Protokoll der Sitzung vom 23.02.2011

Wir können den Kindern, den Jugendlichen nicht sagen: Achtet darauf, wenn ihr im Internet unterwegs seid, achtet dort auf eure Privatsphäre, benutzt nicht eure Klarnamen. Achtet darauf, wem ihr etwas sagt, und dann kommen solche Vorschläge. Das geht nicht!

Ein weiterer Vorschlag, der auf der Bundesebene diskutiert worden ist: das sogenannte digitale Radiergummi! Ich will jetzt nicht in die technischen Einzelheiten gehen, aber jeder, der sich nur annähernd mit der Thematik beschäftigt hat, weiß, dass solche Vorschläge dummes Zeug sind. Es wäre sinnvoller, die vernünftigen Vorschläge, zum Beispiel aus dem Bundesrat, umzusetzen und nicht mit solchen Debatten eine Ablenkung zu betreiben. Ansonsten bleibt eines noch, und das hatten Sie auch noch formuliert, Frau Dr. Sommer, Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Wir sind in Bremen – ich wiederhole mich an der Stelle aus der letzten Debatte mit dem BreMeKo – mit dem Bremer runden Tisch zur Medienkompetenz, recht gut aufgestellt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Auch von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen einen Dank an die Landesdatenschutzbeauftragte Frau Dr. Sommer sowie auch an die Ausschussvorsitzende für ihren Bericht. Was uns aus Sicht der grünen Fraktion erfreut hat, war der Umstand, dass in den vergangenen Jahren erneut hohe Datenschutzstandards im Land Bremen mehr oder weniger eingehalten werden konnten. Ich sage bewusst „konnten“, weil immer wieder Verstöße festzustellen waren, diese Verstöße entsprechend als Eingabe durch die Behörde der Datenschutzbeauftragten bearbeitet wurden und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen worden sind.

In der Vergangenheit ist es hier natürlich nicht immer reibungslos abgelaufen, auch zwischen bremischen senatorischen Dienststellen, weil man durchaus fachlich andere Einschätzungen hatte oder andere Ansichten vertreten hat. Aber im Grunde genommen ist es im Bericht noch einmal klar geworden, dass dort die größten Probleme mit den Einrichtungen, was die

bremischen Dienststellen angeht, beseitigt wurden. Das freut uns auf der einen Seite. Was mich auf der anderen Seite überhaupt nicht freut, ist der gesamte Bereich der Privatwirtschaft. Mein Vorredner, Herr Hamann, ist soeben kurz darauf eingegangen. Da würde ich mir zumindest wünschen, dass sich die Wirtschaft dort auch verpflichtet, Angebote annimmt, sich von der Datenschutzbeauftragten beraten zu lassen. Ich finde, das wäre ein Auftrag, um dieses Ressort auch dahingehend aufzuwerten, denn die Wirtschaft kann hier nicht mit freier Hand darüber verfügen und selbst entscheiden, ob sie Überwachungskameras in Sozialräumen installiert – in Verkaufsräumen wäre das wieder etwas anderes –, oder aber dass gewisse Daten ständig an Dritte weitergegeben werden. Das ist nach wie vor ein riesengroßes Problem.

Über Google Street View hatten wir auch gesprochen, dabei hatte mich erfreut, dass sich doch viele Menschen auch in der Öffentlichkeit an dieser Debatte beteiligt hatten und selbst darüber bestimmen wollten, ob sie nun gefilmt werden oder nicht, und dass es nicht einem Unternehmen überlassen wird, welches sich auf andere Gesetze beruft als die hier in Deutschland gültigen.

Als Grüne vertreten wir nach wie vor die Auffassung, dass Datenschutz ins Grundgesetz gehört. Dort fehlt nach wie vor in der Bundesregierung, in der Koalition, das Verständnis dafür. Ich bedauere es sehr an dieser Stelle, dass unsere Bundesratsinitiative dort, obwohl sie so breit getragen wurde, nicht angenommen wurde und keinerlei Unterstützung erfährt.

An der Stelle möchte ich immer vor einer Debatte warnen, vor dem Missbrauch des Datenschutzes. Es wird viel Missbrauch damit getrieben, je nachdem, wenn es einem passt, fordert man datenschutzrechtliche Konsequenzen, und dort, wo es unangenehm ist, zum Beispiel in Ermittlungstätigkeiten einzelner Behörden, kommen dann ganz schnell Forderungen seitens einiger Politiker, dass man doch dort absolute freie Hand geben muss, um den Datenschutz aufzuweichen. Das führt immer zu einem Missbrauch und zu einem tiefen Unverständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern, mit denen wir uns ja in erster Linie immer wieder auseinandersetzen. Rechtswidrige Praktiken dürfen wir nicht zulassen, schon gar nicht als Landesparlament in Bremen. Grundsätzlich sind wir als Politik verpflichtet, wenn wir sagen, wir haben Recht und Ordnung und Gesetze, dann muss man sich daran halten. Die Beweisschuld, dort die Forderung zu erbringen, warum man jetzt vielleicht an der einen oder anderen Stelle den Datenschutz, um es einmal vorsichtig zu formulieren, aufweichen muss, diese Beweisschuld muss diejenige Stelle erbringen, die das an der Stelle fordert. Plakative, provokante Äußerungen, die genau in die Richtung des Populistischen gehen, sind dort nicht angebracht und dienen der Sache des Datenschutzes in der Regel nicht.

An der Stelle möchte ich noch einmal die Datenschutzbeauftragte kurz zitieren. Sie haben eben gesagt: „Datenschutzbewusstsein der Menschen stärken“. Ich denke, das ist ein Anliegen, welches gerade in den Parlamenten ausdrücklich gelebt werden muss, das wir als Botschaft hinaustragen müssen, gerade an die jungen Leute! Sie nicken, Herr Hinners, ich nehme an, dass Sie mir in dem Punkt zustimmen. Junge Menschen, die sich im Internet bewegen, müssen wir auf der einen Seite ständig vor Gefahren im Internet warnen, aber auf der anderen Seite müssen wir auch das Bewusstsein dafür schärfen, wie sie mit ihren Daten umzugehen haben. Dazu gehört auch, dass wir als Politik verpflichtet sind, Datenschutz auch hier im Landesparlament zu stärken.

An dieser Stelle kann ich mich noch einmal für den Bericht bedanken, mein Vorredner hatte ja auch einiges dazu gesagt, noch einmal ein Dankeschön für den Bericht! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Motschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion, Frau Dr. Sommer, bedankt sich für Ihren Bericht! Sie sind eine engagierte Datenschützerin, und das begrüßen wir. Aber Sie müssen auch begrüßen, dass wir Sie kritisch begleiten, und deshalb sage ich zunächst einmal: Ihre Kritik an der Bundesregierung weise ich erst einmal zurück.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hamann, wir befinden uns hier nicht im Deutschen Bundestag, dort sollten wir die Themen behandelt wissen, die Sie angesprochen haben. Wir sind in Bremen in der Bremischen Bürgerschaft und wollen uns mit dem Bericht von Frau Dr. Sommer beschäftigen.

Datenschutz wird öffentlich zunehmend ein Thema in den Medien, wir können es jeden Tag lesen, wir erleben es. Es gibt unglaublichen Missbrauch, ganz klar, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir das Bewusstsein dafür schärfen. Soweit sind wir uns völlig einig. Wir müssen die aktuellen Entwicklungen beobachten, immer auch reagieren und dann entsprechend das Gesetz anpassen. Da würde ich Ihnen auch recht geben, dass man an der Stelle schon schauen muss, wie die aktuelle Lage ist.

Ich will mich auf zwei Punkte dieses Berichts beschränken. Das ist einmal die künstliche DNA. Es wird Sie nicht erstaunen, Frau Dr. Sommer, dass die CDU-Fraktion Ihre Bedenken nicht teilt. Datenschutz

kann – und ich werde nicht müde, das zu sagen – kein Täterschutz sein.

(Beifall bei der CDU)

Diese DNA-Sprühanlagen sind ja dazu da, Täter zu finden oder zu überführen. Wenn wir den Datenschutz überdrehen – das will ich hier ganz klar sagen –, dann kann man dadurch auch das Datenschutzbewusstsein der Menschen schwächen, weil sie dann des Guten zuviel tun.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Was heißt denn überdrehen?)

Ja, in dem Augenblick, wo Sie Täterschutz mit Datenschutz betreiben, werden Sie Reaktionen der Menschen finden, die dann sagen, wozu brauchen wir das, und genau das wollen wir alle nicht! Insofern sage ich noch einmal: DNA-Sprühanlagen finden nun nicht nur unsere Kritik, sondern genauso wie die SPD-Fraktion und auch unser Innensenator halten wir das für ein legitimes Mittel, um hier des Täters habhaft zu werden. Das ist Punkt eins!

(Beifall bei der CDU)

Punkt zwei: Stopp der Jugendgewalt! Das Projekt halte ich für gut, aber das, was Sie hier machen, Frau Dr. Sommer, führt dazu, dass diese Konferenzen gar nicht mehr stattfinden, weil die Betroffenen nicht zustimmen, und es ist auch nachvollziehbar, dass die Betroffenen nicht zustimmen. Nun weiß ich auch, dass man mit solchen Daten von ganz jungen Menschen sorgsam umgehen muss, aber auch hier gilt, dass wir deshalb nicht die Arbeit der Polizei erschweren dürfen, dass wir dadurch mit kriminellen Jugendlichen – wir haben ja leider viele davon, leider! – nicht angemessen umgehen können. Deshalb ist Datenschutz, und das will ich hier nur sagen, aus unserer Sicht immer auch eine Abwägungssache. Ein Zuviel ist falsch und ein Zuwenig natürlich auch. Diese Aufgabe haben Sie als Landesdatenschützerin, dass Sie diese Gratwanderung mit uns gehen, wir sind da ja an Ihrer Seite. Wir sind uns in den meisten Fällen auch völlig einig, das muss man dann auch sagen, aber ich will zu diesen beiden Beispielen nur sagen, da sind wir uns nicht einig. Hier bei „Stopp der Jugendgewalt“ haben Sie des Guten zu viel getan. Was da jetzt an Hürden aufgebaut worden sind und an Zustimmung der Betroffenen, das ist aus unserer Sicht falsch. Abschließend vielleicht noch, Datenschutz ins Grundgesetz, darüber kann man nun trefflich streiten! Was sollen wir eigentlich noch alles ins Grundgesetz aufnehmen?

(Abg. Frau Tr o e d e l [DIE LINKE]: Alles, was wichtig ist!)

Wenn wir zu viel aufnehmen, ist das Grundgesetz nicht mehr das wert, was es jetzt noch wert ist. Deshalb finde ich, dass wir diese Diskussion vielleicht an anderer Stelle in Ruhe führen sollten, aber so auf Anhieb denke ich nicht, dass dieses Thema nun auch noch ins Grundgesetz muss. So viel zu dem Thema, aber noch einmal herzlichen Dank, und wir diskutieren weiter!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Richter.

Wertes Präsidium, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Motschmann dankbar, dass sie erst einmal klargestellt hat, wo wir uns hier heute befinden, nämlich im Haus der Bürgerschaft und nicht in Berlin im Reichstag!

Auch der 32. Jahresbericht unserer Landesdatenschutzbeauftragten und die Stellungnahme des Senats zu diesem Bericht vom 24. August 2010 verdeutlichen, das Thema Datenschutz, der Schutz unserer Persönlichkeitsrechte, ist noch immer nicht in allen Köpfen verankert. Im Bewusstsein der Menschen muss das noch verstärkt werden,

(Beifall bei der FDP)

auch wenn wir – da stimme ich auch überein – in den letzten Jahren bei uns in Bremen schon einiges erreicht haben. Ich möchte im Folgenden nicht auf einzelne Punkte der Stellungnahme des Senats oder des Berichts des Medienausschusses eingehen. Die an diesem Thema Interessierten haben soeben zugehört und haben auch die Berichte und die Drucksachen gelesen.

Nicht verankert in den Köpfen, damit meine ich eine leider sehr oft nur schwach ausgeprägte Sensibilität beim Thema Datenschutz in den Behörden, in den Unternehmen, genauso bei kleinen Ladenbesitzern, die sich zum Schutz ihrer Mitarbeiter eine Videokamera einbauen, aber nicht an gut sichtbarer Stelle darauf hinweisen. Das ist mir heute Morgen gerade wieder bei meinem Physiotherapeuten aufgefallen, da saß ich immer und habe gesehen, es sind zwei Kameras da, aber mir ist es eigentlich erst bewusst geworden, weil wir heute das Thema auf der Tagesordnung haben. Kein Hinweis an der Tür, trotzdem gehe ich weiter hin, weil er mir hilft. Insofern ist es immer die Frage der Grenze.

Da wird von EDV-Fachfirmen, die jeden Tag mit sensiblen Kundendaten zu tun haben, neue EDVSoftware installiert, dann nach der Installation brav erzählt, man würde nun alle Passwörter des Auftraggebers kennen, das würde zukünftig die Arbeit bei weiteren Installationen erheblich erleichtern. Aber eine Datenschutzerklärung wurde von dieser neuen

Fachfirma erst auf Verlangen des Auftraggebers unterschrieben. Das ist gerade vor wenigen Wochen in einer mir sehr gut bekannten Firma passiert.

Banal, aber auch von datenschutzrechtlicher Bedeutung, das Projekt Sun-Area, übrigens ein spannendes Internetportal! Nach Intervention der FDP haben die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, wenn sie es wollen, nun die Möglichkeit, ihre Hausdächer aus dem Kataster löschen zu lassen. Warum nicht gleich so?

(Beifall bei der FDP)

Auch unser Kollege Öztürk hat in der Dezember-Sitzung als Beispiel die nicht gekennzeichnete Kamera bei seinem Lieblingsbäcker genannt. Die ist jetzt wohl hoffentlich gekennzeichnet, und die Brötchen schmecken weiterhin. Ein Beispiel für einen unbedachten Umgang ist mir auch vor einigen Wochen in der Bremer Innenstadt bewusst geworden. Bei einem Herrenausstatter finden sich neben der Tür mehrere Monitore, über die man Kunden und auch Mitarbeiter in allen Etagen, wenn auch nicht in den Umkleidekabinen, während des Einkaufens beobachten kann. Frau Dr. Sommer hat sich bereits des Themas angenommen, an dieser Stelle auch von uns herzlichen Dank für den Bericht!

(Beifall bei der FDP)

Vorratsdatenspeicherung, in diesem Zusammenhang das Schüren von Ängsten, sage ich bewusst, in Richtung der CDU!

Wie weise ich die Anbieter von Geodaten in angemessene Schranken? Die Idee der NPD, zum Zensus 2011 Interviewer zu benennen, um an Datenmaterial für die politischen Verwirrungen zu gelangen, hatten wir heute Morgen auch schon. Der naive Umgang von Internetnutzern jeden Alters, auch aus diesem Hause, mit Ihren persönlichen Daten, ich meine da manches Facebook-Profil, das man sich anschauen kann, und manche unsinnige Nachricht, die über Facebook oder Twitter dann verbreitet wird.

Weit unten auf unserer Tagesordnung – vielleicht kommen wir morgen noch dazu – dann das Thema Telefonwerbung, auch ein Bereich, der viel mit dem Missbrauch persönlicher Daten zu tun hat. Das alles sind Themen im Zusammenhang mit dem Datenschutz. Auch in Zukunft gilt es, die Sinne zu schärfen, die Sensibilität bei der Arbeit mit Daten nicht zu verlieren, also neben dem Bauch auch immer den Kopf einzuschalten und manches eigene Tun hin und wieder auch zu reflektieren. Der gläserne Mensch, von dem jeder alles kennt, den wollen wir, glaube ich, alle gemeinsam nicht. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten mit der DrucksachenNummer 17/1563 abstimmen.

Wer den Bemerkungen des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten mit der Drucksachen-Nummer 17/1563 beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, Abg. M ü l l e r [parteilos], Abg. Ti m k e [BIW] und Abg. Ti t t m a n n [parteilos])