Protokoll der Sitzung vom 27.08.2009

Vielleicht ist ja auch mein Gesicht nicht so fotogen, sodass man es den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht die ganze Zeit zumuten kann, mich im Fernsehen zu sehen!

(Heiterkeit)

80 Prozent reales Ausgabenniveau ist etwas, das wir in dem konsumtiven Bereich überhaupt nicht realisieren können, ohne gesetzliche Vorgaben und gebundene Ausgaben deutlich zu kürzen. Es ist etwas, das die Investitionen mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Bestandserhalt zurückfährt und wo meines Erachtens die Personalkosten, denn die müssten wir dann ja auch auf 80 Prozent senken, wenn wir dann noch einmal 30 Prozent inneren Personalaufwand haben, und wir nehmen sie weg, dann geht es nicht

mehr! Wir sind also in einer Situation, das will ich nur noch einmal deutlich machen, in der wir uns möglicherweise auf einen Kurs eingelassen haben, der, ob wir es wollen oder nicht, ob es gutwillig ist, ob man sich Mühe gibt umzuschichten, ob man sich noch vornimmt, einigermaßen den sozialen Ausgleich in dieser Stadt zu suchen, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kurs sein wird, mit dem Bremen 2020 nicht mehr das ist, wie wir es heute kennen.

Ich würde ganz gern für eine Sache werben wollen: Wenn es gestattet ist, Mehrausgaben für Neuverschuldung für krisenbedingte Einnahmeausfälle, für konjunkturbedingte Mehrausgaben im Bereich Wirtschaftsförderung zu machen, möchte ich dafür werben, dass wir in diese Verhandlungen gehen und sagen, wir haben konjunkturbedingte Mehrausgaben zur Bekämpfung von Armut im Land Bremen, zur Wiederherstellung von sozialer Gerechtigkeit und zur Bekämpfung der sozialen Spaltung. Ein Teil der Kosten und ein Teil der Situation, die wir hier haben, ist konjunkturbedingt und ist der wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet. Ich werbe dafür, dass wir dieses Argument nehmen und – wenn wir schon um Reduzierung streiten – sagen, einverstanden, das müssen wir als Argument ins Feld führen. Da nützt es ganz gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage, nehmen Sie den Armuts- und Reichtumsbericht der Landesregierung mit in die Verhandlungen! Machen Sie deutlich, dass die Untätigkeit in dieser Frage der Bekämpfung von Armutsprozessen ein mindestens ebenso schwerer Verfassungsbruch ist wie Neuverschuldung! Wenn man sich die Verfassung, das Grundgesetz und auch die Bremische Landesverfassung einmal anschaut, dann sind wir nachgerade zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse verpflichtet, dann sind wir verfassungsrechtlich verpflichtet, Chancengleichheit zu organisieren. Ich sage, wenn die Verfassungsrealität so ist, dass Kommunen und Länder und auch das Land Bremen gar nicht mehr das Geld haben, eine Verfassungsrealität herzustellen, in der Menschen hier in diesem Land gleiche Chancen haben, dann ist das eine Form von praktischem Verfassungsbruch, dem man auch auf politischer Seite begegnen muss!

(Beifall bei der LINKEN)

Machen Sie deutlich, dass die Untätigkeit bei der Armutsbekämpfung mittel- und langfristig auch finanzielle Auswirkungen haben wird, die auch die Haushaltssanierungen erschweren! Sie glauben doch nicht, dass das, was wir da an sozialen Schulden aufhäufen, nicht langfristig auch Kosten erzeugt. Machen Sie deutlich, dass man Armutsprozesse nur bekämpfen kann, wenn man nicht nur die Symptome bekämpft, und die bekämpfen wir nur überwiegend mit dem, was wir an Sozialleistungen bezahlen, es

sind diese sozusagen End-of-pipe-Lösungen! Wenn wir nicht Mittel in die Hand nehmen, um die Ursachen zu bekämpfen, werden wir langfristig nicht zu einer Reduzierung der Sozialleistungen kommen. Das heißt, wir brauchen auch da freie Mittel über das, was gesetzlich gebunden ist, hinaus, um in dieser Stadt Armut zu bekämpfen und soziale Gerechtigkeit wiederherzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Armuts- und Reichtumsbericht hat einen weiteren Vorteil. Da sind im Anhang eine ganze Reihe konkreter Forderungen und Projekte beschrieben. Nimmt man sie in ihrer Summe, sind wir in der Tat ziemlich dicht an dem, was wir einmal gefordert haben, nämlich einen Masterplan Armutsbekämpfung. Darin sind sehr vernünftige Dinge, die in der Perspektive Armut bekämpfen können, die den Menschen in den Stadtteilen helfen und diesem Ziel, dass man die zehn reichsten und ärmsten Stadtteile zusammenführt, näher kommen kann. Ich denke, es ist notwendig, hinter diese Maßnahmen Zahlen zu schreiben und einmal zu sagen, was das denn kostet, wenn wir das nicht gleich dieses Jahr machen, aber mit diesem Jahr anfangen und übernächstes Jahr weitermachen. Dann hat man einen Begriff davon, wie viel Geld in Bremen eigentlich fehlt, um soziale Gerechtigkeit herzustellen.

Auf der anderen Seite kann man in die Verhandlungen gehen und sagen, hört einmal, bei uns ist die Lage ausgesprochen schlecht, wir finden, dass dies und das notwendig ist, dann kann man das auch beziffern. Wenn man diese Forderung deutlich machen kann, denke ich, hat man im Rahmen der Systematik deutlich bessere Chancen, nicht zu einer Form von Sanierung verdonnert zu werden, die vollständig unmöglich ist.

Im Übrigen ist es auch 2010 so, dass man vielleicht schon einmal anfangen könnte, dies zu machen. Es ist der letzte Haushalt, den wir ungeschützt vom Sanierungspfad beschließen können. Mit 30, 40, 50 Millionen Euro mehr im nächsten Jahr können wir in ganz bestimmte Dinge einsteigen, ich sage einmal ungeschützt,

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Ungestraft!)

für die langfristige Sanierung ist es meines Erachtens nicht erheblich, ob wir dieses Jahr mit 928 Millionen Euro oder beispielsweise mit 999 Millionen Euro in diese Verhandlungen gehen, wenn wir nachweisen können, dass dieses Geld zur Erhaltung einer Verfassungsrealität dient und nicht zum Fenster hinausgeworfen worden ist.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Philo- sophie geht gar nicht!)

Nehmen Sie zumindest Ihre eigenen Ziele ernst! Wir haben vorgestern über ein Leitbild diskutiert, und ich habe mir erlaubt, das deutlich zu kritisieren, weil ich das in vielfältiger Hinsicht zu kurz finde. Ich stelle die Maßnahmen des Armuts- und Reichtumsberichts dazu. Wenn Sie aber tatsächlich das Ziel haben, die zehn ärmsten und die zehn reichsten Stadtteile anzugleichen, dann müssen Sie aufpassen, in welche Richtung das geht. Das kann nicht in die Richtung gehen, dass die Reichen sich den Ärmsten annähern, sondern wir werden Geld in die Hand nehmen müssen, und deutlich mehr Geld als bisher, damit die armen Stadtteile sich den reichen Stadtteilen angleichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich auf der Besuchertribüne recht herzlich eine Gruppe des Kreisverbandes der Europa-Union Deutschland aus Regensburg begrüßen. Seien Sie ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rupp, vorweg, darauf muss ich reagieren, wir stehen nicht in dieser Logik, ich weise das für die FDP ausdrücklich zurück!

(Beifall bei der FDP)

Man kann das im Protokoll nachlesen, welche Logik Sie da gemeint haben. Wir haben das gestern ganz deutlich unterstrichen, und ich sage das noch einmal, wir stehen auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft, und da ist das Wort sozial schon enthalten. Deshalb muss ich das hier nicht noch weiter ausführen.

(Beifall bei der FDP)

Ich hoffe auf der anderen Seite, dass die Besucher des Landesverbandes aus Regensburg noch nicht allzu lange da sind, denn ich fand das, was wir hier in der Diskussion teilweise abgeliefert haben, nicht so gelungen. Es geht hier wirklich ernsthaft um die Zukunft des Landes, und für Wahlkampfreden war das nun wirklich unter Niveau, muss ich gestehen.

(Beifall bei der FDP)

Zum ersten Teil der Lage sage ich vorweg, weil wir schon mehrfach angesprochen worden sind, ich bin

auch gegen einen Pakt und gegen das Paktschließen in allen möglichen Lebenslagen, denn da verwischen wir ganz eindeutig die Positionen zwischen Regierung und Opposition. Die müssen wir ganz deutlich festhalten und auch im Auge behalten. Da sind wir in ganz wesentlichen Fragen unterschiedlicher Position.

(Beifall bei der FDP)

Weil Herr Dr. Güldner das ansprach und wir ja auch die Debatte über den Stadthaushalt hier mit abhandeln, kann ich auch auf ein kommunales Thema eingehen, weil Sie das mit der Brücke als Firlefanz zurückgewiesen haben! Wenn Sie sich wirklich ernsthaft damit auseinandergesetzt hätten, hätten Sie festgestellt, dass wir gar nicht die Forderung erhoben haben, das mit öffentlichem Geld zu finanzieren. Das ist ein Vorschlag für die Förderung der Innenstadt, und wir alle wissen, die Stärkung der Innenstadt und des Standortes Innenstadt ist eine ganz konkrete Vorgabe, die wir wirtschaftspolitisch auch brauchen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer soll es denn bezahlen?)

Wir haben eine Brücke am Teerhof. Da sind auch rechts und links Brücken. Wir haben in Bremerhaven die Havenwelten gebaut, da sind rechts und links Brücken, und in der Mitte ist auch ein Brücke.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Hat auch die Stadt bezahlt!)

Sie sind kein Bremer, lieber Herr Dr. Güldner, deshalb sage ich Ihnen das als eingeborener Bremer: Das Problem in der Innenstadt ist, dass wir bestimmte Rundwege nicht haben, und jeder weiß das, wenn man aus dem Bahnhof kommt, würden viele Leute gern geradeaus über eine Brücke gehen und wären dann in der Mitte und im Herzen der Innenstadt. Deshalb sage ich, das ist kein Firlefanz, sondern sehr ernst zu nehmen. Man kann hier nicht in einer Rede argumentieren, wir sind für Vorschläge der Opposition offen, und dann kommt man daher und sagt, ohne dass man wirklich über die Vorschläge nachgedacht hat, das ist aber Firlefanz.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb bin ich auch eindeutig gegen Pakte, das verwischt nämlich die Positionen. Wir bleiben bei der Forderung, die Innenstadt aufzuwerten, und wir bleiben bei der Forderung, dabei alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Ich finde es ja nett, dass wir hier den Wahlkampf gemacht haben und dass wir nun alle zu einem Pakt stehen sollen, der Steuersenkung ausschließt. Wir

können ja auch nach den Erfahrungen der letzten Bundestagswahl hier Stimmzettel ausgeben, wir sind auch gegen Steuererhöhungen. Das führt uns doch aber letztendlich überhaupt nicht weiter! Ich finde, und das macht die SPD in ihrem Wahlprogramm ja auch, und in ihren alten Wahlprogrammen hat sie das ja auch gemacht, man muss doch die Steuerentlastung der Bürger und der Arbeitnehmer im Auge behalten. Das kann man doch nicht kategorisch von vornherein ausschließen. Sie alle kennen mich und wissen, dass ich die meiste Zeit meines Lebens ein nüchterner Mensch bin. Ich bin überhaupt nicht dafür, dass man hier holzschnittartig sagt, da versucht irgendjemand irgendetwas zu senken, und das erodiert in dem Land. Ich bin immer für alle Vorschläge offen, die das Land Bremen stärken und erhalten. Ich habe mich immer, auch bei der Föderalismusreform und bei der Diskussion darüber, für das Land Bremen eingesetzt und werde es auch weiterhin auch nach außen tun. Manchmal ist es schwer, das zu tun mit einer Regierung im Rücken, die mitunter Dinge macht, die in anderen Bundesländern nicht ankommen und auch nicht verstanden werden. Aber darauf komme ich im späteren Teil meiner Rede. Die FDP hat immer zu Bremen gestanden, und deshalb werden wir natürlich darauf achten, dass Bremen dabei auch nicht übermäßig benachteiligt wird.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Gar nicht!)

Dass es gar nicht benachteiligt wird, wird wahrscheinlich nicht funktionieren, weil Politik und auch Bundes- und Landespolitik immer aus Geben und Nehmen besteht!

(Beifall bei der FDP)

Aber uns vorzuwerfen, wir wollten hier die Grundlagen des Landes erodieren lassen, wo wir uns wirklich alle massiv dafür eingesetzt haben, dass die Föderalismusreform kommt, ist unredlich. Wir sind damit unzufrieden, was dabei herausgekommen ist, und es wird uns ganz große, schmerzhafte Schritte abverlangen. Ich weiß, dass die Finanzsenatorin jetzt wieder schmerzhaft zusammenzuckt, mit schmerzhaft meinte ich, weil sie unerlässlich sind. Es ist ja nicht so, dass wir in einen Bereich hineinschneiden wollen und in den anderen nicht. Wir müssen aber ganz einfach sparen, und darum werden wir nicht herumkommen.

Perspektivlosigkeit ist angesprochen worden, ich finde das auch, aber wir werden es in den Haushaltsberatungen weiter definieren und auch weiter voranbringen. Ich glaube auch nicht, dass man in dieser grundsätzlichen Debatte jetzt mit vielen Zahlen operieren muss. Wir wollen hier als FDP – und das wiederhole ich noch einmal, auch wenn ich dann in den Verdacht

gerate, es gebetsmühlenartig zu tun – eine Verwaltungs- und Strukturreform in Bremen, und zwar deshalb, um die Beamten und die Beschäftigten dahin zu bringen, wo die Bürger sie brauchen, und aus Bereichen abzuziehen, wo sie nicht so unbedingt erforderlich sind. Ich weiß, dass alle Bereiche erforderlich sind, aber in der Situation, in der wir als Bundesland stecken, werden wir Prioritäten setzen müssen.

Wir werden Vorschläge dazu machen, und wir werden sie auch vorlegen, weil wir ganz einfach nicht darum herumkommen. Die anderen Bundesländer haben es auch gemacht. Ich habe es mir erspart, die Vorlagen aus Hessen und Baden-Württemberg mitzubringen, weil ich keine Lust hatte, mich damit abzuschleppen und sie hier zu zeigen. Das hätte ich tun können. Wer es möchte, dem kann ich sie zeigen. Andere Bundesländer tun das ja auch, und wenn wir sagen, wir brauchen Unterstützung, Hilfe und Solidarität anderer Bundesländer, dann müssen wir das ganz einfach auch tun.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Regierungsfraktionen, der Kollege Röwekamp mit CDU, dazu der Senat, da an wirklichen, konkreten Projekten zusammenarbeiten wollen, die die Zukunftsfähigkeit des Landes sichern, die Bremen und die Selbstständigkeit sichern. Das finde ich gut, und das sollten wir auch tun. Ich will nicht das Wort tabulos in den Mund nehmen, denn das hört sich zwar immer schön an, ist in letzter Konsequenz aber auch eine Worthülse. Wir müssen das ernsthaft angehen, denn wir stehen hier – das ist bereits gesagt worden, und ich wiederhole es noch einmal – an einem Scheideweg. Viele Dinge, die wir tun, können wir dann nur in der Hoffnung anschieben, noch einmal weitere Unterstützung zu bekommen, denn die Zukunft des Landes liegt nicht mehr allein in unserer Hand, das müssen wir ganz deutlich so sehen.

Ich habe das, weil ich direkt auf den Kollegen Rupp eingegangen bin, am Anfang nicht gesagt: Ich bedanke mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzressorts und allen anderen Beteiligten, die das umfangreiche Haushaltspaket erarbeitet haben. Damit kann man gut arbeiten, ich finde vor allen Dingen auch, dass die Schaubilder sehr eindrucksvoll sind. Damit kann man bestimmte Dinge sehr gut nachvollziehen. Die Bundestagswahl ist am 27. September vorbei, und vielleicht schaffen wir es ja, endlich am Jahresende auch noch einmal diese ewige Debatte über Rot-Grün und Rot-Schwarz und was gestern war und was morgen ist, zu beenden. Wir müssen in die Zukunftsfähigkeit dieses Landes investieren und in die Zukunftsfähigkeit dieses Landes unsere gesamten Ideen stecken.

(Beifall bei der FDP)