Bevor wir die Tagesordnung fortsetzen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktion DIE LINKE ihren Antrag „Keine Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger und Hartz IV-Empfängerinnen“ mit der DrucksachenNummer 17/994 inzwischen zurückgezogen hat. Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Fragebögen verteilt worden sind, in denen die Bedarfe bezüglich Drucksachen elektronisch oder auf Papierform oder beides abgefragt werden. Zurzeit hat circa die Hälfte der Abgeordneten den Fragebogen noch nicht zurückgegeben, und ich bitte dringend darum, ihn auszufüllen, damit wir hier doch auch das optimale Dienstleistungsangebot erbringen können. – Vielen Dank!
Bericht und Antrag des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau vom 1. September 2009 (Drucksache 17/918)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Bericht, den wir als Gleichstellungsausschuss vorgelegt haben, möchte ich ganz kurz noch einmal für Sie zusammenfassen! Er gliedert sich in drei wesentliche Punkte: Das ist einmal die Prävention, etwas, was im Bereich der häuslichen Gewalt aus unserer Sicht etwas sehr Wichtiges ist. Hier darf ich auf die Maßnahmen verweisen, die im Schulbereich angeschoben worden sind und auch sehr gut angekommen sind. Diese Maßnahmen sind speziell auch für Jungen und Mädchen ausgelegt.
Der zweite Punkt ist die Intervention. Die Intervention basiert auf gesetzlicher Grundlage, und das ist vor allen Dingen das Gewaltschutzgesetz und die Wegweisung nach dem Bremischen Polizeischutzge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
setz, und das Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen in Bremen funktioniert immer besser. Zu Anfang, muss ich sagen, hat es etwas gehakelt. Hier sind die Maßnahmen, die aufeinander abgestimmt werden, wirklich sehr gut. Die Institutionen arbeiten optimal zusammen. Allerdings haben wir in unserem Bericht auch einen kleinen Punkt festgestellt, dass es zwischen dem Amt für Soziale Dienste und der Polizei ab und zu zu Kommunikationsproblemen kommt. Das konnten wir nicht abschließend klären, worauf es zurückzuführen ist, und wir bitten Sie, Frau Senatorin, hier in Ihrer Antwort gleich doch noch einmal auf dieses Thema einzugehen und uns detailliert zu berichten, wie diese Kommunikationsprobleme aussehen, ob sie bestehen und welche Lösungsmöglichkeiten angedacht sind.
Die Öffentlichkeitsarbeit ist der dritte Punkt, der in dem Bereich häusliche Gewalt sehr wichtig ist. Hier geht es vor allen Dingen darum, ausländische Familien anzusprechen, denn die sind von den Kommunikationen, die sonst in der Stadt bestehen, und Zeitungen, die dieses Thema aufgreifen, weitgehend abgeschnitten. Hier müssen wir noch gezieltere Maßnahmen entwickeln, um genau hier das Thema häusliche Gewalt in die Familien hineinzubringen und aufklärend zu wirken.
Gewalt gegen Männer ist sicherlich ein Thema. Die FDP hatte eine Kleine Anfrage gestellt. Wir wollen das hier auch nicht als Gleichstellungsausschuss unter den Tisch kehren, überhaupt nicht, aber, und das muss man auch sagen, die allermeisten betroffenen Gewaltopfer sind eben Frauen, und deswegen sind die Maßnahmen, die hier entwickelt worden sind, auch überwiegend auf Frauen abgestellt. Allerdings, und da ist es doch schon eine sehr gute Richtung, auch beide Geschlechter mit einzubeziehen. In den schulischen Maßnahmen gegen Gewalt sind spezielle Programme auch für Jungen entwickelt, ich denke hier an das Kickboxen, wo besonders russische Jugendliche angesprochen werden.
Die Entscheidung, die Berichtszeit nicht, wie der Senat gebeten hatte, bei der letzten Vorlage auf drei Jahre zu verlängern, sondern bei zwei Jahren zu belassen, war eine richtige Entscheidung, denn es gibt hier doch immer noch Stellschrauben, die nachzubessern sind. Ich denke, es ist besser, wenn viele Augen darauf schauen, dann geht es auch schneller und zielgenauer.
Zwei Städte ein Land, Bremerhaven gehört dazu. Erstmals ist Bremerhaven in diesem Bericht erwähnt worden, auch das ist ein Fortschritt, auch das ist wichtig, dass Bremerhaven dazugehört. Das sind die Punkte, die ich Ihnen als Ausschussvorsitzende hier ans Herz gelegt habe. Ich würde mich freuen, zukünftig auch
sensibel für dieses Thema zu sein, das setze ich eigentlich voraus. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vierte Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt wird heute hier im November 2009 behandelt. Wir müssen feststellen, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland immer noch ein großes gesellschaftliches Problem ist: Gewalt in Form von Zwangsprostitution, Menschenhandel, Zwangsheirat, sogenannter Ehrenmorde und häuslicher Gewalt. Im Jahr 2008 sind allein in Bremen 670 Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz bei den Gerichten eingegangen, das sind täglich ein bis zwei Verfahren; täglich fast zwei Verfahren wegen Gewalt im eigenen Zuhause, dem Raum, der eigentlich Schutz und Sicherheit bieten sollte! Im eigenen Zuhause hat nach der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebenen Studie jede vierte Frau unter Gewalterfahrung leiden müssen und körperliche, sexuelle und psychische Gewalt durch ihren Partner persönlich erlebt.
Dass es auch Männer gibt, die solch demütigenden Erfahrungen machen müssen, sei an dieser Stelle auch erwähnt. Die Aussage von Professor Dr. Gerhard Amendt allerdings, dass aus diesem Grund die Frauenhäuser geschlossen werden sollen, ist perfide und zynisch.
Das Gegeneinanderausspielen einer Opfergruppe gegen die andere hilft weder den weiblichen noch den männlichen Opfern häuslicher Gewalt.
Wie notwendig Frauenhäuser sind, zeigen die Berichte der Kolleginnen aus den Frauenhäusern. Die Gewalt gegen Frauen hat an Brutalität so zugenommen, dass sich Frauen immer häufiger in Todesgefahr befinden. Die sogenannten Ehrenmorde betreffen Frauen, deren Männer muslimischen Migrationshintergrund haben, aber es gibt ebenso die Tötung und Todesgefahren von Frauen durch ihren deutschen Partner.
In der Studie des Bundesministeriums wurde deutlich, dass Gewalttätigkeit gegen Frauen in allen sozialen Schichten verübt wird. Ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin: „Allerdings zeigt es sich bei
den ab 45-jährigen Männern wiederum, dass Männer mit den höchsten Schul- und Ausbildungsabschlüssen häufiger Gewalt gegen die aktuelle Partnerin verübt haben als Männer mit mittleren und niederen Schulabschlüssen, und zwar vor allem dann, wenn die Partnerin einen gleichwertigen oder höheren Schulund Ausbildungsabschluss hatte“. Das zeigt auf, dass auch hochgebildete Männer zu relevanten Teilen der Gruppe schwer misshandelnder Männer im Bereich der mittleren und hohen Schulabschlüsse einzuordnen sind.
Gewalttätige kommen also in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen im November 2008 belegt dies indirekt auch für Bremen. Das Männertherapiezentrum und der Verein Männer gegen Männergewalt bekämen keine staatlichen Zuschüsse, weil es sich bei dem Klientel um Selbstzahler handele. Diese Gruppe von hochgebildeten, in der sozialen Schichtung obenstehenden gewalttätigen Männer sind in dem vierten Bericht nicht erwähnt worden. Warum? Männer, die ihre Frauen misshandeln, misshandeln auch ihre Kinder. Selbst wenn sie sie nicht schlagen – doch das tun sie in den meisten Fällen –, erleben die Kinder hilflos mit, wie ihre Mütter mit Fäusten traktiert, getreten, gewürgt, verbrüht und zu Boden geschlagen werden. Diese Erlebnisse prägen Jungen wie Mädchen. Die Studie des Bundesministeriums kommt zu dem Schluss, ich zitiere mit Genehmigung: „Wichtig an dem Zusammenhang zwischen Gewalt in der Kindheit und im Erwachsenenleben ist vor allem, die negativen Folgen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in ihren späteren Auswirkungen für Frauen, Männer und die nachfolgenden Generationen zu erkennen und daraus die Schlüsse für die Beendigung von Gewaltkreisläufen zu ziehen“. Die präventive Arbeit wird im vierten Bericht immer wieder in den Vordergrund gestellt.
Der Ausschuss und auch wir begrüßen die kontinuierliche Fortbildung der Mitarbeitenden in den befassten Institutionen und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, deshalb wenden sich vermehrt Opfer an die Behörden. Das neue Wohnungsverweisungsgesetz ist hilfreich; so finden schnellere Schutzmaßnahmen und Beratungen statt. Gleichwohl müssen noch Verhaltens- und Bewusstseinsveränderungen intensiv sowohl in die Prävention als auch in die aktuelle öffentliche Arbeit mit eingebunden werden.
Da in letzter Zeit vermehrt Migrantinnen Opferschutz in Anspruch nehmen müssen, begrüßt der Ausschuss das Familienorientierte Integrationstraining FIT. Von Gewalt bedrohten Migrantinnen muss in Zukunft mehr Engagement und Aufmerksamkeit gewidmet werden.
reiche wurden umfangreiche polizeiliche, juristische und weiterbildende Präventions- und Interventionsprogramme vorgestellt. Auch das begrüßen wir außerordentlich. Wir danken der Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ für ihre sicher nicht einfache Arbeit.
Zum Schluss möchte ich noch eines ganz deutlich sagen: Kein Mensch sollte über oder unter einem anderen stehen; keine Frau über einem Mann, kein Mann über einer Frau und kein Erwachsener über Kindern. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist inzwischen schon der vierte Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“, den wir hier heute beraten. Solch ein Bericht ist auch immer eine gute Gelegenheit, einen Rückblick, aber auch einen Ausblick zu machen. Vor neun Jahren haben wir das Gewaltschutzgesetz auf der Bundesebene verabschiedet. Das war ein wichtiger Meilenstein bei der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich. Es sind zwei wichtige Botschaften, die dieses Gesetz beinhaltet. Erstens: Häusliche Beziehungsgewalt ist keine Privatsache. Wer zu Hause geschlagen und gedemütigt wird, braucht besonderen Schutz.
Zweitens: Wer schlägt, muss gehen; das Opfer bleibt in der Wohnung. Damit ist das Thema nicht nur aus einer Grauzone herausgeholt worden, sondern es gab durch das sogenannte Wegweisungsrecht und das Gewaltschutzgesetz endlich die Möglichkeit, auch dagegen vorzugehen, denn lange wurde diese Form von Gewalt in unserer Gesellschaft nicht ernst genommen und auch tabuisiert. Die Opfer haben oft aus Scham oder Angst vor dem Täter geschwiegen. Ihre Leidensgeschichte erstreckte sich daher oft über Jahre. Allein, ohne sachkundige Beratung und gesellschaftliche Unterstützung können sie sich oft lange nicht aus dieser Gewaltbeziehung lösen. Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser sind daher zu unentbehrlichen Unterstützungseinrichtungen geworden, die wir auch weiterhin brauchen, das macht dieser Bericht deutlich.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Die dort arbeitenden Sozialpädagogen berichten, dass jetzt zunehmend Frauen in die Frauenhäuser flüchten, die der Gewalt ihres Partners so massiv ausgesetzt waren, dass sie um ihr Leben fürchten müssen. Ich denke, das macht deutlich, warum wir diese Frauenhäuser weiterhin brauchen. Auch im Bereich Stalking ist ein starker Anstieg zu verzeichnen. Wir wissen nicht, wie hoch vorher die Dunkelziffer in dem Bereich war, aber es ist gut, dass die Opfer jetzt den Mut haben, dies auch anzuzeigen. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)
Der Bericht macht deutlich, welche Maßnahmen es in den verschiedenen Bereichen gibt, wie sie aufeinander aufbauen und wie sie auch verzahnt sind. Das möchte ich jetzt hier nicht alles aufzählen, das ist wirklich sehr gut dort dargestellt, und auf einiges ist Frau Arnold-Cramer auch bereits eingegangen. Deshalb möchte ich noch einen Punkt herausgreifen, der mir sehr wichtig ist!
Im letzten Bericht der Arbeitsgruppe zur häuslichen Beziehungsgewalt von 2006 wurde noch festgestellt, dass mehr Anstrengungen unternommen werden müssten, um auch die Frauen zu erreichen, die von sich aus keine institutionelle Hilfe suchen. Das gilt vor allem für die große Gruppe von Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind, und ihre Kinder. Alle Beteiligten der Arbeitsgruppe beklagten, dass es für diese Gruppe aufgrund der Sprach- und Kulturbarrieren noch keine niedrigschwelligen Hilfsangebote gibt. Deshalb sind wir Grünen sehr froh darüber, dass sich hier in den letzten Jahren in Bremen und Bremerhaven eine Menge getan hat. Inzwischen wird das Thema häusliche Beziehungsgewalt in dem Programm FIT-Migration und in den familienorientierten Integrationstrainings regelmäßig thematisiert. Das ist besonders wichtig, gerade vor dem Hintergrund, dass Migrantinnen nach wie vor einen hohen Anteil von den Betroffenen in dem Bereich häusliche Beziehungsgewalt abbilden.
Dass die eingeleiteten Maßnahmen Erfolg zeigen, wird meiner Ansicht nach auch deutlich daran, dass Migrantinnen zunehmend das Hilfsangebot nutzen, das finde ich gut. In den vergangenen zwei Jahren hat es in den Frauenhäusern in Bremen und Bremerhaven 1 200 telefonische und persönliche Beratungskontakte gegeben. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich. Deshalb ist die Forderung nach mehr qualifiziertem Personal mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund auch wichtig. In Bremerhaven wird zurzeit daran gearbeitet, ein Faltblatt speziell für Migrantinnen aufzulegen, das in sechs Sprachen erscheinen soll.
Hilfreich für diesen Bereich ist auch die Erklärung der Schura, die Ende Mai 2009 herausgekommen ist. Dort werden nicht nur Zwangsverheiratung und die Ehrenmorde als patriarchalisch geprägte Vorstellung
von Ehre und Schande abgelehnt; auch das Problem der häuslichen Gewalt wird darin thematisiert. Diesen Weg müssen wir weitergehen.