Ich darf heute Nachmittag auf der Besuchertribüne recht herzlich begrüßen eine Gruppe Logistiker der Bundeswehr aus Garlstedt und eine Gruppe der
Verbesserung der Lebensbedingungen und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Bundesland Bremen
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wohl niemand, der Anfang des Jahres die Fernsehbilder aus Haiti gesehen hat, kann sich dem traurigen Schicksal der Kinder entziehen, die als Schwächste in der Gesellschaft unter solchen Erdbebenkatastrophen besonders leiden. Viele von ihnen haben beide Elternteile verloren. Ähnlich wie in von Aids betroffenen Regionen Afrikas werden auch diese Kinder von heute auf morgen ins Erwachsenenleben geschleudert, weil sie Verantwortung für jüngere und jüngste Geschwister übernehmen mussten.
Wir haben diesen Antrag gestellt, weil es im Bundesland Bremen Kinder und Jugendliche gibt, die in ähnlicher Lage den Weg zu uns gefunden haben. Zur Erinnerung: Aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage vor etwa einem Jahr geht hervor, dass es in Bremen und Bremerhaven eine Gruppe von 49 Kindern und Jugendlichen gibt, die ohne Begleitung, das heißt ohne Eltern oder Verwandte, hier leben, also auf sich allein gestellt sind beziehungsweise deshalb unter der Obhut des Staates stehen.
Wie steht es um ihre Betreuung? Wo besteht Handlungsbedarf? Wie kann die Betreuung verbessert werden? Das sind die konkreten Fragen, die wir stellen müssen. Deutschland steht schon lange in der ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
internationalen Kritik, da kein Identifizierungsverfahren für besonders schutzbedürftige jugendliche Flüchtlinge und Asyl Suchende besteht. Über alle Parteigrenzen hinweg sind wir uns doch aber einig, dass den speziellen Schutzbedürfnissen dieser Minderjährigen Rechnung getragen werden muss. Wir stehen ihnen gegenüber in der Verantwortung, ob sie nun traumatisiert als Opfer von Verfolgung und Gewalt oder als ehemalige Kindersoldaten zu uns gekommen sind. Wir stehen in der Verantwortung, ihnen eine menschenwürdige Lebensperspektive zu bieten.
Die Verantwortung, von der ich spreche, ergibt sich aus den Grundprinzipien, auf denen unsere Gesellschaft gründet. Sie gelten jenseits von Fragen der Dankbarkeit oder der Enttäuschung im Falle schwieriger, gewaltbereiter Jugendlicher. Ausländerrecht und Jugendhilfe stehen sich in der Praxis vielfach konträr gegenüber. Nicht selten wird bei unbegleiteten Minderjährigen dann das Ausländerrecht über das Jugendhilferecht gestellt. In unserer Gesellschaft haben sie aber einen kleinsten, doch sehr wichtigen gemeinsamen Nenner: Das ist das Kindeswohl.
Darüber haben wir gestern intensiv diskutiert. Der Gedanke des Kindeswohls verlangt nicht nur Sensibilität für besondere Bedürfnisse, sondern auch soziale und pädagogische Konzepte, die den Kindern und Jugendlichen eine stabile Lebensperspektive ermöglichen. Oftmals heißt es: Sind das denn alle überhaupt Minderjährige? Dabei geht es dann um gesicherte Altersfeststellung.
Meine Damen und Herren, die Methoden der Altersfeststellung sind in den Bundesländern so vielfältig wie die Beteiligten an den Verfahren. Wir in Bremen müssen dafür sorgen, dass sich transparente Methoden in der Praxis durchsetzen. Mit anderen Worten, wir müssen auf die Einhaltung humaner menschen- und grundrechtlicher Standards für die Altersfestsetzung bei jungen Flüchtlingen achten.
Ebenso bedeutend ist die Kommunikation mit den Betroffenen, das heißt in der Regel Einsatz von Dolmetschern. Dadurch schaffen wir besondere Voraussetzungen für die Konsultationen mit den Betroffenen über ihr Schicksal.
Was wir wollen, ist, dass die kinder- und jugendhilferechtlichen Bestimmungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht nur halbherzig, sondern entschlossen und engagiert angewandt werden und dass der Schutzauftrag des Kinder- und Jugendhilfegesetzes in ausreichendem Maße umgesetzt wird.
Konkret kann es je nach Fall um ein ganzes Spektrum von Notwendigkeiten gehen. Es kann um Gesundheitsversorgung gehen, es kann um psychotherapeutische Behandlung von Traumatisierten gehen, um Integrationsmaßnahmen wie Spracherwerb, es kann um Zugangshilfen zu Bildung oder Berufsqualifikationen gehen, es kann um eine kinder- und jugendgerechte Unterbringung und Betreuung in der Familien gehen.
Der Antrag sieht nicht zuletzt eine Berichtspflicht vor. Damit können auch in diesem Bereich arbeitende Nicht-Regierungsorganisationen wie Pro Asyl oder der Flüchtlingsrat, aber auch viele ehrenamtliche Menschen, wenn dieser Bericht da ist, sich einmischen, mitwirken und sich einbringen. Deshalb bitte ich Sie, sich unserem Antrag anzuschließen!
Ich werde mich hier noch einmal melden, da meine Redezeit zu Ende ist, um auf den Änderungsantrag der LINKEN einzugehen. – Ich bedanke mich herzlich!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion haben uns mit verschiedenen Organisationen zusammengesetzt, die sich unter anderem häufig mit der Situation von unbegleiteten minderjährige Flüchtlingen konfrontiert sehen. In diesen Gesprächen wurde deutlich, dass ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Versorgung minderjähriger Flüchtlinge besteht.
Nachfolgende Aspekte sind uns besonders wichtig: Der Schutz des Kindeswohls darf nicht auf die richtige Herkunft beschränkt sein.
Insbesondere Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern aus ihren Herkunftsländern geflohen sind, bedürfen unseres besonderen Schutzes. Die Bundesrepublik tut sich in diesem Bereich wirklich nicht leicht. So ist die UN-Kinderrechtskonvention von der Bundesregierung nur unter Vorbehalt ratifiziert worden. Der Vorbehalt macht unter anderem möglich, dass minderjährige Flüchtlinge im Alter von 16 bis 18 Jahren in Deutschland als voll handlungsfähig angesehen werden mit der Folge, dass sie ihre Rechte häufig ohne Unterstützung durch das Jugendamt wahrnehmen müssen. Wir sind glücklich zu hören, dass sich aktuell scheinbar eine Mehrheit im Bundesrat gefunden hat, die die Bundesregierung auffordert, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Dies wird uns in Zukunft in Bremen erleichtern, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ihre Rechte als Kinder und Jugendliche im vollen Umfang zu garantieren.
Zur Situation in Bremen! Meine Kollegin hat es eben schon gesagt, im Jahr 2008 hatten wir 48 unbegleitete Kinder und Jugendliche. Zurzeit ist es so, dass sie bei der Ankunft von der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende und Flüchtlinge im Lande Bremen – ZAST – aufgenommen werden, und dann wird von dieser das Alter bestimmt. Das Verfahren ist folgendes: Der Jugendhilfebedarf der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wird in Bremen schnellstmöglich nach Ankunft ermittelt. Ein Vormund wird im Anschluss für die Kinder und Jugendlichen bestellt.
Männliche Jugendliche werden in der Gemeinde Bremen von zwei Einrichtungen, dem ASB und dem DRK, aufgenommen, soweit nicht im Einzelfall entschieden wird, sie in eine allgemeine Jugendhilfeeinrichtung – also in einer betreuten Wohnform oder Pflegefamilie – unterzubringen. Jüngere Flüchtlinge und Mädchen werden nicht in speziellen Einrichtungen, sondern in allgemeinen Inobhutnahmen und Jugendhilfeeinrichtungen sowie in Pflegefamilien oder betreuten Wohnformen untergebracht. In Bremerhaven werden minderjährige Flüchtlinge im Rahmen des betreuten Wohnens durch den Träger der Initiative Jugendhilfe Bremerhaven e. V. untergebracht.
Wir wissen, dass das Bildungs- und Betreuungsniveau für die Entwicklung der minderjährigen Flüchtlinge sowohl im Hinblick auf eine mögliche Integration als auch für den Fall einer Rückkehr ins Herkunftsland als entscheidend anzusehen ist. Die geflüchteten Kinder und Jugendlichen sehen sich einer Vielzahl von Problemen gegenüber: Bewältigung erlittener Traumata, Spracherwerb, Schulbildung, Berufsqualifizierung bis hin zu angemessener medizinischer und psychosozialer Versorgung. Deshalb ist es wichtig, dass wir sie auch als Kinder und Jugendliche behandeln, damit sie ihr Recht auf Bildung auch wirklich wahrnehmen können.
Ein weiterer Aspekt ist eine am Schutzgedanken der Kinder und Jugendlichen orientierte Begleitung im Fall von Verfahren der Altersfeststellung. Darüber hinaus ist die Sicherstellung einer ausreichenden Sprachmittlung während der gesamten behördlichen Kommunikation mit dem oder der Betroffenen ein wich
tiger Faktor, den wir berücksichtigen müssen. Deshalb gilt für die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen die betreute Wohnform.
Wir wissen, dass viele dieser Kinder und Jugendlichen nicht auf Dauer in Bremen leben werden. Dennoch ist es uns wichtig, dass sie ein kind- und jugendgerechtes Leben führen können, um sich in ihrer schwierigen Lebenssituation stabilisieren zu können. Dazu gehören der Schulbesuch, die Freizeitgestaltung, feste erwachsene Bezugspersonen und entsprechend mögliche stabile soziale Bindungen und Fürsorge. Die Unterbringung in geeigneten Pflegefamilien ist aus unserer Sicht in den meisten Fällen die beste Lösung. Wir wissen, dass es nicht leicht ist, eine genügende Anzahl solcher Familien zu finden. Dennoch sollten wir alles daransetzen, mehr Bremer Familien dafür zu gewinnen.
Auf alle Fälle ist es wichtig, dass sich das Jugendamt gleich kümmert und schaut, welche Möglichkeiten der Unterbringung für die Kinder und Jugendlichen am besten sind. Natürlich müssen in einem solch wichtigen Verfahren Dolmetscher zur Seite stehen, damit auch die Belange der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge berücksichtigt werden können. Von Bedeutung ist auch, dass dort, wo alles losgeht, nämlich bei der Altersfeststellung gleich nach Ankunft der Kinder und Jugendlichen, ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren zur Anwendung kommt. Wir möchten, dass die Kinder und die Jugendlichen ihre Rechte umfassend wahrnehmen können. Deshalb wollen wir, dass dieses für die so wichtige Entscheidung dokumentiert und das Ergebnis dem Jugendamt unmittelbar mitgeteilt wird.
Vor diesem Hintergrund fordern wir den Senat auf, eine kinder- und jugendgerechte Unterbringung möglichst in Pflegefamilien unter zwingender Einschaltung des Jugendamtes zu veranlassen, während des gesamten Verfahrens bei der Kommunikation das Hinzuziehen von Dolmetschern und Dolmetscherinnen zu gewährleisten sowie den Prozess der Altersfestsetzung zu dokumentieren, insbesondere die Kriterien, die zur Entscheidung führen, darzulegen und das Ergebnis und die Dokumentation der Altersfeststellung dem Jugendamt mitzuteilen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns, dass SPD und Grüne diesen Antrag eingereicht haben. Endlich sind minder
jährige unbegleitete Flüchtlinge ein Thema. Lang genug waren sie die vergessenen Kinder der Politik. Dabei haben gerade unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit besonders schwierigen Problemen zu kämpfen. Sie kommen allein auf beschwerlichem Weg in ein völlig fremdes Land, dessen Kultur und Sprache sie nicht kennen. Häufig sind sie traumatisiert durch Erlebnisse in ihrem Heimatland und auf der Flucht. Einige haben ihre Familien verloren. Viele haben Schulden bei Schleusern. Diese große Bandbreite an schweren Schicksalen dieser jungen Menschen erfordert eine besondere Aufmerksamkeit bei Behörden, Aufnahmeeinrichtungen, der Politik und der Gesellschaft.