regierungsvertreterinnen und -vertretern hier gesagt worden ist. Ihre Rede, sehr geehrter Herr Dr. Güldner, erinnert mich an einen Ausspruch eines Dortmunder Abwehrspielers, der gesagt hat: „Warum muss er auch unbedingt dahin laufen, wo ich hin grätsche?“ Ich habe vieles von dem, was Sie gesagt haben, gar nicht gesagt. Ich habe den Senat überhaupt nicht für die Schwerpunktsetzung, für die Investitionen in Bildungsinfrastruktur, in Kita und frühkindliche Bildung kritisiert, im Gegenteil, ich bin froh, dass der Senat diese Vorgabe des Bundes umsetzt. Es ist ein gemeinsames Anliegen, dass 65 Prozent der Mittel dort hineinfließen.
Aber bei der Auswahl der einzelnen Maßnahmen wird man doch noch einmal fragen dürfen, warum sich der Senat dafür entschieden hat, an dieser Schule, an diesem Kindergarten jetzt die Fenster zu streichen, oder gab es vielleicht noch eine Schule oder einen Kindergarten, die gern eine Mensa für die Mittagessenversorgung als Vorbereitung für die Ganztagschule gehabt hätten? Das ist eben der Kritikpunkt der CDU, wir können nicht erkennen, nach welchen Kriterien ausgerechnet diese Maßnahmen ausgewählt worden sind, und wir haben die Hoffnung, dass es aus der Liste noch andere Projekte gibt, die vielleicht nicht nur die Phase des Konjunkturprogramms überlebt hätten, sondern nachhaltig gewirkt hätten.
Handwerker natürlich vom Konjunkturprogramm profitieren zu lassen, aber hinterher auch nachhaltige Veränderungen in den beiden Städten unseres Landes herbeizuführen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Deswegen werden die Fenster ja nicht gestrichen, sondern ersetzt!)
Das ist der Anspruch, den wir an ein Konjunkturprogramm haben, und den haben Sie offensichtlich nicht, weil Sie die zweite Stufe eben nicht mitgehen. Es geht nicht nur darum, kurzfristig Beschäftigung zu organisieren, sondern es geht langfristig darum, die Standortqualitäten in unserem Bundesland zu verbessern und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen und Armut zu bekämpfen. Das ist unserer Auffassung nach der Weg, der gegangen werden muss.
Deswegen, das will ich auch noch einmal sagen, ist es kein Teufelszeug zu sagen, wir investieren in Gewerbeflächen, Herr Dr. Sieling. Man sieht es doch in Bremerhaven. Bremerhaven hat in qualitativer Hinsicht – quantitativ gibt es da auch genügend Gewerbeflächen – einen Mangel an Gewerbeflächen, um insbesondere in einer Zukunftsbranche die Unternehmen ansiedeln zu können. Deswegen ist es richtig, dass der Senat an dieser Stelle in Bremerhaven in die qualitative Entwicklung von Gewerbeflächen investiert. Ich wünschte mir nur, der Senat würde auch in Bremen in die qualitative Entwicklung von Gewerbeflächen investieren. Das tut er nicht, und das ist unsere Kritik am Senat.
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Sie haben doch gerade kritisiert, dass es nur um Bremerhaven geht!)
Wenn Sie sagen, Herr Röwekamp, wo ist Ihre Liste?, sage ich, wenn Sie mir die Liste von der einen Milliarde, die Frau Linnert hat, geben, dann kreuze ich Ihnen an, was die CDU-Bürgerschaftsfraktion daraus gemacht hätte.
(Heiterkeit bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: So stellt es sich die Opposition vor!)
Nichts anderes haben Sie ja auch gemacht, nur bei uns, Herr Dr. Sieling und Herr Dr. Güldner, geht es nicht darum, irgendwelche Stadtteilinteressen zu befriedigen. Uns geht es darum, den Menschen –
ja, was machen Sie denn in Blumenthal? – über die kurzfristige Beschäftigung hinaus eine langfristige Perspektive am Arbeitsmarkt zu organisieren, und daran fehlt es tatsächlich in diesem Programm.
Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Beratungen mit Herrn Rupp im Haushalts- und Finanzausschuss. Wir haben extra schon verabredet, uns in der nächsten Woche eine Stunde früher zu treffen als sonst. Nach der Ankündigung, die Sie eben getätigt haben, Herr Rupp, bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir nicht schon morgens um 7.00 Uhr anfangen sollten, denn das Ergebnis Ihrer Aussagen hier ist, wenn Sie sagen, wir wollen nicht nur in die Gebäude investieren, wir müssen Lehrer einstellen, wir müssen Kindergärtnerinnen einstellen. Das Ergebnis Ihrer Liste ist, dass wir am Ende vielleicht 60 Millionen aus Landesmitteln ausgeben und null Million aus Berlin bekommen, weil keines der Projekte, die Sie hier angesprochen haben, den Kriterien der Bundesregierung und des Konjunkturprogramms II entspricht. Das ist die Wahrheit.
Das ist an der Grenze der Seriosität, das ist populär, sich hier vorn hinzustellen und den Menschen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Es hat nur mit dem, was vor uns liegt, mit der Bekämpfung von konjunkturellen Schwierigkeiten und der kurzfristigen Lösung dafür, überhaupt nichts zu tun. Das will ich nur sagen, und das können wir im Haushalts- und Finanzausschuss auch relativ schnell abhandeln.
Ich bin sehr froh, dass wir dann am Ende doch mit dem Senat ein transparentes Verfahren zur Beratung über den Nachtragshaushalt gefunden haben. Denn der ursprüngliche Ansatz der Koalition war ja, dass wir heute gar keine Bürgerschaftssitzung haben, sondern dass das, was der Senat beschließt, über den Weg der Selbstbefassung in den Haushalts- und Finanzausschuss kommen sollte und von den Fraktionen dann der Senatshaushalt eingebracht wird, ich finde das richtig.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das haben wir nie vorgeschlagen! Wie war denn das mit der Grätsche?)
Wir haben noch eine Woche Zeit, die Projektliste auf Kriterien zu überprüfen. Wir haben noch die Möglichkeit, in dieser Woche festzustellen, ob es nicht dringendere und nachhaltigere Lösungen für diese Mittel gibt, die wir in Bremen noch effizienter einsetzen können, als es die bisherige Vorschlagsliste des Senats auch vorsieht. Ich habe die Hoffnung, dass die rot-grüne Regierung diese Flexibilität noch hat. Deswegen machen wir Haushaltsberatungen, um zu schauen, ob es nicht noch einen besseren Weg gibt.