Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Es handelt sich bei dem infrage stehenden INS-Vertrag um eine Verwaltungsvereinbarung zur gemeinschaftlichen Finanzierung des Instituts für Niederdeutsche Sprache, INS. Die rechtlichen Folgen der einseitigen Aufkündigung der Verwaltungsvereinbarung zum 31. Dezember 2011 durch Schleswig-Holstein werden derzeit durch den Senator für Justiz und Verfassung geprüft. Da die Verwaltungsvereinbarung zwingend die Verhandlung aller beteiligten Länder über die Auswirkungen einer etwaigen Kündigung und den Umgang damit vorschreibt, sind eben diese Auswirkungen heute noch nicht abzuschätzen.
Zu Frage 2: Erste Gespräche auf Arbeitsebene zwischen den verbleibenden Unterzeichnerländern der Verwaltungsvereinbarung, Bremen, Hamburg und Niedersachen, haben ergeben, dass diese Länder zu ihren Verpflichtungen stehen. Die derzeitige Finanzierungsregelung des INS erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel unter den beteiligten Ländern. Alles Weitere muss im Rahmen der Verhandlungen geklärt werden.
Zu Frage 3: Das INS hat für die norddeutschen Länder eine wesentliche Funktion bei der Erfüllung der Verpflichtung aus der Charta für Regional- und Minderheitensprachen. Um diese Aufgabenwahrnehmung zu verbessern, hat Bremen als Sitzland unabhängig von der jetzt angekündigten Kündigung bereits im Frühjahr 2010 Gespräche mit der Geschäftsführung des Instituts über die Personalentwicklung aufgenommen. Der Senat sieht das INS in seiner Existenz durch die Kündigung nicht bedroht, jedoch in seiner Leistungserbringung für die norddeutschen Länder beeinträchtigt. Er wird deshalb im Rahmen der Verhandlungen die anderen Länder des Sprach
raums zur Beteiligung an der institutionellen Förderung auffordern. – Soweit die Antwort des Senats!
Süht de Senat, wann dat Snacken öwer de Betahlung von dat Institut endet? Wann also das Sprechen über die Finanzierung des Instituts endet?
Es gibt einen Vertrag, der das bis 2012 vorsieht, wie Sie wissen, und ab 2013 würde die Finanzierung ohnehin neu verhandelt werden. Es geht jetzt darum, Schleswig-Holstein – das kann ich hier offen sagen – dazu zu bewegen, den Vertrag einzuhalten und dann die Rahmenbedingungen neu aufzustellen.
Die zehnte Anfrage steht unter dem Betreff „Analphabetismus in Bremen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Schmidtke, Tschöpe und Fraktion der SPD.
Erstens: Gibt es Erkenntnisse darüber, wie hoch der Anteil an erwachsenen Analphabeten in Bremen ist?
Zweitens: Welche Maßnahmen beziehungsweise Hilfen werden angeboten, damit diese Menschen den Analphabetismus überwinden können?
Drittens: In welchem Umfang werden diese Angebote angenommen, und wie viele Absolventinnen und Absolventen können auf eine erfolgreiche Teilnahme verweisen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Der Bundesverband Alphabetisierung geht davon aus, dass bundesweit vier Millionen Erwachsene – 6,3 Prozent der Bevölkerung – Schreibbeziehungsweise Leseprobleme haben. Das entspricht im Land Bremen einer Anzahl von circa 35 000 Erwachsenen, die gar nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben können. Genauere Zahlen können nicht erfasst werden, da die Hemmschwelle der Betroffenen nach wie vor sehr hoch ist. Zu Frage 2: Das Land Bremen ist seit den Siebzigerjahren sowohl in der Forschung als auch in der praktischen Umsetzung bundesweit Vorreiter auf dem Gebiet der Bekämpfung des Analphabetismus. Beratungsgespräche und Kurse zur Alphabetisierung, auch speziell für Migrantinnen und Migranten, bieten vor allem die Volkshochschulen in Bremen und Bremerhaven an. Dabei werden Lese- und Schreibprogramme für den PC und die Lernplattform „ich-willlernen.de“ des Deutschen Volkshochschulverbands in den Unterricht einbezogen, um die Motivation zu erhöhen und nebenbei grundlegende PC-Kenntnisse zu vermitteln. Ergänzend führt das Paritätische Bildungswerk im Rahmen der Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Alphabetisierungskurse in den Stadtteilen durch und erreicht damit die Betroffenen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Die ARGE Job-Center in Bremerhaven und die BAgIS verweisen in Beratungsgesprächen auf die Integrationskurse und fördern die Teilnahme finanziell. Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt die Universität Bremen derzeit in Kooperation mit Weiterbildungseinrichtungen und mit der Allgemeinen Berufsschule eine berufsbezogene Förderdiagnostik und neue Lernmaterialien. Die Forschungsergebnisse werden in die Lehrer- und Lehrerinnenfortbildung einfließen.
Zu Frage 3: Nach Auskunft der Volkshochschulen wurden von ihnen 2009 in Bremen 47 Kurse für 471 Teilnehmende und in Bremerhaven elf Kurse für 102 Teilnehmende durchgeführt, die auf Deutsche mit Lese- und Schreibproblemen ausgerichtet waren. Eine statistische Auswertung des Maßnahmeerfolgs liegt nicht vor, die Rückmeldungen der Kursleiterinnen und Kursleiter, die individuelle Lernberatung und die geringen Abbruchquoten weisen aber auf einen hohen Lernerfolg hin. Nach Einschätzung der Volkshochschulen reichen die bestehenden Alphabetisierungsangebote für Deutsche aus, um die derzeitige Nachfrage zu befriedigen.
Speziell für Migrantinnen und Migranten wurden 2009 an der Volkshochschule in Bremen 65 Kurse für 698 Teilnehmende und an der Volkshochschule in
Bremerhaven 22 Kurse für 234 Teilnehmende angeboten. Rund 10 Prozent der Teilnehmenden beherrschen danach Grundzüge des Lesens und Schreibens, 80 Prozent können einfache Texte mit vertrauten, alltäglichen Ausdrücken lesen und schreiben, 10 Prozent erreichen ein darüber hinausgehendes Niveau. – Soweit die Antwort des Senats!
Herzlichen Dank, Frau Senatorin, für die ausführliche Antwort, die mir zweierlei zeigt: einmal, es ist erschreckend, wie hoch die Zahl der Analphabeten ist! Ich hoffe, dass wir durch unsere Frage und unseren Austausch jetzt den betroffenen Menschen ein Stück Mut machen, sich zu outen und vor allen Dingen Fortbildungsmaßnahmen anzunehmen. Entschuldigen Sie die Einlassung! Jetzt meine zusätzliche Frage: Frau Senatorin, haben Sie Erkenntnisse darüber, welche Formen des Lesen lernens im Grundschulbereich, die Ganzwortmethode beziehungsweise die Buchstabenmethode, dem Analphabetismus eher entgegenwirken können?
Ich kann hier jetzt keine direkten Kenntnisse referieren. Wir haben ein Forschungsprojekt der Universität Bremen, welches, wie gesagt, mit Kooperationspartnern stattfindet, das sich mit Fragen der Literalität beschäftigt, das heißt, wie Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene möglichst gut und mit welchen Methoden das Lesen und Schreiben erlernen. Insofern gibt es sicherlich Gerüchte darüber, ob nun die Ganzwortmethode gut ist. Man ist ja davon wieder abgekommen, da man weiß, dass dafür ein bildhaftes Gedächtnis notwendig ist, Erwachsene haben dies aber wieder, wenn wir uns selbst vor Augen führen, dass wir Wörter direkt per Bild erkennen. Ein kompliziertes Forschungsfeld ist dort noch aufzuklären, und deshalb bin ich ganz froh, dass wir dieses Forschungsprojekt haben.
Frau Senatorin, kann der adäquate Umgang mit der diagnostizierten Leseund Rechtschreibschwäche bei Schülerinnen und Schülern – ich denke dort an unsere Richtlinie zum Umgang mit LRS – hilfreich sein, Misserfolge zu vermeiden, um damit die Neugier oder die Motivation auf das Erlernen des Lesens und Schreibens zu erhalten?
putation beraten haben und dass sie in Kraft ist. Ich glaube, wir unterfüttern das jetzt dadurch, dass wir die Zentren für unterstützende Pädagogik in den Schulen einrichten, die sich ja nicht ausschließlich mit behinderten Kindern befassen, sondern auch mit zeitweiligen Störungen – und dazu gehört LRS –, manchmal sogar auch eine langfristige Störung, die es dort besonders zu bearbeiten gilt. Wir wären gut beraten, dort auch Fachleute zu haben, die gerade dieses Thema mit Kindern besonders gut aufarbeiten können. Wir werden das, denke ich, auch dann an den regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren noch einmal konzentriert machen müssen, also dort, wo Schule nicht mehr helfen kann, Kindern auch Spezialangebote zu machen.
Frau Senatorin, sind Ihnen Selbsthilfegruppen bekannt, und wie erfahren Rat suchende Menschen von diesen Gruppen, beziehungsweise wie werben diese Initiativen, ich sage einmal, um „ihre Klientel“?
Ja, es gibt Selbsthilfegruppen, ich kann jetzt nicht benennen wie viele. Es ist nur schwierig, an die Menschen heranzukommen, die ja nicht lesen und schreiben können und sich daher auch die Informationen darüber nicht beschaffen können. Es geht also nur über Gespräche, ich habe einige genannt. Wenn solche Menschen kommen, sich bewerben, Arbeit suchen, dann kann man auf solche Angebote aufmerksam machen. Aber das Ganze ist vor allem ein Problem des Outings, des Sich-Bekennens dazu, um es bekämpfen zu können, und da können wir nur durch solche Veranstaltungen, wie wir sie heute haben, sagen: Traut euch! Wir haben Angebote, wir können euch helfen! Das sollte auch von dem heutigen Tage, von der Bürgerschaft, noch einmal ausgehen.
(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Nein, danke! Ich möchte Ihr Schlusswort jetzt wirklich als Schlusswort lassen und als Mut machen zum Outing und zum Ändern!)
Frau Senatorin, weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die elfte Anfrage trägt die Überschrift „Sanierung des Bundeshaushaltes zulasten Bremer Arbeitsmarktpolitik“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Ziegert, Tschöpe und Fraktion der SPD. Bitte, Frau Kollegin Ziegert!
Erstens: Hat der Senat Kenntnisse darüber, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang die Umsetzung des Sparpakets der Bundesregierung eine Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesagentur für Arbeit beinhaltet?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Der Senat hat durch die Beratung zum Bundeshaushalt 2011 Kenntnis über die Planungen der Bundesregierung zu Einnahmen und Ausgaben für das Politikfeld Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung plant, die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2011 um 1,5 Milliarden Euro, 2012 um 2,5 Milliarden Euro sowie 2013 und 2014 um jeweils drei Milliarden Euro zu reduzieren. In welcher Größenordnung diese Kürzungen auf die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik umgelegt werden, ist dem Senat im Detail nicht bekannt. Der Senat geht aber davon aus, dass es zu erheblichen Kürzungen kommen wird.
Genauere Erkenntnisse hat der Senat über die geplanten Kürzungen der Bundesregierung bei den Eingliederungsmitteln im Rechtskreis des Sozialgesetzbuchs II. Für das Jahr 2011 werden im Bundeshaushalt gegenüber 2010 knapp 20 Prozent weniger Mittel veranschlagt. Die Bundesagentur für Arbeit geht im Vergleich 2009 bis 2014 von einem um 40 Prozent reduzierten Mitteleinsatz für Eingliederungsleistungen des Bundes aus.
Mit ihrem sogenannten Zukunftspaket erklärt die Bundesregierung, dass sie durch eine neuerliche Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente – insbesondere bei den Eingliederungszuschüssen für Arbeitgeber – sowohl im SGB III als auch im SGB II Effektivitäts- und Effizienzgewinne erreichen will. Nach den bisher vorliegenden Informationen sollen allerdings weit mehr Mittel eingespart werden, als bei den Instrumenten überhaupt zur Verfügung stehen.