Ich gebe Ihnen jetzt das Ergebnis der Wahl des Präsidenten bekannt: ausgegebene Stimmzettel 83, abgegebene Stimmzettel 83.
Ich stelle fest, dass der Abgeordnete Christian Weber die Mehrheit erreicht hat, die nach Paragraf 9 Absatz 1 der Geschäftsordnung erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, ich darf im Namen aller Abgeordneten dieses Hauses Herrn Christian Weber zu seiner Wahl als Präsident der Bürgerschaft die herzlichsten Glückwünsche aussprechen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass ich gerührt bin, verheimliche ich nicht, und ich bedanke mich herzlich für Ihren Vertrauensbeweis, den Sie mir in dem Wahlgang entgegengebracht haben. Es ist eine Freude für mich, aber natürlich vor allem auch eine Verpflichtung, und Sie können sicher sein, dass ich mir der Bedeutung des Amts bewusst bin, dass ich im Einklang mit der Verfassung und der Geschäftsordnung und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Städte, unseres Landes sowie der Abgeordneten dieses Mandat ausüben werde.
Ich verstehe mich nicht, obwohl ich fast täglich entsprechende Anfragen von unterschiedlichsten Institutionen erhalte, als Schirmherr einer Parlamentsveranstaltung, sondern als durchaus politischen Präsidenten. Dabei will ich selbstverständlich auf Überparteilichkeit achten und nach bestem Wissen und Gewissen handeln, und den vier Fraktionen sage ich eine gute und enge Zusammenarbeit zu. Ich wünsche mir für die weiteren Diskussionen und Debatten unbedingt ein volles Haus wie heute und eine vollständig besetzte Senatsbank, wie wir sie gerade mit großer Befriedigung erleben dürfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich vor allem bei denjenigen bedanken, die mich gewählt haben. Ich nehme diese Funktion sehr ernst und übe sie mit Lust und Leidenschaft aus. Gleichwohl verspreche ich Ihnen, dass ich das, was Dr. Dieter Klink geleistet hat, nämlich sich knapp 25 Jahre im Amt zu halten, nicht anstrebe.
August Hagedorn, der seinerzeit dieses Haus erbauen ließ, schaffte immerhin 20 Jahre. Dem Mann könnte ich auf den Fersen bleiben.
Meine Damen und Herren, es ist mir ein besonderes Bedürfnis, die mehr als 30 neuen Volksvertreterinnen und Volksvertreter unter uns willkommen zu heißen. Wir haben eine Newcomerquote von 38 Prozent,
das ist wunderbar, das ist sehr beachtlich! Wir Erfahrenen wollen Ihnen, den Neulingen, den Einstieg so leicht wie möglich machen, Sie sollen Freude haben an Ihrer Arbeit, gefördert werden in Ihrer Neugierde, Ihrem Ehrgeiz und Ihrem Engagement. Sie sollen hier aber auch ein faires Miteinander und natürlich auch Mitmenschlichkeit erfahren.
Ein Neuer, der jedoch in Wirklichkeit ein alter Hase ist, hat heute bisher unsere Sitzung geleitet, Erwin Knäpper. Er saß schon von 1994 bis 2007 hier im Parlament. Sehr geehrter und geschätzter Kollege, ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie als Alterspräsident der konstituierenden Sitzung Ihren Stempel aufgedrückt haben mit klugen und souveränen Worten.
Im Grunde bin ich froh, dass Sie sozusagen der Gegenseite angehören, verehrter Herr Kollege Knäpper. Die Opposition in der 18. Wahlperiode ist wieder einmal arg dezimiert, deshalb stimmt es zuversichtlich, dass Sie auf starke Stützen wie Erwin Knäpper setzen können, denn ohne schlagkräftige Opposition, meine Damen und Herren, verliert die Demokratie an Vitalität.
Die Arbeit von uns Politikern wird akribisch beobachtet und begutachtet, manchmal auch mit einer Hartnäckigkeit, die uns gar nicht so lieb ist. Das passiert leider weniger in der Bevölkerung, wo es eigentlich passieren sollte, sondern vor allem in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Sie lassen uns nicht aus den Augen, was ja gut und richtig ist. Sie halten uns den Spiegel vor und machen uns Vorhaltungen, die allerdings selten angenehm und die dazugehörigen Sachverhalte nicht zwangsläufig vollständig sind. Beispiel: Bedeutungsverlust der Parlamente! Dabei verfügen gerade die Landtage dank der Föderalismusreform über eigene, sogar erweiterte Gestaltungsspielräume, mit denen sie wichtige Zukunftsfelder wie Bildung, Integration oder demografischen Wandel beackern können. Sie müssen nur Initiative ergreifen und den Willen zur Veränderung zeigen. Wenn sie es denn wollen, sind Landesparlamente der Schrittmacher für den Föderalismus und für die Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips auf europäischer Ebene.
Bemängelt wird natürlich das schwindende Niveau der Wahlbeteiligung, ein Problem, das sich in Bremen auch am 22. Mai leider zum wiederholten Mal offenbarte, ein gravierendes Problem, das uns zunehmend vor die Frage stellt, ob wir als Volksvertreter noch hinreichend legitimiert sind. Ich halte es aber für zu kurz gegriffen, den Schwarzen Peter allein den Politikern zuzuspielen. Viele Menschen halten sich, gar nicht einmal in böser Absicht, die Politik vom Leibe, selbst dann, wenn sie ihre ureigensten Belange betrifft. Das finde ich einigermaßen fatal, weil wir gerade auch in Bremen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen aktiv und direkt beteiligen möchten, denn gesellschaftlicher Aufbruch und Innovationen nehmen idealerweise an der Basis ihren Anfang, vorausgesetzt, es sind aufgeklärte und gut unterrichtete Bürgerinnen und Bürger vorhanden. Deshalb müssen wir einerseits unsere Aussagen und Argumente auch denjenigen zugänglich und verständlich machen, die sich nicht täglich um das politische Geschehen kümmern, ande
rerseits müssen sich diese Menschen die nötige Information noch holen und sie aufnehmen. Bemühen um Durchblick und verstehen lernen sind doch wirklich keine unzumutbaren Aufgaben! Ich drücke das jetzt ein wenig drastisch aus: Dumm sind wir eigentlich nicht, nur ein bisschen zu bequem, weil der Staat im Großen und Ganzen ordentlich funktioniert.
Schließlich ist Politikverdrossenheit ein Dauerbrenner, ein großes Wort, hinter dem häufig mehr steckt, als unangenehme Dinge zu beklagen oder deren Erledigung anderen zuzuschieben. Die Politikverdrossenheit hat inzwischen angeblich die Politiker selbst verdrießlich gestimmt. Von den Leiden der Bremer Politiker las man jüngst im „Weser-Kurier“, und es existieren unter uns wohl schon die kleinen Wählerhasser, wie es ein neues Buch offenbart. Darin wird uns Politikern unter anderem eine Art Allmachtfantasie unterstellt. Angeblich glaubt unsere Zunft, wenn viele Wähler und Wählerinnen gegen ein von ihr angeschobenes Projekt aufbegehren, wird es sich am Ende als richtig herausstellen. Das ist eine zweifelhafte Logik.
Was ich jedenfalls beobachte, die Meckerer und Besserwisser dieser Republik versammeln sich am liebsten auch gern gemeinsam mit Politikern in Talkrunden, um endlich Tacheles zu reden. Ich meine, die Plenardebatte – beispielsweise hier in der Bremischen Bürgerschaft – ist der Talkshow mindestens insoweit stets überlegen, als sie in Entscheidungen mündet.
Meine Damen und Herren, ich will nichts schönreden und keinerlei Verantwortung von uns Politikern abschieben, ich möchte nur dafür werben, nicht den kurzfristig bequemeren Weg zu beschreiten, um Konflikte zu lösen. Es bedarf der Sorgfalt, Geduld, Klarheit und damit Zeit, um Probleme bei den Wurzeln zu packen.
Unter den Bedingungen der heutigen Medienvielfalt mit ihrer modernen Nachrichtenproduktion fällt es den Parlamenten und den Regierungen immer schwerer, die Aufmerksamkeit der Menschen für ihr Tun zu wecken und zu erhalten. Das Ausdauernde, das Langfristige, das Nachhaltige, all das bleibt schnell auf der Strecke. Die Themen wechseln rasant: Euro, EHEC, Energiewende – heute dies, morgen das –, und ich glaube und bin mir fast sicher, der Zyklus der Medienöffentlichkeit entspricht nicht mehr dem Arbeitsrhythmus und -pensum der Parlamente. Ich bezweifle sehr, dass unsere Situation in der veröffentlichten Meinung noch eine angemessene Berücksichtigung findet. Ich weise keine Schuld zu, ich stelle nur fest. Das hat auch mit der Kleinigkeit zu tun, dass ich während einer gewöhnlichen Plenarsitzung in unserem Hause nachmittags oftmals auf leere Presse- und leider auch auf leere Besuchertribünen schaue.
zum Parlamentarismus ohne Öffentlichkeit geschrieben hat und die überspitzt formuliert das Dilemma verdeutlichen: „Parlamentsdebatten in voller Länge nachzulesen, die jeweils anstehende Sache zu kennen und nicht nur die Personen, die sie öffentlich vertraten, das waren Selbstverständlichkeiten einer politischen Kultur. Ich hatte als junger Journalist als Lehrherren einen alten Redakteur, der nicht begreifen konnte, wie Parlamentarismus praktiziert werden sollte und könnte, ohne eine regelmäßige und ausführliche Berichterstattung aus dem Bundestag in allen Zeitungen, eine Berichterstattung nicht nur an den wirklichen oder scheinbar wichtigen Parlamentstagen, sondern Sitzung um Sitzung, und nicht nur einen Bericht über das Ergebnis, sondern so detailliert wie möglich auch über ihm vorausgegangene Debatten.“ Eine idealistische Betrachtung, aber doch keine Utopie!
Meine Damen und Herren, Politik heißt Prioritäten setzen, und diese Priorität ist für die Bürgerschaft und den Senat für die kommenden vier Jahre eindeutig definiert: Das Ringen um die Existenz und das Wohl unseres Zwei-Städte-Staates ist oberstes Ziel in der Überzeugung, der Lebensqualität der Menschen zu dienen. Nur dann lohnt sich der Einsatz wirklich. Mit verunsicherten und ängstlichen Menschen können wir diese Herausforderung nicht bewältigen, sondern mit Frauen und Männern, die optimistisch sind, die mitmischen und Mitverantwortung tragen, die Konflikte austragen, aber auch Konsense finden und Toleranz üben, die Mehrheiten respektieren und Minderheiten schützen. Diese Menschen können wir auf unsere Seite ziehen, wenn wir Abgeordnete ihnen mit Offenheit, mit Aufrichtigkeit, mit Glaubwürdigkeit, mit Sachkompetenz und guten Ideen begegnen. Das ist freilich keine einmalige Geschichte, Vertrauen muss ich ständig neu erwerben.
Anfängerinnen, Anfänger oder Altgediente, wir haben eines gemeinsam: Wir alle sind frei gewählte Abgeordnete, gewählt nach einem veränderten Bremer Wahlrecht, das den Wählerinnen und Wählern mehr Einflussmöglichkeiten als vorher erlaubt, und die haben sie natürlich weidlich genutzt. Das stimmt nicht jede Kandidatin oder jeden Kandidaten fröhlich-friedlich, sorgt aber für mehr Frische und Flexibilität im System aus Parteilisten und Personen. Das neue Wahlrecht hat sich insgesamt bewährt. Es ist näher an den handelnden Personen und imstande, eine intensivere Beziehung zwischen dem Wähler und dem Gewählten zu knüpfen.
Meine Damen und Herren, uns stehen harte Zeiten im parlamentarischen Geschäft bevor, Wünsche Ihrerseits nach Verständnis und Lob kann ich gut nachempfinden. Ich gebe immer gern Lob! Auch Politikerinnen und Politiker brauchen beides, aber sie werden stärker als andere darum kämpfen müssen. Bleiben wir uns also des Maßstabs für unser politisches Handeln stets bewusst: die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und ihre Zukunft, also deren
Kinder! Dabei sollten wir möglichst auf persönliche Profilierung und Opportunismus verzichten zugunsten einer kollegialen und konstruktiven Zusammenarbeit. Auf geht es! – Ich danke Ihnen!
Es sind zwei Wahlvorschläge eingereicht worden, und zwar von der Fraktion der CDU der Abgeordnete Bernd Ravens und von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen die Abgeordnete Silvia Schön.
Es ist vereinbart, auch diese Wahl gemäß Paragraf 58 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung als geheime Wahl in Wahlkabinen durchzuführen. Damit gelten im Grundsatz dieselben Verfahrenshinweise, die auch bereits bei der Wahl des Präsidenten gegeben worden sind. Da hier in einem Wahlgang mehrere Personen gewählt werden, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass gemäß Paragraf 58 Absatz 6 Satz 4 der Geschäftsordnung ein Stimmzettel insgesamt ungültig ist, wenn ein Kreuz fehlt. Für eine gültige Stimmabgabe sind daher sämtliche Wahlvorschläge entweder mit Ja, Nein oder Enthaltung zu kennzeichnen.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass das Wahlverfahren klar ist, dann können wir die Wahl durchführen. Ich bitte jetzt die Abgeordneten Frau Ahrens, Frau Neddermann und Herrn Rupp, an der Ausgabestelle beziehungsweise an der Wahlurne Platz zu nehmen!
Meine Damen und Herren, haben alle Abgeordneten ihren Stimmzettel abgegeben? – Ich sehe, das ist der Fall.