Protokoll der Sitzung vom 24.02.2010

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich als parteiloser Abgeordneter in einer sehr glücklichen Lage bin, was man von Ihnen nicht gerade behaupten kann, wirklich überparteilich und ohne Fraktions- und Parteienzwang nur nach bestem Wissen und Gewissen, wie es auch eigentlich der Fall sein sollte, abstimmen zu können,

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Ohne Sinn und Verstand!)

werde ich Herrn Günthner nicht deshalb zum neuen Wirtschaftssenator mit wählen, damit seine unendlichen, geistreichen Zwischenrufe als Abgeordneter endlich aufhören – die kann er sich nämlich dann als Senator Gott sei Dank nicht mehr erlauben –, sondern ich werde Herrn Günthner deshalb überparteilich zum neuen Hafen- und Wirtschaftssenator mit wählen, weil ich Herrn Günthner sogar als SPD-Mitglied trotz seiner Vergangenheit für jung und dynamisch halte und er seine Ideen mit dementsprechendem Durchsetzungsvermögen als Kenner der Bremerhavener und Bremer Hafenwirtschaftsszene, in seiner

Eigenschaft als Vorsitzender des Hafenausschusses und jetzt als Senator positiv für das Land Bremen und Bremerhaven umsetzen kann.

Meine Damen und Herren, schlimmer als beim ehemaligen SPD-Senator Nagel kann es doch nun wirklich nicht mehr kommen. Also geben wir Herrn Günthner die Chance, sich zu beweisen. Ich bin auch der Meinung, dass Herr Günthner nicht dumm ist. Er wird sich dementsprechend schon in die anderen Zuständigkeitsbereiche einarbeiten, dessen bin ich mir sicher, genauso, wie er es jetzt schon weiß, dass er als Senator eine riesige Verantwortung für das Bundesland Bremen trägt und dass das Amt als Senator wohl das schwierigste Amt seines Lebens sein wird.

Was die Bewertung seiner Qualifikation durch die CDU – Herrn Röwekamp – angeht, möchte ich gerade Herrn Röwekamp schmerzlich daran erinnern, dass er sich gerade als ehemaliger CDU-Senator trotz angeblicher Qualifikationen nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat wie zum Beispiel auch der ehemalige CDU-Senator und politische Geisterfahrer Gloystein, der trotz angeblicher Qualifikation als CDUSenator das Bundesland Bremen bundesweit bis auf das Hemd schamlos blamiert hat. Herr Röwekamp, das ist nur ein kleines Beispiel Ihrer glorreichen und ach so hochqualifizierten Senatoren, also würde ich an Ihrer Stelle mit diesbezüglicher Bewertung sehr ruhig und sehr vorsichtig sein.

Kurzum gesagt würde ich Herrn Günthner, obwohl er SPD-Mitglied ist, überparteilich zum neuen Senator für Wirtschaft, Häfen und Justiz mitwählen, weil ich ihm dieses verantwortungsvolle Amt einfach zutraue und er diese Chance einfach verdient hat. Ich sage auch gleich, dass ich als Einzelabgeordneter seine Arbeit kritisch beobachten und fair beurteilen werde, so wie es meine politische Aufgabe im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Heute soll ein neuer Wirtschaftssenator gekürt werden. Bei dem Thema Wirtschaftspolitik fällt mir immer ein Satz von Pro. Dr. Karl Schiller ein. Er hatte einmal sinngemäß gesagt, wenn die Schornsteine rauchen, es also der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Arbeitnehmern gut, gibt es auch ausreichend Arbeitsplätze. Ich bin der Meinung, dass dieser wirtschaftspolitische Leitspruch von Prof. Karl Schiller sicherlich in den Jahren des Wirtschaftswunders zugetroffen hat, aber danach nie mehr. Auch die neo-liberale Zuspitzung dieser Formel in den letzten 20 Jahren hat daran nichts geändert. Die Unternehmensgewinne steigen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

immens, der Lohn aus abhängiger Arbeit und die Anzahl der Arbeitslosen gehen drastisch zurück. ExSenator Nagel hat eine solche Wirtschaftspolitik betrieben, in der die Schornsteine rauchten, aber eben nur die.

Sehr geehrte Damen und Herren, für DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft ist es egal, wer diese Art von neoliberaler Wirtschaftspolitik exekutiert, ob Herr Nagel, ob in Zukunft Herr Günthner oder wer auch immer, wir lehnen diese Art von Politik ab. Da Herr Günthner, so haben wir es bisher gehört, diese Politik auch weiter betreiben will, werden wir auch diesen Kandidaten ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich aber dennoch eine kleine Anmerkung zur Person Martin Günthner machen! Bekannt für seine Zwischenrufe hat er, das muss ich hier auch sagen, unseren Abgeordneten aus Bremerhaven des Öfteren unflätig und unter der Gürtellinie beschimpft. Das hat uns nicht gefreut, und das freut uns auch heute nicht, aber aus unserem LINKEN-Verständnis heraus hat natürlich jeder eine zweite Chance. Wenn Herr Günthner noch einmal an die soziale Verantwortung der BLG bei dem Versuch des Lohndumpings im Hafen erinnert, dann, sehr geehrter Herr Günthner, werden wir Sie unterstützen, werden wir Sie sogar sehr unterstützen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Hand für Ihre nicht leichte Aufgabe. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben aufgrund der Gepflogenheiten in diesem Parlament natürlich ein gewisses Problem, jemanden als zukünftigen Senator zu bewerten, ohne dass man vorher eine Vorstellungsrede hat. Wir kennen das Konzept von Martin Günthner nicht, deshalb können wir es inhaltlich schwer bewerten. Wir kennen einige Aussagen, wir kennen einige Bruchstücke, wir kennen einige Versatzstücke, aber das macht es natürlich besonders schwer, jetzt inhaltlich fundiert darüber zu diskutieren, ob Martin Günthner wirklich in der ganzen Breite als Wirtschaftssenator geeignet ist. Ich habe da meine Zweifel, das macht sich aber gar nicht an seiner Person fest. Ich will deshalb, um es nicht so spannend zu machen und Sie auf die Folter zu spannen, gleich von vornherein sagen, die FDP-Fraktion wird Martin Günthner nicht wählen,

(Abg. Tschöpe [SPD]: Surprise!)

weder als Wirtschaftssenator noch als Justizsenator.

Ich finde den Vorschlag, das Justizressort zurück zum Bürgermeister zu legen, sehr gut, nicht weil unbedingt ein Jurist das Justizressort führen muss, aber ich glaube, man überfordert Martin Günthner, wenn man ihm diese beiden für unsere Stadt und unser Land wichtigen Aufgaben gleichzeitig überträgt. Er ist ein absoluter Newcomer in diesen Führungspositionen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben schon vor geraumer Zeit vorgeschlagen, das Kulturressort zur Bildung und Wissenschaft zu legen, wo es hingehört, und dann hätte man auch Kapazitäten frei, Justiz zur Senatskanzlei und zum Bürgermeister zu legen, und schon wäre das Problem gelöst, ohne dass man hier in irgendeiner Form den Senat aufblähen müsste.

Zur Person Martin Günthner muss ich sagen, er hat als Bürgerschaftsabgeordneter meinen vollen Respekt. Ich schätze Martin Günthner als Bürgerschaftsabgeordneten, und deshalb wünsche ich mir, dass er weiterhin Bürgerschaftsabgeordneter bleibt.

(Beifall bei der FDP)

Ich schätze seine Zwischenrufe, sagen wir einmal, zu 50 Prozent. Dabei beweist er, dass er auch manchmal ein Schnelldenker ist, aber manchmal ist er eben nicht nur Schnelldenker, sondern auch Schnellredner. Es wäre in dem einen oder anderen Fall sicherlich klug gewesen zu schweigen.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Das gilt für viele!)

Ich muss dazu sagen, ich habe überhaupt nicht die Zuversicht von Thomas Röwekamp, dass Martin Günthner hier heute zum Senator gewählt wird. Ich denke, das wir gleich noch eine spannende Wahl erleben werden. Ich sehe überhaupt noch nicht, dass er hier eine Mehrheit findet, und deshalb, denke ich, wird es noch ein spannender Vormittag.

Ich will noch einmal zu Majakowski zurück. Ich habe von dieser Internetseite gehört, ich wusste nicht einmal, dass sie Majakowski heißt, ich hätte sie dann vielleicht einmal auch gelesen. Man muss aber natürlich eines sagen, und das hat mich spontan nachdenklich gemacht, die Wohnstraße des SED-Politbüros in Berlin-Pankow hieß Majakowskiring, und das werden die sich nicht freiwillig ausgesucht haben, weil Majakowski so ein hoher liberaler und demokratischer Politiker oder Schriftsteller war, sondern das hat auch Sinn gemacht. Ich denke, wenn jemand seine Homepage so nennt, dann denkt er sich dabei auch etwas. Ich glaube, der Antrag, den Martin Günthner zur BLG mitverfasst hat und der uns zu einer Form staatlicher Plankommission nahezu zurückgeführt hat, ist ja dieser Denkrichtung geschuldet. Das stimmt mich nachdenklich.

Es ist schon gesagt worden, wir brauchen jetzt niemanden, der quasi eine Ausbildung als Senator macht und erst einmal zuhört, was ihm alle Leute sagen. Wir brauchen jemanden, der zupackt, wir brauchen jemanden der handelt. Die FDP hat schon im Bürgerschaftswahlkampf 2007 gesagt, es ist Zeit zum Handeln, geredet worden ist genug. Wir brauchen also nicht einen hoch bezahlten Azubi, der noch einmal durch die Lande fährt und zuhört, sondern wir brauchen ein wirtschaftspolitisches Konzept, und das haben wir nicht.

(Beifall bei der FDP)

Der Senat und an der Spitze Bürgermeister Böhrnsen sind doch mit der Personalpolitik grandios gescheitert. Uns ist hier Herr Nagel als das Nonplusultra der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik für Bremen verkauft worden. Er ist hier als Überflieger hereingekommen, und manche wollten ihm schon ein Kronzprinzenpalais bauen. Es ist leider nichts daraus geworden, weil es zu lange gedauert hat, die Planfeststellung durchzuziehen. Jetzt ist er wieder weg!

(Beifall bei der FDP)

Aber was war das denn für ein Verfahren bei Nacht und Nebel? Die SPD hat ja offensichtlich sehr verschiedene Wahrnehmungsebenen. Der Bürgermeister lobt ihn, Nagel sagt, ach, eigentlich brauchen wir keinen Wirtschaftssenator mehr, weil alle Aufgaben erledigt sind, und die SPD in Bremerhaven sagt, der hat aber Mist gebaut. Ja, bitte schön, welche Einschätzung stimmt denn jetzt letztendlich? Ich würde sagen, das Problem ist nicht der einzelne Senator, der hier Mist gebaut hat, die rot-grüne Regierung ist nicht dazu in der Lage, Konzepte auf den Tisch zu legen und diese auch umzusetzen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Ja, natürlich! Unsere Konzepte liegen ja vor, unsere Konzepte liegen auf dem Tisch. Das einzige, was wir aus der Regierungskoalition dazu bislang gehört haben, ist, nein, das wollen wir nicht, das können wir nicht. Jetzt loben Sie sich für das Innenstadtkonzept! Ich kann mich erinnern, dass wir vor einem Jahr hier darüber diskutiert haben, da haben wir ein Innenstadtkonzept vorgelegt, und Sie loben sich jetzt für ein Innenstadtkonzept, das wir damals aufgeschrieben haben. Also wir müssen ja einmal schauen, wo die Ausgangslage ist und was dabei herauskommt.

(Beifall bei der FDP)

Über die Situation zweite Wahl ist ja auch schon diskutiert worden, lieber Martin Günthner, ich wür

de mir das nicht antun. Es gibt manchmal Chancen, die muss man nicht ergreifen!

(Beifall bei der FDP)

Diese Chancen sind in Wirklichkeit gar keine Chancen, hier kann man mit diesem Hintergrund und mit diesem Ansatz letztendlich nur scheitern.

Ich glaube auch nicht, dass man hier Bremen und Bremerhaven gegen eine Wirtschaftspolitik ausspielen kann, die sich an Weltmaßstäben orientiert. Ich habe das vorhin in einem Zwischenruf gesagt. Wir brauchen sowohl Malaysia als auch Shanghai, als auch Weddewarden, als auch Woltmershausen. Das gegeneinander auszuspielen und jetzt so zu tun, ich bin der Richtige für euch, weil ich schön dicht bei euch bin, das ist ein Kuschelkurs der SPD. Nein, wir sind ein internationaler Logistik- und Hafenstandort. Wir haben Wettbewerb mit internationalen Standorten, daran müssen wir uns genauso orientieren. Wer diffamiert, dass Politik sich darum kümmert, auch in andere Standorte zu reisen und über den Tellerrand zu blicken, der ist auf alle Fälle nach unserem Dafürhalten nicht die richtige Person für das Amt des Wirtschaftssenators.

(Beifall bei der FDP)

Ein wirtschaftspolitisches Konzept ist nicht einmal in Umrissen zu erkennen, und deshalb, denke ich, ist der Senat hier komplett und grandios gescheitert. Wir lehnen die Wahl von Martin Günthner ab. – Danke!

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich zwei neunte Klassen der Paula-Modersohn-Schule aus Bremerhaven. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde der CDUFraktion raten, in der Frage der Bewertung von Wirtschaftspolitik deutlich mehr Bescheidenheit walten zu lassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe seinerzeit, und ich rede natürlich auch in der Kontinuität, damals mit Herrn Liess zusammen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.