Protokoll der Sitzung vom 29.04.2009

Wer entsprechend dem Wahlvorschlag wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt entsprechend, einstimmig.

(Beifall)

Ich spreche Ihnen, Frau Dr. Sommer, die herzlichen Glückwünsche des Hauses aus, und Ihnen, Herr Dr. Steinbrück, ebenfalls!

Meine Damen und Herren, es ist vereinbart worden, dass wir die Sitzung für fünf Minuten unterbrechen.

(Unterbrechung der Sitzung 14.35 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.40 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern im Lande Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 27. März 2009 (Drucksache 17/743)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 14. April 2009

(Drucksache 17/751)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Dr. SchulteSasse.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Rosenkötter, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Als Erste rufe ich auf die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist die Arbeit von Frauen wert? Ganz bestimmt nicht weniger als die Arbeit von Männern!

(Beifall)

Trotzdem beträgt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern EU-weit 15 Prozent. Das ist unge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

recht! Der Bundesdurchschnitt beträgt 23 Prozent, das ist noch ungerechter. In Bremen liegt er bei 24 Prozent. Legt man die Zahlen der Senatsantwort auf die Große Anfrage zugrunde, beträgt der Lohnunterschied sogar 26 Prozent. Das ist blamabel, das muss sich ändern! Darum hat die CDU-Fraktion eine Große Anfrage gestellt, um zunächst einmal zu analysieren, warum der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Bremen und Bremerhaven sogar höher liegt als im Bundesdurchschnitt. Ziel ist es, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Darin müssten wir uns alle einig sein. Nachdem ich die Antwort des Senats gelesen habe, war ich mir allerdings nicht sicher, ob wir uns in diesem Ziel wirklich einig sind. Die Antwort des Senats ist enttäuschend und dürftig, die „taz“ von heute sagt „dünn“. Das finde ich auch. Warum? Die Antwort des Senats drückt eines ganz deutlich aus: Gleichgültigkeit, und das ist schlimm und beschämend. Wer gleichgültig ist, wird ein Problem nicht angehen und nicht um Abhilfe bemüht sein. Da ich nicht so vermessen bin zu glauben, dass sich die CDU allein zum Anwalt von Fraueninteressen machen kann, setze ich auf die Diskussion heute hier im Parlament. Ich bin ganz sicher, dass keine Fraktion so gedankenlos, so initiativlos, so lax mit dem Problem der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen umgeht wie der Senat.

(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN)

Kaum eine der elf Fragen wird vom Senat konstruktiv beantwortet. Die Ansammlung von billigen Ausflüchten habe ich für Sie zusammengestellt. Sie lauten wie folgt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die Verdienstmerkmale für die Verdiensterhebung haben sich ab 2007 geändert. Darum ist es nicht möglich, die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttoeinkommen in den Jahren 2004 bis 2008 durchgängig darzustellen.“ „Die Entwicklung für einen Zeitraum von fünf Jahren lässt sich aus den bereits erwähnten statistisch-methodischen Gründen nicht bruchlos darstellen.“ „Dem Senat liegen keine Erkenntnisse vor.“ „Auch lässt sich nicht belegen, dass etwa diejenigen Tarifverträge, die besonders niedrige Stundenlöhne vorsehen, vornehmlich Frauen betreffen.“ „Dem Senat sind keine Gründe bekannt, die neben den bundesweit genannten Ursachen für die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern benannt werden könnten.“ „Die Erforschung soll vorrangig auf Bundesebene erfolgen.“ „Die Arbeiterkammer und das Statistische Landesamt haben das Problem im Blick.“ „Im Hinblick auf die bremischen Gesellschaften liegen dem Senat zurzeit keine Angaben zu Quoten von weiblichen Führungskräften vor“, und so weiter. Das nennt man ein Verschiebespiel der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Allein die Angabe der weiblichen Führungskräfte in den bremischen Gesellschaften, es wäre nun wirklich kein Problem gewesen, dies aufzulisten. Die Zahl ist nämlich sehr übersichtlich. Die erstaunlichste Aussage der Senatsantwort betrifft das Fleischergewerbe. Ich zitiere: „Im Bereich des Ernährungsgewerbes, und hier des Bereiches Schlachten und Fleischverarbeitung, betrug der Verdienstabstand der Frauen zu den Männern circa 15 Prozent und lag damit nicht eklatant unter dem Männerverdienst.“ Angenommen Sie, Frau Senatorin, würden 15 Prozent weniger verdienen als Ihre männlichen Senatskollegen,

(Abg. F o c k e [CDU]: Das wäre gerecht! – Heiterkeit bei der CDU)

und ich würde Ihnen sagen, das ist nicht so schlimm, das liegt nicht eklatant unter dem Männerverdienst: Was würden Sie eigentlich antworten?

(Beifall bei der CDU)

Sie wären, so hoffe ich zumindest, empört. Hier gilt das alte Sprichwort, liebe Frau Rosenkötter: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu! Oder, um es noch einmal ganz klar zu sagen: Wenn Frauen bei gleicher Arbeit weniger verdienen als Männer, dann ist das eine schreiende Ungerechtigkeit. Wie hoch der Unterschied ist, ist dabei gleichgültig. Jeder Cent weniger ist ungerecht!

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zu den wegweisenden Vorschlägen des Senats, was zukünftig zu tun ist! Mit Verweis auf die Verdienst- und Beschäftigungsstatistik, die tief gegliedertes Datenmaterial bietet, wird vorgeschlagen, dass man dies im Rahmen eines Forschungsauftrags näher analysieren könnte. Darüber hinaus könnte das Berufswahlverhalten von Frauen sowie die Qualifizierung von Frauen in öffentlich geförderten Weiterbildungsmaßnahmen untersucht werden. Könnte, könnte! Zu Frage neun gibt der Senat noch Auskunft über Angebote zur Fort- und Weiterbildung während der Elternzeit. Die Beantwortung der Frage beginnt mit dem tiefgründigen Satz, ich zitiere: „Chancengleichheit ist seit Jahren ein wichtiges Thema in der öffentlichen Verwaltung.“ Na, herzlichen Glückwunsch, Frau Senatorin, dass wir uns darin schon einmal einig sind!

Die konkreten Vorschläge, die der Senat den betroffenen Frauen macht, sind fast zynisch. „Grundsätzlich“, so heißt es, „können sich alle Beurlaubten beziehungsweise in der Elternzeit befindlichen Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes zu allen ressortübergreifenden Fortbildungsveranstaltungen der Senatorin für Finanzen und des Magistrats entsprechend den Teilnahmevoraussetzungen kostenfrei anmelden.“ Auch ein ganz toller Vorschlag! „Die Teil

nahme an Fortbildungsveranstaltungen, auch während der Phase der Elternzeit, wird generell unterstützt und gefördert.“ Auch ein toller Vorschlag! „Die beurlaubten Beschäftigten werden in der Regel zeitgleich mit der Veröffentlichung der Fortbildungsprogramme über die neuen Angebote informiert.“ Ich frage mich, ob Sie sich eigentlich gar nicht schämen für diese Antwort!

(Beifall bei der CDU)

Wir danken für diese wichtigen Informationen, stellen aber fest, dass all diese Maßnahmen bisher nichts daran geändert haben, dass Bremen im Hinblick auf die Lohnunterschiede wesentlich schlechter dasteht als vergleichbare große Städte und schlechtere Zahlen aufweist als der Bundesdurchschnitt.

Die beiden letzten Fragen beschäftigen sich mit den gemeinsamen Initiativen zwischen der Landesregierung und der Privatwirtschaft. Wen wundert es noch, dass es derzeit keine gemeinsamen Initiativen gibt? Hier verweist der Senat erneut auf die Tarifvertragsparteien. Das Lohngleichheitsinstrument, ein freiwilliger Selbsttest für Unternehmen, das Ursula von der Leyen im März ins Leben gerufen hat, interessiert den Senat nicht. Wenn die Ergebnisse noch nicht öffentlich sein sollten, könnte sich der Senat ja vielleicht einmal um Informationen bemühen und eine vergleichbare Initiative ergreifen.

Zusammenfassend kann man sagen: Der Senat zeigt sich im Hinblick auf die Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen desinteressiert, ideenlos und ohne jede Initiative. Mit dieser gleichgültigen Haltung wird man nichts ändern. Übrigens, die „taz“, mit der ich mich heute in einer ungewöhnlichen Übereinstimmung befinde, sagt dazu: „wenig kreativ und machtlos“, also eine traurige Bilanz dessen, was Sie uns hier aufgeschrieben haben!

Ich will am Ende meiner Rede einige wenige – zehn sind es – Punkte nennen, die man sofort oder unkompliziert umsetzen könnte, denn Sie sollen mir nicht den Vorwurf machen, ich kritisiere nur, sondern ich will dann auch gern konkrete Vorschläge machen!

Erstens: Eine brauchbare Analyse mit verwertbaren Daten muss erstellt werden. Diese Hausarbeiten müssen Sie dann einfach nachliefern. Zweitens: Die bei der Finanzsenatorin vorhandenen Daten und Zahlen über das Lohn- und Gehaltsgefüge im öffentlichen Dienst müssen vorgelegt werden. Sie können sich ja nicht nur mit dem produzierenden Gewerbe beschäftigen, sondern vielleicht auch einmal mit dem, was man selbst hier tun kann. Drittens: Frauen müssen verstärkt in Findungs- und Berufungskommissionen an der Personalauswahl beteiligt werden. Auch hier hapert es. Viertens: In Aufsichtsräten sind Frauen verstärkt zu beteiligen. Es ist unklug, so lange zu warten, bis die Forderung nach einer 40-prozentigen Quote, wie sie bereits in anderen Ländern besteht, noch lauter wird.

Fünftens: Die in allen Ausschreibungen enthaltene Formulierung, Frauen werden bei gleicher Qualifikation besonders berücksichtigt, muss ernst genommen werden und darf keine belanglose Floskel bleiben. Sechstens: Der Umgang mit den Frauenbeauftragten muss sich ändern, sie haben es nämlich in den Ressorts richtig schwer. Siebtens: Frauen müssen für Führungspositionen angesprochen und gewonnen werden. Achtens: Familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten müssen weiter ausgebaut werden. Neuntens: Die Bezahlung der Pflegeberufe muss auf den Prüfstand gestellt werden, und das ist Ihre Sache, Sie sind auch gerade dabei. Wer mit Kindern, Alten und Kranken arbeitet und umgeht, der wertvollsten Ressource, die wir überhaupt besitzen, sollte nicht am Ende der Gehaltsskala stehen und zumindest so viel verdienen – und da stimme ich Frau Hauffe zu – wie diejenigen, die Autos reparieren. Zehntens: Der Etat der Landesbeauftragten, sie ist eine, die sich massiv um dieses Problem kümmert, darf auch in Zukunft nicht gekürzt werden.

Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich warte auf die Vorschläge der anderen Fraktionen, aber ich denke, Frau Senatorin, Sie sollten jetzt nicht eine vorgefertigte Antwort vorlesen, sondern zugeben, dass diese Antwort schwach ist, und ich rufe Ihnen am Ende dieser Rede in Abwandlung des Kirchentagsmottos zu: Senat, wo bist du?

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist dramatisch, Frau Motschmann hat es ausgeführt. In Bremen liegt das Bruttoeinkommen der Frauen um 26 Prozent unter dem der Männer, im Bundesdurchschnitt um 24 Prozent, und im EU-Durchschnitt sind es immer noch 15 Prozent. Deutschland steht da an viertletzter Stelle in der EU, und ich finde, das ist ein Skandal, und das ist auch ein Armutszeugnis für unser Land!

Das ist Realität, obwohl bereits vor 52 Jahren in den Römischen Verträgen die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen festgeschrieben worden ist, wir eine Fülle von gesetzlichen Grundlagen zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern haben, angefangen beim Grundgesetz über das Gleichstellungsgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, diverse EU-Richtlinien und so weiter. Trotzdem haben wir das Ergebnis der Großen Anfrage, wo wir beobachten können, dass die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern nicht etwa kleiner wird, sondern mindestens gleich bleibt, wenn nicht sogar größer wird. Wir haben ausreißende Branchen wie das Recycling, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

wo die Lohndifferenz bei 48 Prozent liegt oder das Reisegewerbe mit 40 Prozent. Das zeigt, dass wir an dieser Stelle auch nach 50 Jahren ein Riesenproblem haben, dass wir in dieser Frage aber auch ein mangelndes Problembewusstsein haben. Ich finde auch, dass wir in der Senatsantwort ein mangelndes Problembewusstsein haben, was dieses Thema angeht.

(Beifall bei der CDU)

Es ist zwar positiv zu bewerten, dass es mittlerweile mehr Frauen in Führungspositionen gibt, und auch das mit den Weiterbildungsangeboten würde ich vielleicht ein bisschen anders bewerten als Sie, Frau Motschmann, aber ich finde, dass die Senatsantwort auch zeigt, dass es im Senat noch erhebliche unerschlossene Potenziale gibt, um zum Abbau von Lohnungleichheit beizutragen. Ich möchte einige Beispiele nennen! Das eine Beispiel hat Frau Motschmann auch schon genannt, und ich möchte ehrlich gesagt nie wieder solche Sätze in einer Senatsantwort lesen, dass 15 Prozent Lohndifferenz kein eklatanter Lohnunterschied sind. Wenn das die Durchschnittsgröße innerhalb der EU ist und wir das in einem Gewerbe hier haben, dann ist das für mich ein eklatanter Lohnunterschied, und dann möchte ich nicht, dass so etwas in einer Senatsantwort steht!