Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

D a z u

Mitteilung des Senats vom 4. September 2007

(Drucksache 17/35)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Loske, ihm beigeordnet Herr Staatsrat Golasowski.

Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie die Antwort nicht mündlich noch einmal wiederholen möchten. Möchten Sie die Antwort noch einmal mündlich wiederholen?

(Senator D r. L o s k e : Nein!)

Ich gehe davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Dann erteile ich dem ersten Redner, dem Abgeordneten Dr. Buhlert, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir an das Thema Küstenschutz und Deichsicherheit denken, werden manche an den Schimmelreiter von Theodor Storm oder an den Spruch denken: Wer nicht will deichen, der muss weichen! Aber so unaktuell ist das Thema gar nicht, das hat nichts mit Historie zu tun, sondern wir wissen, das Klima wandelt sich, und die Frage, die sich stellt, ist: Wie reagieren wir darauf, und reagieren wir angemessen und ausreichend darauf?

Die internationalen Studien haben festgestellt, dass der Meeresspiegel um mindestens 20 Zentimeter steigen wird, um 60 Zentimeter ist auch noch wahrscheinlich, und es gibt Horrorszenarien, auch in der Wissenschaft, die weit darüber hinausgehen. Wir als Bremer werden uns darauf einstellen müssen, und es ist gut, wie ich der Antwort des Senats entnehmen kann, dass wir uns darauf einstellen wollen. Es ist ein Kraftakt, den Bremen hier leisten muss!

Die Kosten für die Deichsicherung, die notwendig sind, betragen mindestens 100 Millionen Euro. Das ist kein Pappenstiel, das ist eine große Aufgabe, bei der ich und wir als FDP-Fraktion gespannt sind, wie diese Aufgabe im Rahmen der Haushaltsberatungen gelöst werden wird. Aber Bremen kann dieses Problem nicht allein stemmen, auch das wissen wir. Entsprechend ist ja auch der Küstenschutz Teil der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, sprich: Es gibt Mittel des Bundes, wie es im Artikel 91 a des Grundgesetzes vorgesehen ist, dass die Länder ausreichend unterstützt werden.

Was als ausreichend angesehen wird, möchte ich doch einmal hier infrage stellen. Die nicht einmal 2 Millionen Euro, die Bremen für den Bereich Agrarstruktur und Küstenschutz bekommt, sind doch eine kleine Menge Geldes angesichts des großen Finanzierungsbedarfs, auch angesichts der Tatsache, dass die EU keine Mittel dafür gibt, außer für die wenigen Teile, die im ländlichen Raum sind – die sind in Bremen und Bremerhaven bekanntermaßen ja wenige: Teile im Norden von Bremerhaven, die Deichstücke Farge-Rekum sowie das Werderland –, die als landwirtschaftliche Flächen geschützt werden müssen. Aber es gibt eben nicht im Sinne des Küstenschutzes weitere Flächen, die auf EU-Förderung hoffen können. Insofern ist es doch die Frage, die wir hier beantworten müssen und die auch der Bundesgesetzgeber als Haushaltsgeber beantworten muss: Ist es nicht möglich, die Unterstützung im Bereich Agrarstruktur und Küstenschutz für den Küstenschutz zu erhöhen?

Wenn man sich die Aufgaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz einmal durchliest – das sind umfangreiche Bundes

tagsdrucksachen –, findet man dabei nur ein paar wenige, fünf Seiten vielleicht zum Thema Küstenschutz, und der Rest geht dann – die Fachleute fragen immer, ob wir das wissen – um die ganzen Fragen der Grundsätze der Agrarstruktur wie Förderung nach dem Marktstrukturgesetz, Förderung umweltund tiergerechter Haltungsverfahren, Förderung forstwirtschaftlichen Wegebaus oder der Milchleistungsprüfung. Aber ich denke mir, der Bund sollte sich, und die Länder sind dort ja auch in der Rahmenplanung vertreten, entsprechend damit befassen, dass er mehr Gelder für den Küstenschutz bereitstellt.

Die Große Koalition im Bund hat die Mittel für den Küstenschutz von ungefähr 690 Millionen auf 610 Millionen Euro heruntergeschraubt, indem sie die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe gesenkt hat. Das wird dem Thema nicht gerecht angesichts des Klimawandels. Wir müssen doch eine Antwort darauf geben, insbesondere hier in Bremen, wo 90 Prozent der Bevölkerung auf einen wirksamen, effektiven Küstenschutz angewiesen sind, wie wir die Deiche stärker machen! Nicht, dass jemand jetzt Angst bekommt! Unsere Deiche sind heute hoch genug, aber sie sind zukünftig nicht hoch genug! Das wissen wir, und deswegen müssen wir jetzt tätig werden.

Wenn wir wissen, dass man in Niedersachsen bereits tätig geworden ist und dort die Deiche entsprechend in den nächsten zehn Jahren höher gebaut werden sollen, müssen wir die Frage beantworten, wie wir das in Bremen in den nächsten Jahren auch schaffen wollen. Wir wissen alle: Die Kette reißt am schwächsten Glied, oder der Deich bricht an der schwächsten Stelle. Ich möchte nicht, dass der Deich hier bricht, und deswegen müssen wir rechtzeitig vorsorgen!

Das Ziel muss also sein, innerhalb von zehn Jahren dafür zu sorgen, dass auch hier der im gemeinsam bearbeiteten Generalplan Küstenschutz festgestellte Sanierungs- und Ausbaubedarf realisiert wird. Es ist wichtig, dass wir die Gelder der EU einwerben können und man im ländlichen Raum tätig wird. Man ist dort ja auch dabei, ich habe mit den Deichverbänden am linken und rechten Weserufer gesprochen. Dass es losgeht, ist gut!

Eine Frage bleibt dann aber noch offen, was mich sehr irritiert hat in der Senatsantwort, Herr Senator Loske, und zwar ist das die, die ich in der Umweltdeputation gestellt habe, ob denn Bremen die Deiche auch zukünftig nicht nur 25 Zentimeter, wie man im Generalplan Küstenschutz nachlesen kann, höher baut, sondern 50 Zentimeter höher. Das ist aus Sicht der FDP noch nicht ausreichend beantwortet in der Senatsantwort. Wenn es sich nur um Fragen der Finanzierung handelt, mag das ja noch ein wenig dauern, aber ich denke, wir können nicht in Bremen die Deiche niedriger bauen als in Niedersachsen, weil die Weser durch Niedersachsen geht und in Bremen irgendwie endet und man keinen Versatz in den Deichen haben sollte. Insofern sollten wir da

auf denselben Weg einschwenken, und das, was die Verwaltung dort in der Umweltdeputation geantwortet hat, sollte auch Maxime des handelnden Senats sein.

Wenn wir hier handeln, sind wir gut aufgestellt, und das Ziel aller muss sein, die norddeutschen Ministerpräsidenten zu unterstützen. Deren Initiative ist richtig, mehr Geld über die Ministerpräsidentenkonferenz Nord einzufordern, aber auch in unseren Fraktionen im Bundestag dafür zu werben, dass die Mittel für den Küstenschutz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe erhöht werden.

(Glocke)

Nur dann werden finanzschwache Länder wie Bremen in der Lage sein, diese Aufgabe auch zu stemmen. Wir wissen alle, nach dem Grundgesetz ist das eine Gemeinschaftsaufgabe, die der Unterstützung aller, auch der anderen Bundesländer, bedarf. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Buhlert hat ja schon deutlich gemacht, dass wir auf der Grundlage des in diesem Haus einstimmig verabschiedeten Generalplans Küstenschutz jetzt noch zwei wesentliche Handlungsfelder haben, an denen wir arbeiten müssen. Das eine ist die Frage, dass die bisher zugrunde gelegte Meeresspiegelerhöhung aufgrund des Klimawandels im bisherigen Generalplan Küstenschutz nicht hinreichend berücksichtigt ist. Das Zweite ist die Finanzierungsproblematik.

Aber, Herr Buhlert, an der Stelle bin ich schon verwundert, weil Sie davon ausgehen und hier behaupten, dass der Senat nicht entsprechend handelt und versucht, im Gleichklang mit Niedersachsen zu einer angemessenen Berücksichtigung des Meeresspiegels zu kommen.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Ich kenne den Haushaltsentwurf nicht, vielleicht ken- nen Sie ihn schon!)

Es ist ganz sicher, und dafür stehen auch die Grünen, und wir haben das auch immer deutlich gemacht und sind hier nie zurückgerudert, dass aufgrund der neuen Erkenntnisse wie im letzten IPPC-Bericht, aber auch aufgrund der Messung des Meeresspiegelanstiegs noch weiter Handlungsbedarf besteht und dass die bisher zugrunde gelegten Deicherhöhungen nicht ausreichen. Aber, meine Damen und Herren, es ist auch klar, dass das nur im Gleichklang mit Nieder

sachsen geht, weil Sturmfluten sich weder an Landesgrenzen noch an falsche Berechnungen halten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte hier auch noch einmal deutlich machen, wir haben auch genau diesen Punkt im Koalitionsvertrag berücksichtigt

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Der ist aber nicht Gesetz!)

und im Koalitionsvertrag auch formuliert, dass der Senat tätig wird und in die Verhandlungen mit Niedersachsen einsteigt. Ich kann mir auch irgendwie eine etwas kritische Bemerkung nicht ersparen. Bisher lag das Problem, hier deutlicher zu handeln und entsprechend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen den Küstenschutz zu betreiben, nicht daran, dass Bremen das nicht wollte, sondern bisher war die Bremse immer in Niedersachsen zu finden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Da hätten Sie einmal auf Herrn Sander ein- wirken müssen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der andere Problembereich ist – und ich glaube, das reicht jetzt abschließend soweit zum Sachstand – natürlich derjenige, dass wir erhebliche Finanzierungsprobleme haben. Herr Dr. Buhlert hat es ja schon genannt, aber das sind die Kosten für den jetzigen Generalplan Küstenschutz, dass wir mit 100 Millionen Euro in den nächsten zehn Jahren kalkulieren müssen. Wenn wir wirklich noch den notwendigen Aufschlag von plus 25 Zentimetern machen, also dann neben den im Generalplan zugrunde gelegten 25 Zentimetern Meeresspiegelanstieg um 25 Zentimeter die Deiche zusätzlich erhöhen, dann muss davon ausgegangen werden, dass das circa 30 Millionen Euro mehr kostet, sodass wir möglicherweise auf eine Größenordnung von 140 Millionen Euro kommen – in den anderen Rechnungen sind ja auch noch Abweichungen –, was eine erhebliche Belastung wäre.

Es ist doch eines auch ganz deutlich: Das kann Bremen allein nicht schultern!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Umso wichtiger ist es, dass Bremen zusammen mit den Küstenländern geschlossen auftritt, um in Verhandlungen mit dem Bund eine angemessene Beteiligung an den Kosten des Klimawandels zu erreichen, und da möchte ich auch ganz deutlich sagen: Bremen allein hat doch nicht den Klimawandel verur

sacht! Der Klimawandel ist im Wesentlichen verursacht – –.

(Zurufe von der CDU – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Ich dachte, es wäre die Große Koalition gewesen, die das verursacht hat!)

Im Übrigen, Herr Röwekamp, wenn Sie das Verursacherprinzip interessiert: Das war für die Grünen immer schon sehr wichtig, dass man dies auch bei der Handlung zugrunde legt, dass Klimawandel im Wesentlichen von den Industrienationen verursacht ist, Deutschland einen wesentlichen Anteil daran hat und dass die Küstenländer jetzt die Folgen nicht allein schultern können. Ich glaube, das ist doch wichtig, dass wir das gemeinsam so vorantreiben und eine angemessene Beteiligung des Bundes erreichen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider hat die FDP wieder einmal nur eine große Scheinanfrage mit der vollmundigen Überschrift „Bremen und Bremerhavens Küsten ausreichend schützen“ zu diesem sehr wichtigen Thema eingebracht.

(Abg. F o c k e [CDU]: Die sind gerade erst eingezogen!)

Beruhigen Sie sich, meine Damen und Herren!

Meine Herren von der FDP, von Ihnen hätte ich eigentlich etwas mehr erwartet, mindestens einen beschlussfähigen Antrag und nicht nur eine lapidare Anfrage! Sie wissen doch nicht erst seit gestern, dass der Meeresspiegel aufgrund des veränderten Klimawandels kontinuierlich ansteigt, Sie wissen es doch nicht erst seit gestern, dass wir schon seit Jahren einen unverantwortlichen, unzureichenden Küstenschutz haben und dass ein effektiver Küstenschutz dringend notwendig ist, dass Küstenschutz schon seit Jahren, wie eben erwähnt, lapidar behandelt worden ist und gerade ein ausreichender, effektiver Küstenschutz für unsere Bevölkerung von einer großen, existenziellen Bedeutung ist!

Zwar hat der Senat im April mit dem niedersächsischen Umweltministerium einen Generalplan Küstenschutz beraten, darüber hinaus aber ist meines Erachtens bis jetzt nichts, aber auch gar nichts Effektives im Bereich des Küstenschutzes eingeleitet oder umgesetzt worden. Tatsache ist –

(Zurufe von der FDP)

quatschen Sie nicht dazwischen, kommen Sie nach vorn! –, dass aufgrund des Klimawandels der Wasserstand der Weser kontinuierlich ansteigt, dadurch weichen unsere Deiche unweigerlich auf. Die Folge ist: Unsere Deiche werden bei Hochwasser nicht halten können, weil sie zu niedrig sind. Das dürfte sogar der FDP-Fraktion klar sein! Darum fordere ich Sie zum Schutz unserer Bevölkerung dringend dazu auf, unsere Deiche schnellstens um mindestens 50 Zentimeter zu erhöhen.

Das Land Niedersachsen hat schon damit angefangen, seine Deiche um 50 Zentimeter zu erhöhen. Niedersachsen hat schon gehandelt, und Sie zerreden, wie gewöhnlich, mit langen, unendlichen Diskussionen ein solch wichtiges Thema! Niedersachsen hat schon gehandelt, also Taten statt Worte, meine Damen und Herren!