Ich finde, dieser frühe Termin setzt eher die Regierung unter Druck und ist gut für die Opposition hier im Haus. Wir haben gesagt, im Sommer 2008 sollen die Ergebnisse vorliegen, und Sie werden uns als Opposition hier im Haus auch daran messen müssen, ob wir es geschafft haben, aber wir sagen, es ist der richtige Zeitpunkt.
Aus Sicht der Grünen ist es wichtig, dass wir den Blick auf die PISA-Sieger richten. Ganz viele Studien belegen, eine frühe Trennung der Kinder bewirkt eine
starke soziale Spaltung, und auch die Bremer Datenlage zeigt deutlich, längeres gemeinsames Lernen und eine spätere Trennung der Kinder erhöht die Chancengleichheit. Die PISA-Sieger erzielen dabei nicht nur bessere Ergebnisse in der Breite, sondern auch bei den Spitzenleistungen, und wir müssen alle an uns herankommen lassen, dass es so ist.
Sicherlich gibt es auch hervorragende Gymnasien, liebe CDU, die natürlich auch sehr gute Ergebnisse erzielen. Man muss aber auch feststellen, dass dort oft Kinder sind, die Eltern mit Abitur haben, die Nachhilfe bezahlen können, und dass sie insgesamt ein soziales Umfeld haben, das sie besser fördert, und dann ist es auch ganz klar, dass diese Schulen es leichter haben, Kinder voranzubringen.
Wir werden die deutsche Schuldebatte einbeziehen. In Deutschland hat die Diskussion über das Schulwesen eine erstaunliche Dynamik angenommen. In Hamburg setzt man nun auf die Zweigliedrigkeit, und es war auch der Vorschlag der CDU, dass wir diesen Weg aufgreifen. In Hamburg haben Grüne und SPD eine Enquete eingesetzt, und die CDU war dagegen, also ein bisschen verkehrte Welt.
Wir haben als Koalition darüber gestritten, diskutiert und uns konstruktiv damit auseinandergesetzt. Ich habe mich überzeugen lassen, dass der Weg mit dem Fachausschuss der Bessere ist, weil er schneller und wendiger ist. Eine Enquete ist ein wenig sperrig, die frühere Koalition hatte sich schon ein paar Mal vorgenommen, eine Enquete zu machen, zum Beispiel zum Thema Jugendbeteiligung, die ist auch nie gestartet, aber ich denke, dieser Schulausschuss ist das richtige Mittel, um über das Thema Schulentwicklung zu sprechen.
In Hessen setzt man beispielsweise im Augenblick den Schwerpunkt auf die Verbesserung und Aufwertung der Hauptschule, deren Akzeptanzprobleme bundesweit unübersehbar sind. Ich kenne die Ergebnisse der Hamburger Enquete auch sehr gut, ich habe sie gelesen, so wie sicher auch die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen. Die Ergebnisse sind interessant, aber aus meiner Sicht ist das Zwei-Säulen-Modell kein Allheilmittel. Studien belegen, dass durch dieses System die soziale Spaltung der Schüler nach Herkunft nicht beseitigt wird,
man geht jedenfalls Schritte, also haben die Experten gesagt, dass das Zwei-Säulen-Modell letztendlich doch dazu führt, dass sich bestimmte soziale Spaltungen auch weiter aufrechterhalten.
Wir werden und wollen uns als Grüne für die gemeinsame Schule einsetzen und auch Sie von der CDU von der Idee überzeugen. Es geht nicht darum, die Schule für alle von oben durchzusetzen, das wollen auch wir nicht. Wir werden hier nicht hingehen, Herr Kollege Röwekamp, und sagen, wir schließen die Gymnasien. Das wird die Koalition nicht tun! Wir wollen in Bremen einen Prozess beginnen, und am Ende werden Entscheidungen stehen. Es wird aber nicht eine Entscheidung sein, das werden Sie heute auch von keinem hören, dass wir die Gymnasien schließen werden.
Wir wollen die Gymnasien weiterentwickeln, und die Schulen in die Verantwortung nehmen, jedes einzelne Kind zu fördern. Es hat auch nichts mit Einheitsschule zu tun. Wir werden versuchen, Sie zu überzeugen, und wir werden auch für diese Idee kämpfen, weil wir sie für einen richtigen Weg halten.
Gerade weil die Diskussion jetzt erst beginnt und auch weil die Gräben tief sind, ich weiß es, wird ein Kompromiss nicht einfach zu finden sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bleiben Sie bei Ihrer Linie! Sie haben gesagt, Sie wollen ernsthaft mit uns ins Gespräch kommen und mit uns zusammen einen Kompromiss suchen. Ich finde es gut, und ich meine, die CDU bewegt sich doch. In den letzten Jahren haben Sie ganz stark am gegliederten Schulsystem festgehalten. Dass Sie jetzt diesen Schritt in Richtung Zweigliedrigkeit machen, ist ein großer Schritt für die CDU. Ich erkenne es an, und auch die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen erkennen an, dass bei Ihnen eine schulpolitische Debatte begonnen hat. Das ist auch richtig, und wir wollen weiter darüber mit Ihnen diskutieren.
Wir brauchen eine Schule im Land Bremen, die sozial gerecht und leistungsstark ist. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke, der hier in mehreren Debatten und Beiträgen vorgetragen wurde. Unser Ziel bleibt dabei eine Schule, die die soziale Spaltung besser bekämpft und die bessere Leistungen der Schülerinnen und Schüler ermöglicht.
Ich glaube, was uns Finnland und Schweden vormachen – sie haben auch mit einem gegliederten Schulsystem angefangen, mit schlechten Ergebnissen und auch mit einer hohen Abbrecherquote –, dort hat man in einem gemeinsamen Konsens einen Weg gefunden, das zu lösen, mit guten Ergebnissen. Ich finde, wir dürfen nicht auf halbem Weg stehenblei
ben und die Grundfehler im Schulsystem erhalten. Wir wollen eine Diskussion mit Ihnen, und wir laden Sie herzlich ein. Hier habe ich alle anderen Fraktionen so verstanden, dass sie jetzt die Ärmel hochkrempeln und die Diskussion im Fachausschuss in kürzester Zeit beginnen kann. Dieser Ausschuss wird öffentlich tagen, und wir laden Sie herzlich dazu ein! – Danke schön!
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Parteiprogramme, die am Anfang zitiert worden sind – Herr Kollege Röwekamp hat ein bisschen weiter ausgeholt –, sind bei uns nicht ein Gegensatz zum Interesse der Kinder. Im Gegenteil, das Parteiprogramm ist dazu da, etwas im Interesse der Kinder zu tun. Das sollte eigentlich bei allen von uns so sein, und wir sollten nicht unsere Parteiprogramme diskreditieren, indem wir sagen, wir machen jetzt einmal gute Politik und nicht Parteiprogramme. Ich sage dies doch einmal vorab.
Im Übrigen setzen wir auch nicht einfach nur eine Ideologie um, sondern wir haben gerade mit diesem Fachausschuss eher die Tendenz zu praktischer Politik. Wir sind deswegen gegen die Enquetekommission, weil wir schon weiter sind. Wir können jetzt bereits diesen Fachausschuss bilden, Stichwort „Ärmel aufkrempeln“, das geht in dieselbe Richtung. Parteiübergreifend haben wir mittlerweile einiges verstanden, und deswegen sind wir für einen solchen eher an der Praxisgestaltung orientierten Ausschuss. Eine Enquetekommission – um auch zu sagen, was daran schlecht ist – würde eben viel weiter ausholen und sagen, wir betrachten jetzt alles noch einmal ganz grundsätzlich – Herr Röwekamp, man könnte auch sagen, ganz ideologisch –, und das müssen wir jetzt gerade nicht haben, sondern wir wollen zur Anwendung kommen.
Dieser Fachausschuss hat aus diesem Grund mit unserer Unterstützung und Mitarbeit einige Punkte aufgeführt, die wirklich dem Stand der Wissenschaft entsprechen, auch wenn es noch nicht von allen so gesehen wird. Da ist unter anderem die oft zitierte Entkopplung von sozialer Herkunft und Schulerfolg, die wir einfach als Auftrag an einen solchen Ausschuss geben müssen. Wir wollen nicht erst einmal ganz breit anfangen. Jetzt stellen wir uns einmal ganz doof, was ist eine Dampfmaschine? So sehe ich die Enquetekommission, und das müssen wir jetzt in dem Fall nicht haben.
Wir haben das Ziel, die Vielgliedrigkeit zu reduzieren und ein längeres gemeinsames Lernen zu er–––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
möglichen. Meine Damen und Herren, wenn ich einmal etwas zur Zusammenarbeit in dieser Bildungsdebatte mit der CDU sagen darf, das ist hier auch Thema, weil wir gegensätzliche Anträge haben. Ich schätze es, wenn Sie zum Beispiel mit uns gegen die Stadtteilschule auftreten.
Sie haben mit einer Anfrage hier im Haus in einem Augenblick sogar die Nase schon einmal vorn gehabt, Sie haben sich gegen Billigkräfte statt Lehrer ausgesprochen, und Sie setzen sich für durchgehende Unterrichtsversorgung ein. Das finde ich alles gut, ich empfinde es als Unterstützung, und deswegen ist es umso bedauerlicher, wenn Sie etwa in der Frage gemeinsames Lernen die Sache anders sehen.
Um es vorher alles noch ein bisschen zu bewerten, man kann – Stichwort „Billigschule“, schlechte Versorgung und so weiter – neoliberale Experimente auch von der konservativen Seite her sehr zutreffend und fundiert kritisieren. Dagegen habe ich gar nichts, das unterstütze ich, aber in der Frage längeres gemeinsames Lernen kommt es mir so vor wie beim Klimawandel. Hier wird es ganz lange geleugnet, ich sage einmal analog zu George Bush, bis endlich, nachdem es überhaupt kein Vertun mehr gibt und sich die letzte Wissenschaftlerin und der letzte Wissenschaftler dieser Meinung anschließt oder sich fast zu 100 Prozent anschließt, dann auch die CDU beim Klimawandel dabei ist, und so wird es auch mit dem längeren gemeinsamen Lernen sein, darauf würde ich jede Wette eingehen.
Bei der Kinderbetreuung für Kleinkinder war es ähnlich, auch da hat die CDU lange gebraucht. Jetzt ist sie mit dabei, und ich muss wohl sagen, es müssen erst die Unternehmerverbände in dieser Richtung Druck ausüben und auf die Durchsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse bestehen, bevor die CDU nachzieht. Es ist zwar krass gesprochen, aber ich fürchte, es muss erst so verlaufen. Dies also zum Thema längeres gemeinsames Lernen.
Wir haben hier in diesem gemeinsamen Antrag tatsächlich auch die Förderung der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien, nach dem Motto, kein Kind wird hier vernachlässigt, auch nicht von den Begabten, also von denjenigen, die begabter sind als andere oder günstigere Situationen zu Hause haben. Alle sollen gefördert werden, ganz klar! Wir haben die gemeinsame Schulung von Behinderten und Nichtbehinderten hier darin. Das ist ein wichtiger Auftrag, denn es ist bedauerlicherweise immer noch nicht umgesetzt worden und hängt leider an den dafür nicht bereitstehenden Ressourcen.
Die Vertretungsorgane der Schüler, Eltern und Lehrkräfte einzubeziehen, dagegen ist wohl überhaupt nichts zu sagen. Das ist sehr wichtig, und wenn da nur Wissenschaftler reden würden, wäre es nicht zeitgemäß und entspräche nicht einer demokratischen
Kultur, die wir hier eigentlich alle wollen. Wie gesagt, die externen Experten, die Sie möchten, die haben wir in dem Fall auch, und sie haben hier einen klaren Auftrag, weil wir in der Sache vorangehen wollen. Noch ein persönliches Wort, um noch ein bisschen etwas Polarisierendes beizutragen zu dem, was gesagt wurde: Das zweigliedrige Schulsystem ist nicht viel besser als das dreigliedrige. Wir haben dann tatsächlich eine Fortsetzung einer sozialen Spaltung, die nicht nur ungerecht ist, sondern auch nicht mehr zeitgemäß. – Danke schön!
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich habe selten eine Bürgerschaftsdebatte über Bildungspolitik in den letzten Jahren erlebt, die so engagiert auf der einen Seite und auf der anderen Seite aber auch so fachlich und teilweise konsensual geführt worden ist. Ich finde, das ist ein guter Anfang dafür, dass wir es vielleicht doch schaffen, uns, in welchem Gremium auch immer, am Ende auf viele gemeinsame Positionen zu einigen. Dabei wird der eine oder andere sich bewegen müssen, das will ich an dieser Stelle sagen. Ich bin dankbar dafür, dass Frau Stahmann zum Beispiel gesagt hat, sie spürt, dass die Union sich ein bisschen bewegt, und ich wünsche mir, dass dieser Geist die Regierungskoalition vielleicht auch noch erreicht und ein Stück Bewegung Ihrerseits in die Debatte kommt. Ich will nur sagen: Wir wollen eine nicht ideologisch geprägte Debatte, die haben wir viel zu lange gehabt, sondern wir wollen uns auf ein an den Interessen der Kinder ausgerichtetes, reformiertes, breit akzeptiertes Schulsystem in Bremen möglichst gemeinsam verständigen. Ich sage zu, dass wir daran auch weiter mitarbeiten werden.
Jetzt sagen Sie: Stimmt doch unserem Fachausschussantrag zu! Ich sage natürlich zunächst einmal: Warum stimmen Sie eigentlich unserem Enquete-Antrag nicht zu? Ich habe bisher von Ihnen kein einziges schlüssiges Argument gehört, was dagegen sprechen soll. Die Bedeutung der Sache, die Einbeziehung des externen Sachverstands und die Unparteilichkeit des Vorsitzes waren unsere Argumente zu sagen, wir machen eine Enquetekommission. Was spricht eigentlich dagegen, eine solche Kommission zu einem solchen gesellschaftspolitisch relevanten Thema hier in Bremen einzusetzen? Es spricht nichts dagegen, meine Damen und Herren, und deswegen sage ich: Geben Sie sich einen Ruck und versuchen Sie, diesen Weg zu gehen!
Wir haben Sie auch eingeladen, an den Zielsetzungen, an den Formulierungen, an den Vorstellungen und an der Zusammensetzung mitzuarbeiten. Wir haben den Antrag, bevor wir ihn eingereicht haben, den Fraktionen mit der Bitte zur Verfügung gestellt, uns Änderungen mitzuteilen. Leider war die Antwort eben eine Entscheidung gegen dieses Gremium und für einen Fachausschuss der zuständigen Deputation.
Herr Güngör hat sich gewundert, weshalb ich mit der gemeinsamen Politik der Großen Koalition teilweise kritisch umgegangen bin. Dass nun ausgerechnet Sie als SPD-Fraktion sich wundern, finde ich ein bisschen eigenartig, denn in den letzten drei Monaten habe ich fast gar nichts mehr von dem in Ihren Debattenbeiträgen gefunden, was irgendwie an die Zeit der Großen Koalition erinnern kann, obwohl wir viel Gemeinsames und Richtiges auf den Weg gebracht haben.
Ich will Ihnen vielleicht an dieser Stelle mit Friedrich Dürrenmatt antworten, der gesagt hat: Man darf nie aufhören, sich die Welt vorzustellen, wie sie am vernünftigsten wäre. Deswegen sagen wir als Union: Es gibt eine bessere Schule als die, die wir zurzeit in Bremen haben, und es gibt eine bessere Schule, wenn wir andere strukturpolitische Entscheidungen fällen und wir uns auch miteinander von bestimmten, bisher vorherrschenden Ideologien verabschieden.
Ich sage noch einmal ausdrücklich: Es gibt aus der Vergangenheit viele unterschiedliche Positionen, wo die CDU sich bewegt hat. Ich will Ihnen beispielsweise sagen, dass es vor vielen Jahren fast unvorstellbar gewesen wäre, dass die Union sich so vehement wie jetzt, und nicht nur in Bremen, sondern bundesweit, auf die integrative Erziehung von behinderten und nicht behinderten Kindern festlegt. Das war ein Weg, den die Union zurückgelegt hat, und ich sage ganz bewusst, ich habe damit auch eine eigene persönliche Erfahrung.
Ich habe das erste Mal einen Unterricht für körperlich und geistig behinderte Kinder gesehen, als ich Bildungspolitiker wurde. In meiner gesamten Schullaufbahn, im Übrigen unter sozialdemokratischer Alleinregierung, hat es dieses System der integrativen Erziehung von Kindern mit Behinderung mit Kindern ohne Behinderung nicht gegeben, und deswegen bin ich zum Beispiel persönlich im Schulalltag in völliger Isolation von behinderten Kindern aufgewachsen. Ich finde, es ist ein nicht zu quantifizierender Erfolg, dass es uns gelungen ist, dass Kinder heutzutage wie selbstverständlich aufwachsen können, egal, ob sie körperlich oder geistig behindert sind oder ob sie es nicht sind. Das ist ein guter und sehr großer Erfolg gemeinsamer Bildungspolitik der letzten Jahre.
Die Union ist diesen Weg mitgegangen, und wir wollen daran auch nicht rütteln! Ich will aber genauso deutlich sagen, weil Sie ja gesagt haben, was uns eigentlich so misstrauisch macht bei unserem Antrag, das hängt vielleicht damit zusammen, dass in diesem Parlament keine Fraktion so lange gemeinsam mit den Sozialdemokraten regiert hat wie wir.
Ich will das einmal so deutlich sagen! Wir wissen, was sozialdemokratische Formulierungen bisweilen bedeuten, und deswegen schauen wir, Herr Kollege Dr. Sieling, sehr genau darauf, was in den Anträgen steht, bevor wir sie unterschreiben.