Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wer einen Blick in dieses Papier wirft, das verteilt worden ist, wird feststellen, dass wir uns im Investitionsbereich auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2009 befinden. Das macht deutlich, Rot-Grün setzt auf die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, und dies bleibt wesentliches Element der Politik. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einmal sagen, der Präses der Handelskammer hat eben nicht recht, wenn er von Wirtschaftsferne dieser rot-grünen Koalition redet, sondern die Stärkung der Wirtschaftskraft war, ist und bleibt ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Regierung!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Winther.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Liess, Sie reden hier den Haushalt schön! An allen Ecken und Enden haben Sie ge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

kürzt. Das haben Sie auch selbst schon dargestellt. Sie können es gar nicht leugnen, dass Sie – –.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ach, wie jetzt? Ich dachte, wir spa- ren jetzt!)

Vergleichen Sie doch einmal die Zahlen! Dann sehen Sie selbst, in welcher Weise Sie hier gekürzt haben. Ich werde auch gleich noch im Einzelnen darauf zurückkommen.

Wenn Sie all das bezahlen wollen, was Sie jetzt an anderer Stelle in diesem Haushalt beschließen wollen, dann hätten Sie eines tun müssen; nämlich die Wirtschaft durch eine gute attraktive Wirtschaftspolitik stärken müssen, um die Steuern zu generieren, die Sie für die Ausgaben an anderer Stelle brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Die Schwerpunktsetzung, die sich in diesem Haushalt abbildet, hat leider nichts mit einer wirtschaftsfreundlichen Politik zu tun und ist eben gerade nicht geeignet, Arbeitsplätze in Bremen zu schaffen oder zu sichern. Dazu will ich Ihnen auch gern einige Beispiele nennen. Wir sind eine Autostadt, und das Mercedes-Werk Bremen geht gerade erst gestärkt in die neue Produktion. Der Senat aber verteufelt den mobilisierten Verkehr, führt für 14 Anlieger eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A1 ein, erschwert durch Übergänge über die Richard-Boljahn-Allee die Erreichbarkeit der Stadt oder diskutiert über den Abriss der Hochstraße und über die flächendeckende Einführung von Tempo-30-Zonen!

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Dann sprechen Sie einmal mit Ihrem eigenen CDU-Ortspo- litiker, wie er das sieht!)

Oder nehmen Sie die Wirtschaftsförderung Bremen! Sie hat angekündigt, jedenfalls bei uns im Ausschuss, die Wirtschaftscluster, die wir gemeinsam erarbeitet haben, zu reduzieren. Was das heißen soll, ist nicht ersichtlich. Die unabhängigen Betriebsräte von Airbus beklagen sich schon heute über ein mangelndes Interesse an ihrem Betrieb.

Oder nehmen Sie den Einzelhandel! Mit großen Mühen arbeitet der Senat an einem Einkaufscenter, um fehlende Flächen gerade für inhabergeführte Geschäft, auszuweisen. Im gleichen Atemzug belegt jedoch die WFB genau diese Flächen im Kontorhaus mit Büronutzung. Das ist völlig inakzeptabel, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es keine Gesamtplanung des Senats für die Aufwertung des Einzelhandels in der gesamten Innenstadt gibt.

Zunehmend mehren sich die Klagen der Unternehmer über die mangelhafte individuelle Wirtschaftsförderung. Bei all diesen Themen schaut der Wirt

schaftssenator zu, moderiert und „will ermöglichen“. Eine aktive Gestaltung können wir allerdings nicht erkennen.

Die finanziellen Freiräume, die eine offensive Wirtschaftspolitik ermöglicht hätten, sind bei der Finanzsenatorin abgeliefert worden. 150 Millionen Euro sind auf andere Ressorts verteilt worden. Auch hier nur ein kleines Beispiel: Mit 1,7 Millionen Euro aus dem Ressort des Wirtschaftssenators wird die JVA finanziert. Was daran Wirtschaftsförderung ist, das muss mir noch jemand erklären!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Liess, die Folge dieser Politik ist, dass das Geld hinten und vorn nicht reicht und die Löcher über Freiräume des BAP gestopft werden müssen. Zu welchen akrobatischen Lösungen das nun wieder führt, dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel aus Bremerhaven nennen: Einem Unternehmen, das in Bremerhaven expandieren und investieren will, wird der Grundstückspreis ein ganzes Jahr gestundet. RotGrün merkt also selbst, dass sie mit dieser Förderung der Wirtschaft versagen, und sucht nun nach anderen Möglichkeiten. Investitionsspielräume, sehr geehrter Herr Liess, sind mit dieser Politik über das Maß hinaus eingeschränkt worden. Der Wirtschaftsminister hat im März ein Innovationsförderprogramm vorgestellt. Auch dazu ein Beispiel, wie das umgesetzt werden soll: Die Regierungskoalition bezeichnet zwar den Schiffbau als ein ganz wichtiges Cluster, im Innovationsprogramm steht dazu aber kein Wort.

Auch neue Themen werden nicht entwickelt; man beschränkt sich auf das Abarbeiten der Schwerpunkte der Großen Koalition. Das geschieht auf der anderen Seite allerdings leider einigermaßen dilettantisch. Ich nenne Ihnen auch dazu ein Beispiel aus der Windenergie: Hier wurde uns eine Vorlage zur Errichtung eines Testcenters vorgelegt, in der maßgebliche Informationen fehlten, die den Sachverhalt daher nicht umfassend widerspiegelte. So waren eigentlich kaum verantwortliche Entscheidungen möglich.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Deswegen sind Sie gegen Windenergie in Bremerhaven?)

In den vergangenen zweieinhalb Jahren war die Wirtschaftspolitik in Bremen kein Schwerpunkt Ihrer Aktionen. Lieber Herr Liess, im Vergleich zu den Vorjahren zeigen alle Zahlen aus den Controllingberichten über Arbeitsplätze und Investitionen steil bergab. Sie, sehr geehrter Herr Senator, begründen dies immer wieder mit der Wirtschaftskrise. Wenn denn Ihre Interpretation richtig ist, wären Sie jetzt umso mehr gefordert, der Wirtschaftspolitik in Bremen einen herausragenden Stellenwert beizumessen. Mit dem vorgelegten Haushalt tun Sie dies nicht, obwohl gerade jetzt und noch dazu in einer Handelsstadt, die besonders betroffen ist – Herr Bödeker hat

auch darauf hingewiesen –, die Förderung der Wirtschaft das oberste Gebot wäre.

Sehr geehrter Herr Senator, es muss auch nicht immer alles Geld kosten. Auf die Wirtschaft zuzugehen und wirtschaftsfeindliche Projekte zu vermeiden, das gibt es umsonst! Entscheidungen zügig zu treffen, kostet zum Beispiel auch nichts! Welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, wenn man es denn nicht tut, konnten Sie gerade heute der Zeitung entnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Man muss sich dann auch nicht wundern, wenn der Präses der Handelskammer die Situation so zusammenfasst, ich zitiere aus dem „Weser-Kurier“ vom 12. Dezember: „Der Senat ist wirtschaftsfern und setzt auf Kirchturmpolitik. Die Wirtschaft fühlt sich vom Senat nicht mehr vertreten.“ – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich schon etwas gewundert, lieber Herr Kollege Liess, dass Sie hier tatsächlich noch etwas Positives an dieser desaströsen, ja fast nicht mehr stattfindenden Wirtschaftspolitik des Senats zu vermerken hatten. Aus unserer Sicht ist das wirklich ausgesprochen defizitär, was hier geleistet wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich will kurz auf zwei Punkte eingehen, die Sie in ihrem Redebeitrag genannt haben. Zukunftsbranchen und Innovationsförderung sind seit Jahren etwas, das in Bremen doch sehr im Argen liegt. Bereits 2004 ist mit dem Programm InnoVision 2010 etwas vorgelegt worden, das seine Ziele überhaupt nicht erreicht hat. Bremen ist nicht zu einem der Top-Ten-Technologiestandorte geworden. Dieser Senat hat es geschafft, ohne irgendwie einmal zu analysieren, woran es gelegen hat, dass diese Strategie gescheitert ist, das Ziel einfach auf 2015 zu vertagen. Mit dem Unterschied: Damals waren es sieben Kompetenzfelder, im März 2008 haben wir in der Wirtschaftsdeputation zehn Technologiefelder festgelegt, und im Strukturkonzept des Wirtschaftssenators sind es 14 Technologieschwerpunkte, die gefördert werden sollen. Es wird also immer breiter gefördert. Statt sich wirklich einmal auf die Stärken dieses Bundeslandes zu konzentrieren, fördern Sie im Prinzip alles oder tun wenigstens so.

Die Wahrheit ist doch, und das hat die Kollegin Winther ja eben schon richtig angesprochen: Hier im ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Parlament reden Sie Technologien und Innovationen schlecht. Sie reden hier gegen Automobile, Sie reden hier gegen Autoverkehr, machen eine Politik gegen das Gewerbe, gegen Gaststätten etwa, und Sie machen eine feindliche Politik gegen die Gesundheitswirtschaft. Oft haben Sie hier gesagt, Gesundheit sei keine Ware. Auf der anderen Seite haben Sie schon zwei Millionen Euro für die Förderung genau dieses Wirtschaftszweiges vergeudet, ohne dass dort in Wirklichkeit realistisch mehr Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert worden wären. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie dort eine Neuausrichtung vorhaben, aber was dort in den letzten Jahren bisher geleistet worden ist, verdient wirklich keine Fortschreibung.

(Beifall bei der FDP)

Aus unserer Sicht wäre es überdies auch sinnvoll, die Zuständigkeit für die Thematik Arbeit ins Wirtschaftsressort zu überführen. Denn es ist ja richtig, natürlich entstehen auch Arbeitsplätze in Unternehmen der freien Wirtschaft, aber es entstehen eben auch sehr viele Beschäftigungsmöglichkeiten, die aus Steuermitteln der Bürgerinnen und Bürger und aus Beitragsmitteln bezahlt werden müssen; und so wie sich Bremen dort aufstellt, zeigt es doch, dass die Trennung zwischen Arbeits- und Wirtschaftsressort sich überhaupt nicht bewährt. Menschen werden dort bis zu fünf Jahre in einer Maßnahme aufbewahrt, ohne dass dort sinnvolle Qualifizierungsanteile vorhanden wären, die tatsächlich wirtschaftsnahe Qualifikationen erbringen würden. Ich halte das schlichtweg für einen Skandal. Es betrifft Tausende von Menschen in unserem Bundesland und eben nicht nur ein paar Hundert, so wie Sie es angedeutet haben. Ich halte es für sehr entscheidend, dass dort eine Neuausrichtung stattfindet, dass wir uns auch tatsächlich darauf konzentrieren, Arbeitsplätze für die vielen hoch qualifizierten Menschen, die es in Bremen durchaus gibt, zu sichern und zu schaffen.

Wir haben sehr viele hoch qualifizierte Universitäts- und Hochschulabsolventen, die wir gern in Bremen halten würden. Dafür tun Sie überhaupt nichts, obwohl Sie die Möglichkeit hätten. Sehr viel Geld wird für das Alimentieren von Menschen vergeudet, aber das Schaffen und Sichern von Arbeitsplätzen im ersten Arbeitsmarkt steht bei dieser Regierung sicherlich nicht an erster Stelle.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen glaube ich, ist es durchaus auch sehr entscheidend, dass man ein wirtschaftsfreundliches Klima schafft. Da hilft es überhaupt nicht, dass dieser Senat dauernd die Chancen der Bundespolitik, die sich aus einer Verminderung der Steuerlast für die Bürgerinnen und Bürger ergeben, schlecht redet. Eine Reduzierung von Belastungen gerade für die mit

telständische Wirtschaft immer herunterzureden, das ist genau falsch!

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Für Hoteliers!)

Ach, Herr Günthner! Wenn ich es so machen würde wie Sie, dann hätte ich eben gesagt, der Senator ist hier zu spät zu seinem eigenen Haushalt gekommen, der interessiert ihn wohl nicht. Das könnte ich auch so machen, aber nun denn!

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Frau B u s c h [SPD])

Und im Übrigen, das fand ich wirklich ausgesprochen unseriös, dass uns dieser Haushalt vorgelegt wurde, der Senat im Füllhorn kritisiert, die Politik des Bundes würde hier zu Steuerausfällen im Land Bremen führen, Sie die aber in keiner Position in diesem Haushalt abgebildet haben.

(Beifall bei der FDP)

Sie finden das nirgends. Sie stellen sich auf die Straße und sagen, das führe dazu, dass wir nicht mehr handlungsfähig seien.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Auf keinen Fall!)

Ja, das ist aber unglaubwürdig, sich auf der einen Seite hier hinzustellen und zu behaupten, das würde Bremen in die Handlungsunfähigkeit führen, auf der anderen Seit aber selbst überhaupt nicht zu reagieren. Entweder Sie befürchten das und richten Ihre Haushaltspolitik danach entsprechend aus, oder Sie lassen dieses Geschwätz und bleiben wirklich einmal bei den Fakten. Nutzen Sie auch die Chancen dessen, was wir im Bund vorhaben! Ich glaube, für Bremen wird dabei sehr viel Gutes herauskommen. Jedenfalls sehr viel mehr, als bei der nicht vorhandenen rot-grünen Wirtschaftspolitik in den letzten zwei Jahren herausgekommen ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Willmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Winther, mit dem Auslaufen der Sanierungszahlungen haben sich die Bedingungen für die Wirtschaftspolitik und die öffentliche Investitionstätigkeit gravierend verändert. Da künftig nur noch geringere Mittel für die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftsbezogene Investitionstätigkeit zur Verfügung stehen, sind eine kon––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sequente Prioritätensetzung und eine Konzentration auf Schwerpunkte erforderlich, mit denen der Standort im nationalen und internationalen Wettbewerb aufgewertet und der Strukturwandel gestaltet werden kann. Weiter muss sich erst darauf konzentriert werden, den Bestand und die vorhandenen Stärken der bremischen Wirtschaft zu führen.