Protokoll der Sitzung vom 26.08.2010

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir, damit muss man sich auseinandersetzen. Wehret den Anfängen! – Danke!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Ti t t m a n n [parteilos]: Haben Sie keine anderen Pro- bleme?)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Garling.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Erlanson, Sie haben genau das bestätigt, was im Prinzip alle Fraktionen vorher gesagt haben. Sie haben den Anlass jetzt noch einmal genutzt, um in diesem Fall noch einmal Herrn Sarrazin zu erwähnen. Ich möchte Ihnen einmal ganz deutlich sagen: Für jeden Sozialdemokraten ist es unerträglich, dass ein Herr Sarrazin, der immer noch der SPD angehört, um für sein eigenes Buch zu werben, solche Äußerungen macht. Das ist aber für uns kein Anlass, das hier zu debattieren.

(Unruhe bei der LINKEN)

Für die Bremer SPD-Fraktion, nur einmal zum Mitschreiben für Sie, ist ganz klar, wir distanzieren uns ganz ausdrücklich von den Thesen, die Herr Sarrazin vertritt, da wir sie für unvereinbar mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie halten. Wenn Sie vielleicht einmal „Spiegel Online“ lesen, dann müsste Ihnen klar sein, dass auch auf der Bundesebene sowohl durch Herrn Gabriel als auch durch Frau Nahles ganz deutlich geworden ist, dass wir uns wirklich alle fragen, warum dieser Mensch eigentlich noch der SPD angehört. – Danke! ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: DIE LINKE hat den Herrn Sarrazin doch schon einmal zum Senator gewählt!)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht mein Anliegen, diese aus meiner Sicht ziemlich unnötige und jetzt auch noch ausufernde Debatte weiterzuführen. Man muss aber doch eines, glaube ich, einmal sehr deutlich darstellen, einen Zusammenhang, liebe Frau Troedel, lieber Herr Erlanson, zwischen der notwendigen Entscheidung der Bundesregierung, sich zu überlegen, in welchen Bereichen des Bundeshaushalts Einsparungen vorgenommen werden müssen – wir machen das ja nicht zum Spaß, sondern weil wir keine Alternative dazu haben –, und einem Zeitungsartikel eines Wissenschaftlers herzustellen, der sich zu einem völlig anderen Thema geäußert hat, tut mir leid, aber das ist wirklich absurd, was Sie hier zusammenkonstruieren.

Diese Weltverschwörung, die Sie uns hier nahezubringen versuchen, gibt es so überhaupt nicht. Es wäre vielleicht klüger gewesen, wenn Sie die einzelnen Kritikpunkte, die Sie in der Sache formuliert haben, vielleicht dann auch einzeln hier zur Diskussion gestellt hätten. Das kann man aber in solch einer Debatte nicht machen.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, auch die Ausweitung, lieber Herr Erlanson, jetzt auf eine weitere Person, um die es in Ihrem Antrag überhaupt gar nicht geht, finde ich ausgesprochen schwierig. Denn das zeigt, dass Sie sehr beliebig in Richtung einer Meinungsdiktatur argumentieren, die Sie gern einführen möchten.

Heute haben Sie diese beiden Namen genannt. Ich frage mich, wann kommen weiteren Namen dazu, und warum ist es so schwer für Sie zu begreifen, dass es Meinungsäußerungen gibt und dass man dazu natürlich legitimerweise einfach eine Gegenäußerung bringen oder eine andere Meinung äußern kann? Ich weiß nicht, man müsste eigentlich in der Lage sein, intellektuell zu begreifen, dass es nicht Aufgabe des Parlaments ist, solche Feststellungen zu treffen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb glaube ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Debatte uns wirklich kein Stück weiter führt, einmal abgesehen davon, dass man in der Sache, glaube ich, das alles sehr gelassen sehen kann, denn das, was Sie immer unterstellen, dass dort ein großer Teil der Bevölkerung beleidigt würde – –. Die Menschen wissen doch selbst, was sie empfinden, was sie meinen, und sie sind auch in

der Lage, sich zu artikulieren, davon bin ich zumindest fest überzeugt. Es braucht nicht diese Bühne, da man sich darauf verlassen kann, dass es einen Rechtsstaat gibt, der dort auch mit engen Grenzen arbeitet. Ich bin der festen Überzeugung, dass das auch eingehalten werden muss.

Es ist richtig, der Kollege Rohmeyer hat das ja gerade eben auch noch einmal gesagt, es gibt dafür die Justiz. Eine Staatsanwaltschaft überprüft den Sachverhalt, wenn es zu einer Anzeige kommt, und dann wird entschieden, ob es vor Gericht geht. Sie wissen genau, dass dies das richtige Verfahren ist, aber nicht die Debatte im Parlament.

Ich finde auch die Art und Weise, immer wieder weitere Dinge hier mit in die Debatte einzubringen, wenn Sie mit Ihrer ursprünglichen Argumentation nicht mehr weiterwissen, alles andere als überzeugend. Deshalb: Ziehen Sie endlich diesen Antrag zurück, und lassen Sie uns zu den wichtigen Sachthemen dieses Landes kommen! – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einmal etwas sagen, da genau das passiert, was ich schon aus der Geschichte kenne, dass hier in der Bürgerschaft über die Auffassung Einzelner geredet wird und über diejenigen, die sich aus grundsätzlichen Erwägungen einer Verurteilung ihrer Aussage nicht anschließen wollen. Damals war es Herr Professor Huffschmid, den man mit Äußerungen über den Sozialismus, den man gern hätte, herangezogen hat, und diejenigen, die sich nicht angeschlossen haben, die gesagt haben, jawohl, wir distanzieren uns, die wurden als Trittbrettfahrer der SED hingestellt! Das kenne ich, und genau das versuchen Sie jetzt wieder. Wenn diejenigen, die aus grundsätzlichen Erwägungen sich klar äußern zu dem, was Herr Heinsohn sagt, es aber für vollkommen falsch, unangemessen und die verkehrte Richtung halten, dass wir in der Bremischen Bürgerschaft ex cathedra erklären, diese Meinung ist erlaubt, und diese ist nicht erlaubt, dann geht das nicht, und dann wollen wir das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Vor allem, wo fängt das an, und wo hört es auf?)

Das, was immer noch als Haken daran ist, ist das, was ja auch die „taz“ transportiert, indem sie von

dem pensionsberechtigten Professor redet. Das ist der kleine Aha-Effekt.

(Abg. Frau Tr o e d e l [DIE LINKE]: Wir sind nicht die „taz“!)

Ich habe ja auch die „taz“ zitiert, verehrte Frau Troedel. Nein, ich meine, auch in dem Antrag steht, dass er ein Beamter ist. Was berechtigt die Tatsache, dass jemand seinen Beruf hier ausgeübt hat und nun im Ruhestand ist, dazu, dass wir darüber befinden, was an seiner Meinung richtig und falsch ist? Ich sage Ihnen, das geht wirklich nicht. Ich bringe Ihnen jetzt noch ein Beispiel, das durchaus ernst gemeint ist. Die Auffassung von Herrn Professor Dr. Gerhard Roth, ein hoch angesehener Wissenschaftler, der lange das Wissenschaftszentrum Delmenhorst geleitet hat, dass es den freien Willen des Menschen nicht gäbe, ist gut begründet, ausgezeichnete Arbeiten, hohes Ansehen: Meine Auffassung ist, dass dies mit unserem Verständnis und Begriff von Menschenwürde, Artikel 1 Grundgesetz, nicht vereinbar ist. Glauben Sie wirklich, ich würde mich hier hinstellen und beantragen, dass wir dies hier feststellen? Ich meine, das ist doch einfach absurd. Es handelt sich um eine politische, öffentliche, gesellschaftliche Diskussion, an der wir uns alle beteiligen. Dieses Parlament ist und darf kein Ort sein, an dem wir Urteile fällen, was richtig, erlaubt und nicht erlaubt ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Erlanson.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Noch ein Wort- beitrag, und der Verfassungsschutz muss Sie wieder beobachten! – Abg. Frau Tr o e d e l [DIE LINKE]: Das tut nicht Not, wir machen das ja öffentlich!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, da ich finde, dass einige Sachen doch sehr durcheinander kommen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Bei Ihnen, ja!)

Das ist jetzt aber ein bisschen billig.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Nein!)

Doch! Ah, Herr Röwekamp! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ich habe nichts gesagt!)

Ich will einmal deutlich sagen, wenn Sie unseren Entschließungsantrag anschauen, dann steht darin, dass wir erstens eine Debatte fordern und dass wir zweitens die Bürgerschaft auffordern, sich zu distanzieren. Ich sage einmal ganz deutlich, erklären Sie mir bitte einmal, wieso Distanzieren gleich Verbieten ist, wieso Distanzieren gleich Ausschließen ist!

(Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Doch! Das versuchen Sie die ganze Zeit hier zu behaupten. Wir haben nicht gesagt, dass Herr Heinsohn irgendwie bestraft werden soll. Wir haben nicht gesagt, dass er irgendwo ausgeschlossen werden soll und so weiter. Wir haben gefordert und einen Antrag eingebracht, dass eine Debatte geführt wird, und wir möchten, dass die einzelnen Parteien in diesem Haus sich klar dazu bekennen, ob Sie sich von solchen Äußerungen distanzieren oder nicht. Mehr nicht!

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und vom Bündnis 90/Die Grünen)

Aber Distanzieren ist nicht Verbieten, und darüber haben wir nicht geredet, also versuchen Sie nicht, uns das anzuhängen! Das ist ein klarer Unterschied! Ich habe mich jetzt auch noch das dritte Mal gemeldet, um zu sagen, wir haben diesen Antrag zwischenzeitlich nicht zurückgezogen, sondern wir beantragen, die Punkte unseres Antrags einzeln abzustimmen, damit es Ihnen möglich ist, vielleicht auszudrücken, dass Sie die eine oder andere Forderung,

(Unruhe)

zum Beispiel haben wir gesagt, wir fänden es richtig, dass sich möglicherweise auch der Wissenschaftssenator damit beschäftigt, unterstützen. Man kann darüber streiten, ob das die Bürgerschaft oder eine Fraktion in der Bürgerschaft so sagen kann. Okay, deshalb beantragen wir die Einzelabstimmung der Punkte und sagen: Sie können sich entsprechend dazu verhalten. – Danke sehr!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte zeigt sehr deutlich, dass ein solcher Distan––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

zierungsantrag kein geeignetes Mittel ist, sich mit solchen Positionen auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es geht nicht darum, dass – zumindest für die Fraktionen, so habe ich das verstanden – alle Fraktionen hier die Meinungen, die von diesem Professor kundgetan worden sind, für politisch und wissenschaftlich völlig inakzeptabel erklären. Sie haben so viele Anleihen rechtsextremistischen und rassistischen Gedankenguts, dass sie inakzeptabel für demokratische Kräfte sind, und wissenschaftlich werden noch nicht einmal die Grundbedingungen von seriöser Wissenschaft erfüllt. Es ist ein Zusammenwürfeln von irgendwelchen empirischen Erkenntnissen mit mehr als abstrusen Ursache-Wirkungs-Ketten, das gemixt mit vielen gesellschaftlichen Vorurteilen, die existieren, lässt dann die Meinung entstehen, das hätte ein Wissenschaftler gesagt. Man sagt, dass es ein Wissenschaftler war, aber mit Wissenschaft hat das gar nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist allerdings, und das ist auch die Auffassung des Senats, nicht angezeigt, dass sich zu jeder Äußerung, die irgendjemand in dieser Republik tätigt, die Bürgerschaft überlegt, ob sie sich davon distanzieren muss oder nicht.

(Abg. Dr. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da hätten wir viel zu tun!)