Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

tieren können und die berechtigten Interessen von Behinderten wirklich ernst genommen werden, dann ist das wirklich Integration. Sehen sie zu, dass Sie dieses Gesetz jetzt auf einen richtigen Weg bringen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Abgeordneter Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bensch, ich finde das ja spannend, dass Sie, indem Sie mich der Lüge bezichtigen, auch Ihre eigene Ministerin der Lüge bezichtigen. Das, was ich vorgetragen habe, steht auf der Internetseite des Bundesarbeitsministeriums, dass die Kinderregelsätze vorläufig nicht abgesenkt werden. Sie können es nachlesen, wenn Sie ein bisschen googlen. Ich finde das ganz spannend, dass Sie dann sagen, Frau von der Leyen lügt auch, oder ich lüge, weil ich das wiederhole, was Frau von der Leyen sagt. Das finde ich beachtlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das Zweite, was ich von Ihnen gelernt habe, ist, dass es nicht darauf ankommt, eine Mindestsicherung zu schaffen, das heißt also, die Menschrechte zu wahren und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, sondern Sie richten sich nach irgendwelchen dubiosen Umfragen. Sie meinen also, wenn 75 Prozent der Bevölkerung sich gegen eine solche Reform aussprechen, dann müssten Sie das auch machen, und das Bundesverfassungsgericht, das einen Mindeststandard setzt, hat überhaupt keine Bedeutung! Ich kann Ihnen nur sagen, wir sind dafür, dass anständig mit den Leuten umgegangen wird, und das machen Sie gerade nicht. Sie machen es nicht, Sie verletzen die Verfassung.

(Abg. B e n s c h [CDU]: Klagen Sie doch!)

Sie ignorieren das Bundesverfassungsgerichtsurteil. (Abg. B e n s c h [CDU]: Dann klagen Sie doch!)

Dann mit Schonvermögen zu kommen! Die meisten Hartz-IV-Empfänger haben überhaupt kein Vermögen, das sie dann als Schonvermögen einsetzen könnten. Das ist doch absurd, was Sie da erzählen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie haben sich ferner darauf bezogen, dass Men

schen in der zweiten und dritten Generation von Sozialhilfeleistungen abhängig sind.

(Abg. B e n s c h [CDU]: Dritte und vierte sogar!)

Ja, das ist schwierig! Aber wie kann man das aufbrechen? Das kann man doch nur dadurch aufbrechen, dass man eine Infrastruktur schafft, die gleiche Chancen eröffnet, Bildungsmöglichkeiten schafft und den Leuten auch Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Nur so kann man das durchbrechen. Genau das tun wir hier in Bremen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Zu Ihnen, Herr Dr. Buhlert! Sie haben gesagt, es gibt eine Gerechtigkeitsdebatte, und was gerecht ist, das ist so ein bisschen beliebig. Ich weiß nicht, ob sie John Rawls kennen, der sich sehr intensiv als Philosoph mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit auseinandergesetzt hat. Es gibt aber auch noch einen anderen Philosophen, nämlich den Avishai Margalit, ein israelischer Philosoph, und der hat gesagt: Unterhalb der Gerechtigkeit muss es noch eine Grenze geben, wo man jemanden nicht demütigt. Das ist das Minimum, was man von einer Gesellschaft verlangen kann.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist kor- rekt, ja!)

Das ist das, was er als Anständigkeit bezeichnet. In diesem Sinne ist dieser Gesetzentwurf unanständig!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Ein Letztes noch zu der Frage, wie sich Rot-Grün im Bundesrat verhält! Es ist nicht wahr, Herr Erlanson, dass die saarländischen Grünen, die dort an der Regierung beteiligt sind, bereit wären, irgendwelche Kompromisse einzugehen und das Gesetzespaket so passieren zu lassen. Die saarländischen Grünen werden, wie überall da, wo Grüne sich an der Regierung beteiligen, dieses Gesetzespaket im Bundesrat ablehnen. Das wissen wir definitiv, und alles andere ist unwahr.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Außerdem haben Sie noch gesagt – das betrifft Herrn Dr. Buhlert –, dass wir mit diesem Antrag von den Bremer Problemen ablenken. Das habe ich mir aufgeschrieben. Das finde ich spannend. Die Tatsache, dass der Regelsatz so niedrig festgesetzt wird,

hat unmittelbare Auswirkungen auf Bremer Probleme. Wir bezahlen für einen großen Teil von Leuten, die mit ihrem Geld, das sie verdienen, aber nicht leben können, die Aufstockung, weil die Regelsätze zu niedrig sind. Wenn die Regelsätze wesentlich höher wären, bräuchten wir für einen erheblichen Teil nicht zusätzliche Leistungen aus dem Bremer Haushalt zu erbringen. Deswegen sind wir massiv von dieser Regelsatzerhöhung betroffen.

Zu guter Letzt: Ich denke, wer dieses Gesetzespaket durchsetzen will und so im Bundesrat durchzieht, der erfüllt im Grunde genommen nicht mehr den Anspruch, eine anständige Politik zu machen! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße sehr, dass hier heute dieser Antrag eingebracht worden ist und dass wir die Gelegenheit haben, im Landesparlament darüber zu debattieren, wie Regelsätze fair berechnet werden müssen – indem ich dieses Wort „müssen“ dahintersetze, mache ich natürlich auch eine Wertung – und wie Teilhabe von Kindern gesichert werden kann. Dieser Antrag und das dahinterliegende Problem betreffen in Bremen, wir haben es von Herrn Frehe gehört, annähernd 100 000 Menschen, die hier bei uns in Bremen und Bremerhaven in einem Bezug von Sozialleistungen in diesem Bereich leben. Deswegen ist es richtig, dass wir hier auch sehr ernsthaft darüber debattieren, wie zukünftig das Gesetz aufgestellt sein muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns am 9. Februar sehr deutlich gesagt, wie die Regelsätze bisher berechnet worden sind, ist es nicht in Ordnung. Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, Herr Dr. Buhlert, das Bundesverfassungsgericht hat mitnichten über die Höhe gesprochen. Sie haben dazu auch keine Aussage gemacht, sondern sie haben explizit und sehr deutlich darüber gesprochen, dass diese Regelsätze transparent abgeleitet werden müssen und eine nachvollziehbare Grundlage vorhanden sein muss.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP) : Hat Ihr Koalitionspartner doch gerade gemacht! – Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Sie haben aber gleich eine Summe daraus gemacht und den Leuten suggeriert, es würde mehr Geld geben!)

Sie haben darüber gesprochen, dass das Bundesverfassungsgericht über die Höhe etwas gesagt hat, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

und das hat es ausdrücklich nicht gesagt, das wollen wir noch einmal festhalten!

Gehen wir auf das Thema Transparenz ein! Hier wird deutlich, dass in der Tat nicht nachvollziehbar ist, wie die derzeitigen Regelsätze, die in dem Gesetz festgeschrieben werden sollen, abgeleitet worden sind. Es lässt sich an ganz wenigen Beispielen deutlich machen. Die Referenzgruppe ist nicht die bisherige Referenzgruppe. Sie ist auch vom Prozentsatz von 20 Prozent auf 15 Prozent heruntergesetzt worden, und die Kleinheit dieser Referenzgruppe, die teilweise weit unter 50 liegt, lässt zumindest Zweifel offen, ob man dort wirklich von einer regulär und grundsätzlich abgeleiteten Regel in diesen Fällen sprechen kann. Insofern muss man wirklich sagen, dass wir alle hier Gefahr laufen, falls dieses Gesetz so verabschiedet wird, dass unmittelbar wieder Klagen anhängig sind.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Man darf doch gegen alles klagen!)

Ich glaube, wir sollten und dürfen einfach nicht zulassen, dass dies passiert. Insofern braucht es hier auch in der Ableitung der Regelsätze Klarheit, das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist die Teilhabe und das Bildungspaket, was hiermit verknüpft ist. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir uns gerade hier von Bremen aus und Dank der Initiative der Regierungskoalition sehr dafür eingesetzt haben, auch in der Zwischenzeit hier insbesondere für Kinder, nicht nur in Bremen und Bremerhaven etwas hinzubekommen, sondern darüber hinaus. Das Schulstartpaket ist ein Erfolg, der hier für Bremen steht, und ich will Ihnen das noch einmal hier ganz deutlich in Erinnerung rufen!

Wir haben es jetzt mit der Situation zu tun, dass sich in der Tat hier durch das Teilhabe- und Bildungspaket für Kinder etwas verbessern wird, aber – und das will ich gleich hinzufügen – so wie es im Moment angelegt ist, kann es nicht funktionieren, und es wird nicht bei den Kindern ankommen.

Frau Garling hat sehr deutlich gesagt, wenn die Ministerin darüber spricht und sagt, dass wir für alle Kinder aus diesen Familien ein Mittagessen zur Verfügung stellen wollen, und wir wissen, dass bundesdurchschnittlich gerade einmal 20 Prozent der Einrichtungen in der Lage sind, das zu gestalten, sage ich, das ist eine Mogelpackung, das so zu verkaufen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir brauchen – wir werden in einer weiteren Debatte dazu kommen – kein Betreuungsgeld, wir brauchen Geld für die Infrastruktur, wir brauchen Mittel, die hier zur Verfügung stehen, um genau das zu ver

bessern, was wir derzeit eben nicht mit dieser Maßnahme können. Wir tun es übrigens in Bremen, und auch da haben wir Leistung erbracht, ich will gar nicht von Vorleistung sprechen. Ich will sagen, da haben wir etwas erbracht, was richtig wichtig ist und was für die Kinder vor Ort ankommt. So aber, wie es jetzt angelegt ist, werden wir damit das Ziel nicht erreichen. Liebe Kollegen von der FDP, hier wird mit dieser Verwaltung ein bürokratisches Monster aufgebaut. Ich stelle mir gerade vor, dass die Arbeitsagenturen zukünftig darüber entscheiden sollen, welches Kind Nachhilfeunterricht bekommen kann und welches Kind in welchen Sportverein oder in welche Musikschule gehen kann. Das kann so nicht funktionieren. Lassen Sie davon ab, und setzen Sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass wir hier eine vernünftige Infrastruktur mit dem Geld aufbauen und nicht 135 Millionen Euro für Verwaltung in die Bundesagentur geben, so wie es die Ministerin vorgesehen hat, sondern dass wir hier die vorhandenen Ressourcen, die auch in Bremen und Bremerhaven da sind, für die Kinder vor Ort einsetzen können! Das ist das richtige Signal. Darum bitte ich Sie, hier auch diesen Antrag mitzumachen und auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass am 17. Dezember im Bundesrat dieses Gesetz so nicht passieren kann, was keine Verweigerungshaltung der SPD ist. Wir haben immer wieder anboten, hier auch Gespräche zu führen, auch Gespräche mit der Kanzlerin zu führen. Es werden für alle möglichen Dinge Gipfel vereinbart. Hier ist es wirklich eine substanzielle und wichtige Angelegenheit. Die SPD und die Grünen sind bereit, hier auf der Bundsebene Gespräche zu führen. Sorgen Sie dafür, dass dieses Gesetz in dieser Form nicht passiert, sondern mit den notwendigen Nachbesserungen so schnell passieren kann, dass wir den Menschen vor Ort helfen können, und das sehr schnell! – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 17/1559 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses

Mitteilung des Senats vom 2. November 2010 (Drucksache 17/1504) 1. Lesung 2. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Wir kommen zur ersten Lesung.