Die politische Erfindung sogenannter Bedarfsgemeinschaften von Hartz IV-Empfängerinnen und Empfängern ist dabei besonders perfide und hat System. Nicht nur, dass Frauen in die völlige finanzielle Abhängigkeit von ihrem Partner gebracht werden, sie werden auch nicht mehr über Arbeitsagenturen qualifiziert. Das bedeutet langfristig, sie werden dequalifiziert. Das verringert wiederum die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch weiter. Die Vorstellungen des männlichen Familienernährers und der dazuverdienenden Hausfrau sind antiquiert und realitätsfern, denn ein Drittel aller Ehen werden geschieden, und Frauen haben ein Recht auf eine eigenständige gesicherte Existenz.
Statt die vorhandene Erwerbsarbeit zu teilen, werden diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, zu immer höheren Leistungen und immer mehr Überstunden gezwungen. Wer nicht mithält oder mithalten kann, dem droht Erwerbslosigkeit und damit Verarmung und Statusverlust. Eine Folge davon ist, dass die psychischen Erkrankungen und der Gebrauch von leistungssteigernden Medikamenten in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sind. Durch immer härtere Wettbewerbsbedingungen findet ein Verdrängungsprozess statt, davon sind besonders stark Frauen betroffen, insbesondere alleinerziehende Mütter. Deshalb fordern wir: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und Umverteilung der Arbeit.
Die Angst vor Erwerbslosigkeit und Hartz IV löst bei den Menschen Angst aus. Hartz IV ist zu einem betrieblichen Druckmittel geworden. Auch deshalb wird Hartz IV von uns abgelehnt. Hartz IV ist Armut per Gesetz.
Frauen haben auch bei gleicher Qualifikation immer noch wesentlich geringere Einkommen als Männer. Auch deshalb übernehmen sie oftmals weiterhin die
Familienarbeit. Daraus ergeben sich zwei Forderungen: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, und das Erziehungsgeld muss völlig neu überdacht werden.
Auch die Erziehungsarbeit muss existenzsichernd sein. Besonders die starke Zunahme sogenannter Minijobs hat die Verbreitung von Niedriglöhnen stark vorangetrieben. Der Ausbau von Minijobs und Zeitarbeit hat Vollzeitarbeitsplätze vernichtet. Für diese prekär beschäftigten Frauen ist die Altersarmut vorprogrammiert. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: „Die Politik sollte die Minijobs abschaffen und nicht mehr subventionieren. Gerade für Frauen sind sie eine Armutsfalle“, erklärt Professor Bosch von der Universität Essen. Einer von vielen, die dieses der Politik nicht nur warm, sondern dringlich ans Herz legen!
Mit fast 92 Prozent arbeitet die große Mehrheit aller Minijobberinnen zu Stundenlöhnen unterhalb der Niedriglohnschwelle. Schon heute haben Frauen eine durchschnittliche Rente von 484 Euro, Männer immerhin 871 Euro. In Zukunft wird es noch schlimmer für die Frauen werden. Wird Altersarmut erst ein Thema, wenn überdurchschnittlich viele Männer davon betroffen sind? Oder degradieren wir es in die sogenannte Frauenecke? Der Armuts- und Reichtumsbericht hat aufgezeigt, dass Armut tendenziell vererbt wird. Diesen Kreislauf von elterlicher Armut, schlechteren Bildungszugängen der Kinder, schlechteren Ausbildungschancen, schlechter entlohnten Arbeitsplätzen mit der Konsequenz der Jugend- und Altersarmut muss durchbrochen werden.
Bildung ist zwar immens wichtig, aber heute keine Arbeitplatzgarantie mehr, denn mehr als zehn Prozent der Akademikerinnen und Akademiker erhalten Arbeitslosengeld II. Sie sehen also, sofortige Maßnahmen sind unumgänglich, und sagen Sie nicht, dass kein Geld da wäre. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Einführung von Steuern auf Spekulationsgeschäfte würden der gesamten Bevölkerung zugute kommen.
Die Fraktion DIE LINKE hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die drängendsten Probleme abmildern sollten. Doch wie reagierte die Bürgerschaft? Ausstattung der Ganztagsschulen verbessern, abgelehnt! Lehr- und Lernmittelfreiheit, abgelehnt!
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Lehr- und Lernmittelfreiheit gibt es in Bremen seit Jahrzehnten!)
Einmalzahlung für Hartz IV-Empfängerinnen zu Weihnachten, abgelehnt! Ein größeres Projekt „Masterplan Armutsbekämpfung“ und Konjunkturpaket in Menschen investieren statt Beton, abgelehnt.
Wir schauen mit großer Besorgnis auf das Jahr 2011, in dem Bremen keine neue Haushaltsverschuldung mehr zulassen will. Die Zukunft wird für viele Menschen in diesem Land bitter.
Umso mehr steht die bremische Politik vor der Aufgabe, grundsätzliche Benachteiligungen zu beseitigen und nachhaltige Armutsbekämpfung und Strategien zu entwickeln, sofort! Wir brauchen kein Beschäftigungsprogramm. Wir brauchen Arbeitsmarktprogramme, die die Menschen erreichen und ihnen ihre Würde wiedergeben. Wir brauchen Arbeitsmarktprogramme mit dem Ziel, existenzsichernde und sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu sichern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anzahl von Menschen, die in Armut leben müssen, wächst in Deutschland insgesamt, aber auch das Land Bremen ist hier keine Ausnahme. Frauen gehören überproportional der wachsenden Bevölkerungsgruppe an, die von Armut betroffen ist. Bremerhaven nimmt sogar unter den Frauen und Jugendlichen, die auf Hartz IV angewiesen sind, einen Spitzenplatz ein. Das wollen und das werden wir so nicht hinnehmen. Die ersten Schritte haben wir nicht nur in unserer Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, sondern wir haben schon einiges dazu umgesetzt.
Wir haben uns als Koalition bewusst dazu entschieden, dass sich finanzielle Mittel ressortübergreifend auf benachteiligte Gebiete und Stadtteile konzentrieren, besonders hier, um die Situation und Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Ich erwähne hier nur beispielhaft den Ausbau von Ganztagsschulen und das kostenlose Mittagessen sowie den Ausbau der Kinderbetreuung. Das sind wichtige Bausteine für eine Strategie zur Bekämpfung der Frauen- und auch der Kinderarmut. Deshalb darf Kinderarmut auch nicht isoliert betrachtet werden, denn hinter jedem armen Kind steht ein armer Erwachsener, und meistens ist es eine Frau und alleinerziehend. Maßnahmen zur Bekämpfung und Vermeidung von Frauenarmut sind deshalb auch Maßnahmen gegen Kinderarmut. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Natürlich ist die Erhöhung der Regelsätze für Kinder wichtig und wird demnächst ja auch vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Doch wir müssen mehr tun als nur die Erhöhung der Regelsätze. Wir müssen uns immer wieder deutlich machen und auch verstehen, warum Frauen überproportional in Hartz IV geraten, und unser Augenmerk auf die biografischen Schnittstellen richten, die für Frauen mit einem Armutsrisiko einhergehen. An diesen Schnittstellen gilt es anzusetzen, und hier setzen wir auch an, sodass das Armutsrisiko verringert und auch vermieden wird. Ich möchte zwei Schnittstellen hier beispielhaft anführen: Armut trotz Arbeit! Frauen sind überproportional betroffen von niedrigen Nettolöhnen und Ausweitung des Niedriglohnsektors. Hier wäre der Mindestlohn die richtige Antwort. Frauen müssen gleichberechtigt an den Arbeitsmarktprogrammen partizipieren. Für uns als Koalition ist dies eine Grundvoraussetzung für alle Arbeitsmarktprogramme des Landes. Letztes Jahr haben wir noch ein Chancengleichheitsprogramm aufgelegt, um noch mehr Frauen zu erreichen, doch es gibt noch mehr von diesen Schnittstellen, das wurde deutlich auf einer Tagung, die 2008 von der ZGF initiiert wurde. Als Bremerhavenerin möchte ich noch ein paar Anmerkungen zu dem negativen Spitzenplatz meiner Heimatstadt sagen: Bremerhaven hat einen besonders hohen Anteil von Frauen ohne Berufsschulabschluss, da ist die Lösung, auch hier zu erreichen, einen Berufsschulabschluss zu erlangen. Die Arbeitsplätze waren in der Vergangenheit ja geprägt von Industrien wie Werften, und Frauen konnten leider noch nicht an dem Strukturwandel in dieser Stadt partizipieren. Ich nenne hier die Windenergie. Auch hier, denke ich, dürfen wir nicht nachlassen, auch Frauen für diese Branche zu begeistern, meine Damen und Herren!
Wichtig ist, dass die Anstrengungen, die wir auf Landesebene unternehmen, auch durch die Stadt Bremen, durch die ARGE dort unterstützt werden. Das ist in der Vergangenheit in den letzten Jahren leider nicht so der Fall gewesen. Ich erinnere mich noch an den legendären Auftritt des damaligen Geschäftsführers vor dem Gleichstellungsausschuss. Das war schon eine Begegnung der besonderen Art, sage ich hier jetzt einmal. Ich habe mir aber das Arbeitsprogramm der ARGE jetzt angeschaut, sie haben Alleinstehende als Schwerpunkt gesetzt. Das unterstützen wir auch, und ich bin froh, dass sich auch die Stadt Bremerhaven auf diesen Weg gemacht hat. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, dass dieses von der LINKEN eingereichte Thema für uns alle eines der wichtigsten sozialpolitischen Themen ist. Nicht umsonst gibt es in Bremen und Bremerhaven eine breite Palette an Maßnahmen zur Beratung, Qualifizierung und Beschäftigung von Alleinerziehenden.
Es gibt im Übrigen extra eine Quote für Alleinerziehende, die bei allen Maßnahmen greift. Wir wissen genau, dass Kinderarmut bedingt ist durch Armut von Eltern, und in diesem Fall speziell von Frauen. Alleinerziehende Eltern, das sind in besonderem Maße Frauen, haben eine ganz spezielle Problematik, und das gilt in ganz Deutschland, auch in Bremen und Bremerhaven.
Der Armuts- und Reichtumsbericht, der Ende letzten Jahres vom Senat vorgelegt wurde, hat dies sehr dezidiert beschrieben. Auch ich habe in der dazugehörigen Debatte ausführlich die vielschichtige Problemlage von alleinerziehenden Frauen beschrieben. Wir haben hier eine sehr große Aufgabe. Klar ist aber auch, dass unsere Möglichkeiten nicht unbegrenzt sind. Auf die Festsetzung der Regelsätze haben wir keinen Einfluss, das regelt der Bund. Von der Möglichkeit, dazu Initiativen auf Bundesebene anzuschieben, haben wir Gebrauch gemacht, wie zum Beispiel bei der Festsetzung der Kinderregelsätze. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu erwarten wir demnächst mit großer Spannung.
Zu einer umfassenden Armutsbekämpfung sind aber nicht nur ausreichende Regelsätze und die Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen notwendig, sondern auch Mindestlöhne, die existenzsichernde Arbeit überhaupt erst sicherstellen.
Was wir als Land aber unmittelbar beeinflussen können, ist, die Teilhabechancen auf anderen Wegen zu verbessern, dabei verbessern wir die soziale Infrastruktur in unseren beiden Städten.
Meine Damen und Herren, wir tun in Bremen das, was uns finanzpolitisch möglich ist. Wir können Versäumnisse des Bundes bei der Armutsbekämpfung allerdings nicht vollständig ersetzen. An der Verbesserung der sozialen Infrastruktur arbeiten wir seit Beginn dieser Legislaturperiode konsequent. Durch eine bessere und umfassendere Kinderbetreuung, durch die Einrichtung von mehr Ganztagsschulen, durch die Einrichtung von Familien-, Quartiers- und ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Bildungszentren, durch die Unterstützung von mehr und günstigerer Mobilität und kultureller Teilhabe tragen wir dazu bei, dass auch benachteiligte Eltern und Kinder gleiche Chancen entwickeln können.
Unsere Programme WiN und Soziale Stadt sowie die Impulsgelder sind auch ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie. Richtig ist auch, dass die Problemlagen in einigen Stadtteilen größer sind, trotzdem geht es nicht um benachteiligte Stadtteile, sondern immer um die benachteiligten Menschen darin. Huchting ist dabei deshalb ein sehr schönes Beispiel, weil es eigentlich in großen Teilen ein sehr bürgerlicher Stadtteil ist, es aber trotzdem viele Menschen in den einzelnen Quartieren gibt, die benachteiligt sind. Genau dort sind und greifen Unterstützungs- und Hilfsangebote, wie zum Beispiel das Bürger- und Sozialzentrum Huchting im Bereich Sodenmatt oder das Bildungs- und Quartierszentrum an der Robinsbalje.
Unsere Aufgabe ist es, zielgenau in den Quartieren und Straßenzügen die Menschen zu erreichen. Leider ist die schwarz-gelbe Regierung an dieser Stelle wenig hilfreich. Von der Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages haben Bezieher von Sozialleistungen absolut nichts.
Der Senat hat sich auch eindeutig gegen die Einführung des Betreuungsgeldes ausgesprochen. Dies konterkariert all unsere Bemühungen zur Stärkung von frühkindlicher Bildung und der Unterstützung von Frauen, ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen zu können.
Ich komme zum Schluss! Ein Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat zum ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Senats eindeutige Aufträge formuliert, die genau in diese Richtung zielen. Hierbei geht es sowohl um bundespolitische Initiativen, zum Beispiel bezogen auf die Anpassung der Regelsätze an tatsächliche Bedarfe, als auch um konkrete Maßnahmen im Land Bremen. Hierzu erwarten wir demnächst einen Bericht des Senats. Unsere gemeinsame Aufgabe wird es sein, darauf zu achten, dass dies auch genau die Menschen erreicht, die von Benach
teiligung betroffen sind und deren Perspektiven sich durch gezielte Unterstützungsangebote verbessern können. – Vielen Dank!