Sie blockieren auch noch den Ausbau der Windenergie und der Offshore-Anlagen vor Bremerhaven in der Nordseeküste. Das ist einer der Punkte, die wir strikt, und zwar in den Parlamenten wie auf der Straße, bekämpfen werden. Weil die Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit gegen diese Entscheidung ist, werden wir sie auch mobilisieren. Wir werden sie nicht nur in diesem Punkt gegen diese Bundesregierung in Stellung bringen!
Äußern Sie sich, wenn Sie hier in Bremen überhaupt noch politisch etwas werden wollen, kritisch zu diesen Punkten! Stellen Sie sich nicht blind hinter diese Vereinbarung! Erklären Sie den Menschen, wie Sie diese Entscheidung im Land Bremen rechtfertigen wollen! Es gibt keine Rechtfertigung für irgendetwas, das Sie in diesem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Ihre Rolle hier, sich jetzt lachend und feixend hier hinzusetzen und zu sagen, das ist doch wunderbar, überlasst es einmal alles der Landesregierung in Bremen! Ja, wir werden diese Herausforderung annehmen. Ihre Aufgabe wäre es aber, das Land Bremen in diesen Punkten gegen diesen Anschlag der Bundesregierung zu verteidigen und sie nicht noch zu rechtfertigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag sieht trotz desaströser Haushaltslage bei Bund, Ländern und Gemeinden massive Steuersenkungen vor. Der Kollege Dr. Güldner hat es eben schon skizziert, aber ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen, welche Auswirkungen das für Bremen und die Republik haben wird. Bei der Einkommensteuer sind jährliche Entlastungen von 24 Milliarden Euro vorgesehen. Von den Steuerausfällen müssen Länder und Gemeinden 57,5 Prozent tragen. Für Bremen bedeutet dies einen Anteil von 138 Millionen Euro. Durch das von Ihnen vereinbarte Sofortprogramm, Teilkorrektur der Unternehmensteuerreform, ergibt sich ein jährlicher Steuerausfall für Bremen von 17 Millionen Euro. Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Beherber
gungsdienstleistungen auf sieben Prozent bedeutet für Bremen einen Verlust von 4,5 Millionen Euro. In gleicher Höhe werden die Entlastungen bei der Erbschaftsteuer auf Bremen durchschlagen. Summa summarum sind es 163 Millionen Euro.
Nun kann man sich überlegen, was das für Bremen bedeutet, ich möchte aber noch einmal einen kleinen Schlenker machen. Ich habe mir diesen Koalitionsvertrag sehr aufmerksam durchgelesen – wir, Rot-Grün, sind die Ausgaben- und nicht Sparkoalition – ich habe in diesem gesamten Koalitionsvertrag kein einziges Konzept dafür entdeckt, wie Sie 163 Millionen Euro in Bremen durch irgendetwas finanzieren wollen.
Sie wollen es durch Wirtschaftswachstum generieren und finanzieren. Wirtschaftswachstum soll es bringen, dass diese gigantischen Summen in Deutschland wieder eingespielt werden.
Das Konzept, durch massive Steuersenkungen Wirtschaftswachstum zu generieren, hat Ronald Reagan probiert, hat Margaret Thatcher probiert,
und was ist das Ergebnis gewesen? Das Ergebnis ist gewesen, dass beide einen desaströsen Haushalt hinterlassen haben.
Am Ende kann man nüchtern – und dagegen können Sie sich auch nicht wehren – feststellen, dass Sie unseren Staat ausbluten, um es denen zu geben, die haben.
Sie geben denen, die viel zu vererben haben, Sie geben denen, die Unternehmen führen, Sie geben denen, die ein hohes Einkommen haben, und – für mich völlig unverständlich – Sie geben auch denen, die Beherbergungsbetriebe haben beziehungsweise
diese nutzen. Wie das hineinpasst, weiß ich auch noch nicht, zu wessen Gunsten das eine Umverteilung ist, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Man muss sich aber auch einmal anschauen: Wem nehmen die Schwarz-Gelben denn eigentlich? Die Schwarz-Gelben nehmen Bremen mindestens 163 Millionen Euro. 163 Millionen Euro sind 55 Prozent der Konsolidierungsmittel, die uns die Föderalismuskommission zugebilligt hat. Die 300 Millionen Euro, die dort als Konsolidierungshilfen vereinbart worden sind, sind anerkanntermaßen das absolute Minimum dessen, was Bremen braucht. Wie erklären Sie Bremerinnen und Bremern, dass nur noch 45 Prozent von dem zur Verfügung steht, was Bremen braucht?
Sollte diese Vereinbarung tatsächlich umgesetzt werden, entfällt für mich – das kann ich hier ganz deutlich erklären – die Geschäftsgrundlage für die Schuldenbremse. Sollte es den Ländern und vor allen Dingen auch Ihren Ländern nicht gelingen, diese Entkernung des Staates rückgängig zu machen, bleibt für uns außerhalb des politischen Prozesses eigentlich nur, die Frage der Finanzordnung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen zu lassen.
Das ist die eine Seite, es gibt ja noch eine andere Seite: Es gibt nämlich die Seite, auf der Sie inhaltlich werden. Das, finde ich, ist eigentlich die spannendere Seite: Was wollen Sie eigentlich? Dies ist ja mehr als ein Vertrag zulasten Dritter, mehr als ein Vertrag zulasten von Ländern und Gemeinden, das, was Sie da aufgeschrieben haben, ist in meinen Augen – vielleicht können Sie dazu ja noch einmal etwas darstellen – ein Masterplan zur sozialen Spaltung Deutschlands!
Ich möchte es an drei Beispielen deutlich machen: In Ihrer Familienpolitik werden die Ziele einer verbesserten Bildungspartizipation und einer verbesserten Betreuung absolut konterkariert. Sie erhöhen das Kindergeld monatlich völlig unsinnigerweise um 20 Euro, dann gibt es 184 Euro. Sie erhöhen den steuerfreien Kinderfreibetrag, wir wissen, wohin der Kinderfreibetrag führt, das begünstigt schlicht und ergreifend einfach nur die Besserverdienenden. Auch darüber könnte man noch hinwegsehen, das kann man machen, wenn man Schwarz und Gelb ist. Aber die entscheidende Frage – und an dieser Diskussion waren wir mit Familienpolitikern der CDU schon einmal viel weiter – ist: Was sollen eigentlich Leistungen für Kinder? Leistungen für Kinder müssen in Ein
richtungen gegeben werden, die eine moderne bildungspolitische Erziehung ermöglichen. Das darf nicht mit dem Gießkannenprinzip verschleudert werden. Diese Ressourcen brauchen wir!
Aber, als sei diese Geschichte noch nicht absurd genug, was mich wirklich geärgert, was mich entsetzt hat, ist, dass die FDP – und jetzt verteilen wir es einmal andersherum – zustimmt, dass es ein Betreuungsgeld für Kinder geben soll, die zu Hause und nicht in einer Kita betreut werden.
Es soll 150 Euro monatlich betragen. Was ist das für ein Gedankengang? Die Herdprämie! Sie wollen staatlich subventionieren, dass Kinder von Kitas und von frühkindlicher Bildung ferngehalten werden! Was das mit gesellschaftlicher Modernität zu tun hat, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen!
Vielleicht geht es aber ja auch gar nicht um benachteiligte Familien, vielleicht geht es ja auch gar nicht darum, dass man in diesem Staat erkennt, dass Bildung ein Schlüssel ist. Vielleicht geht es ja auch gar nicht darum, dass wir gerade denen, die aus bildungsfernen Schichten kommen, ermöglichen müssen, dass sie an Bildung partizipieren. Wenn es nämlich nicht darum geht, macht es vielleicht Sinn, diese Leute mit 150 Euro abzuspeisen und von Bildung fernzuhalten.
Sie folgen lieber zum Preis sozialer Verschlechterung den Ihnen liebgewordenen Lobbyinteressen. Beispiel Gesundheit: Von 2011 an wird der Arbeitgeberanteil für die Krankenversicherung eingefroren, die Arbeitnehmer sollen dann einen einkommensunabhängigen Beitrag leisten. Die Diskussion kennen wir, das ist ein ähnliches Modell wie die Kopfpauschale. Das wird angesichts der stetig steigenden Kosten im Gesundheitswesen, die wir hier auch immer wieder diskutiert haben, notwendigerweise dazu führen, dass diese gesamten Steigerungen ausschließlich von Arbeitnehmern getragen werden. Was ist das für ein soziales Modell, das Sie da im Kopf haben?
Sie haben uns dann vorgeworfen, wir würden unglaublich viel Bürokratie entwickeln. Dann haben Sie gesagt, damit das nicht so auf diejenigen, die wenig haben, durchschlägt, machen wir doch einen entsprechend steuerfinanzierten Zuschuss für Leute, die we
niger verdienen. Bei all dem, was ich dazu gelesen habe, diese zwei Seiten, bei denen ich zum Teil – das gebe ich ehrlich zu – in ihrer Komplexität gar nicht verstanden habe, wie das gemacht werden soll, ist mir aber völlig klar, dass das schon in sich den Zug eines bürokratischen Monsters trägt, gegen den der Gesundheitsfonds überhaupt nichts gewesen ist.
Es wird Ihnen aber ja auch von der privaten Versicherungswirtschaft zugejubelt. Die Pflegeversicherungsanbieter jubeln über den pauschalen Beitrag, der zurückgelegt wird, der Kapitalbildungsmaßnahmen bringen soll für die Pflegeversicherung. Wir haben es bei verschiedenen anderen Maßnahmen erlebt. Hurra, die Versicherungswirtschaft wird es Ihnen danken!
Jeder von uns hat Meinungen, und, ich finde, jeder von uns darf hier auch offensiv sein Gesellschaftsmodell vorstellen. Jeder darf auch versuchen, das in Politik zu gießen Was mich aber persönlich am meisten ärgert, ist, dass das, was Sie hier vereinbart haben, mit dem großen Ziel, das Sie haben, nämlich Wirtschaft anzukurbeln, nicht funktionieren wird. Das mögen Sie einem Sozi nicht glauben, deswegen habe ich mir ein Zitat herausgesucht. Das Zitat ist vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, ein honoriger Mann. Ich zitiere: „Mit dem Koalitionsvertrag und den geplanten dauerhaften Steuersenkungen verabschiedet sich die Regierung auch über diese Wahlperiode hinaus, langfristig vom Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts. Dies wird Wachstum gefährden, denn die hohe Neuverschuldung wird der privaten Wirtschaft den Spielraum für Investitionen räumen.“ Nach seiner Überzeugung wird diese Entwicklung langfristig zu einer Einschränkung öffentlicher Leistungen führen. Er schließt mit der Bewertung, dass es letztlich eine Umverteilung von unten nach oben ist. Genau das ist Ihr Koalitionsvertrag!
Zum Abschluss: Die Tigerente schnattert, sie rollt nicht, trotzdem hinterlässt sie eine Spur der Verwüstung. Schwarz-Gelb markiert nicht nur eine Gefahr in der Atompolitik, sondern ist zwischenzeitlich auch die Hinweisfarbe für die Entsolidarisierung unserer Sozialsysteme und Gesellschaft geworden. Wir in den Ländern – und dahin geht mein dringender Appell, Sie, die Sie hier sitzen, sind ja vor allem Landespolitiker – müssen alles tun, um dies zu verhindern. Wir
fordern jeden verantwortungsvollen Landespolitiker auf, uns hierbei zu unterstützen! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat eben mit deutlicher Mehrheit Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt, das ist gut für Deutschland, und das ist gut für Bremen!
Herr Tschöpe, Ihr erster bundespolitischer Versuch hier im Parlament, in der Bremischen Bürgerschaft –