Protokoll der Sitzung vom 17.10.2007

Was aber möchte jetzt eigentlich die FDP? Will sie diese Reform zurückdrehen? Wo hätten denn dann die Beamtinnen und Beamten herkommen sollen, die den Sielwall befriedet haben? Der Polizeibeamte, der sonst nach Mitternacht im Polizeirevier Huchting sitzt und darauf wartet, dass Unmengen an Bürgern kommen, um Anzeigen aufzugeben, gerade im Zeitraum zwischen zwei und vier Uhr morgens, der hätte uns in dieser Situation nicht geholfen. Diese Reform hat dafür gesorgt, dass die Polizei nun auch in der Lage ist, auf solche Gefahrenlagen zu reagieren, und noch einmal ein ganz wichtiger Hinweis, eine Gefahrenlage war am Anfang gar nicht zu erkennen. Da haben Leute auf dem Sielwall Fußball gespielt, meine Damen und Herren, eine Sache, die während der WM durchaus üblich war, und gestatten Sie mir als Sportpolitiker auch den Hinweis, dass ich es immer gut finde, wenn Menschen viel Sport treiben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Herr Woltemath, wäre es Ihnen um die Sacharbeit gegangen, dann hätten Sie am Donnerstag in der Innendeputation konkret nachfragen, sich die polizeitaktischen Überlegungen erläutern lassen und Ihrer Aufgabe als Abgeordneter, nämlich der Kontrolle der Exekutive, auch gerecht werden können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Sie aber wollen diese Diskussion in eine ganz andere Richtung lenken. Ihnen geht es gar nicht um die

Inhalte, Ihnen geht es einzig und allein um Panikmache in der Bevölkerung.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Das ist aber Quatsch!)

Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus einer Pressemitteilung der FDP-Bürgerschaftsfraktion, das haben Sie eben auch noch einmal wiederholt, dort sagen Sie: „Es ist sicher verfrüht, hier das Gespenst der vor Jahren regelmäßig stattfindenden Silvesterkrawalle zu beschwören.“ Ich will dieses Vorgehen am Sielwall nicht bagatellisieren und Angriffe auf Polizisten auch ganz entschieden verurteilen, aber diesen Vorfall in einen solchen Zusammenhang zu stellen, das empfinde ich als ganz billigen Populismus, Herr Woltemath!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der Linken)

Der FDP-Kollege Möllenstädt, der sich auch in dieser Pressemitteilung äußert, jetzt aber zu diesem wichtigen Thema, zu dem er Stellung nimmt, leider nicht im Raum ist, findet es „besonders besorgniserregend“, dass die Polizei so lange benötigte. Meine Damen und Herren, wenn unsere Polizei in eine Auseinandersetzung mit Steine werfenden Angetrunkenen geht, dann erwarte ich schlichtweg, dass die Polizeiführung den Beamtinnen und Beamten die Möglichkeit gibt, sich entsprechende Schutzausrüstungen anzulegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir hätten die Polizei natürlich eher vor Ort haben können, liebe Kollegen von der FDP, aber dann wären die Polizistinnen und Polizisten ungeschützt Steinund Wurfgeschossen ausgesetzt gewesen. Das können Sie nicht ernsthaft wollen, meine Herren von der FDP!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Ihr Versuch, meine Kollegen von der FDP, hier Panik zu machen und ein Bild der Gefährdung der inneren Sicherheit an die Wand zu malen, wird nicht klappen, weder jetzt noch in der Zukunft. Lassen Sie mich abschließen mit einem Zitat des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Herrn Göbel, der jüngst geschrieben hat: „Die neue Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einigte sich auf verlässliche Einstellungszahlen und verzichtete auf Einsparungen bei der Polizei. Wir sehen das als ein Bekenntnis für die innere Sicherheit Bremens und seiner Bürger.“ Recht hat er, meine Damen und Herren! – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ehmke, liebe Kollegen von der CDU! Nun wollen wir doch einmal zurück zur Realität kommen und Ihre Märchenstunde beenden!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dafür sind Sie zuständig!)

Die FDP, wer denn sonst, hat wieder einmal nur eine populistische Aktuelle Stunde zum sehr wichtigen Thema Polizeireform beantragt. Klasse, kann ich da nur sagen, nachdem gerade die FDP im Wahlkampf das Thema innere Sicherheit großmundig propagiert hat, hätte ich von der FDP eigentlich etwas mehr erwartet, zumindest einen beschlussfähigen Antrag, aber keine lapidare, nichts bringende Aktuelle Alibi-Stunde nach dem altbekannten Motto: „Gut, dass wir einmal darüber geredet haben.“ Meine Damen und Herren, nach diesem Desaster einer gescheiterten Polizeireform sind politische Taten statt großer Worte gefragt, aber keine unehrliche, nichts bringende Alibidiskussion in Form einer Aktuellen Stunde. Fakt ist doch, und das nicht erst seit den nächtlichen Krawallen am Sielwall, dass die Gewalt gegen unsere Polizeibeamtinnen und -beamten erheblich zugenommen hat. Besonders betroffen sind Polizeibeamtinnen und -beamte in Bremen-Mitte, Bremen-West sowie in allen sozialen Brennpunkten in Bremerhaven, also in ganz Bremerhaven. Meine Damen und Herren, im Bundesland Bremen gab es allein im Jahr 2006 sage und schreibe circa 500 diesbezügliche Straftaten, und in den ersten 8 Monaten dieses Jahres gab es schon 350 Gewalttaten, Tendenz weiterhin steigend. Die Tätergruppen sind immer dieselben, es sind überwiegend Männer mit Migrationshintergrund oder aber, lapidar, laut Presseberichten jugendliche Gewalttäter mit südländischem Aussehen. Meine Damen und Herren, laut einer Schockstudie der Bertelsmann-Stiftung ist Bremen das gefährlichste Bundesland überhaupt.

(Abg. E r l a n s o n [Die Linke]: Weil Sie da sind!)

Herr Präsident, ich darf die Schockstudie zitieren, und hoffentlich merken Sie sich das auch einmal: Die meisten Drogentoten, die höchste Beschaffungskriminalität, die geringste Aufklärungsquote und so weiter. Meine Damen und Herren, so sieht Ihre ach so erfolgreiche Polizeireform auf Kosten der inneren Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und zulasten unserer Polizeibeamtinnen und -beamten in der Realität aus! Da können Sie so viel reden, wie Sie wollen, das ist Fakt. Unsere Polizeibeamtinnen und -beamte sind doch schon lange, und das viel zu lange, gerade hier in

Bremen und Bremerhaven die Prügelknaben der Nation. Sie werden von den politisch Verantwortlichen verraten, verkauft und abgezockt, belogen darf ich ja nicht mehr sagen. Es werden ihnen unehrliche politische Versprechungen gemacht, vor der Wahl natürlich, und sie werden gnadenlos im Stich gelassen.

Es reicht, darum fordere ich unmissverständlich eine neue, eine sozial gerechtere Polizeireform zum Schutz unserer Bevölkerung und im Interesse unserer Polizeibeamten. Es kann doch wohl nicht angehen, dass unsere Bremer Polizeibeamten schon wieder deutlich schlechter gestellt werden als ihre Kollegen in den anderen Bundesländern, denn während Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ab dem 1. Januar 2008 ihre Besoldung um 3 Prozent anheben, will Bremen erst zum 1. Oktober 2008 ihre Besoldung mit mickrigen 1,9 Prozent anheben, und erst ab dem 1. September 2009 soll noch einmal ein lächerliches Prozent dazukommen.

Nun frage ich Sie allen Ernstes, und das ist wirklich noch sehr höflich ausgedrückt: Wie lange wollen Sie unsere Polizeibeamtinnen und -beamten, die täglich unterbezahlt und unter den schwierigsten Bedingungen, die man sich überhaupt vorstellen kann, ihre Gesundheit und ihre Leben für unsere Bevölkerung aufs Spiel setzen, eigentlich noch veräppeln und verhöhnen? Seit 2004 gab es keine Besoldungszuwächse mehr, dafür wurde aber unverantwortlich das Urlaubsgeld gestrichen, das Weihnachtsgeld wurde zum wiederholten Mal gekürzt. Es gab die Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich, Absenkung des Pensionsniveaus, Kürzung im Bereich der Witwenvorsorge sowie bei den Beihilfen und so weiter. Bremerhavener und Bremer Polizeibeamtinnen und -beamte schieben sage und schreibe hunderttausende Überstunden vor sich her.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Milliarden!)

Jedes Jahr, und darüber sollten Sie nicht lachen, kommen 30 000 Überstunden hinzu, und es ist die größte Schweinerei überhaupt.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das Thema ist ernst! Viel zu ernst, als dass Sie sich damit beschäftigen sollten!)

Dass Sie für unsere Polizeibeamten und die innere Sicherheit ein Risiko waren, das darf man bei Ihren Zwischenrufen annehmen.

Meine Damen und Herren, die größte Schweinerei überhaupt ist, dass bei der zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber unseren Polizeibeamten – die Gewaltbereitschaft ist in den letzten Jahren um 30 Prozent gestiegen – die Personalstärke bei der Polizei kontinuierlich abgebaut wird. Im Land Bremen fehlen circa 600 Polizeibeamte, Polizeireviere werden nachts geschlossen, von 18 Bremer Revieren sind

nur noch 7 nachts geöffnet. Die Polizeibeamten in Bremen und Bremerhaven hetzen von einem Einsatz zum nächsten, und die Überstunden steigen ins Unermessliche.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie gut, dass sie geschlossen waren, dann konnten sie das wenigstens!)

Kommen Sie nach vorn! Um hier all diese Missstände Ihrer gescheiterten Polizeireform aufzählen zu können, müsste ich mindestens eine zehntägige Sondersitzung des Landtages beantragen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die könnten Sie allein machen! Wir wären dann weg, Sie könnten sich vor Ih- ren Spiegel stellen und mit dem reden!)

Das brauche ich nicht, Ihnen geht die innere Sicherheit sowieso am Rücken vorbei, das weiß ich!

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Kommen Sie doch nach vorn, und labern Sie nicht dazwischen!

(Unruhe – Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, ich bitte Sie, sich zu mäßigen!

Unsere Bremer und Bremerhavener Polizeibeamten werden deutlich schlechter gestellt als viele Kollegen in den anderen Bundesländern, und sie sind gerade hier im Bundesland Bremen die Prügelknaben der Nation, und das zum größten Teil für jugendliche Gewalttäter aller Nationen. Ich aber sage Ihnen, unsere mutigen, aufopferungsvollen Polizeibeamten dürfen von den politisch Verantwortlichen, gerade von den Grünen, nicht länger zu Prügelknaben der Nation gemacht werden. Sie sind auch keine billigen Fußabtreter für realitätsfremde, gescheiterte Politiker! Das haben unsere Polizeibeamten in Bremen und Bremerhaven nicht verdient!

Da Sie nun alle meine Anträge ablehnen, bringen Sie wenigstens schnellstens einen beschlussfähigen Antrag ein, dem ich dann überparteilich zustimmen werde, damit endlich die unsinnige und gescheiterte Polizeireform zum Wohl der Bevölkerung und im Interesse unserer Beamten zu einer wirklichen, realitätsnahen und sozial gerechteren Polizeireform, die ihren Namen Polizeireform auch wirklich verdient, schnellstens umgesetzt werden kann! Hierzu haben Sie immer meine Unterstützung. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte sagen, die Rednerinnen und Redner von SPD, Grünen und CDU haben, glaube ich, in der Debatte schon alles gesagt. Nach dem letzten Beitrag, den wir hier – –.

(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Mär- chenstunde!)

Maul halten!

(Unruhe – Glocke)

Herr Abgeordneter Erlanson, auch das ist nicht parlamentarischer Brauch!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Mund hal- ten ginge!)

Okay, Entschuldigung! Trotzdem, nach dem, was wir jetzt zuletzt hier hören mussten, möchte ich einfach nur meinem Wunsch Ausdruck verleihen und sagen, wenn Herr Tittmann mit seinen Gesinnungsgenossinnen und -genossen das nächste Mal auf die Straße geht, dann wünsche ich mir, dass wir schnellstens genügend Polizei vor Ort haben. – Danke!

(Beifall bei der Linken)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich gestern Abend um 22.51 Uhr den Auftrag gehabt hätte, einen Artikel über die heutige Sitzung zu schreiben, dann hätte ich ihn genauso geschrieben, wie die Sitzung abgelaufen ist. Es hat nämlich keiner meinem Redebeitrag zugehört.