Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

um uns noch einmal erklären zu wollen, dass Bremen im Länderfinanzausgleich benachteiligt wird. Das brauchen Sie! Den müssen Sie irgendwie anleiten, damit er einen Leserbrief schreibt, zweimal sogar in unterschiedlichen Gazetten. Wir brauchen das nicht, denn unsere Ideen sind gut. Deshalb werden die Leute uns auch schreiben. Das ist doch völlig klar!

(Beifall bei der FDP)

Ich will es noch einmal sagen: Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, und wir sagen, damit kann man zwei Milliarden Euro erlösen. Das hilft uns erst einmal in unserer Schuldenproblematik. Von Ihnen kommt überhaupt nichts, Null, kein einziger Vorschlag!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie haben Folgeschäden in Milliardenhöhe!)

923 Milliarden Euro Deckungslücke! Millionen, Entschuldigung! Ich bin noch nicht bei Milliarden, aber rund eine Milliarde wird es demnächst ja sein. Es kommt überhaupt kein Vorschlag. Was machen wir jetzt? Haltet den Dieb! Die Bundesregierung, SchwarzGelb, ist an allem schuld. Das ist ja nun wirklich eine Litanei.

(Beifall bei der FDP)

Das müssen wir ja wirklich nicht noch einmal hören!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie sind mit ih- rem Latein am Ende! Drei Vorschläge, die nichts taugen!)

Also, Frau Busch, die Zwischenrufe von Ihnen waren früher auch schon einmal besser!

(Widerspruch bei der SPD)

Die waren nicht besser? Okay, Entschuldigung, dann ziehe ich das zurück. Ich finde es nicht seriös, und das sage ich noch einmal an die Adresse des Kollegen Dr. Kuhn: Ich kann ja verstehen, dass sie frustriert sind, aber dann schreiben Sie meinetwegen einen Brief an Guido Westerwelle oder an jeden auf dieser Welt, dass Sie darüber frustriert sind, dass RotGrün die Bundestagswahl verloren hat und die Grünen nicht mehr mitregieren. Dass wir das jetzt aber jede Bürgerschaftssitzung machen wollen, das hat der Kollege Dr. Schrörs ja schon gesagt, das ist nicht erträglich. Ich wiederhole: Es ist nicht erträglich!

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie es unbedingt machen wollen, dann machen Sie doch eine Wanderausstellung, bei der wir das draußen an die Wand hängen und bei der dann steht: Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass Schwarz-Gelb an allem schuld ist. Wenn es denn unbedingt sein muss! Das ist aber doch keine seriöse Politik im Interesse Bremens.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe bei Ihrer Rede überhaupt nicht gehört, was Sie sagen wollten. Was wollen Sie denn für Bremen tun?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ist das der Gegenstand der Debatte?)

Ja, natürlich ist das der Gegenstand der Debatte! Der Gegenstand der Debatte in der Bremischen Bürgerschaft ist im Gegensatz zu Ihrer Rede bei mir immer Bremen gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Von daher gesehen ist das hier das Thema. Da sich der Kollege Dr. Kuhn gemeldet hat, denke ich, dass die Diskussion noch ein wenig weitergeht, und ich freue mich auf die weiteren Wortmeldungen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein die Tatsache oder die Art, wie debattiert wird, zeigt für mich schon ein bisschen, dass es wahrscheinlich nicht völlig nutzlos war, das heute noch einmal auf die Tagesordnung zu nehmen. Ich denke, es lohnt sich nun, weil wir uns mit einer Geschwindigkeit entwickeln, auch was Steuerpolitik bundesweit und landesweit angeht, dieses Thema wieder auf die Tagesordnung zu nehmen. Daher, denke ich, ist es eine gute Geschichte! Ich will zunächst einmal ein bisschen auf das eingehen, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben.

Ich teile mit dem Kollegen Woltemath die Einschätzung, dass sich die Töne vor zehn Jahren von den Tönen, die die Bundesregierung jetzt hinsichtlich der Notwendigkeit für eine Steuererleichterung, von Deregulierungen mit dem Ziel eines Wirtschaftswachstums, von sich gibt, dass sich die konkreten Maßnahmen zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und dem, was jetzt passiert, nicht unterschieden haben. Fakt ist auch, das wissen wir alle hier im Raum, auch wenn es die einen oder anderen nicht so gern hören, ein Teil der Haushaltsmisere in Bremen ist nicht verfehlte Ausgabenpolitik, sondern es ist das Einbrechen von Einnahmen aufgrund der Politik auf Bundesebene.

Ich finde es völlig richtig und akzeptabel, dass sich da bei einigen Parteien ein Umdenken eingeschlichen hat, dass klar geworden ist, dass Steuererleichterung nicht so etwas ist wie ein Aderlass – das war im Mittelalter so, egal was man hatte, man musste erst einmal zum Aderlass –, es kann manchmal richtig sein, manchmal ist es grundfalsch. Mittlerweile wissen wir, dass, insbesondere in der jetzigen Situation, in der Steuererleichterungen in vielfältigster Form zu einem Anwachsen von Vermögen in Größenordnungen geführt haben, die wir alle nicht mehr gebrauchen können, es ein Fehler ist, jetzt weitere Steuererleichterungen daran anzuschließen.

Deswegen teile ich auf der einen Seite die Position von Herrn Woltemath. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass irgendwann auch die Parteien, die heute noch meinen, man muss diese Gesellschaft noch einmal zur Ader lassen, die Einsicht gewinnen, dass das sozialer und wirtschaftlicher Unfug ist.

Wir haben selbstverständlich unsere Vorschläge aus dem bundespolitischen Steuerkonzept unserer Partei. Wo ist da das Problem? Die meisten dieser Dinge werden auf Bundesebene beschlossen. Wir machen natürlich auf Bundesebene ein Konzept, und wir versuchen, dieses Konzept auch zumindest soweit zu rechnen, dass wir eine Einschätzung bekommen, was ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

es denn auf Bundesebene für Steuereinnahmen bedeutet.

Wir haben uns einmal erlaubt, das auf Bremen herunterzurechnen, um zumindest eine Idee von der Größenordnung zu bekommen. Sie müssen mich doch nicht katholisch machen, dass ich nicht weiß, dass es auf einen Euro stimmt. Wenn man aber nicht zumindest einen Versuch unternimmt, bestimmte Dinge zu gewichten, einzuschätzen, dann hat man möglicherweise das Problem, dass man erstens kein Korrektiv hat, wenn man sich verlaufen hat, und zweitens auch möglicherweise die falschen Maßnahmen einfordert. Also ist es nicht verwunderlich, dass wir dieses Konzept umgesetzt haben auf Bremen, und wir haben ja auch in Bremen nicht die Möglichkeit, da einzugreifen.

Wir sind ja in der nahezu erpresserischen Situation, dass der Bund Steuererleichterungen beschließen kann, teilweise ohne, teilweise mit einer Mehrheit im Bundesrat, und Bremen danach in die Situation kommt, auf weitere Einahmen zu verzichten; und dann kommen die Kollegen von der FDP und von der CDU und sagen, jetzt müssen wir aber erst recht kürzen, jetzt müssen wir aber erst recht privatisieren. Das riecht förmlich danach, dass sie wissen, sowohl die CDU, aber insbesondere die FDP, dass für Privatisierung, für Kürzung und Sozialabbau eigentlich keine Mehrheit mehr da ist und dass sie deswegen auf Bundesebene Mechanismen einführen müssen, die die Länder und Kommunen in vermeintliche Sachzwänge drücken, die sie selbst auf Bundesebene verursacht haben, um auf lokaler und auf Landesebene diese Form von Privatisierung und Sozialabbau durchzudrücken.

Ein Zeichen dafür ist diese völlig bescheuerte Schuldenuhr. Dieselbe Partei lässt hier in Bremen eine Schuldenuhr laufen und sorgt in Berlin dafür, dass diese Schulden steigen. Das ist finanzpolitische Demagogie sondergleichen, und ich fordere die FDP auf, spätestens jetzt, seit diesen Steuererleichterungen, diese Schuldenuhr abzuschalten.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. W o l - t e m a t h [FDP]: Schon einmal etwas von freier Meinungsäußerung gehört?)

Ich habe ja nicht gesagt, dass Sie das nicht dürfen. Ich habe nur gesagt, das ist eine haushalts- und finanzpolitische Demagogie. Das bedeutet, dass Sie hier so tun, als wären die Schulden etwas, was sozusagen vom Himmel gefallen ist und andere zu verantworten haben, und in Berlin sorgen Sie dafür, dass es neue Schulden gibt. Sie finanzieren mit Schulden eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels. Fakt ist, dass Sie damit private Gewinne finanzieren, wo relativ klar ist, dass alles, was es da an Steuerersparnis gibt, im überwiegenden Teil dahin führt, dass sie in irgendeiner

Weise gespart oder angelegt werden. Möglicherweise wird ein Großteil dieses Geldes dazu benutzt, genau die Staatsanleihen zu kaufen und dafür noch Zinsen zu kassieren, mit denen Sie jetzt diese Steuererleichterungen finanziert haben. Das ist der Gipfel der Unverfrorenheit, weil Sie hier immer so tun, als dürfte man schuldenfinanziert gar nichts machen.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. M ö l - l e n s t ä d t [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Möllenstädt?

Selbstverständlich! Ich gehe davon aus, dass es dann noch mehr Spaß macht, hier zu reden!

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Möllenstädt!

Herr Kollege Rupp, angesichts der Vorgeschichte der Verortung der Bremer Schuldenuhr, würden Sie mir erstens zustimmen in der Feststellung, dass diese Schuldenuhr die Schulden des Landes Bremen zeigt und nicht die des Bundes, und zweitens, dass der richtige Ort natürlich hier das Haus der Bremischen Bürgerschaft wäre, das aber seinerzeit auf Wunsch der damaligen drei Fraktionen für diese Schuldenuhr nicht zur Verfügung stand?

Mir ist es egal, wo sie hängt! Ich finde es nach wie vor eigentlich demagogisch, es zu tun. Das habe ich versucht zu erklären. Ich weiß, dass Sie das nicht verstanden haben, weil erstens allein die Höhe der Schulden kein Indiz ist für die Verwerflichkeit dieser Schulden. Zweitens ist es so, dass ich eben schon erklärt habe: Wer auf Bundesebene Politik macht, die Landesschulden erhöht – denn durch diese Politik, die Sie jetzt im Bund machen, haben wir Einnahmeausfälle –, dieselben Leute dürfen meines Erachtens eine solche Schuldenuhr nicht mit dem Gestus dort aufhängen nach dem Motto „Das ist etwas, was wir dringend ändern müssen“, sondern sie befördern es. Das ist mein Begriff von Demagogie. Ich kann es gern noch einmal machen. Vielleicht verstehen Sie es dann,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Er hat es nicht verstanden!)

aber ich gehe davon aus, dass Ihnen diese Erkenntnisfähigkeit fehlt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben also die Situation, dass es alle möglichen Absurditäten gibt. Ich denke einmal, dass uns diese Absurditäten auch noch in Zukunft begleiten werden, weil ich davon ausgehe, dass nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen bestimmte Dinge noch zum Nachteil des Landes Bremen beschlossen werden, insbesondere auf Bundesebene.

Ich möchte noch einmal konkret sagen, warum wir unseren Antrag aufrechterhalten haben! Wir haben das natürlich begrüßt, was wir während der Haushaltsdebatte beschlossen haben. Wir haben es nicht während der Haushaltsdebatte mit Ihnen debattieren mögen, weil Sie genau wissen, dass die Redezeit sehr kurz war und wir sehr deutlich Schwierigkeiten hatten, unsere Argumentation zum Haushalt unterzubringen. Deswegen haben wir dafür geworben, dass wir das außerhalb der Haushaltsberatungen machen. Das hat nicht stattgefunden, sei es drum! Bei dem damaligen Antrag fand ich es richtig, dass darin eine ganze Reihe von Dingen standen, die ein Umdenken von SPD und Grünen beweisen und die, wenn man einmal genau nachsieht, so oder so ähnlich auch schon vor einer ganzen Weile, vor Jahren, belächelt und verunglimpft worden sind, weil sie von uns kamen. Sei es drum!

Ich möchte dafür werben, dass wir neben den Vorschlägen, die wir beim letzten Mal beschlossen haben, auch über eine Reform der Unternehmensbesteuerung nachdenken. Das fehlt ein Stück weit in dieser Aufstellung. Es geht um Körperschaftsteuer, es geht um andere Gewinnsteuern, es geht auch um Gewerbesteuer. Ich finde, es kann auch nicht sein, dass auf der einen Seite große und kleine Unternehmen mit Recht fordern, dass in Zeiten einer Krise ein Staat ihnen zur Seite steht und sie möglicherweise unterstützt und im selben Atemzug Steuererleichterungen befürworten und sie im selben Atemzug nicht bereit sind, wenn es wieder Gewinne gibt, dann einen Teil dieser Gewinne zurückzuführen; ganz davon abgesehen, dass wir mit einer solchen Politik ein strukturelles Problem haben.

Wir wissen, wir müssen Straßen finanzieren, wir müssen Infrastruktur finanzieren, und ohne ausreichende Steuern geht es nicht. Also ist unsere Werbung, dass wir die Unternehmensbesteuerung mit aufführen in diesem Konzept und auch da auf Bundesebene agieren.

Wir möchten auch gern, dass der Steuervollzug nicht nur in dem Zusammenhang auf die Tagesordnung kommt, wenn es um Steuerbetrug geht, sondern wir wissen alle, dass der normale Steuervollzug, das Einfordern von Steuern, die einfach auf Grundlage des bestehenden Rechts erhoben werden, auch in Bremen in einer Weise passiert, dass dort Nachholbedarf ist. Ich möchte noch einmal dafür werben, dass man auch darüber nachdenkt, das in einer Weise bundeseinheitlich zu organisieren, denn wir wissen ja auch alle, wie es ist: Wir bezahlen die Personalkosten für

die Außenprüfer und bekommen die Rückflüsse aus der Bundesebene nur sehr begrenzt. Deswegen weiß ich, dass Sie diesen Antrag wieder ablehnen.

Ich hoffe, dass mit diesem Antrag etwas Ähnliches passiert wie mit vielen anderen von unseren Vorschlägen: dass er eine Weile einsickert, dass wir dann vielleicht auch einmal darüber reden, und irgendwann kommt ein der Weisheit letzter Schluss beinhaltender rot-grüner Antrag. Dann werde ich hier wieder stehen und sagen: Sehen Sie, es gibt Lernprozesse, die wir begrüßen, und das gilt auch in diesem Fall. Ich hoffe, dass das, was wir hier zusätzlich beantragt haben, zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen wird. Für den Fall, dass jemand noch an unserem bundesweiten Steuerkonzept interessiert ist, damit man da möglicherweise in Zukunft noch einmal hineinschauen kann, vielleicht doch noch einmal die eine oder andere Idee: Ich habe es einmal mitgebracht und kann es gern denjenigen, die es haben wollen, noch einmal geben, ansonsten bekommt man es auch im Internet. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)