Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

men, die sich bewaffnen und zu kriminellen oder terroristischen Vereinigungen zusammenschließen, kein Wort! Da frage ich mich tatsächlich: Was wollten denn die Nazis mit den scharfen Waffen, die sie letzte Woche beschlagnahmt haben? Können das nicht auch Anzeichen dafür sein, dass sich die Nazi-Szene in Bremen bewaffnet und Verbrechen und Anschläge plant? Das muss man wirklich einmal hinterfragen. Ich frage mich auch immer, wenn ich diesen Verfassungsschutzbericht lese: Haben Sie irgendwelche Anzeichen dafür, dass sich die linke Szene bewaffnet und Schusswaffen hortet? Meines Wissens nicht!

Trotzdem bringt Ihr Verfassungsschutz in Bremen die Linken und nicht die bewaffneten Rechten in Zusammenhang mit Terrorismus. Ganz offiziell steht das in dem aktuellen Verfassungsschutzbericht. Das finde ich relativ absurd. Ganz untätig ist Ihr Verfassungsschutz in Bremen aber auch nicht. Das haben Sie, Herr Dr. Güldner, ja als Vorsitzender der demokratischen Parlamentarischen Kontrollkommission dankenswerterweise bereits zugegeben. Der Verfassungsschutz versucht, Spitzel anzuwerben. Wahrscheinlich wird die Nazi-Szene in Bremen auch aus Steuergeldern bezahlt, davon müssen wir demnach ausgehen.

Was aber belegt und auch von Ihnen zugegeben worden ist: Der Verfassungsschutz betreibt Kriminalisierung antifaschistischer Menschen und Gruppen. Wir wissen, dass nach der großen Demonstration am 30. April der Verfassungsschutz versucht hat, junge Antifaschisten anzuwerben und für die Mitarbeit zu gewinnen. Was haben diese Jugendlichen denn getan? Sie waren im Wahlkampf aktiv gegen die NPD, mehr nicht. Teilweise, so bestätigten Sie, Herr Dr. Güldner, wurden ihre Personalien am Rande der Demonstration am 30. April aufgenommen. Genau die Demonstration, bei der auch Herr Bürgermeister Böhrnsen und Frau Senatorin Linnert an der Spitze vorwegliefen!

(Abg. S e n k a l [SPD]: Was ist denn die Intention Ihrer Rede?)

Warten Sie ab!

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Das ist unglaub- lich, was Sie da erzählen! – Zurufe: Unver- schämtheit!)

Nein, das ist keine Unverschämtheit! Man muss einmal die Augen öffnen, um zu sehen, was hier los ist. Wir wollen, dass Nazis und Faschisten effektiv bekämpft werden. Dann muss man auch im eigenen Bundesland damit anfangen, denn der Verfassungsschutz hat sich diskreditiert in der ganzen Sache, und das ist auch in Bremen der Fall. Wir können doch nicht so tun, als wäre das nur ein Problem von Thüringen. Das geht doch nicht, wenn wir hier die gleichen Ansätze haben! Zu diesen ganzen Einsätzen – da muss ich Ih

nen, Herr Dr. Güldner, widersprechen, Herr Röwekamp hat das nämlich auch gemacht – : Gerade dieses Jahr waren die Nazis in Bremen so aktiv wie schon seit Langem nicht mehr, und das sind auch Sachen gewesen, die hier politisch nicht verhindert worden sind. Sie sind hier nicht verhindert worden!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schulhof-CDs, Auftritte der Bands?)

Es gab überhaupt keinen Ansatz, die Demonstration der NPD am 30. April verbieten zu wollen. Überhaupt keinen!

(Zurufe: Das stimmt nicht!)

Nein! Es gab überhaupt keinen Ansatz von Herrn Senator Mäurer. Stattdessen wurde hier ein Polizeieinsatz gefahren, der nach eigenen Aussagen in der Innendeputation über eine Million Euro gekostet hat. Es wurde ein ganzer Stadtteil abgeriegelt, und ich kann hier einmal gern zitieren aus einem offenen Brief der Betriebsräte von Daimler-Benz an Herrn Senator Mäurer. Sie haben nach dieser Demonstration am 30. April geschrieben, ich zitiere: „Wir fühlen uns bedroht von Ihnen und Ihrer Polizei. Es ist schon ungeheuer. Ein sozialdemokratischer Innensenator versetzt einen ganzen Stadtteil, eine ganze Stadt in einen Ausnahmezustand, in dem bürgerliches Recht schlicht und einfach außer Kraft gesetzt wird. Sie rufen die Bundespolizei auf den Plan, die mit brutaler Gewalt gegen Antifaschisten vorgegangen ist.

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Sprechen Sie doch einmal zur Sache!)

Sie sind verantwortlich“ – ich zitiere weiter – „für dieses praktizierte Stück Notstand, für eine Bürgerkriegsübung, die Schlimmeres erwarten lässt. Darüber täuschen Ihre Krokodilstränen über die NPD nicht hinweg. Sie brauchen nicht zu schwadronieren über ein Verbot dieser Partei.“

(Glocke)

Ich zitiere hier, das ist ein offener Brief der Betriebsräte: „Nach dem Potsdamer Abkommen sind nämlich faschistische Parteien bereits verboten. Sie brauchen sie also nur aufzulösen, wie es dort geschrieben steht. Wir fühlen uns von Ihnen und Ihrer Politik bedroht, weil wir wissen und weil Sie bewiesen haben, dass Sie gegen uns gerichtet ist, und eines können wir Ihnen versichern: Wir werden jeden Millimeter unserer Rechte gegen diesen Notstandskurs verteidigen!“ So haben Bremer Bürgerinnen und Bürger den Einsatz am 30. April wahrgenommen.

(Widerspruch bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der CDU – Glocke)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Das erste rechte Rockkonzert hat stattgefunden, es waren 300 Nazis da, die hier ungestört den Hitlergruß zeigen durften. Das wurde nämlich nicht verboten, das Verbot kam nur aufgrund des öffentlichen Drucks nach dem Bekanntwerden der Mordserie zustande. Eine Woche vorher hat Herr Mäurer noch gesagt, er habe keine Handhabe für ein Verbot. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN – Unruhe bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für die heutige Debatte verbietet jedwede parteipolitische Auseinandersetzung zu dieser Frage.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Kollegin Vogt, wer wie Sie eine solche Debatte für parteipolitische Schuldzuweisungen in alle Richtungen außer zu sich selbst nutzt, der nutzt nicht dem gemeinsamen Auftrag und dem Kampf gegen den Nationalsozialismus, der schadet ihm.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, ich gebe es zu, zu den Inhalten dieses Antrags kann man an der einen oder anderen Stelle auch eine unterschiedliche politische Gewichtung vornehmen, aber die große Leistung, dass wir uns als demokratische Parteien trotz aller Unterschiede hinter einem gemeinsamen Antragstext zusammengefunden haben, diesen gemeinsamen Willen haben Sie nicht verstanden oder von Anfang nicht gehabt.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Doch, den habe ich verstanden!)

Es geht nicht darum, und es nützt niemandem, darüber zu streiten, wer in den letzten Jahren Recht gehabt hat und wer am glaubwürdigsten gegen Rechtsradikalismus in Deutschland gekämpft hat. Es geht darum, dass wir alle gemeinsam als Demokraten diesen Auftrag wahrnehmen, Frau Vogt!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ja, dann muss man doch hier einmal anfangen!)

Den nehmen wir eben nicht wahr, indem wir uns dann auch noch mit Unwahrheiten wechselseitige Vorwürfe machen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist eben einfach falsch, wenn Sie sagen, in Bremen sei in den letzten Monaten nichts gegen Rechtsextremismus unternommen worden. Das ist falsch!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vielleicht wüssten Sie als Fraktion DIE LINKE, die sich jetzt anmaßt, in einem Pauschalurteil über die Arbeit des Verfassungsschutzes zu richten, mehr über das, was da tatsächlich passiert ist, wenn die Vertreter Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode an der Parlamentarischen Kontrollkommission auch einmal teilgenommen hätte.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn Sie denn teilgenommen hät- ten oder einmal etwas gefragt oder gesagt hätten!)

Natürlich kann ein Blinder nicht von der Farbe reden, Frau Vogt, aber Sie haben diese Blindheit selbst erzeugt, indem Sie sich der Kontrolle dieses von Ihnen jetzt kritisierten Verfassungsschutzes vier Jahre lang vollständig entzogen haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Durch Enthaltsamkeit, Arbeitsverweigerung und puren Populismus lassen sich extremistische Aktivitäten auch in unserem Bundesland nicht bekämpfen, Frau Vogt!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ehrlicherweise lässt sich dadurch auch das Grundgesetz nicht aus den Angeln heben. Solange die NPD eine Partei ist, hat sie wie jeder andere Staatsbürger in Deutschland das Recht zu demonstrieren. Natürlich hat der Innensenator alles rechtlich Mögliche getan, um diesen Aufmarsch der Neonazis in Bremen zu verhindern, wie alle Innensenatoren vor ihm das auch getan haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Aufmarsch hat nicht am 1. Mai stattgefunden wie beabsichtigt, und er hat nicht dort stattgefunden wie beabsichtigt, und er hat nicht mit den Gewaltexzessen stattgefunden wie beabsichtigt und mit den Parolen, die von Anfang an beabsichtigt waren,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber er hat stattgefunden!)

aber er hat stattgefunden, weil wir als Demokraten aus dem Grundgesetz den Auftrag haben, uns auch mit solchen Menschen mit den Methoden unseres Rechtsstaats auseinanderzusetzen und nicht mit irgendwelchen populistischen Forderungen à la Frau Vogt, um das deutlich zu sagen.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich hätte große Lust, nach Ihrem Redebeitrag meine Unterschrift unter einem gemeinsamen Antrag mit Ihnen zurückzuziehen. Ich mache es nur deswegen nicht, weil ich die gemeinsame Sache und den gemeinsamen demokratischen Auftrag nicht durch Menschen wie Sie verunglimpfen lasse. – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem habe ich wirklich nur einen Satz hinzuzufügen, alles andere wäre überflüssig: Wer den Widerstand gegen alte und neue Nazis spaltet, statt ihn zusammenzuführen, der hat wirklich nicht begriffen, worum es hier heute geht. – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)