Protokoll der Sitzung vom 29.04.2009

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Senat offensiver damit umgegangen wäre herauszufinden, warum im Land Bremen die Lohnunterschiede noch einmal größer sind als im Bundesgebiet, anstatt einfach zu sagen, die Ursachen sind nicht bekannt. Hinsichtlich der Tarifverträge war ja die Frage, inwieweit es Bestimmungen gibt, die direkt oder indirekt zur Folge haben, dass Frauen in Bezug auf ihr Arbeitsentgelt benachteiligt werden, in der Antwort stand, es gäbe keine Benachteiligung in Tarifverträgen. Auch da hätte ich mir mehr Problembewusstsein gewünscht. Der Senat ist auch Arbeitgeber und auch eine Tarifvertragspartei, und da würde ich mir schon wünschen, dass man, wenn man sich einmal den TV-ÖD und den TV-L anschaut und sich ansieht, wie Tätigkeiten bewertet werden, einmal schlicht überprüft, wie typisch weibliche Tätigkeiten bewertet werden und wie typisch männliche Tätigkeiten bewertet werden.

Wie kommt es denn zum Beispiel, dass ein Müllwerker Zulagen bekommt, weil er schwere Mülltonnen tragen muss, aber eine Krankenschwester, die auch schwere Menschen tragen muss, das nicht bekommt? Wie ist es denn zu bewerten, dass ein Hausmeister Zulagen für schwere Arbeit bekommt, aber eine Altenpflegerin nicht? Wie ist es denn mit dem Bewährungsaufstieg, wo es doch meiner Kenntnis nach nach wie vor so ist, dass es den Bewährungsaufstieg für durchgängige Tätigkeiten gibt? Wie ist

es denn mit Frauen, die in Elternzeit gegangen sind, die diese durchgängige Tätigkeit nicht mehr nachweisen können? Wie ist es denn mit ganzen Berufsgruppen, wie zum Beispiel Erzieherinnen? Da sind wir uns alle, glaube ich, gemeinsam einig, dass sie in Bezug auf die Verantwortung, die sie tragen, sehr wenig Geld verdienen und dass sie eigentlich diskriminierend schlecht bezahlt werden. Wie ist es denn zum Beispiel mit einer Neubewertung dieser Tätigkeiten?

Ich finde, das sind alles Aufgaben, denen sich der Senat eigentlich einmal stellen kann, zumal Sie ja auch eine Tarifvertragspartei sind und man sich durchaus bei Tarifverhandlungen auch überlegen könnte, wieweit man zu einer Bewertung von Berufsgruppen kommt, statt immer nur Lohnforderungen zu stellen, die ja meistens linear sind und tatsächlich niedrige Lohngruppen schlechter stellen. Da sollte man vielleicht genauer hinschauen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Grüne achten die Tarifautonomie, Grüne stehen zur Tarifautonomie, und das ist eine Voraussetzung für sozialen Frieden in der Arbeitswelt. Aber trotzdem sind die Tarifparteien gefordert zu schauen, wo diskriminierende Elemente in Tarifverträgen sind, und da, finde ich, sollte man auch mit dem öffentlichen Dienst und dem Senat anfangen. Dazu möchten wir ihn hier auch auffordern.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das geht dann an die Finanzsenatorin, nicht?)

Was gibt es noch zu den Lohndiskriminierungen bei Frauen? Danach wurde ja in der Großen Anfrage nicht weiter gefragt, was noch Ursachen sind und wie man das ändern kann. Dazu möchte ich aber trotzdem gern Stellung nehmen im Sinne der Sache. Zu einem Punkt habe ich etwas gesagt, zu der Durchforstung der Tarifverträge.

Wir sind auch der Auffassung, dass es umfassende Mindestlohnregelungen geben muss. Mindestlohnregelungen bieten Schutz vor Lohndumping gerade im Niedriglohnbereich, wo sehr viele Frauen beschäftigt sind. Wir sind der Auffassung, dass es ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft geben muss, das heißt, bei gleicher Qualifikation werden Frauen bis zum Erreichen der Geschlechterparität bevorzugt eingestellt. Die Appelle der Vergangenheit haben da mitnichten gefruchtet. Wir sind auch der Auffassung, dass im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dem AGG, ausdrücklich ein Verbot der Lohndiskriminierung geregelt werden sollte. Wir wollen da auch eine Umkehr der Beweislast und einen Ausbau der Auskunftsrechte. Bisher ist es ja so, dass gerade in Arbeitsverträgen Verschwiegenheit vereinbart wird und Frauen nur sehr selten nachweisen können, dass sie tatsächlich diskriminiert werden. Nicht zum Schluss

wollen wir ein Verbandsklagerecht, weil wir nicht glauben, dass es zielführend ist, dass Frauen da allein ihre Ansprüche durchsetzen können.

Das sind alles Punkte, die auch Grüne schon im letzten Jahr in den Bundestag eingebracht haben. Das ist an der Großen Koalition gescheitert. Dazu muss man sagen, es ist hauptsächlich an der CDU gescheitert, mit der SPD gab es an den Punkten große Übereinstimmungen.

Frau Motschmann, ich bin Ihnen eigentlich sehr dankbar, dass Sie hier so eine frauenpolitische Rede gehalten haben, und ich wünsche Ihnen sehr, sehr viel Erfolg, dass Sie das auch in der CDU umsetzen können, (Beifall bei der CDU)

hier in Bremen, Sie haben auch sehr viel Beifall bekommen. Ich hoffe, dass Sie es auch auf Bundesebene erreichen werden. Die Bundestagsdebatten in den Zusammenhängen waren von der CDU ganz anders, aber unseren Segen haben Sie da, das ist auch ganz ernst gemeint! Ich finde das sehr gut, wie Sie das an der Stelle machen.

Wie werden sich Grüne diesem Thema weiter widmen? In Bremen, das habe ich schon gesagt, finden wir es wichtig, dass die Tarifverträge auf Diskriminierungsbestandteile durchforstet werden. Wir halten es aber auch für wichtig, dass die Bremer Arbeitsmarktprogramme, die beschäftigungspolitischen Aktionsprogramme gebündelt sind, dass sie stärker auf Chancengleichheit fokussiert werden. Da will ich einen Punkt nennen, es muss zumindest aus unserer Sicht bei der Fachkräfteinitiative deutlich nachgebessert werden. Ich habe schon mehrfach in der Deputation gesagt, ich habe es öffentlich gesagt, und ich werde es hier auch noch einmal sagen: Es ist nicht damit getan, dass 57 Prozent Frauen praktisch gefördert werden, wenn man gleichzeitig bei näherer Betrachtung feststellt, dass es 91 Prozent in klassischen Frauenberufen sind und nur ein Prozent im Bereich technologische Innovation. Da werden einfach klassische Rollenbilder festgeschrieben, und das bedarf aus unserer Sicht auch dringender Nachbesserung, denn das sind die Jobs, in denen Geld verdient wird, und nicht in den anderen Berufen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Punkt noch zum Schluss! Andere Themen betreffen eher den Bund. Auch daran werden wir weiterarbeiten, da geht es uns um das Gleichstellungsgesetz der Privatwirtschaft, die Verbandsklage, die Klarstellung im AGG sowie um Initiativen zum Mindestlohn. Wir würden uns freuen, wenn ganz viele sich diesen Überlegungen der Grünen in diesem Parlament anschließen würden. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktionen um den Equal Pay Day haben in den letzten Jahren die weiter auseinander driftenden Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen wieder einmal in den Fokus gerückt. Die wesentlichen Faktoren, die diese Lohnunterschiede begründen, sind seit Langem bekannt.

Da es politisch korrekt ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, hat die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände eine allseits beachtete Presseerklärung herausgegeben. Das Fazit: Die ermittelte Lohndifferenz von 23 Prozent in Deutschland ist lediglich ein statistischer Wert, der sich hauptsächlich in längeren familienbedingten Erwerbsausfällen begründet. Es sei deshalb falsch zu behaupten, Männer würden bei gleicher Tätigkeit ein deutlich höheres Einkommen erzielen als Frauen. Vorbeugend wurde gleich gewarnt, dass gesetzlicher Aktionismus völlig überflüssig sei. Vielmehr ist es wichtig, bessere Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, denn das ist der Schlüssel für die Chancengleichheit.

So richtig es ist, dass auf der einen Seite Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Ursache der Einkommensunterschiede sind, so unvollständig ist es doch auf der anderen Seite. Nicht nur Mütter, sondern auch Frauen, die keine Kinder haben, werden schlechter bezahlt als Männer, nicht, weil sie weniger qualifiziert oder weniger leistungsbereit sind als die Männer, sondern aus einem einzigen Grund: Sie sind Frauen. Auf Bundesebene finden die Arbeitgeberverbände Unterstützung bei der Frauenministerin, die familienpolitisch sicherlich einiges bewegt hat, als Frauenministerin aber ein Totalausfall ist.

(Beifall bei der SPD)

Für Fragen, die weit über die Vereinbarkeit hinausgehen, erhalten wir von der Frauenministerin keine Lösungsvorschläge. Dazu gehören die freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Wirtschaft, die noch nicht einmal halbherzig umgesetzt ist, die Diskriminierung in den Steuerklassen, ein sehr konservatives Familienbild, bei dem männliche Ernährer die Frauen als Zuverdienerinnen betrachten. Auch keine Lösungsvorschläge, wie der Anteil der Frauen in Führungspositionen gesteigert werden kann!

(Beifall bei der SPD)

Frauen können und wollen ihr Potenzial in der Wirtschaft unter Beweis stellen. Sie sind gut ausgebildet und müssen für gleiche beziehungsweise gleichwertige Arbeit auch so bezahlt werden, wie ihre männlichen Kollegen, das in typischen sogenannten

Frauenberufen wie auch in den männlich dominierten Berufen. Eines sollte zudem doch wirklich der Vergangenheit angehören: Nur weil ein Beruf von vielen Frauen ausgeübt wird, ist es noch lange kein Grund, ihn schlechter zu bezahlen oder zu schätzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Auch wenn ein Teil des Lohnunterschiedes begründet ist in häufiger Teilzeitarbeit, in einem niedrigerem Lohnniveau bei kleineren Unternehmen, dort wo viele Frauen arbeiten, und in der häufigeren Berufsabwesenheit während der Familienphase, so kann ein anderer Teil eben nicht erklärt werden. Das ist meine Überzeugung, dieser Teil geht allein auf Diskriminierung zurück.

Da die bisherige freiwillige Vereinbarung der Wirtschaft erfolglos geblieben ist, wurde jetzt ein neues Instrument ins Leben gerufen. Ein Gehalts- und LohnAudit als Lohngleichheitsinstrument der Bundesrepublik Deutschland, ein, wie es in der Senatsvorlage heißt, Selbsttest mit der Möglichkeit, in einem Unternehmen deutliche Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen zu ermitteln. Lange Reden und Absichtserklärungen hören sich schön an, bewirkt haben sie allerdings nichts. Deswegen ist aus unserer Sicht ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft zwingend erforderlich.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ein weiterer Schlüssel zur Gleichbehandlung liegt bei den Tarifparteien. Die meisten Tarifverträge sind nicht geschlechterneutral. Theoretisch sind die gesetzlichen Vorschriften eingehalten, aber zahlreiche tarifliche Regelungen führen zu ungleichen Verdiensten von Männern und Frauen. Die einzelnen Beispiele sind hier von meinen Vorrednerinnen schon angeführt.

Aber jetzt von der Bundesebene nach Bremen! Auch in Bremen gibt es Lohnunterschiede, die liegen sogar noch über denen im Bund. Eine detaillierte Analyse erhalten wir von der Senatsantwort nicht. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das auch weiter verwunderlich? Weil die Fragen, die von der CDU-Fraktion gestellt werden, eher an der Oberfläche kratzen! Für den Bereich des öffentlichen Dienstes liefert der Personalcontrollingbericht einen guten Überblick. Ich wundere mich, Frau Motschmann, warum Sie genau diese Zahlen eingefordert haben, die uns in regelmäßigen Abständen sehr ausführlich, in mehreren Bänden, vom Senat vorgelegt werden.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang hatten wir hier im Parlament eine Diskussion und haben den Senat auch

um eine Zusatzaufgabe gebeten, die er in den nächsten Bericht darzustellen hat. Hier geht es darum, wie viele von den angebotenen Teilzeitplätzen wirklich Wunschteilzeitplätze sind oder eben ausschließlich Teilzeitplätze, bei denen Frauen – meistens sind es ja Frauen – keine Möglichkeiten der Wahl haben.

Das LGG fordert verbindlich Frauenförderpläne, und hier im Parlament haben wir den Antrag verabschiedet, dass die Aufsichtsräte Zug um Zug paritätisch zu besetzen sind. Der erste Umsetzungsbericht wird uns schon nach den Sommerferien erreichen. Auch wenn es nicht immer klappt, zunehmend werden immer mehr freie Stellen in den Führungsetagen mit Frauen besetzt. Beim Professorinnenprogramm in Bremen sind wir bundesweit vorn; ein Anliegen der SPD, das leider erst in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden konnte. In der letzten Legislaturperiode hatten wir hier richtige Auseinandersetzungen um das Thema, und gerade die CDU hat hier blockiert, auch Fördermittel an die Quote zu binden, ein Anliegen, das wir immer noch sehr unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Was die Privatwirtschaft in Bremen betrifft, ist es wie im Bund. Solange sich die CDU weigert – und das hat sie ja im Vorspann der Großen Anfrage auch wieder bestätigt –, gesetzliche Regelungen für die Privatwirtschaft zu unterstützen, bleiben die Möglichkeiten der Gleichstellung fast ausschließlich auf den öffentlichen Dienst beschränkt. Wichtige Impulse können, ja müssen vom Senat in der Arbeitsmarktpolitik ausgehen. Die bestehenden Arbeitmarktprogramme im Rahmen des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms fördern die Chancengleichheit von Frauen noch nicht zielgerichtet genug, das haben wir erfahren im Jahresfortschrittsbericht 2008. Ausführlich wird es uns in der Arbeitsdeputation und im Gleichstellungsausschuss vorgestellt beziehungsweise ist es uns schon vorgestellt worden.

Die Programme verharren immer noch in der klassischen Rollenaufteilung, das heißt, Frauen in die Pflege, Männer in die Windenergie. Zwar weist die Bremer Fachkräfteinitiative eine Frauenquote von 57 Prozent aus, allerdings werden sie vor allen Dingen in den klassischen Frauenberufen qualifiziert. Die Quote bei den Berufen in der technologischen Innovation beträgt 1 Prozent. Diese Programme und Projekte müssen vom Senat nachgebessert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Damit auch alle Projekte für zukunftsfähige Arbeitsplätze die Frauen erreichen, brauchen wir in Bremen ein Chancengleichheitsprogramm. Dieses soll uns in der Mai-Sitzung der Arbeitsdeputation vorgelegt werden und wird uns sicherlich auch im parlamentari

schen Raum im Gleichstellungsausschuss noch intensiver beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Die Presse, die ZGF und die CDU, Frau Motschmann hat es dargestellt, werfen dem Senat Machtlosigkeit bei der Bekämpfung der in der Tat gravierenden Lohnbenachteiligung vor. Wie sieht es aber wirklich aus? Solange keine gesetzliche Grundlage für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft verabschiedet wird, bleiben dem Senat in vielen Bereichen nur appellative Möglichkeiten. Das ist genau das, was auch Sie heute wieder hier getan haben, Frau Motschmann. Wenn ich mir Ihre Programme auf Bundesebene ansehe, klingen sie alle gut, nur die Konsequenz, die gibt es nicht. Es sind reine Worthülsen: Man könnte, man sollte, es wäre doch schön. Die Konsequenz wirklich etwas zu verändern, gibt es in Ihrer Partei nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein weiterer Punkt, meine Vorrednerin Frau Schön hat es schon angesprochen, für uns ist es selbstverständlich: Wir brauchen einen Mindestlohn, damit hier vor allen Dingen Frauen aus der Niedriglohnstufe herauskommen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Anstatt immer nur auf andere zu zeigen, Verantwortung abzuschieben oder neue wissenschaftliche Studien einzufordern, brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog in unserer Stadt. Es verändert sich, meine Damen und Herren, solange nichts, bis es in unser aller Köpfen klickt und wir wirklich wollen, dass eine Diskriminierung der Frauen in der Arbeitswelt beseitigt wird. Dazu fordere ich Sie alle auf! – Danke!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)