Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

(Beifall bei der FDP)

Verwundert hat uns ein bisschen in dem Bericht der Verwaltung vom 1. August zum Lärmkataster, dass dort geschrieben wurde, vielleicht auch, weil nur die Kartierung des Straßenlärms und der Straßenbahnen erfolgt ist, die Lärmbelästigung der Bewohner in Bremen ist fast ausschließlich auf Straßenlärm zurückzuführen. Aber ich denke, wenn wir uns jetzt das Thema Bahnlärm anschauen, dann werden wir feststellen, auch Bahnlärm ist eine ganz wesentliche Lärmquelle.

Leider ist das Lärmschutzprogramm des Bundes nur eine freiwillige Leistung. Rechtsansprüche können daraus für bestehende Bahnstrecken nicht abgeleitet werden. Seit 1999 wurden bisher rund 3500 Kilometer Streckennetz der Deutschen Bahn mit aktiven Lärmschutzwänden ausgestattet, diese haben rund 2 Milliarden Euro gekostet. Momentan ist das Programm für Deutschland bei 77 Millionen Euro im Jahr, davon entfallen auf Bremen 2 Millionen Euro. Das ist eigentlich schon ganz gut für Bremen, denn wenn man es umrechnet, würde es aktiven Lärmschutz an allen Strecken bedeuten, und das ist das Zehnfache von dem, was man bisher geschafft hat. Es würde noch ungefähr einen Faktor von 30 Jahren bedeuten, bis man damit fertig ist, und ich denke, 30 Jahre, das kann man der Bevölkerung nicht weiter zumuten, derart mit den Lärmbelästigungen zu leben.

(Beifall bei der FDP)

Man hört auch immer wieder, passiver Lärmschutz wäre eine Alternative, man könnte entsprechende Schallschutzfenster einbauen, aber ob es wirklich eine Alternative ist, bezweifeln wir, denn wer lebt schon in seinen eigenen vier Wänden wie in einem Käfig und kann seinen Garten nicht nutzen oder nachts einmal das Fenster öffnen!

Fakt ist, Lärm macht krank, Lärm mindert die Vermögenswerte, Lärm führt zur Abwanderung und kann

auch zur Verslumung führen, und dagegen muss etwas unternommen werden. Wir sind für mehr Personen- und Güterverkehr auf der Schiene, aber für eine noch stärkere Frequentierung bestehender Strecken nur dann, wenn Lärmschutz im erheblichen Maße nachgebessert wird.

(Beifall bei der FDP)

Das Argument, Züge rollen auf den vorhandenen Strecken nun schon seit 150 Jahren, hört sich gut an, trifft aber nicht den Kern, weil sich letztendlich in den 150 Jahren nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der Zugverkehr erheblich erhöht hat, und deswegen können solche Argumente eigentlich nicht dazu dienen, das Problem zu lösen.

Optimierung durch aktive Lärmschutzmaßnahmen ist ein Punkt, aber es gibt auch noch die Möglichkeit der Optimierung der vorhandenen Strecken durch technische Maßnahmen. Zum Beispiel kann eine Lärmreduzierung im Güterverkehr durch Kunststoffbremssohlen um ungefähr 10 Dezibel erreicht werden, das ist sogar noch günstiger vom Kostenfaktor her gesehen als aktive Lärmschutzwände, obwohl sie auch vorhanden sein müssen.

Es gibt noch rund 130 000 ältere Güterwagen in Deutschland, die neuen müssen schon seit 2001 entsprechend ausgestattet werden. Dazu gibt es natürlich Zahlen, diese nachzurüsten, würde relativ schnell gehen und würde nur einen Kostenfaktor von etwa 600 Millionen Euro erfordern. Hier muss man die Bahn auch entsprechend anpacken und sagen, Frequenzerhöhungen zumindest nur mit gutem technischen Material, sodass auch dadurch der Lärm reduziert wird.

(Beifall bei der FDP)

Es reicht nicht aus, den Menschen zu sagen, dass Schienenverkehr umwelt- und klimafreundlicher ist als Lkw- und Flugverkehr.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das ist ja um- stritten!)

Es liegt im ureigensten Interesse Bremens und Bremerhavens, dass die Menschen nachts ruhig schlafen können, sonst würde sich in einigen Jahren möglicherweise die Forderung von einigen Betroffenen ergeben, weg mit dem Schienenverkehr, und das ist sicherlich nicht in unserem Interesse.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb die Bitte an Sie alle, stimmen Sie unserem Antrag zu, das ist im Interesse der Bürger in Bremen und Bremerhaven. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dennhardt.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Am vergangenen Wochenende habe ich in Wiesbaden ein Schild bei einem Einzelhändler gesehen, es gab dort Lärmrabatt aufgrund von Lärm einer benachbarten Baustelle. Lärm macht sich also auch geschäftlich bemerkbar. Wie der Kollege Richter schon sagte, Lärm stört, Lärm nervt, Lärm raubt nachts den Schlaf, zuviel Lärm macht krank.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Deshalb fordern viele Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bremerhaven in den verschiedensten Stadtteilen zu Recht Schutz vor Lärm. Die Eisenbahn ist ein bedeutender Verursacher von Lärm, das wissen viele Bürgerinnen und Bürger in unseren beiden Städten aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Wer jetzt das Quietschen oder Rattern eines Zuges im Ohr hat, weiß, was ich meine. Die europäische Umgebungslärmrichtlinie ist der Grund, dass wir uns hier heute über Eisenbahnlärm unterhalten. In den städtischen Deputationen für Umwelt und Energie und für Bau und Verkehr hat der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa am 30. August und am 6. September die Ergebnisse zur Lärmkartierung für die Stadtgemeinde Bremen vorgelegt.

Die FDP hat mit ihrem Antrag versucht, sich an die Spitze eines Zuges zu setzen, der längst in Brüssel losgefahren ist.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem ist der Antrag wichtig! Auch der Hinweis der FDP ist wichtig, dass wir in unsere Überlegungen zur Lärmminderung bereits die weiteren Entwicklungen im Güterverkehr und beim regionalen Bahnverkehr einbeziehen müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die EU-Richtlinie verlangt nun bis zum 18. Juli 2008 die Aufstellung entsprechender Aktionspläne zur Lärmminderung. Hier gilt es für uns gemeinsam Dampf zu machen, damit zuerst die Spitzenbelastungen durch Lärm wirksam reduziert werden können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dabei reicht es nicht, den Eisenbahnlärm isoliert zu sehen, aber wir wollen den Eisenbahnlärm überhaupt betrachten können. Es ist ein Skandal, dass das

Eisenbahnbundesamt mit der Lieferung seiner Daten zur Eisenbahnlärmkartierung überfällig ist.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Ich bitte um Erlaubnis, kurz aus der Antwort des Eisenbahnbundesamtes an mich, vom 25. September 2007, zitieren zu dürfen. „Die Kartierung der bundesweiten Haupteisenbahnstrecken wird vermutlich im Frühjahr nächsten Jahres abgeschlossen sein“, heißt es in der Antwort. Damit wird das Bremer Ressort vom Eisenbahnbundesamt immer noch nicht in die Lage versetzt, in seinem für Anfang 2008 vorgesehenen Zwischenbericht an die Deputationen zur Erstellung der Aktionspläne auf einer umfassenden Grundlage zu arbeiten. Wir gehen deshalb davon aus, dass der Senat auf Bundesebene einfordert, dass diese deutliche Zugverspätung aufgeholt wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommunen brauchen die Daten des Eisenbahnbundesamtes, um sich einen Überblick über die gesamte Lärmbelastung verschaffen zu können. Erst auf dieser Basis können Mehrfachbelastungen aus verschiedenen Lärmquellen vollständig einbezogen werden. Nur so ist es möglich, die Maßnahmen derart zu priorisieren, dass die Menschen in unseren beiden Städten trotz knapper Mittel zuerst vor den größten Lärmbelastungen geschützt werden. Damit die Maßnahmen zur Reduzierung des Eisenbahnlärms im gesamten Lärmzusammenhang behandelt werden können, beantragt die SPD die Überweisung des Antrags an die Deputationen für Umwelt und Energie sowie für Bau und Verkehr. Das Gleiche gilt für den Änderungsantrag der Linken. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Durch die steigende Lärmbelästigung, die wir hier in unserem Lande immer wieder feststellen können – sei es über die Flugverkehre durch Ryanair, es ist positiv, dass wir große Umsätze mit dieser Fluggesellschaft machen, aber es ist negativ, dass wir höhere Lande- und Startfrequenzen verzeichnen müssen, oder ob wir die Straßen oder Schienen ansehen, die eben über die hafenseitigen Verkehre sehr stark frequentiert sind –, müssen wir feststellen, dass die Lebensqualität der Bevölkerung immer weiter über die Belastung eingeschränkt wird, das heißt, die Menschen kommen nicht mehr richtig zur Ruhe. Es ist auch schon herausgestellt worden, dass über diese Lärmimmissio

nen hochgradig Herzkrankheiten hervorgerufen werden, die laut Statistiken steigende Tendenzen aufzeigen, auch für unser Land. Nun liegt zum Glück endlich ein Lärmkataster vor, das Bündnis 90/Die Grünen schon seit Jahren forderte. Das hat aber den Mangel, dass die Bahn sich bis zum heutigen Tag nicht mit ihren Berechnungen beteiligt hat. Die Bahn verheimlicht immer noch die Immissionswerte, weil sie befürchtet, dass wir aufgrund dieser hohen Immissionen Lärmschutzmaßnahmen fordern werden. Ich denke, dieser Antrag, der hier vorliegt, ist in Punkt eins, zwei und drei zu unterstützen. Der Punkt vier geht uns – wie Sie gesehen haben, haben wir einen Änderungsantrag eingebracht – nicht weit genug. Wir haben uns abgestimmt und sind eigentlich, so denke ich, konform, dass wir das unter Punkt 4 aufnehmen werden, was die Mindestforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind. Mit der Prämisse, dass wir Punkt 4 in diesem Sinne abändern, werden wir diesen Antrag unterstützen. – Danke!

(Beifall bei der Linken)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lärm nervt, Lärm beeinträchtigt die Lebens- und Wohnqualität, und Lärm ist auf Dauer gesundheitsschädigend. Der bessere Schutz der Bevölkerung vor Lärm gehört daher zu den drängendsten Umweltproblemen. Wer öfter, so wie ich, am Bremer Bahnhof steht und auf seinen Zug wartet, der stellt fest, wie viele Güterzüge durch den Bahnhof innerhalb weniger Minuten fahren. Das ist auf der einen Seite positiv, denn wir wollen ja gerade aus Klimaschutzgründen mehr Güter weg von der Straße auf die umweltfreundlichere Schiene bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der Linken)

Wir können stolz darauf sein, dass Bremerhaven der größte Eisenbahnhafen Europas ist. Mit der Inbetriebnahme des JadeWeserPorts wird sich der Schienengüterverkehr noch weiter steigern. Natürlich wollen wir den Ausbau der Angebote im öffentlichen Nahverkehr, aber auf der anderen Seite ist kaum zu überhören, wie laut es ist, wenn die Züge durch den Bahnhof rattern. Wer dann nämlich versucht, mit dem Handy zu telefonieren, hat kaum eine Chance. Das heißt, der Bahnverkehr verursacht Lärmprobleme. Wir sind täglich verschiedenen Lärmquellen ausgesetzt. Besonders oft ist Verkehrslärm oder Bahnlärm die Ursache für die Lärmbelästigung der Bevölkerung, und wer an Bahnstrecken lebt, der lebt laut. Anwohner vieler befahrener Schienentrassen sind oft massivem Lärm und Erschütterungen ausgesetzt, und das besonders auch nachts.

Eine langjährige, 2004 vorgestellte Messkampagne des Umweltbundesamtes, bei der etwa 13 000 Zugvorbeifahrten gemessen wurden, belegt: Häufig ist die Bahn lauter als berechnet. Die Differenzen zwischen Theorie und Wirklichkeit der Geräuschentwicklung von Zügen können bis zu 3 Dezibel betragen. Das kommt ungefähr der Lärmwirkung einer Verdopplung der Zahl der vorbeifahrenden Züge gleich. Gründe dafür – und das haben meine Vorredner zum Teil auch schon gesagt – liegen vor allem in den Gleisarten sowie bei den Bremssystemen der Züge.

Leidtragende sind die Anwohnerinnen und Anwohner an den Bahnstrecken. Sie sind höheren Lärmbelästigungen ausgesetzt, weil die Lärmschutzeinrichtungen – wenn sie denn vorhanden sind –, zum Beispiel Wälle oder Wände, nur auf die errechneten Lärmentwicklungen ausgelegt sind. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher zum einen einen zügigen europaweiten Ersatz der Graugussklotzbremsen durch geräuschärmere Kunststoffklotz- oder Scheibenbremsen, aber genauso wichtig, denke ich, ist die Sanierung alter Eisenbahnbrücken. Es setzt sich weiterhin dafür ein, die Lärmbelästigungen der Anlieger von Eisenbahnstrecken durch regelmäßiges Schleifen der Gleise zu reduzieren. Was wir aber vor allem brauchen, sind optimale Lärmschutzvorrichtungen, die Anwohner an Bahnstrecken vor Lärm ausreichend schützen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Hier ist die Bahn in einer Verantwortung. Das Lärmsanierungsprogramm der Bahn war hier ein erster guter Einstieg, aber die Erfolge dieses Programms sind eher bescheiden. So wurden seit dem Bestehen des Programms im Jahr 2004 innerhalb der ersten Jahre noch nicht einmal 100 Kilometer wirklich saniert, und Schätzungen des Deutschen Naturschutzringes würden die Sanierung bei gleichbleibendem Tempo fast auf 100 Jahre schätzen und nicht, wie von der Bahn angegeben, auf 40 Jahre. Insofern, Herr Richter, waren Ihre Werte sehr optimistisch, und das ist angesichts der Verkehrszunahme und des zentralen umwelt- und verkehrspolitischen Ziels einer deutlichen Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene nicht akzeptabel.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich begrüße es außerordentlich, dass uns seit einigen Wochen das neue Bremer Lärmkataster vorliegt. Was dort fehlt – und das wurde vorhin auch schon erwähnt –, sind jedoch die Daten der Bahn, die noch nicht vorliegen. Auf Anfrage in einem Treffen der Parlamentariergruppe Bahn der Bremischen Bürgerschaft, wann die Daten nachgeliefert werden und warum dies noch nicht geschehen ist, wurde vonseiten der Bahn mitgeteilt, dass hiermit erst im Jahr 2008 zu rechnen ist, und das, obwohl die Frist für die Da

tenabgabe schon Ende Juni dieses Jahres abgelaufen ist! Hier war der Zug quasi schon längst abgefahren. Liebe Bahn, ich dachte, Sie werben mit Ihrem Service und Ihrer Pünktlichkeit! Da kann ich jetzt nur sagen: Ja, dann mal hopp, hopp! Das sind Sie den Anwohnern nämlich schuldig!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)