Protokoll der Sitzung vom 26.08.2010

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns als CDU natürlich darüber, dass es hier – es ist schon angesprochen worden – offensichtlich einen breiten Konsens zu dem Anliegen gibt, das wir hier vorgetragen haben.

An den Kollegen Ehmke gerichtet: Sie haben deutlich gemacht, dass Sie seit zwei Monaten darüber diskutiert haben und nunmehr zu dem Ergebnis gekommen sind, einen eigenen Antrag einzubringen. Es ist auch etwas Positives, wenn unser Antrag dazu geführt hat, dass Sie darüber diskutieren, dann ist das doch schon einmal ein wesentlicher Schritt nach vorn. Sie werden sich auch daran erinnern, Herr Ehmke und Herr Fecker, dass wir in der Innendeputation zu diesem Thema schon diverse umfangreiche Debatten hatten und in dem Zusammenhang deutlich gemacht worden ist, in Bremen gibt es vonseiten des Wirtschaftsressorts erhebliche Probleme, diesen Weg, den wir jetzt gemeinsam gehen wollen, mitzugehen. Deswegen hat unser Antrag die Zielrichtung, auf der Bundesebene etwas zu verändern und den Senat dazu zu bringen, das zu unterstützen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wenn Sie nun als Koalitionäre der Meinung sind, Sie bekommen es in Bremen hin, wunderbar! Das unterstützen wir natürlich auch, und insofern sind wir über Ihren Antrag in keiner Weise böse. – Danke!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit Aufmerksamkeit diese Debatte verfolgt. Sie bestätigt mich in der Einschätzung, dass wir ein Problem gesehen haben und gemeinsam der Auffassung sind, dass hier etwas geschehen muss. Wir sind aber mit diesem Thema nicht allein.

Wir haben, wenn man sich einmal die Geschichte seit 2001 anschaut, zahlreiche Anlässe gehabt, die Thematik zu diskutieren, und dasselbe gilt auf Bundesebene. Ich habe hier nur in Auszügen den großen Evaluationsbericht von 2004, der im Wesentlichen die Argumente aller ausführt, die wir heute hier erneut gehört haben. Seit 2009 gibt es einen weiteren Bericht der Bundesregierung, und in der Bewertung stimmen diese Papiere überein. Die Lage der Frauen hat sich nicht verbessert, im Gegenteil, sie hat sich verschlechtert, und es besteht überhaupt kein Zweifel, dass hier ein aktueller Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Wenn man sich die Details anschaut, so wird sehr deutlich, dass in der Tat der Rückzug des Staates nur dazu beigetragen hat, dass sich das kriminelle Milieu weiterentwickelt hat. Es kamen ungünstige Faktoren hinzu. Ich erinnere an die Öffnung von Grenzen, die EU-Erweiterung, die es natürlich dem internationalen Menschenhandel deutlich erleichtert hat, dieses Thema zu besetzen.

(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Das habe ich schon immer gesagt!)

Die Frage ist natürlich, wo reguliert man dies, und wir diskutieren heute darüber, was wir in Bremen machen können. Ich halte das für notwendig und richtig. Aber es ist natürlich auch in gewisser Weise ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik. Wir haben es hier mit einem bundespolitischen Thema zu tun. Wenn in dieser Frage alle übereinstimmen, jedenfalls was die Analyse angeht, dann frage ich mich natürlich: Warum müssen wir lokale Wege gehen, wenn es eigentlich der Bund hätte regeln können? ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Hinners, Ihre Bewertung der Lage teile ich, aber ich habe Zweifel. Ist es wirklich die Aufgabe der Bürgerschaft, den Senat aufzufordern, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass sich hier etwas verändert? Woher nehmen Sie diese Hoffnung? Schauen Sie es sich doch einmal an. Was passiert seit Monaten im Bereich der inneren Sicherheit in diesem Land? Wir sind faktisch handlungsunfähig! Uns brennt das Problem der Sicherungsverwahrung auf den Nägeln. Was erleben wir? Eine handlungsunfähige Bundesregierung, die das Problem einmal bei Inneres, einmal bei Justiz anbringt! Ich kann den Kollegen Wolfgang Schäuble durchaus verstehen, warum er die Flucht nach vorn angetreten ist und heute im Finanzministerium sitzt.

(Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Herr Mäurer, ist das für Sie eine Perspektive?)

Das nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass er in diesem Konflikt mit Herrn Brüderle auf der einen und Frau Leutheusser-Schnarrenberger auf der anderen Seite in der Tat keine Lust hat zu arbeiten, und wir sehen ja auch die Ergebnisse! Es kommt nichts voran, und deswegen, wie gesagt, ist es schade, dass wir das alles heute machen müssen. Es wäre eigentlich die Verantwortung und die Aufgabe des Bundes, diese Regeln zu schaffen. Das ist originäre Bundeszuständigkeit. Dass wir aber kein Vertrauen darin haben, dass der Bund dies macht, erklärt, warum wir heute für diesen Antrag sind. Wir werden das Unserige tun, und ich werde das auch in der Innerministerkonferenz verfolgen. Wir werden nicht aufhören damit, dass wir die Länder gemeinsam auffordern, den Bund endlich zum Handeln zu zwingen, denn es sind so viele Lücken hier deutlich geworden, und die können wir nicht allein mit den uns möglichen Mitteln des Gewerberechts schließen. Es gibt viele Dinge, die wir ins Strafgesetzbuch hineinnehmen müssen und in andere Vorschriften, da sind wir nicht zuständig, und deswegen, denke ich, machen wir das, was wir auf unserer Ebene können, aber wir werden nicht nachlassen, den Bund an seine Verpflichtung zu erinnern. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/1346, das ist die Neufassung der Drucksache 17/1258, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1405 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Gunnar Heinsohn beleidigt Menschen und blamiert Bremen Bremische Bürgerschaft distanziert sich

Antrag (Entschließung) der Fraktion DIE LINKE vom 26. April 2010 (Drucksache 17/1276)

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ein Essay von Dr. Gunnar Heinsohn in der „Welt“ ist überschrieben mit dem Titel „Wie man mit viel Geld Armut vermehrt“ und dem Untertitel „Höhere Sozialleistungen steigern die Geburtenrate von arbeitslosen Frauen“.

Dr. Gunnar Heinsohn bedient sich in diesem Essay sozial-eugenischen und rassistischen Gedankenguts. Er teilt die Bevölkerung in Gruppen ein, um diese als mehr oder weniger wertvoll zu kategorisieren. Er schlägt vor, ich zitiere, „bevölkerungspolitisch in der Weise einzugreifen, dass die wertvollere Bevölkerungsgruppe größer und die weniger wertvolle geringer wird“.

Wertvoll sind die sogenannten Leistungsträger, die nach seinem Verständnis akademisch gebildet sind. Um seine Überlegungen zu belegen und Sanktionen zu rechtfertigen, stellt er vier Behauptungen auf.

Erstens: Nur die Intelligenz sichert Deutschlands Zukunft. Zweitens: Den Frauen, die von Sozialhilfe leben müssen, unterstellt er, dass diese nur Kinder bekommen, um weiterhin Sozialhilfe zu beziehen. Drittens: Den Akademikerinnen unterstellt er, dass sie zu wenige Kinder haben und auch keine wollen. Viertens: Menschen mit Migrationshintergrund unterstellt er generelles Bildungs- und Lebensversagen, und zwar bereits in den Heimatländern. Er behauptet zudem, dass sie sich in einem ärmlichen Leben mit staatlichen Transferleistungen zufrieden einrichten.

Zur Rettung Deutschlands hat Dr. Heinsohn ein einfaches Rezept mit drei Vorschlägen: Die Sozialhilfe beziehungsweise staatliche Transferleistungen sollen nach spätestens sechs Jahren vollständig eingestellt werden und die Akademikerinnen sollen mehr Kinder bekommen. Seine männlichen Kollegen werden geflissentlich aus der Verantwortung genommen. Diese Tendenz, allein den Frauen die Verantwortung für gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu geben, durchzieht seinen gesamten Aufsatz zum Thema. Migranten müssen erst ihre Intelligenz beweisen, bevor sie die deutschen Grenzen überschreiten dürfen.

Bereits diese grundsätzlichen Thesen sind nachweisbar falsch, denn der Wissenschaftler Dr. Heinsohn ignoriert dabei wesentliche Tatsachen. Erste Tatsache: Auch Studierte können arbeitslos werden und in Hartz IV landen. Zitat aus „ZEIT-Online“, Untertitel: „Immer mehr Akademiker leben von Hartz IV. Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern ist im Krisenjahr 2009 stark gestiegen. Laut statistischen Angaben der Bundesagentur wurden im Dezember vergangenen Jahres 11,3 Prozent mehr Akademiker arbeitslos als im Januar desselben Jahres. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Anstieg um circa 17 000 auf 168 000 beschäftigungslose Hochschulabsolventen.“ Zweite Tatsache: Professor Dr. Rainer Hufnagel fand in einer Studie aus der Zeit von 1996 bis 2003 heraus, dass akademisch gebildete Frauen überdurchschnittlich viele Kinder bekommen. Die Behauptungen und Unterstellungen, die sein ganzes Essay durchziehen, gipfeln in der Behauptung, dass die „Unterschichtmütter ihre Kinder zu Kriminellen erziehen“. Als gäbe es in der Oberschicht nur edle Menschen mit weißen Westen! Dass hier und da ein Koffer mit Schmiergeldern, unversteuerten Einkommen oder Geld aus Spendenhinterziehungen über die Grenze geht, übersieht er hier genauso gut geflissentlich. Er scheint sich auch nie Gedanken darüber gemacht zu haben, dass Arbeitsplätze vernichtet werden, um mehr Gewinne zu erzielen. Das ist kriminell. Denkt er denn ernsthaft, dass Menschen, die in Hartz-IVSituationen leben müssen, Freude an ihrer Lebenslage

haben, dass sie nicht glücklich wären über einen Arbeitsplatz, der sie und ihre Familien ernährt?

Herr Dr. Heinsohn nimmt nicht zur Kenntnis, dass Menschen in Vollzeit arbeiten und trotzdem ergänzende Transferleistungen bekommen müssen, um existieren zu können, Menschen, die tatsächlich auch Leistungsträger unserer Gesellschaft sind: Friseurinnen, Verkäuferinnen, Wachleute, Reinigungskräfte und zunehmend auch arbeitslose Akademikerinnen. Mit der Arroganz eines Menschen, der nie Armut erlebt hat, sieht er auf diejenigen herab, die um ihre tägliche Existenz kämpfen müssen. Er hat keine Ahnung davon, wie es ist, den Kindern ganz normale Wünsche verwehren zu müssen. Immer wieder Nein sagen zu müssen ist bitter für Eltern und Kinder.

Als die Fraktion DIE LINKE diesen Antrag gestellt hat, war das sogenannte Sparpaket der Bundesregierung noch nicht veröffentlicht worden. Mit Entsetzen müssen wir jetzt feststellen, dass sie wieder bei den Ärmsten Gelder kürzen will, dieses Mal auch das Elterngeld für Hartz-IV-Empfängerinnen, von der Streichung der Rentenbeiträge ganz zu schweigen. Eine ideologische Grundlage für diese menschenverachtenden Maßnahmen hat Herr Dr. Heinsohn gelegt. Wir brauchen wahrlich keinen hoch bezahlten Akademiker wie Herrn Dr. Heinsohn, der mit falschen Datengrundlagen Bevölkerungspolitik, bis hin zum Aushungern der Armen machen will.

Was ist beispielsweise mit Bremerhaven? Soll Bremerhaven mit seiner überdurchschnittlich hohen Erwerbslosigkeit etwa von der Landkarte gestrichen werden? Aus all diesen Gründen bitten wir Sie, unseren Antrag, der heute so aktuell ist wie an dem Tag, an dem wir ihn eingereicht haben, zu unterstützen und ihm zuzustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen, dass wir diese Debatte für sehr unglücklich halten, weil wir davon überzeugt sind, dass es falsch ist, Herrn Dr. Heinsohn diese Bühne zu bieten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: So bedeutend ist er ja gar nicht!)