Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Kummer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nur noch ein Satz: Ich glaube, das mit 2010/2011 hat Herr Dr. Kuhn ausreichend erklärt. Ich wollte nur noch einmal auf diese 900-Millionen-Euro-Frage zurückkommen, Herr Röwekamp. Herr Bürgermeister Böhrnsen hat es Ihnen in der gestrigen Debatte sehr klar und eindeutig gesagt: Die Kunst in der Verwaltungsvereinbarung, die nächstes Jahr zwischen uns und den anderen Ländern geschlossen werden muss, ist herauszufinden, was ein konjunkturelles und was ein strukturelles Defizit ist. Deswegen werden wir den Haushalt 2011 im Dezember noch nicht schlussendlich beschließen können, weil das noch feststehen muss.

Unter dem konjunkturellen Defizit leiden zurzeit alle Länder, Kommunen und der Bund auch, das ist völlig klar. Frau Dr. Merkel sagt es selbst immer wieder, wir können dem nicht entgegensparen, das ist sicherlich nicht richtig. Jetzt aber immer diese 900 Millionen Euro als das zu Sparende auf das Tapet zu bringen, ist nicht richtig, dagegen wende ich mich. Wir werden 2010 im Laufe des Jahres gemeinsam mit dem von uns beauftragten Gutachter Prof. Deubel versuchen, einen Weg herauszufinden. Das ist nicht nur eine einfache Formel, das ist ein ganz schwieriges Geschäft, über das sich ganz viele kluge Experten Gedanken machen müssen. Ich hoffe immer noch, dass wir im nächsten Jahr gemeinsam – Sie haben ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

sich jetzt daraus verabschiedet – eine vernünftige Möglichkeit herausfinden, wie wir in diesem Land und in diesen beiden Städten vielleicht auf einen guten Weg gelangen können. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedauere die Debatte sehr, weil ich gedacht habe, wir würden es schaffen, uns heute aus diesen engen Parteigrenzen einmal ein Stück weit herauszubewegen und diesen Parteienstreit wegzulassen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])

Herr Dr. Kuhn, regen Sie sich doch nicht so auf! Sie haben vorhin gesagt, Ihnen fehlt die Fantasie, ich habe eine ganze Menge Fantasie bei dieser ganzen Geschichte.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das glauben wir gern!)

Ich glaube, ich habe eine ganze Menge Fantasie dabei, und ich finde es auch fahrlässig, die ganze Debatte immer auf das Sparen zu verkürzen, immer zu sagen, tabuloses Sparen ist erforderlich. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wir sind das kleinste Bundesland mit der höchsten Verschuldung. Unser Problem wird sein, dass sich am Schluss überhaupt keiner mehr um uns kümmert, wenn wir uns hier nicht auf den Weg machen und zumindest den Versuch unternehmen, uns an dem berühmten Schopf ein Stück weit aus dem Schlamassel herauszuziehen.

(Beifall bei der FDP)

Einfach zu sagen „Weiter so“, und das ist alles richtig, ist wirklich absolut enttäuschend. Der Parteienstreit soll ja gern geführt werden, aber der hat Bremen genau in diese Krise geführt, in der es steckt. Genau diese Situation ist dadurch hervorgerufen worden.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb muss ich sagen, ich glaube auch, die Regierungskoalition hat sich von der Aufgabe, Bremen in die Zukunft zu führen, komplett verabschiedet. Sie haben sich komplett verabschiedet, weil Sie wirklich nur in dieser teilweise bornierten „Hier ist Freund, und da ist Feind“-Haltung operieren, und – Sie haben gesagt, mir fehlt da die Fantasie, da kann man

Ihnen leider auch nicht helfen – ich sehe jedenfalls ganz dunkle Wolken für Bremen heraufziehen, weil diese Regierungskoalition es nicht schaffen wird, Bremen aus der Krise zu führen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Enquetekommissionen sind eine Sache und ein Instrument der Legislative, deshalb möchte ich mich als Vertreterin des Senats zu dieser Debatte über die Enquetekommission nicht äußern, sondern nur ein bisschen zu dem Begleitszenario sagen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie könnten schon einmal sagen, warum Sie 2004 dafür waren!)

Ja, Herr Röwekamp! Vielleicht machen wir es einfach einmal so: Alle ein bisschen weniger Adrenalin, hören Sie doch auch einfach einmal zu! Ich sehe das, Sie platzen ja gleich, du lieber Himmel! Verstehen Sie, wir haben eine Aufgabe vor uns, die sehr lange sehr viel Kraft brauchen wird. Ich würde einmal sagen, sparen Sie doch ein bisschen, nicht alles gleich verpuffen, dann kommen wir vielleicht auch besser zurecht!

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Fan- gen Sie doch erst einmal an! Wir hören zu!)

Meine Güte!

Ich habe den Debatten entnommen, ist, dass es nach wie vor den Versuch gibt, Konsense zu suchen, das begrüßen wir, und dass es den Wunsch gibt, öffentliche Debatten zu führen. Da sagt der Senat auch wiederholt hier seine Unterstützung zu, aber diese öffentlichen Debatten müssen vorbereitet sein, sodass eine Debattenlage überhaupt erst hergestellt wird, das gilt für viele Punkte so, dass es nicht der Fall ist, und man muss sich auch darüber Gedanken machen, mit wem wir das eigentlich besprechen, zum Beispiel ist der Senat in regelmäßigen Gesprächen mit der Handelskammer. Wir werden auch Punkte haben, die wir in den nächsten zehn Jahren schultern müssen, die wir auf Stadtteilebene besprechen, die wir auf Fachebene besprechen und immer so weiter. Es gehört jeweils zum Sachverhalt, sich darüber auseinanderzusetzen, auf welchen Ebenen mit welchen Personen und in welchen Gremien Dinge sinnvollerweise besprochen werden sollen. Als Senat sage ich aber ausdrücklich Unterstützung zu, auch wenn es zum Beispiel darum geht, externen Sachverstand einzuholen und so weiter.

Die Architektur des Spargeschäfts, wenn man das einmal so sagen darf, vor dem Bremen steht, ist so, Frau Kummer hat es schon einmal gesagt: Wir müssen zunächst die Höhe des Betrags kennen, um den es geht. 900 Millionen Euro plus 163 Millionen Euro durch Steuergeschenke der Großen Koalition – –.

(Zuruf von der FDP)

Schwarz-Gelb, Entschuldigung, so ist es!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Große Ko- alition war nur 100!)

Ja, sie hat auch Steuergeschenke gemacht. Das ist deutlich über eine Milliarde, und dieser Betrag, das ist in der Tat richtig, den werden wir, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte, den wird Bremen nicht einsparen können. Um diesen Betrag wird es aber auch nicht gehen.

Man kann, glaube ich, Folgendes nicht machen: Auf der einen Seite, auf der Bundesebene sagt Frau Merkel, dass in die Krise auf keinen Fall hineingespart werden darf, und dann werden solche Reden gehalten, als sollte man hier jetzt sofort und heute ein Blutbad – wurde hier gestern gesagt – veranstalten. Das machen wir nicht! Den Betrag werden wir erst am Ende der Verhandlungen kennen, und diese gestaltet der Senat, indem er zum Beispiel versucht herauszufinden, welche Bedeutung der Gedanke hat, den auch Herr Rupp hier eingebracht hat, nämlich welche Möglichkeiten es gibt, eine spezifische Betrachtung der Sozialleistung anzustellen. Sie sehen, dass auf Städtetagsebene sehr viel in Bewegung gekommen ist. Darüber müssen und werden wir mit dem Bund sprechen, und wir werden als Gedanken im Hinterkopf haben und einbringen, dass wir bei den Primärausgaben mit fünf Prozentpunkten deutlich unter denen der anderen Stadtstaaten liegen. Wir werden nicht einfach nur jeden Betrag, den der Bund diktiert, akzeptieren, sondern wir werden darum kämpfen, dass ein Weg auf Bundesebene verabredet und verhandelt wird, der für uns realisierbar ist. Den kennen wir noch nicht, aber wir sind an der Arbeit.

Wenn wir dann den Betrag kennen, gibt es doch eine einmalige Chance, nämlich die Chance, das zu tun, was alle sagen, nämlich ein Spargeschäft, Einsparungen, Strukturveränderungen im Haushalt über mehrere Jahre hinweg anzulegen. Unsere Krux ist doch – das hat auch, ich sage einmal, die Köpfe verdorben –, dass man von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr hier und da noch einmal etwas herausgedreht hat und irgendwo noch einmal die Schraube an derselben Stelle angezogen hat. Dann kam es eben zu Vermögensveräußerungen, weil man damit schnell Geld einbringen kann, ohne dass man sich über die Folgen wirklich ausreichend Gedanken gemacht hat, und dann kam es zum Schließen von Einrichtungen

zulasten von Menschen, die hier die Unterstützung des Staates besonders brauchen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diese Art von Spargeschäft ist erstens nicht mehr Erfolg versprechend, weil man es hier über 20, 30 Jahre hinweg gemacht hat, und es ist am Ende, es ist ausgereizt. Auch wenn Sie es sich noch so sehr wünschen, dass es weiter so gehen soll, es ist nicht so, also geht nur ein anderer Weg. Ein anderer Weg heißt, wir gehen Wege und legen sie für zehn Jahre an. Dann können Sie hier auch mit den Füßen auftreten, Herr Röwekamp, das wird man hier nicht innerhalb von drei Tagen oder auch nicht drei Monaten zusammenbekommen können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Sie fangen ja gar nicht an!)

Anfangen, was wollen Sie denn anfangen? Da wollen Sie wieder mit dem anfangen, was in den letzten 20 Jahren immer im Gespräch war.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Nein! Ge- nau das, was Sie gerade sagen!)

Okay, anfangen heißt, ich suche mir einzelne Sachen heraus, und das wird dann gemacht.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Nein!)

Hören Sie doch einfach einmal zu, Herr Strohmann!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das fällt so schwer!)

Das werden wir nicht tun, weil am Ende des Sparwegs und des Vorschlags, den der Senat machen muss, müssen die Öffentlichkeit und das Parlament instand gesetzt werden –

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Instand?)

hören Sie doch einfach einmal zu! –, in den Stand versetzt werden zu beurteilen, ob das, was wir vorlegen, fair und korrekt, akzeptabel und umsetzbar ist. Wir werden diesen Konsens, den wir hier brauchen, nicht herstellen können, wenn wir Einzelmaßnahmen herauspicken, mit großem Getöse als Sparvorschläge in die Öffentlichkeit tragen, ohne zu schauen, ob die Sparpolitik eigentlich eine Architektur hat, die wir der Bevölkerung, aber auch eben dem Bund und den anderen Bundesländern gegenüber vertreten können. Auf gut Deutsch, in einem Satz, legen

wir etwas vor, das praktikabel und gerecht ist, und dafür muss man ein bisschen mehr kennen als einen Anfang.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das vorzulegen braucht Zeit. Sie können hier machen, was Sie wollen, wir werden uns diese Zeit nehmen. In welche Lage man gerät, wenn man es gar nicht mehr aushalten kann, damit endlich wieder großer Qualm in der Öffentlichkeit ist über das, was gespart oder angeblich gespart werden soll, das können Sie doch als Reaktion auf Ihre Vorschläge sehen. Sie haben doch noch nicht einmal in Ihren eigenen Reihen Mehrheiten dafür. Wie soll das denn gehen?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Strukturreform ist hier als Stichwort gefallen, das ist richtig, wobei das, was dann genannt wurde, eigentlich eher Kürzungen im herkömmlichen Sinne sind. Strukturreform bedeutet, dass wir uns Aufwand und Qualität genauer ansehen, und zwar auf allen Ebenen. Wenn wir feststellen, dass wir in Bremen – und da sind wir auch nicht schlechter als alle anderen Gebietskörperschaften in Deutschland – 30 Prozent unserer Personalkapazitäten für die innere Verwaltung aufwenden, dann sieht man, dass man da noch besser werden kann. Da wird niemand gekündigt, aber ein Abbau von Personal im öffentlichen Dienst ist unausweichlich, Herr Rupp, und es ist auch nichts Schlechtes, wenn wir mit den Ressourcen, die uns die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Verfügung stellen, sparsam umgehen.

Da wird es selbstverständlich zu einem weiteren Abbau von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommen. Aber können wir es so gestalten, dass die Arbeit noch gut gemacht werden kann? Das ist die Herausforderung, und wenn man sagt, 30 Prozent der Personalkapazitäten brauchen wir für die innere Verwaltung, dann ist sicher, dass es da besser werden kann. Über die 115, Herr Röwekamp, haben Sie ja schon öffentlich Hohn und Spott ausgegossen. Aber zum Beispiel auch bei der Wettmitteldebatte gestern: Ist Ihnen da eigentlich gar nicht klar gewesen, dass es auch darum ging – nicht nur, aber auch – Verwaltungsaufwand einzusparen, und zwar massiv? Das interessiert dann offensichtlich hier einfach gar nicht, wenn es darum geht, den Sportvereinen zu gefallen.