Protokoll der Sitzung vom 29.04.2009

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, sie können das schon ganz gut einordnen.

Für uns Grüne – jetzt zur Großen Anfrage der CDU – ist der Begriff der Nachhaltigkeit einer, der in vielen Diskussionen verwandt und auf den bei Beschlüssen häufig und gern Bezug genommen wird. Nachhaltigkeit verwenden wir eigentlich eher im positiven Sinne, auch wenn es durchaus auch nachhaltige Entscheidungen negativer Art gegeben hat. Ein solches Beispiel von negativer Nachhaltigkeit greift die CDU hier mit den Fragen zur Personalentwicklung bei der Polizei heute auf. Ich muss deutlich sagen, Respekt, denn letzten Endes – das wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU – ist gerade jetzt das offensichtliche Zahlenwerk, vor dem die Regierung steht, eines, das seine Ursachen vor dem Antritt der rot-grünen Koalition hat. Die CDU hat in den letzten Jahren ihrer Regierungsbeteiligung in einem ihrer Kernbereiche, der inneren Sicherheit, versagt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Marginale Einstellungszahlen, mittlerweile als Röwekamp-Delle mit einem eigenen Fachbegriff versehen, bei der Polizei führen heute dazu, dass die angestrebte Zielzahl von 2 600 Beschäftigten bei der Polizei Bremen vorerst nicht erreicht werden kann. Es muss Sie noch viel mehr innerlich schmerzen, meine Damen und Herren von der CDU, dass unter einer grünen Finanzsenatorin die Einstellungszahlen bei der Polizei erst auf 78 und nun nochmals auf 100 Beamtinnen und Beamte erhöht wurde.

Ein sozialdemokratischer Innensenator hat sich des lange schwelenden Problems der Überstunden bei der Polizei angenommen und einen ersten Schritt in Richtung finanziellen Ausgleichs geschaffen. Nicht nur der Vollzugsbereich der Polizei, sondern auch der der Stützleistungen sind von Personaleinsparungen ausgenommen. Für den Bereich der Polizei kann man da in der Tat der SPD nur zum Partner- beziehungsweise Partnerinnenwechsel gratulieren. Rot-Grün steht auch bei der inneren Sicherheit für Verlässlichkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nun müssen wir aber mit dem, was unsere Vorgänger angerichtet haben, Politik machen, und zwar Politik in Zeiten nicht nur knapper, sondern leerer Kas

sen. Neben der Erhöhung der Einstellungszahlen haben wir auch die Möglichkeit geschaffen, freiwillig länger zu arbeiten. Das werden nicht Hunderte Polizeibeamtinnen und -beamte machen, aber wir sollten alle ein gemeinsames Interesse daran haben, dass es möglichst viele sind.

Wir beraten in der kommenden Sitzung der Innendeputation den Evaluationsbericht zur Polizeireform. Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang in der Tat, Herr Hinners, in die Diskussion eintreten müssen, wie Polizei künftig arbeiten soll und wie es organisiert werden kann. Welche Leistungen kann Polizei erbringen, und welche Leistungen müssen gegebenenfalls hintangestellt werden? Das wird keine leichte Diskussion, deswegen hoffe ich auch, dass wir da zu gemeinsamen Lösungen kommen.

Ich will den Zustand an der Stelle auch nicht schönreden, aber ich glaube, dass eine Debatte hier heute im Parlament über die Arbeit der Polizei verfehlt ist. Für uns geht es jetzt darum – und so habe ich eigentlich auch den Auftrag in der Innendeputation verstanden –, anhand dieses Evaluationsberichtes und anhand der uns vorliegenden Zahlen zu schauen, welche Verantwortung wir als Politik dann auf uns nehmen müssen, bestimmte Bereiche zu definieren. Das machen wir als rot-grüne Koalition. Ich glaube, das bekommen wir auch gemeinsam mit Ihnen in einem sachlichen Dialog hin. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hinners, ich habe mir eben überlegt, wie man das eigentlich nennt, was Sie hier versuchen. Physiologisch ist es nicht möglich, aber es ist so eine Art dreifacher Spagat. Sie versuchen auf der einen Seite, vertreten durch Ihren Fraktionsvorsitzenden, uns einzureden, dass wir sofort eine Haushaltssperre brauchen, Sie versuchen auf der anderen Seite, vertreten durch den ehemaligen Innensenator, zu sagen, das, was damals richtig gewesen sein soll – durchschnittlich 57 Leute einzustellen –, und jetzt fordern Sie uns auf, 120 Leute statt 100 einzustellen. Ich würde Sie gern bitten, dass Sie noch einmal nach vorn kommen und uns erklären, wie das zusammenpasst!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Kollege Fecker hat eben schon sehr deutlich gemacht, was wir in der Innenpolitik gemacht haben. Statt durchschnittlich 57 Leuten stellen wir 100 neue Polizeianwärter ein. Statt die Personaleinsparungsquote linear nach unten fortzusetzen im Nicht-Voll

zugsbereich haben wir sie für die Stützleistungen aufgehoben. Rot-Grün hat ein Modell zur freiwilligen Verlängerung der Lebensarbeitszeit erarbeitet. Wir haben außerdem zum ersten Mal ermöglicht, dass ein Teil der Überstunden ausgezahlt wird, und damit natürlich auch zusätzliche Personalressourcen eingesteuert. Das alles ist ein Erfolg von Rot-Grün, und das lassen wir uns doch nicht damit kaputt reden, dass Sie sagen, wir hätten 57 Leute damals eingestellt, und jetzt fordern wir 120! Herr Hinners, das kann ich nicht mitmachen, und ich war relativ fassungslos nach dem Einstieg, den Sie hier gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn wir das gegenseitige Bashing einmal wegnehmen, dann wissen doch zumindest alle demokratischen Fraktionen in diesem Haus, dass realistisch unter den Benchmark-Ergebnissen, die wir haben, und realistisch unter den Bedingungen, die wir haushalterisch haben, eine weitere Aufstockung der Polizei nicht wirklich möglich sein wird, nicht in dem Maße, in dem Sie das hier vorgetragen haben.

Sie haben gesagt, die Polizeireform hat eine Personalzielzahl von 2 600 Leuten zugrunde gelegt. Das ist richtig. Wenn man sich das Zahlenwerk genau anschaut, stellt man fest, es sind ein paar Raumpflegerinnen verlagert worden, wir schauen jetzt in die Zahlen, stellen fest, von diesen Planungen, die es damals gegeben hat, zu dem jetzigen Stand fehlen 90 Leute. Diese 90 Leute versuchen wir, in den Jahrgängen bis 2012 wieder aufzubauen, das ist die Wahrheit!

Jetzt muss man sich doch überlegen, wie man mit diesem Gap von 90 Leuten umeht, deshalb, finde ich, wird die Debatte auch ein bisschen zur Unzeit geführt. Wir haben unter anderem auf Ihren Wunsch gemeinsam vereinbart, die Evaluation der Polizeireform im Mai zu debattieren, sonst hätten wir das schon im April vor dieser Sitzung getan. Im Rahmen der Evaluation der Polizeireform werden wir genau diese Fragen angehen: Gibt es noch einen Optimierungsbedarf, oder muss die Politik sehr ernsthaft sagen, Teilbereiche der Polizei können wir nicht mehr bedienen, der Warenkorb der Polizei ist zu reduzieren? Das sind Dinge, über die wir uns alle in der Innendeputation sehr ernsthaft auseinandersetzen werden. Die Frage, die ich mir sofort stelle, ist, müssen wir eigentlich zur Anzeigenaufnahme in peripheren Revieren eine Öffnungszeit von 8 Uhr bis 20 Uhr haben? Ich meine, nein. Ich glaube, dass man da einen Optimierungsbedarf hat.

Ob das am Ende alles reichen wird, weiß ich nicht. Ich glaube, vor dem Innensenator und vor der Polizei liegt ein steiniger Weg. Ein großer Wurf wird das nicht, aber ich bin mir sehr sicher, dass wir auch weiterhin eine Polizei aufrechterhalten können, die Straf

verfolgung, Präventionsarbeit und Schutz der Bevölkerung gewährleisten wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Abschluss: Ich halte relativ wenig davon, sich diese Mengengerüste gegenseitig um die Ohren zu schlagen. Ich habe unsere gemeinsame Arbeit in der Innendeputation eigentlich immer so begriffen, dass wir uns zusammengesetzt und sehr ernsthaft diskutiert haben: Was ist eigentlich möglich, wie bekommen wir aus den vorhandenen Personalressourcen das Optimum heraus? Ich lade Sie dazu ein, dass wir das auch weiter so handeln. Das setzt aber auch ein bisschen voraus, dass wir nicht einen Terminverlegungsantrag in der Innendeputation bekommen, um hier in der Bürgerschaft eine Debatte über irgendeinen Punkt zu führen, die am Ende zu nichts führt. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt natürlich die Erhöhung der Einstellungszahlen bei der Polizei, das haben wir immer gefordert. Wir begrüßen, dass die Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, die Lebensarbeitszeit freiwillig zu verlängern und dass es Auszahlungen für Überstunden geben soll. Das begrüßen wir ausdrücklich, denn wir wissen, was die Polizei leistet. Wir wissen, dass sie eine hohe Leistungsbereitschaft und eine hohe Leistungsfähigkeit hat, das möchte ich noch einmal ausdrücklich an die Adresse von Herrn Tittmann sagen!

Ich hatte mich in der letzten Debatte noch einmal gemeldet, weil ich es einfach unerträglich finde, dass hier immer wieder solche Potemkinschen Dörfer aufgebaut werden, mit denen versucht wird, in der Debatte Schuldzuweisungen zu organisieren, die gar nicht begründet sind.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Innendeputation – das ist hier angesprochen worden – haben wir darüber immer eine sehr sachliche Debatte geführt, und ich denke, zu dieser sollten wir insgesamt zurückfinden. Für mich stellt sich nun erneut das Problem dar, dass wir wieder die Aufführung Rot-Grün gegen Rot-Schwarz hatten. Die einen loben ihre gegenwärtigen Erfolge, die anderen jene aus der Vergangenheit, da halten wir uns heraus.

Ich möchte noch einmal wiederholen, wir begrüßen ausdrücklich, dass mehr Polizei eingestellt wird,

dass mehr Polizeibeamte auf die Straße kommen sollen und dass die Problemfälle jetzt endlich angesprochen werden. Wir freuen uns in diesem Zusammenhang außerordentlich auf die Debatte über den Evaluationsbericht, die man schon längst hätte führen müssen, aber in gemeinsamer Absprache ist die Debatte verschoben worden, das wird sicherlich sehr spannend. Wir können und müssen in mehreren Fällen den Finger in die Wunde legen, weil es viele Punkte gibt, die die Leute draußen im Lande und in der Stadt betreffen. Es wird noch darüber zu diskutieren sein, wie das mit den Polizeirevieren, wie das mit den Öffnungszeiten der Polizeireviere ist, ob sich das alles so bewährt hat, wie es angedacht worden ist. Das wird sicherlich eine sehr spannende Debatte, darauf freuen wir uns sehr. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Polizeireform ging und geht von einem Personalvolumen von 2 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Dazu gehören Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte. Die Tätigkeitsfelder liegen im Vollzug und im Nicht-Vollzug, dazu gehören selbstverständlich auch wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den sich immer stärker spezialisierenden Bereichen Informationstechnik, DNA-Analyse und Wirtschaftskriminalität, um einige zu nennen, arbeiten. Laut Polizeireform sollte sich die Arbeit bei der Bremer Polizei effizienter und flexibler entwickeln, so verkündete einst der Senat.

Wie gesagt, 2 600 Vollzeitstellen sollen es sein. Die Realität sieht aber anders aus. Sind es zurzeit circa 2 540 Stellen, so sieht die prognostizierte Entwicklung der Mitarbeiterzahlen bis Ende 2014 sogar ein leichtes Absinken auf 2 510 Stellen voraus. Die Ausbildungszahlen, die in der vergangenen Legislaturperiode fast sträflich zurückgegangen waren, wurden immerhin wieder erhöht. Ob das in ausreichendem Maße geschehen ist, sei hier einmal skeptisch dahingestellt.

Die nach wie vor immens hohen Überstundenzahlen sprechen doch eine ganz andere Sprache. Eine halbe Million Euro hat der Senat nun bereitgestellt, um einen Teil dieses Überstundenbergs abzutragen. Durch freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird der Eintritt in den Ruhestand hinausgeschoben, um so die dürftigen Personalzahlen nicht noch schlechter aussehen zu lassen, und die Landesregierung feiert das als Erfolg. Wir lehnen diese Art von Personalpolitik ab! In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist es arbeitsmarktpolitisch wohl eher kontraproduktiv, Menschen später zu pensionieren, gerade die, die unter starken Belastungen arbeiten. Mit der finanziellen Abgeltung von Überstunden werden die ohnehin

schon bis an ihre Belastungsgrenze gehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre dringend benötigten Ruhezeiten, um ihre Freizeit und um ihre Erholungsphasen gebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier gilt es zu fragen: Wenn das Geld – in Anführungsstrichen – so verlockend war, wie sieht es beim Lohn und Gehalt bei der Polizei aus? Gerade in einem Schichtbetrieb – das weiß ich, weil ich selbst aus einem komme – sind Erholungszeiten und eine regelmäßige Freizeit immens wichtig.

Unter sorgfältiger Fürsorgepflicht eines öffentlichen Arbeitgebers verstehen wir etwas anderes. Wir meinen, das sind ebenso relativ düstere Zahlen wie erschreckende Perspektiven, die uns der Senat hier als erfolgreiche Arbeit präsentiert. Wie sich die Personalplanung in der Realität bis Ende 2014 entwickeln wird, steht ohnehin in den Sternen. Genaue Aussagen, so heißt es in der Senatsmitteilung, sind heute noch nicht möglich. Wir meinen, insgesamt hat der Senat hier ein noch verbesserungswürdiges Papier vorgelegt. Wir sind ausgesprochen pessimistisch, dass sich mit diesen Planungen die Arbeitssituation bei der Bremer Polizei nachhaltig verbessern lässt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Tschöpe, Sie wollten ja einen Mathematik-Nachhilfeunterricht bekommen, den sollen Sie gern haben!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt aber!)

Sie auch, Herr Dr. Güldner? Sie werden aus meinen Ausführungen, aber auch aus der Mitteilung des Senats entnommen haben, dass wir circa bis zum Jahre 2005/2006 mehr als 2 600 Bedienstete bei der Polizei hatten, sodass verringerte Einstellungszahlen, unter der Zielrichtung, die Polizei auf 2 600 abzuschmelzen, noch eine gewisse Nachvollziehbarkeit hatten. Die SPD war daran beteiligt, Sie können jetzt nicht so tun, als wenn die Große Koalition nur aus der CDU bestanden hätte.

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Deswegen ist er ja zu den Grünen geflüchtet!)

Ja, deswegen werden dort gewisse Freundschaften angeboten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Sie sprechen dauernd von Aufstockung, aber es geht gar nicht darum, die Polizei aufzustocken, sondern es geht einzig und allein darum, durch eine vernünftige Einstellungspolitik den Stand 2 600 zu erreichen, und nicht darum, ihn zu überschreiten. Aufstockung hört sich danach an, als gäbe es in der Polizei mehr Bedienstete. Völlig daneben, Herr Tschöpe! Damit tun Sie der Polizei auch keinen Gefallen. Wir reden hier natürlich darüber, die Arbeit der Polizei zu loben, und das ist auch richtig so. Dazu gehört doch aber auch, dass wir der Polizei verantwortungsbewusst die Mittel zur Verfügung stellen, damit sie diese Arbeit auch wirklich so machen kann, wie wir es erwarten.

(Beifall bei der CDU)