Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

Das sind nach meiner Auffassung zwei Dinge! Das ist zum einen das, was wir in den letzten Jahren feststellen konnten, dass es zu einer zunehmenden Abkopplung Bremens, aber insbesondere auch Bremerhavens, gekommen ist und dass das nicht forciert werden darf, sondern dass wir wieder eine stärkere Anbindung Bremens und Bremerhavens im Personenverkehr brauchen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will zum Zweiten sagen, wenn wir uns anschauen, welche Entwicklung die Häfen genommen haben, die von uns allen ja auch immer unterstützt worden sind und in die wir viel investiert haben, dann ist das ein weiterer Punkt, dass man sagen muss, wir brauchen größere Investitionen in den nächsten Jahren in die Anbindung unseres Logistikstandortes, in die Anbindung der norddeutschen Häfen. Auch dafür brauchen wir eine starke Bahn AG.

Wenn man darunter einen Strich zieht, dann kommt man auch wieder zum Ausgangspunkt der Diskussion. Das bedeutet, dass wir schauen müssen – ich glaube, auf diesen Weg haben sich alle gemacht, der SPD-Bundesparteitag wird sich im Oktober damit beschäftigen, ich denke, dass anschließend der Deutsche Bundestag dann auch unter Umständen eher in der Lage sein wird, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen –, dass wir im Auge behalten müssen,

dass es um die Arbeitsplätze bei der Bahn geht, dass es darum geht, dass wir im Bereich des Güterverkehrs die Bahn weiterhin stark aufgestellt haben, dass es darum geht, dass wir eine entsprechende Anbindung auch in der Fläche sicherstellen. Dafür sind natürlich Investitionsmittel nötig, dafür braucht man Geld.

Deswegen, finde ich auch, kann man an diesem Punkt über verschiedene Varianten und verschiedene Modelle diskutieren, aber sich hier schlank hinzustellen und zu sagen, wir lehnen eine Teilprivatisierung der Bahn ab und nach uns die Sintflut, Herr Kollege Rupp, ganz so kann man das nicht machen, ganz so wollen wir das auch nicht machen. Wir wollen diesen Prozess konstruktiv begleiten, so wie wir in den letzten Jahren als SPD-Fraktion in diesem Haus Bahnpolitik konstruktiv begleitet haben. Ich kann nur alle in diesem Hause auch auffordern, sich an diesem konstruktiven Dialog auch weiterhin zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Bahn ist das wichtigste Transportmittel, das wir haben, und das soll und muss auch so bleiben. Wir wollen mehr Menschen weg vom Auto hin zur umweltfreundlichen Bahn und mehr Güter herunter von der Straße und hinauf auf die Schienen bewegen. Bahnfahren ist aktiver Klimaschutz!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Bahn verbindet unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven mit einer Anbindung an die Häfen, damit die Güter von dort ins Binnenland transportiert werden können.

Wir diskutieren heute über den Entwurf der Bundesregierung zum Börsengang, der Privatisierung der Bahn. Wir Grünen waren im Übrigen schon im Jahr 1993 für die erste Stufe der Bahnreform, die vorsah, das Monopol der Bahn aufzuheben und mehr Wettbewerb zuzulassen, weil wir mehr Menschen und Güter auf den Schienen haben wollten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt aber, in der zweiten Stufe der Bahnreform, wäre der Bund zwar Eigentümer, aber nicht mehr Bestimmer, denn die Bahn würde über das Schienennetz entscheiden. Wir Grünen haben hier eine ganz klare Meinung: Das Schienennetz ist das Herz der Bahn, meine Damen und Herren, und das darf nicht

herausgerissen werden und muss weiterhin in staatlicher Hand bleiben! Denn was passiert bei einem Börsengang: Die Investoren gehen an die Börse, und zwar nicht, weil sie an das Allgemeinwohl denken, sondern um Rendite zu machen! Die Bahn darf aber hier nicht zum Spekulationsobjekt verkommen, sondern gehört laut Verfassung zur Daseinsvorsorge. Wir Grünen wollen, dass das weiterhin so bleibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Auch an der Wettbewerbsneutralität eines solchen integrierten privatisierten Konzerns und der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs insgesamt bestehen erhebliche Zweifel. Wir haben die Befürchtung, dass Privatunternehmer unrentable Strecken und Bahnhöfe stilllegen. Das zwingt nicht nur die Menschen wieder zurück zum Auto, sondern diskriminiert besonders auch alte und behinderte Menschen, die nicht Auto fahren können, und alle Menschen, die kein Auto haben oder auch kein Auto haben wollen und die auf die Bahn damit auch angewiesen sind.

Dies ist nicht nur für Bremen ein Problem, sondern gerade auch für Flächenländer, also auch der gesamten Nordwestregion. Diese Entwicklung würde geradezu kontrovers zu der Linie der EU-Kommission laufen. In Bremen ist zu befürchten, dass die Kosten des ÖPNV ansteigen und der Nahverkehr mehr Geld kosten würde, da die Trassenpreise ansteigen können. Es sprechen also übergeordnete, aber auch landespolitische Gründe gegen die Privatisierung des Schienennetzes, Netz und Betrieb müssen daher getrennt bleiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gleichwohl wollen wir mehr Wettbewerb auf den Schienen. Sowohl im Güterverkehr als auch im Personenverkehr ist ein funktionierender Wettbewerb auf der Schiene im Interesse Bremens. Im Schienengüterverkehr sichert Wettbewerb günstige Transportkosten und attraktive Verbindungen für den Hafenstandort Bremen. Das ist wichtig, gerade mit dem Überseehafen in Bremerhaven, der Europas größter Eisenbahnhafen ist und von dem große Gütermengen in das Binnenland transportiert werden. Im Schienenpersonennahverkehr steht das Land als Besteller in der Verantwortung, qualitativ hochwertige und kostengünstige Verkehrsangebote zu organisieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass erhebliche negative Auswirkungen der von der Bundesregierung geplanten Bahnprivatisierung für den Schienenverkehr insgesamt, aber auch für Bremen und die Metropolregionen zu befürchten sind: steigende Infrastrukturkosten durch höhere Trassenpreise, Probleme bei der Finanzierung von Bahnhofsmodernisierungen, Gefährdung des Fortbestands des Schie

nenetzes in der Fläche und daraus folgende Risiken für die öffentlichen Haushalte! Im Übrigen haben die Länder ein Gutachten in Auftrag gegeben, das diese Art der Privatisierung für bedenklich hält.

Obwohl wir die Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung teilen, lehnen wir den Antrag der Fraktion Die Linke aber ab, denn er postuliert eine Totalabsage an jede Form der Privatisierung der Bahn AG. Diese Position teilen wir nicht. Wir halten eine Teilprivatisierung der Bahn für vernünftig, wenn sie richtig gemacht wird, dazu gehört die strikte Trennung von Netz und Betrieb. Nur so kann es einen fairen Wettbewerb und faire Preise auf der Schiene geben. Dadurch würde der Verkehrsträger Schiene gestärkt, zum Wohle der Kunden, aber auch des Klimaschutzes. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Möllenstädt.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, liebe Kollegen! Für die FDP ist die anstehende Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG ein wichtiges Thema. Dabei orientieren wir uns unverändert an den Zielen der Bahnreform, die wir 1993 als Regierungsfraktion im Bund maßgeblich auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Das, Herr Kollege Rupp, hat mit England überhaupt nichts zu tun, sondern ist ein maßgeschneidertes Konzept für Deutschland, und dazu bekennen wir uns auch.

(Beifall bei der FDP)

Unser Ziel ist es dabei, den Verkehrsträger Schiene zu stärken und die Belastungen des Steuerzahlers zu senken. Hierfür brauchen wir mehr Wettbewerb auf der Schiene. Wettbewerb im Schienenverkehr ist – und das wird Ihnen von der Linken sicherlich auch einleuchten – die beste Gewähr für die Sicherung von Beschäftigung im Bahnsektor.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau N i t z [Die Linke]: Bestimmt nicht!)

Aus Sicht der FDP-Fraktion ist bei der Privatisierung zwischen den Infrastrukturbereichen einerseits und den Transport- und Logistikbereichen – die Bahn ist mittlerweile einer der größten Logistikkonzerne in Deutschland – andererseits zu differenzieren. Der Artikel 87 e Absatz 3 Grundgesetz verpflichtet den Bund ohnehin, dauerhaft Mehrheitseigentümer der

Infrastrukturgesellschaften zu bleiben. Das ist auch aus unserer Sicht erforderlich, weil das Schienennetz dauerhaft nur mit hohen Zuschüssen des Bundes unterhalten werden kann. Eine Privatisierung würde dazu führen, dass die Zuschüsse letztlich in Aktionärsdividenden verwandelt würden, und das kann selbstverständlich auch nicht Sinn der Sache sein.

(Beifall bei der FDP)

Weiterhin, liebe Kolleginnen und Kollegen, birgt die Privatisierung der Infrastruktur das Risiko, dass fairer Wettbewerb auf der Schiene behindert wird. Wir wollen, dass die Infrastruktur erstens vom restlichen DB-Konzern getrennt und zweitens nicht privatisiert wird. Insofern bewegen wir uns hier in großem Einvernehmen mit den übrigen Fraktionen im Hause.

(Beifall bei der FDP)

Nach unserer Überzeugung kann es nicht im Interesse des Bundes oder allgemein des deutschen Steuerzahlers liegen, mit der Deutschen Bahn AG unter Einsatz von Steuermitteln einen global agierenden Mobilitäts- und Logistikdienstleister aufzubauen. Einen solchen Staatskonzern empfinden wir als Fremdkörper in einem dynamischen Logistiksektor. Würde man dies auf Dauer festschreiben, wie dies ja der Antrag der Fraktion Die Linke fordert, würden elementare ordnungspolitische Spielregeln gegenüber privaten Unternehmen derselben Branche verletzt, und diese haben in großer Zahl auch ihren Sitz im Land Bremen.

(Beifall bei der FDP)

Private Unternehmen, die sich nicht auf eine staatlich garantierte Konkursfestigkeit verlassen können, hätten das Nachsehen, und Aufgabe des Staates ist die Wahrnehmung der Verantwortung für das Schienennetz, das bleibt auch so. Als Transport- und Logistikunternehmer ist der Staat aber weder gefragt noch kompetent. Ein integrierter Börsengang von Netz und Betrieb verbietet sich allein aus diesen von mir genannten Gründen.

(Beifall bei der FDP)

Die Privatisierung der Transport- und Logistiksparten hingegen ist für die FDP eine selbstverständliche Forderung, denn diese Geschäftsfelder haben, anders als die Infrastruktur, nichts mit den staatlichen Aufgaben zu tun. Die Fraktion Die Linke will jede Form des Börsengangs der DB AG verhindern. Daher wird die Fraktion der FDP den Antrag der Fraktion Die Linke, wie zu erwarten ist, ablehnen, und es wird Sie auch sicherlich nicht verwundern, dass wir zu dieser Auffassung kommen.

Immerhin kommt ja ein namhafter Verkehrspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion aus dem Land Bremen und hat hier ein Bundestagsmandat gewonnen und ist Landesvorsitzender der regierenden SPD! Bundesverkehrsminister Tiefensee, SPD, und die SPDFraktion im Bundestag haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach welchem der Bund zwar formaler Eigentümer der Infrastrukturgesellschaften bleiben soll, das wirtschaftliche Eigentum an diesen Gesellschaften jedoch der DB AG übertragen wird. Damit kommt es faktisch dann doch zu einer Teilprivatisierung des Schienennetzes, und dazu muss ich Ihnen sagen: Die FDP-Fraktion lehnt dieses sogenannte Eigentumssicherungsmodell ab.

(Beifall bei der FDP)

Es wirkt sich in der gleichen Weise negativ aus wie die integrierte Privatisierung von Netz und Betrieb, auf die ich bereits eingegangen bin. Es impliziert nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb, die Stärkung der Schiene im intermodalen Wettbewerb und die Entwicklung der Kosten für den Steuerzahler.

Ich will abschließend noch auf das am 2. August von der Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer in Auftrag gegebene Gutachten von Professor Ehlers eingehen, es liefert nämlich eine relativ detaillierte verfassungsrechtliche Prüfung des Gesetzentwurfs und eine ökonomische Analyse. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, weil der Bund im Modell der Bundesregierung nicht echter Eigentümer der Netzgesellschaft ist und dies gegen Artikel 87 e Absatz 3 und 4, wie auch die Fraktion Die Linke zu Recht erkennt, verstößt. Der Bund darf die Eigentümerschaft nicht auf eine bloße Formalfunktion reduzieren, sondern ist verpflichtet, seine eigentumsrechtlichen Herrschaftsbefugnisse betriebswirtschaftlich effizient und gemeinwohlorientiert auszuüben. Die Trennung des zivilrechtlichen und des wirtschaftlichen Eigentums ist damit nicht vereinbar, da der Bund in der Netzgesellschaft nicht mehr die Stimmrechte ausübt und dies eine verfassungsmäßig unzulässige materielle Teilprivatisierung darstellen würde.

Die verfassungsrechtliche Beurteilung von Professor Ehlers ist ziemlich vernichtend für die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien, und sie bestätigt in jeder Hinsicht die bisherigen Expertenurteile, soweit sie nicht von der DB AG selbst in Auftrag gegeben wurden. Übrigens ist das Gutachten, das Professor Ehlers im Auftrag der Bundesländer vorgelegt hat, bereits das siebte Gutachten eines Staatsrechtslehrers, das das Tiefensee-Modell als verfassungswidrig beurteilt. Er stimmt im Ergebnis mit den Professoren Möllers, Masing, Kirchhof, Fehling, Hermes, Uerpmann und mit der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages überein.

(Glocke)

Ich rate Ihnen daher für die Fraktion der FDP, insbesondere der SPD hier im Lande Bremen: Wirken Sie mit Ihrem Personal und den uns in Berlin vertretenden Abgeordneten darauf ein, dass es hierzu nicht kommt! Das wäre sehr schädlich, auch für unser Bundesland. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst einmal für das Kompliment von Ihnen, dass ich mich hier schlank hinstelle! Das hat mir lange keiner gesagt.