Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir müssen aber sorgfältig darauf achten, dass wir unser Bundesland nicht kaputtsparen. Ich bin der festen Auffassung, dass der Haushalt nicht mehr auskömmlich ist, nicht mehr auskömmlich in dem Sinne, dass die Aufgaben, die wir zu lösen haben, aus meiner Sicht mit diesem angesetzten Haushalt nicht mehr lösbar sind. Wir müssen darüber nachdenken, wie man dazu kommt, die Aufgaben, die ordentlich umschrieben sind, finanziell abzusichern. Warum nutzt man in der Wirtschaftspolitik eigentlich nicht die Chancen des kleinsten Bundeslandes Bremen? Warum ist noch keiner auf die Idee gekommen zu sagen: Warum testen wir nicht einmal, was eine Freihandelszone an Innovationen möglich machen könnte? Warum machen wir solche Dinge nicht?

Die Kleinheit Bremens, da wird immer gesagt Labor und politisches Experimentierfeld, wird meiner Auffassung nach in keiner Weise bisher ausreichend genutzt. Das finde ich ärgerlich! Darüber eine Debatte zu führen, dazu könnte, wenn alle es wirklich wollten, eine Enquetekommission hilfreich sein. Sie haben die eben allseitig zerschossen! Deswegen macht es wahrscheinlich tatsächlich keinen Sinn mehr, eine solche Diskussion im Bundesland Bremen zu führen. Ich glaube im Übrigen, dass die Aussage von Frau Merkel, Wachstum, Wachstum, Wachstum, dann werden die Probleme schon lösbar sein, genauso ein ökonomischer Blödsinn ist, als wenn man sparen, sparen, sparen sagen würde. Nur beides gemeinsam macht vielleicht in irgendeiner Weise Sinn.

Letzter Punkt: Ich habe heute Morgen ein bisschen Nachrichten gesehen, da wurde bei N 24 unten im Streifen „Deutsche Bank im letzten Quartal: 1,4 Milliarden Gewinn“ eingeblendet. Zum Verhältnis im

letzten Quartal, da ging es um mehr als 400 Millionen Euro Gewinn, ist das eine Steigerung um das Dreifache. Ich glaube, man muss einmal darüber nachdenken, ob es nicht Zusammenhänge zwischen dem Gewinn dieser Bank und der Krise unseres Staates gibt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin enttäuscht über die Debattenbeiträge der Kollegen vom Bündnis 90/ Die Grünen und den Sozialdemokraten, nicht so sehr, weil sie mit einzelnen Sparvorschlägen, die ich gar nicht heute, sondern als Ideenanreiz in einer Rede vor einer Woche gebraucht habe, nicht einverstanden sind – das ist das natürliche Recht von Parlamentariern, dass sie unterschiedliche Auffassungen zu unterschiedlichen Sachverhalten haben –, ich bin entsetzt und enttäuscht über die Rückwärtsgewandtheit dieser Regierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben versucht, historisch zu belegen, warum die einen einmal dafür und die anderen einmal dagegen waren, welche Chancen die CDU verpasst und welche Chancen die Grünen genutzt und welche Chancen die Grünen verpasst und die CDU genutzt haben. Das ist alles Vergangenheitsbewältigung, die am Ende dazu geführt hat, dass wir 16 bis 17 Milliarden Euro Schulden mit steigender Tendenz haben. Um aus dieser Situation herauszukommen, müssen wir nach vorn denken und uns nicht Vorwürfe zur Vergangenheit machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen will ich ausdrücklich auch noch einmal sagen, dass die von mir gemachten Vorschläge nicht in dem Antrag, über den wir heute reden, enthalten sind, sondern sie sollten eine Debatte über die Frage anstoßen: Wie spart man in unserem Bundesland eigentlich richtig? Frau Kummer hat hier eine Vielzahl von Dingen genannt, bei denen das Sparen zu solchen Folgen führt, die nicht nur wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion, sondern Sie doch sicherlich auch, Frau Kummer für die SPD-Bürgerschaftsfraktion, für nicht mehr vertretbar halten. Mit den Sparmaßnahmen der Vergangenheit werden wir die enormen Herausforderungen der Zukunft eben nicht bewältigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist das Ergebnis dessen, was wir in den Ausschüssen beraten haben! Deswegen, Frau Kummer, ist die

Analyse doch völlig richtig: Wenn man feststellt, dass man in der Lehre an der Universität oder an den Hochschulen im Lande Bremen, teilweise in der sachlichen Ausstattung, oder bei der Frage, wie man eigentlich Tarifsteigerung auffangen kann, seit Jahren aufgrund von quotalen Kürzungen nicht mehr die richtigen Schwerpunkte setzt, dann muss man doch über strukturelle Maßnahmen nachdenken, und das kann doch nur heißen, sich auf das zu konzentrieren, worin man gut ist, und sich von dem zu trennen, was es vielleicht in näherer Umgebung an genauso Gutem gibt.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen, sage ich, müssen wir über Strukturen reden. Herr Dr. Kuhn, das ist nicht abstrakt! Strukturelles Sparen ist ganz konkret, und der Bürgermeister selbst hat gesagt, jawohl, die Summe, die Herr Röwekamp genannt hat – die ja von keinem von Ihnen wiederholt worden ist, dass wir um die 500 Millionen Euro in neun Jahren sparen müssen – ist richtig. Das geht nicht mehr mit den Sparmaßnahmen der Vergangenheit, das geht nicht mit PEP, und das geht nicht dadurch, dass man das Freibad Blumenthal baut, und das geht auch nicht, indem man jedem immer alles verspricht und den meisten auch alles gibt. Das geht nur, wenn man strukturell in unserem Bundesland spart.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen habe ich Vorschläge gemacht, zu denen Sie mir jetzt vorwerfen: Da haben die ja auch schon einmal anders geredet! Herr Dr. Kuhn, wenn wir alles immer nur so weitermachen, wie wir es in den letzten 30 Jahren in Bremen gemacht haben, dann hat unser Bundesland wirklich keine Zukunft mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da ist das Beispiel Gewoba ein gutes Beispiel! Ja, es stimmt, die CDU-Bürgerschaftsfraktion und die ehemaligen Mitglieder des Senats, mich eingeschlossen, haben an das Bundesverfassungsgericht gemeldet, wir halten an der Beteiligung an dieser Wohnungsbaugesellschaft fest. Es muss aber doch die Frage gestattet sein, ob das nach dem Ergebnis der Föderalismusreform-II-Kommission und in dem Bewusstsein, 450 bis 500 Millionen Euro plus/minus X sparen zu müssen, alles richtig gewesen ist, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Da sage ich für die CDU-Bürgerschaftsfraktion: Nein, es war auch nicht alles richtig, was wir als Bremer CDU vertreten haben, und es war auch nicht alles richtig, was ich als Thomas Röwekamp vertreten habe, Herr Dr. Kuhn! Diese Erkenntnis vermisse ich aber bei den Sozialdemokraten und bei Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe von Ihnen nicht einen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie das auffangen wollen, was wir par

teiübergreifend feststellen. In der Analyse sind wir uns einig: Wir müssen über 400 Millionen Euro in neun Jahren sparen! Ich habe einen Vorschlag für einen Weg gemacht, einen Vorschlag, zum Beispiel über Tabus zu reden, und ich habe einen Vorschlag über ein Verfahren gemacht. Das kann falsch sein! Die Vorschläge können falsch sein, und der Weg kann vielleicht an der einen oder anderen Gabelung in die falsche Richtung führen. Dann machen Sie aber doch einen anderen Vorschlag, Herr Dr. Kuhn, dann sagen Sie, wie es geht, und sagen Sie nicht immer nur, wie es nicht geht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu den Themenvorschlägen, die ich genannt habe, habe ich auch nur an der einen oder anderen Stelle etwas gehört. Bei Frau Kummer habe ich gehört, das wollen wir irgendwie so im laufenden Haushaltsaufstellungsverfahren machen. Im laufenden Haushaltsaufstellungsverfahren wollen Sie über die Aufgabenverteilung reden? Was können wir uns eigentlich an Aufgabenteilung zwischen Bremen und Bremerhaven vorstellen? Wer soll das eigentlich beraten? Der Haushalts- und Finanzausschuss, die Innendeputation oder die Bildungsdeputation, wenn es um die Frage von Lehrerinnen und Lehrer geht? Sie haben gesagt, wir wollen darüber reden, welches Studienangebot wir in Zukunft in Bremen und Bremerhaven anbieten möchten. Wo wollen Sie denn darüber reden? Im Haushalts- und Finanzausschuss? Im Wissenschaftsausschuss wollen Sie mit Vertretern der Universität Oldenburg und der Universität Hannover darüber reden, ob es sinnvoll ist, in drei unmittelbar benachbarten Universitäten das gleiche Studienangebot zu machen?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Im Wissenschaftsausschuss! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wir haben da schon Kooperationen! Wissen Sie das nicht?)

Herr Dr. Kuhn, das Scheitern solcher Gespräche ist doch vorprogrammiert, wenn wir nicht einen Rahmen finden, in dem wir fernab unseres parlamentarischen Alltags darüber nachdenken, wie man eine solche immense Aufgabe bewältigen kann, dann haben Sie sich von der Bewältigung dieser Aufgabe von Anfang an verabschiedet!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben das Beispiel Landespolizei genannt. Der Kollege Dr. Güldner hat seine Bremer Kollegen in diesem Zusammenhang in der „Nordsee-Zeitung“ in Bremerhaven als „enthirnt“ bezeichnet. Die Wahrheit ist doch, Herr Dr. Kuhn, die Landespolizei ist ein lebhaftes Beispiel dafür – –.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war ich nicht! Verwechseln Sie da nicht jemanden?)

Herr Günthner! Entschuldigen Sie! Sie reden so oft das Gleiche, deswegen neige ich dazu, Sie zu verwechseln. Sie wissen doch genau, woran die Einführung der Landespolizei bisher immer wieder gescheitert ist: an der ausschließlichen und alleinigen Verweigerungshaltung der Bremerhavener Sozialdemokraten! Wir hatten uns in der Koalitionsarbeitsgruppe 2003 mit Herrn Kleen als Innenpolitiker bereits verständigt, die Bremer Sozialdemokraten waren dafür, dann ging es in die große Runde, und Herr Breuer als Unterbezirksvorsitzender hat gesagt: Das ist mit mir nicht zu machen!

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir so weiter in Bremen Politik machen und uns wechselseitig blockieren, dann wird es keinen einzigen geeigneten Sparvorschlag zur Sanierung unseres Bundeslandes geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. G ü n t h n e r [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Röwekamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Günthner?

Nein, jetzt nicht! Er kann sich ja zu Wort melden.

Sie haben heute wieder das gleiche reflexartige Verhalten gezeigt, das uns in diese Krise geführt hat, nämlich die wechselseitigen Ideen zum Sparen als völlig haltlos, unbegründet, unsozial und unstrukturiert abzulehnen, Frau Kummer, ohne wirklich einen eigenen Beitrag zur Spardebatte zu leisten, Herr Dr. Kuhn. Ich habe nicht einen einzigen Vorschlag gehört!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man muss ehrlicherweise sagen, wir haben auf der Regierungsseite nicht den Sultan von Brunei sitzen, sondern den Bürgermeister von Bremen, und das bedeutet, dass man nicht jedem alles versprechen kann, sondern dass man schonungslos und offen darüber reden muss, was wir uns in Zukunft in Bremen und Bremerhaven eben nicht mehr leisten werden können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kummer, Sie haben gesagt: Sie können ja Haushaltsänderungsanträge stellen. Sie wissen doch genau, wie die Haushaltsänderungsanträge heißen, da steht dann „Haushaltsstelle X“ und „der Anschlag wird um Y gekürzt“. Meinen Sie, dass man so unser Bundesland retten kann, indem man Zahlen auf Papiere schreibt? Wir müssen über strukturelles Sparen reden!

(Beifall bei der CDU)

Strukturell sparen kann man nur, indem man das, was einen in der Vergangenheit einmal behindert hat, über Bord wirft. Ich habe nicht ein Argument von Herrn Dr. Kuhn und Frau Kummer gehört, das sich eigentlich von 2004 bis 2009 geändert hat. Sie haben heute viele Vorschläge und Begründungen dafür geliefert, warum die Enquetekommission heute nicht der richtige Weg war. Warum, frage ich Sie dann, waren Sie denn eigentlich 2004 dafür, es so zu machen? Was hat sich eigentlich geändert? Das Einzige, was sich geändert hat, Herr Dr. Kuhn, ist, dass Sie jetzt in der Regierung sind und offensichtlich Angst vor der Verantwortung haben. Das ist das, was sich geändert hat!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bedaure sehr, dass Sie auch diesen Vorschlag der CDU-Bürgerschaftsfraktion jetzt wieder nur aus parteitaktischen Gründen ablehnen und nicht bereit sind, sich über den Weg einer Enquetekommission mit externem Sachverstand, den der Senat ja an vielen Stellen mit Millionen teuer einkauft, auf einen gemeinsamen Weg für unser Land zu verständigen. Ich habe immer gedacht, Sie meinen es ernst. Ich habe gedacht, als Herr Dr. Sieling gesagt hat, lassen Sie uns das nicht außerhalb des Parlaments machen, lassen Sie es uns im Parlament machen, er meinte es ernst. Dann lassen Sie uns eine parlamentarische Enquetekommission einsetzen!

Als Sie gesagt haben, wir erwarten von der CDU Sparvorschläge, über die wir reden können, dann machen wir auch welche, habe ich gedacht, Sie meinen es ernst. Jetzt hat die CDU Sparvorschläge gemacht, aber die, die regieren, verweigern bis heute irgendwelche Sparvorschläge.

Am meisten enttäuscht mich, Herr Dr. Güldner, in diesem Fall Bündnis 90/Die Grünen. Ich habe immer gedacht, Sie würden nachhaltige Politik nicht nur als Politik im Zusammenhang mit Umwelt und Energie verstehen, sondern ich habe gedacht, dass Sie auch ein Interesse an nachhaltiger Finanzpolitik haben.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mehr als Sie!)

Sie verkünden hier den schlichten Weg des „Weiter so“, und dieses „Weiter so“ führt dazu, dass sie die Finanzprobleme unseres Bundeslandes nicht lösen, sondern dass sie die Probleme unseres Bundeslandes verstärken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)