Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/1469 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, DIE LINKE, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])
Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 17/1433 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 17/1443, Kenntnis.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg sagen, der Senat hat gute Arbeit geleistet!
Das ist jetzt eine interessante Reaktion. Der Lebenslagenbericht ist uns eine große Hilfe und wird zukünftig jährlich fortgeschrieben. Er zeigt uns so eine solide Orientierung in unseren Handlungsfeldern und bei unseren Strategien auf.
Der jetzt vorliegende Bericht zu unserem Antrag im Herbst vergangenen Jahres zeigt dezidiert die Fachstrategien gegen Armut und für den sozialen Zusammenhalt im Land Bremen auf. Sie reichen von der Stärkung der Beiräte und Ortsämter über Arbeitsmarktmaßnahmen, über das kostenlose Mittagessen in Schule und Kindergarten für Familien mit geringem Einkommen, die Einführung eines Stadttickets, den Ausbau Kinderbetreuung, der Sprachförderung bis hin zum Kulturticket und das alles unter der Bedingung der Haushaltsnotlage. Hinzu kommt eine Vielzahl von Bundesinitiativen in Bereichen, für die Bremen nicht zuständig ist, etwa der Gestaltung eines fairen Regelsatzes für Transferleistungsempfänger. Wir haben nun gesehen, wie die Bundesregierung die Regelsätze kleingerechnet hat und den Anregungen Bremens nicht gefolgt ist.
Der Armuts- und Reichtumsbericht hat vier zentrale Handlungsfelder aufgezeigt, in denen sozialer Zusammenhalt lokal deutlich erkennbar beeinflusst werden kann: Arbeit und Ausbildung, Kinderbetreuung, Erziehung und Bildung, Wohnen und Stadtteilentwicklung sowie Bürgerbeteiligungen und Teilhabe. Dabei kommt, so haben wir das als Koalition auch gefordert, der ressortübergreifenden politischen Bearbeitung des Armutsproblems eine besondere Bedeutung zu. Wir können nur unter Bündelung unserer ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Der Senat hat das ressortübergreifende Modellvorhaben ZugABe, „Zusammen gegen Armut und Benachteiligung“, beschlossen. Ziel ist es dabei, ressortübergreifende Armutsstrategien mit Sozialraumbezug auf Stadtteilebene zu entwickeln und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Bezogen auf ein Stadtgebiet sollen die Auswirkungen der beschriebenen Armutslebenslagen auf spezifische Bevölkerungsgruppen exemplarisch festgestellt und mit gegensteuernden Maßnahmen beantwortet werden. Die Verknüpfung der Maßnahmen ist dabei von größter Bedeutung, da werden wir auf bestehende Strukturen der WiN-Netzwerke zurückgreifen können. Mit dem Modellvorhaben werden wir versuchen, unsere Anstrengung zur Förderung des sozialen Zusammenhalts auf Stadtteilebene zu bündeln. Wir werden unsere Aktivitäten stärker miteinander verknüpfen und damit deren Wirkung erheblich steigern. Das Modellvorhaben wird durch eine externe Begleitforschung unterstützt sowie extern strukturiert und moderiert. Es beginnt bereits im Jahr 2010 und ist auf zwei Jahre angelegt, also ähnlich wie das Projekt ESPQ, „Erziehungshilfen, Soziale Prävention und Quartiersentwicklung“, das jetzt im Oktober im Stadtteil Walle anfängt.
In dieser Legislaturperiode haben wir viele Grundsteine für die Förderung des sozialen Zusammenhalts gelegt, so zum Beispiel in der Kinderbetreuung durch die Einrichtung von Familien-, Bildungs- und Quartierzentren, um dort Angebote zu schaffen, wo sie gebraucht werden. Diesen Weg gilt es nun durch gezielte Projekte der Vernetzung, die evaluiert werden und damit auch überprüfbar sind, zu verfeinern.
Der Senat hat Wort gehalten, als er zu Beginn der Legislaturperiode gesagt hat, dass die Stärkung des sozialen Zusammenhalts ein Schwerpunkt seiner Regierung sein wird. Nun stehen wir vor guten Ergebnissen und das alles vor dem Hintergrund einer wirklich schwierigen Haushaltslage.
Meine Damen und Herren, klar ist aber, unser Problem ist die gegenwärtige Bundesregierung. Sie tut im Moment alles, was Menschen in schwierigen Lebenslagen weiter an den Rand der Gesellschaft drängt und isoliert. Der Schwerpunkt der Bundesregierung ist die Vertretung von Interessen befreundeter Lobbyistengruppen.
Das Ergebnis ist unsozial und politisch verheerend. Frau von der Leyen faltet die Hände und verspricht ein warmes Mittagessen für alle armen Kinder, wohl wissend, dass nur 20 Prozent aller Schulen überhaupt in der Lage sind, ein Mittagessen anbieten zu können. Sie finanziert die Mogelpackung der Teilhabe
von ALG-II-Bezieherinnen und -Beziehern zudem noch damit, dass sie den Bedürftigen zuvor das Elterngeld streicht. Das ist ein wirklich zynisches Verständnis von Sozialstaat. Letztlich verbleiben in ihrem Bildungsteilhabepaket nur zehn Euro pro Monat und Kind, mit denen sie Nachhilfe, Sport, Musikangebote und Kultur finanzieren will. Das ist in der Tat armselig und bringt uns keinen Schritt weiter in Richtung einer realen Bildungsteilhabe.
Bei genauem Hinsehen wird aber jetzt auch deutlich, dass die Berechnungsgrundlagen zum Regelsatz Fehler aufweisen und dass man da noch einmal genauer hinschauen muss. Die CDU-Abteilung in Bremen erweist sich ideologisch als der verlängerte Arm der Bundesregierung, indem sie sich gegen alle Programme wendet – wie zum Beispiel WiN und Impuls, wir haben gerade darüber gesprochen –, die zur Teilhabe und Integration ganz wichtige Beiträge in den Stadtteilen leisten.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. I m h o f f [CDU]: Das ist eine Missinterpretation!)
Falls Sie es vergessen haben, möchte ich Sie einfach noch einmal daran erinnern: Sie leben im Land Bremen, und in Bremen gibt es so etwas wie einen hanseatischen Geist, und dieser hanseatische Geist steht unter anderem dafür, dass man auf seine Nachbarn schaut, wir haben das hier gerade besprochen, er steht dafür, Verantwortung füreinander zu übernehmen, er steht für Mitmenschlichkeit, das ist übrigens auch eine tiefchristliche Überzeugung, daran möchte ich Sie auch einmal erinnern,
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Präsident W e b e r über- nimmt wieder den Vorsitz.)
und es hat auch etwas mit Solidarität und eben der Unterstützung von Benachteiligten zu tun. Wo Sie im Moment leben, weiß ich daher nicht! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Mitteilung, Lebenslagen im Land Bremen, der Armuts- und Reichtumsbericht, hört sich im ersten Moment gar nicht einmal so schlecht an. Wir haben uns schon unzählige Male mit dem sehr wichtigen Thema Armutsbekämpfung im Land Bremen beschäftigt und auseinandergesetzt. Nun frage ich mich aber ganz besorgt: Wann endlich wollen Sie denn wirklich ernst
haft damit anfangen, die extrem ansteigende Armut in Bremen und Bremerhaven – ganz besonders in Bremerhaven – zu bekämpfen, denn unsere Bürgerinnen und Bürger in Bremerhaven merken nämlich überhaupt nichts von Ihrer groß angekündigten Armutsbekämpfung, ganz im Gegenteil! Es wird immer dramatischer, und unsere Bürgerinnen und Bürger sind völlig zu Recht der Meinung, das, was uns die Politiker vor der Wahl versprechen, wird nach der Wahl genau gegensätzlich auf Kosten und zulasten des sogenannten kleinen Mannes umgesetzt. Genauer gesagt, vor der Wahl versprochen, nach der Wahl gebrochen!
Ich habe hier schon nachweislich des Öfteren deutlich ausgeführt, aber ich sage es Ihnen noch einmal, vielleicht begreifen Sie es ja auch einmal, bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt: Das ganze Desaster liegt einzig und allein in der von Ihnen betriebenen unsozialen Sozialpolitik nach dem politischen Motto „Wenn jeder an sich selbst denkt, dann ist ja auch an jeden gedacht“. Das aber ist keine sozial gerechte Politik zum Nutzen unserer Bevölkerung. Ich habe nicht nur nach der Rede von FDP-Chef Westerwelle den leisen Verdacht, dass einige politisch Verantwortliche der grausamen Meinung sind, wer in Not geraten ist, sei gewissermaßen selbst daran schuld.
Tatsache ist, das Bundesland Bremen hat seit Jahren schon ein konstant ansteigendes Armutsproblem, Bremerhaven ist sogar auch weiterhin mit einer vierzigprozentigen Kinderarmut das Armenhaus der Nation. Ein Ende dieser Negativauszeichnungen ist noch lange nicht in Sicht. Ich aber sage Ihnen, Armut und insbesondere Kinderarmut ist kein Naturgesetz, hierfür trägt die Politik die alleinige große Verantwortung.
Die Hauptursache für die ansteigende Verarmung unserer Bevölkerung ist die Massenarbeitslosigkeit, und wenn sie noch so beschönigt wird, sie liegt schätzungsweise bei weit über sechs Millionen, dafür tragen auch Sie die Mitverantwortung. Hinzu kommt noch, dass fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren, also circa 35 000 Kinder, von Sozialgeld auf Basis von Hartz IV abhängig sind. Das führt insgesamt natürlich unweigerlich zu Isolation und Ausgrenzung innerhalb unserer Gesellschaft, das ist eine weitere Schande unseres Bundeslandes, wofür auch Sie wiederum die Mitverantwortung tragen. Kurzum gesagt, dringend notwendig ist, endlich die politischen Maßnahmen gegen die ansteigende Armut in Bremen und Bremerhaven effektiv einzuleiten und auch umzusetzen.
Das große Problem liegt im großen Bereich des Arbeitsmarktes, dass die Löhne viel zu gering sind, um anständig und menschenwürdig überleben zu können. Weiterhin werden unsere Rentnerinnen und Rentner seit Jahren mit schäbigen Nullrunden unerträglich abgespeist. Reden Sie also nicht nur über Armutsbekämpfung, sondern tun Sie auch etwas! Fangen Sie endlich damit an, die ansteigende Armut
und auch besonders die ansteigende Altersarmut wirkungsvoll zu bekämpfen, sodass unsere ältere Generation, die dieses Land nach dem Krieg mit viel Mut, Entbehrung und Leid wieder aufgebaut hat, nicht weiterhin – man muss es so sagen – belogen und um einen gerechten, wohlverdienten Lebensabend betrogen wird! Für solche Maßnahmen haben Sie immer meine Zustimmung. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat hat auf unseren Koalitionsantrag vom 29. September 2009 im Juni dieses Jahres einen Bericht vorgelegt, in dem er über Strategien berichtet, wie die Probleme von Armut und Ausgrenzung ressortübergreifend angegangen werden sollen. Meine Kollegin Frau Garling hat aus unserer Koalitionssicht das Wesentliche schon vorgetragen, ich möchte noch ein paar Ergänzungen machen.
Wir hatten zunächst den Senat aufgefordert, bei der Bundesregierung darauf zu drängen, dass sich die Regelleistungen stärker am Bedarf orientieren, flexibler angepasst und genauer berechnet werden. Außerdem sollte er sich dafür einsetzen, dass das System der einmaligen Leistungen überprüft wird und zum Beispiel bei langfristigen Konsumgütern wie Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher und so weiter statt Pauschalen im Regelsatz direkte Kostenübernahmen bei Bedarf erfolgen sollen. Nach dem Antrag erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, das eine völlige Neuberechnung der Regelsätze forderte, und am letzten Sonntag hat uns nun die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf beglückt. In diesem gibt es nicht nur einen peinlichen Zahlenfehler auf Seite 31 – ich gehöre nämlich, glaube ich, zu den Wenigen, die das gelesen haben – mit der Angabe der anzuerkennenden Ausgaben für Freizeit und Kultur von 39,96 Euro und auf der Folgeseite von 31,96 Euro, sondern auf Seite 59 – und das fand ich besonders lustig – werden auch die Verbrauchsangaben für Jugendliche im Alter von 14 bis unter 184 Jahren definiert.