Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

en müssen, dass die Exil-Syrerinnen und Exil-Syrer in unserem Land auch weiter sicher leben können und dass wir eine zusätzliche Verpflichtung haben, dass kein Geheimdienst dieser Welt in Deutschland Menschen bedroht. (Beifall)

Ich möchte jetzt noch einmal drei Aspekte zu der momentanen Situation in Syrien darstellen: Wie ist die Situation, warum gibt es eigentlich diese Eskalation der Gewalt, wie kann die Zukunft Syriens aussehen, und was können wir eigentlich hier in Bremen tun?

Vor fast einem Jahr, am 15. März 2011, entfachten Jugendliche in Daraa arglos die tiefgreifendste Revolution in der fünfhundertjährigen Geschichte Syriens. Sie kämpften gegen Korruption, gegen die Geheimdienste und auch gegen die Armut. Wir erleben ja, dass es in den arabischen Ländern in der Region wie ein kleiner Schneeball überall aufbricht und Menschen für ihre eigenen Rechte auf die Straße gehen und demonstrieren. Diese Jugendlichen wurden sofort verhaftet und gefoltert. In den nächsten Tagen ging der eher schüchterne friedliche Protest weiter. Es war überhaupt keine große politische Kritik an Assad, aber sofort wurde mit massiver Gewalt auf die Demonstranten geschossen. Das hat in Syrien leider eine lange Tradition. Schon 1982 ließ der Vater Assads mehr als 20 000 demonstrierende Menschen erschießen, und immer wieder wird nur mit Gewalt auf friedliche Demonstrationen reagiert.

Seit fast einem Jahr sind nach offiziellen Berichten mehr als 6 000 Menschen getötet worden, Zehntausende sind verletzt worden, und mehr als 80 000 Menschen sind seitdem verschwunden, keiner weiß, in welchen Gefängnissen oder in welchen Lagern – neueste Nachrichten sprechen sogar davon, dass in Krankenhäusern gefoltert wird – sie geblieben sind. Das ist meiner Meinung nach unerträglich und zeigt, dass es, wenn gegen einen friedlichen Protest mit so massiver Gewalt vorgegangen wird, keine Perspektive mehr für dieses Regime geben darf.

(Beifall)

Amnesty International spricht von einem Land ohne Zugang. Das bedeutet, man kommt gar nicht mehr hinein. Gestern hat das Rote Kreuz offiziell verlauten lassen, dass es über einen Waffenstillstand verhandelt, damit den Menschen überhaupt noch geholfen werden kann. Wir haben die Situation, dass seit dem 4. Februar gerade in den Hochburgen des Widerstandes – so wird das genannt –, in Homs, aber jetzt auch in Damaskus ein verstärkter Beschuss mit Granaten stattfindet.

Es gibt Soldaten, die nicht mehr mitmachen. Die Gefahr eines Bürgerkriegs wächst, und deswegen ist es umso wichtiger, dass jetzt auch die Staatengemeinschaft aktiv wird. Was tut sie? Wir haben schon von

Herrn Dr. Kuhn gehört, dass es eine Vollversammlung geben hat. 137 von 166 Staaten haben sich für ein sofortiges Ende der Gewalt in Syrien und für den Rücktritt von Präsident Assad ausgesprochen. Auch Deutschland und alle europäischen Staaten waren dabei. Das ist ein klares Signal, und umso bedauerlicher ist es – was gerade gesagt worden ist –, dass China und Russland sich nicht beteiligt haben. Man kann unterschiedliche Vermutungen darüber haben, warum sie das nicht tun. Es ist aber natürlich wichtig, dass man an dieser Stelle klar aufgestellt ist, und es ist umso fürchterlicher, dass Assad darin eine Lizenz zum weiteren Töten sieht.

Es gibt viele weitere Maßnahmen: Das Europäische Parlament will Ende Februar weiter über Maßnahmen verhandeln, es soll einen UNO-Sondergesandten geben, der UNO-Sicherheitsrat soll über humanitären Hilfen beraten, es soll am Freitag dieser Woche in Tunesien ein Treffen der Gruppe der Freunde Syriens geben, es gibt Forderungen, dass die Konten des Assad-Regimes eingefroren werden sollen. All das sind, denke ich, sicherlich wichtige Maßnahmen, aber man muss schauen, wie man jetzt den Menschen vor Ort hilft und verhindert, dass es dort zukünftig zu einem wirklichen Bürgerkrieg kommt. Wünschenswert wäre, dass Assad erkennen würde, dass seine Zeit vorbei ist, und man da wirklich einen Neuanfang beginnen kann.

Zur Zukunft Syriens kann ich selbst wenig sagen, aber Rafik Schami, ein bekannter Autor, der schon viele Bücher in Deutschland verfasst hat, hat im Februar in einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ geschrieben: „In Syrien stehen 40 Jahre Diktatur vor dem Ende. Das Volk kann nicht mehr zurück. Doch die Gefahr ist groß, dass die Freiheit, wenn sie erst einmal errungen ist, in neuem Blut ertrinkt.“ Die Frage stellt sich natürlich: Wenn das Regime zu Ende ist, wie geht es weiter? Da gibt es dann immer wieder die Frage: Ist es dann vielleicht sogar noch schlimmer? Übernehmen die Fundamentalisten die Macht, und erleben wir ein ganz anderes Regime, das gar nicht demokratisch ist?

Ich glaube, dass es erst einmal sehr wichtig ist, dass die Syrer selbst ihre Befreiung organisieren. Das ist zwar schwierig und schwer auszuhalten, und es muss Unterstützung geben, es darf keine weiteren Waffenlieferungen geben, aber trotz alledem müssen sie sich selbst befreien. Sie müssen die Unterstützung erhalten, danach einen Rechtsstaat aufzubauen, in dem alle Frauen und Männer ein selbstbestimmtes Leben führen. Das muss, glaube ich, das Ziel sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte gern an der Stelle noch einmal Rafik Schami zitieren, er schreibt dazu: „Doch was kommt nach dem Sturz des Regimes? Bürgerkrieg? Provisorische Einheitsregierung? Ein blutiger Putsch? Über

nehmen die Fundamentalisten die Macht? Vor den Fundamentalisten muss man keine Angst haben. Mögen sie auch im Moment stark erscheinen, ein Programm zur Lösung der syrischen Probleme haben sie nicht. Mit der Scharia lässt sich das Land nicht regieren: 40 Prozent der Bevölkerung sind Nicht-Sunniten. Möglicherweise werden Putsch und Bürgerkrieg die Freiheit in einer Blutlache ertränken.“ So fordert er die westlichen Staaten auf, die zivile demokratische Opposition zu unterstützen. Nur dies kann einen Bürgerkrieg verhindern. Ich denke, dass das genau richtig ist und wir nicht nur jetzt dahin schauen müssen, sondern auch dann, wenn dieses Regime zu Ende ist und es darum geht, einen neuen Staat aufzubauen, unterstützen und dafür aktiv sein müssen. Ich möchte zum Schluss ganz kurz auf die Situation hier in Bremen eingehen. Auf der einen Seite haben wir gerade schon den Verein Deutsch-Syrisches Forum begrüßt, der hat schon in der Vergangenheit besonders wichtige Hilfsgüter gesammelt, um sie ganz pragmatisch in das Land zu schicken und die Menschen vor Ort zu unterstützen. In Norddeutschland leben ungefähr 500 Syrerinnen und Syrer. Zurzeit flüchten aufgrund der dargestellten Situation vermehrt Frauen und Männer auch nach Bremen. Wir haben 2011 72 Asylanträge gehabt, das ist im Vergleich zu 2010 fast eine Verdoppelung. Hier stellt sich die Frage, wie es mit der Abschiebung nach Syrien ist. Dazu hat der Kollege Dr. Kuhn gerade gesagt, dass es einen Abschiebestopp geben muss. Formal wird das zurzeit schon praktiziert, aber wir könnten auch darauf hinwirken, dass – bis zu sechs Monaten kann Bremen das entscheiden – darüber hinaus auch auf Bundesebene ein Abschiebestopp durch das Bundesinnenministerium erlassen wird.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Daneben geht es noch einmal um den Aufenthaltsstatus, auch da, finde ich, wäre es schön, wenn der Senat prüfen würde, ob nach einer neuen OVG-Entscheidung nicht doch ein anderer Aufenthaltsstatus für die Syrerinnen und Syrer auf Grundlage dieser besonderen Situation geschaffen wird. Das Letzte ist, dass die Polizei in Bremen sehr sensibilisiert ist, was die Gefahren und Gefährdungspotenziale angeht. Es wird genau beobachtet, was sich in der Stadt und im Land entwickelt, und es gibt eine Sensibilisierung, da zu schützen, wo es notwendig ist. Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass am 3. März 2012 um 16 Uhr eine Veranstaltung des Vereins im Hafenmuseum stattfinden wird, zu der alle sehr herzlich eingeladen sind zu kommen, mitzudiskutieren und zu hören, wie sich die Situation in Syrien weiter entwickelt. – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben es jetzt schon ausführlich gehört, wir beobachten mit großer Sorge die Entwicklung in Syrien. Präsident Assad führt einen brutalen Unterdrückungskrieg gegen das syrische Volk, und nach Angaben der Vereinten Nationen sind bisher mehr als 8 000 Menschen von den Schergen Assads getötet worden. Tausende Menschen werden vermisst, mehr als 100 000 Syrer sind inzwischen auf der Flucht. Zehntausende politisch Inhaftierte und Folter sind die Bilanz der gewalttätigen Auseinandersetzungen. Gerade eben wird online gemeldet, dass wieder zwei internationale Journalisten erschossen worden sind, ein französischer und ein US-amerikanischer Journalist. Liebe Frau Hiller, lieber Herr Dr. Kuhn, meine Damen und Herren, dazu können, dürfen und wollen wir in der Tat nicht schweigen.

(Beifall)

Es ist die Aufgabe eines Demokraten, den Menschen in Syrien bei ihrem Kampf um bürgerliche Freiheit zur Seite zu stehen und sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Die CDUBürgerschaftsfraktion steht an der Seite des unterdrückten syrischen Volkes.

(Beifall bei der CDU)

Mit Schrecken – Sie haben es ausgeführt – verfolgen wir seit Wochen die Fernsehbilder und kleinen Aufzeichnungen aus Syrien. Die Meldungen von Massakern an friedlich protestierenden Demonstranten in Homs und die Festnahme von syrischen Spionen in Berlin stehen exemplarisch für den verbrecherischen Charakter des Regimes Assad. Wer unschuldige Zivilisten ermordet, brutal das Volk unterdrückt und gnadenlos Oppositionelle verfolgt, muss international geächtet werden. Der syrische Präsident hat in seiner jüngsten Rede vom 10. Januar angekündigt, er gedenke, mit eiserner Faust gegen die Demonstranten vorzugehen. Das heißt, ein baldiges Ende der Gewalttätigkeiten ist damit nicht abzusehen. Die internationale Gemeinschaft ist dringend aufgefordert, der Gewalt gemeinsam möglichst rasch ein Ende zu bereiten, und dazu müssen vor allen Dingen Russland und China ihre Blockade gegen das syrische Volk und die Arabische Liga aufgeben. Deshalb war es auch richtig, dass der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages im Januar fraktionsübergreifend, wenn auch ohne Beteiligung der Fraktion DIE LINKE, ein deutliches Signal an das Assad-Regime und seine Unterstützer gesandt hat und ein Ende des Assad-Regimes fordert.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hält die Bemühungen von Bundeskanzlerin Merkel und auch Bundesaußenminister Westerwelle sowie die bisherigen gemeinsam mit unseren internationalen politischen Partnern unternommenen Initiativen für richtig und zielführend. Die Resolution der UN-Vollversammlung am vergangenen Donnerstag war endlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die internationale Gemeinschaft hat das systematische Morden des Assad-Regimes zu Recht an den Pranger gestellt. Was die Weltgemeinschaft aber leisten muss, ist mehr als ein symbolisches Zeichen gegen den Diktator Assad. In der arabischen Welt ist Syrien unter Assad ja bereits isoliert. Die Mitgliedschaft in der Arabischen Liga wurde ausgesetzt, und Sanktionen wurden verhängt. Seit Beginn des Mordens in Syrien setzt sich die Bundesregierung für eine Resolution im UN-Sicherheitsrat ein, unterstützt so die Arabische Liga. Leider ist eine solche bindende Resolution bisher – Sie haben das schon ausgeführt – immer am Veto von Russland und China gescheitert. Auch wir appellieren deshalb weiter an Moskau und Peking, endlich die entsprechende Resolution zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, Präsident Assad muss endlich abtreten, Sie haben es auch ausgeführt. Unsere Bundesregierung hat sich deshalb auf europäischer Ebene erfolgreich für den Boykott syrischen Öls eingesetzt. Auch dem persönlichen Engagement unserer Bundeskanzlerin ist es zu verdanken, dass das Ölembargo der Europäischen Union das Regime in Damaskus – und übrigens auch in Teheran – mittlerweile hart trifft. Nach ihrem Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga hat Frau Merkel zudem neue Sanktionen, wie Strafmaßnahmen gegen syrische Banken und das Verbot kommerzieller Flüge, vorgeschlagen. Dafür möchte ich mich im Namen der CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft bei Frau Merkel bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Man muss sagen, in Syrien geht es, auch wenn es an dieser Stelle traurig ist, das sagen zu müssen, um mehr als Menschenrechtsverletzungen und die Verbrechen eines Diktators am syrischen Volk. In Syrien stehen auch die Stabilität und der Frieden in der gesamten Region auf dem Spiel. Je länger Assad bleibt, desto mehr verschärft sich die regionale Instabilität. Verhängnisvolle Kettenreaktionen können folgen, und ich wiederhole es, deshalb muss Assad endlich abtreten, so schnell wie möglich.

(Beifall bei der CDU)

In der UN-Vollversammlung haben die üblichen Verdächtigen gegen eine Resolution gestimmt, die

die Gewalt in Syrien verurteilt. Es waren China und Russland, aber darüber hinaus auch Venezuela, Kuba und Nordkorea, ewig gestrige Systeme, die Menschenrechte ebenfalls mit Füßen treten. Ewig Gestrige haben wir leider auch in Deutschland. Es gab auch einige Abgeordnete der Bundestagsfraktion DIE LINKE, die aus ideologischer Verblendung noch im Januar eine Solidaritätsbekundung mit dem Mörderregime Assads unterzeichnet haben.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Ja! Unsere Bundesregierung, meine Damen und Herren, tut auf internationaler Bühne alles, was sie tun kann, um dem Morden in Syrien ein schnelles Ende zu setzen. Unsere Bundesregierung setzt sich bei den Vereinten Nationen für eine Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und eine längst überfällige Sicherheitsresolution ein. Unsere Bundesregierung forciert auf europäischer Ebene eine unmissverständliche Sanktionspolitik gegen die syrische und auch gegen die iranische Regierung.

Zu Recht liegt die alleinige und ausschließliche Kompetenz für außenpolitische Richtungsentscheidungen allerdings auf Bundesebene. Ich möchte aber an dieser Stelle, am Ende meiner Rede, im Namen der CDU-Bürgerschaftsfraktion ebenfalls meine Solidarität bekunden. Solidarität haben wir nicht mit einem tyrannischen Mördersystem, unsere Solidarität gilt dem syrischen Volk und der heldenhaft kämpfenden Opposition in Homs, Aleppo und Damaskus. Wir wünschen den Menschen in Syrien, dass die Gewalttätigkeiten bald ein Ende haben und sie in freien demokratischen Wahlen über ihre Zukunft entscheiden können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder des Deutsch-Syrischen Forums! Ich will das jetzt hier nicht alles wiederholen, Herr Dr. Kuhn hat sehr eindrucksvoll geschildert, was in Syrien seit elf Monaten passiert. Wir wissen auch, dass es vor allen Dingen zurzeit die Zivilbevölkerung trifft, dass es Krankenhäuser und Wohnviertel sind, die bombardiert werden, dass es unzählige Todesopfer gibt, unter anderem viele Kinder, Frauen und alte Menschen. Was dort im Moment passiert, ist tatsächlich ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung.

Ich will auch nicht weiter auf Frau Dr. Mohr-Lüllmann eingehen und den Vorwurf, DIE LINKE würde sich irgendwie mit dem Assad-Regime solidarisch ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

erklären. Sie wissen ganz genau, dass das die internationale Ärzteorganisation war. Ob es klug war, dass da sechs Abgeordnete mit unterzeichnet haben oder nicht, möchte ich hier gar nicht weiter diskutieren. Ich finde es nur interessant, dass die Bundesregierung es geschafft hat, im Juni 2011 einen Antrag der LINKEN abzulehnen, die einen totalen Rüstungsexportstopp nach Syrien gefordert hat. Soviel also zu Ihrer Solidarität! Wenn man das ernst nimmt, hätte man natürlich auch den Export sämtlicher Kriegswaffen und Rüstungsgüter nach Syrien verhindern müssen!

(Beifall bei der LINKEN)

Was aber sehr bemerkenswert an der Rede des Kollegen Dr. Kuhn war, Sie haben es ganz gut auf den Punkt gebracht, es ist die Ratlosigkeit, wie wir weiter damit umgehen. Natürlich hätten wir uns alle eine Resolution des UN-Sicherheitsrats gewünscht, aber die Frage ist, was weiter passiert. Bei der Frage der Sanktion diskutieren wir auch immer: Trifft sie die Bevölkerung, trifft sie das Regime? Die Frage nach Sperrung der Konten ist da ziemlich eindeutig, das trifft die Bevölkerung nicht. Aber wir wissen nicht, wie wir der syrischen Bevölkerung und wie wir den Aufständischen tatsächlich helfen können. Am sinnvollsten wäre unserer Meinung nach ein totales Waffenembargo in den gesamten Nahen Osten, weil das, was wir im Moment erleben, natürlich auch die Gefahr in sich birgt, dass es dort einen Bürgerkrieg geben wird, weil auch der Aufstand mittlerweile bewaffnet ist. Wir erleben es auch gerade in Libyen, wie schwierig es ist, bewaffnete Milizen anschließend wieder zu entwaffnen. Wir erleben dort gerade eine Instabilität.

Von daher setzen wir uns natürlich ganz klar für eine friedliche Lösung ein. Die erfolgeichen Aufstände in Tunesien und Ägypten haben gezeigt, dass man Diktatoren stürzen kann. Wir stellen uns gerade bei Ägypten die Frage, wie es jetzt weitergeht. Das Militär hat übergangsweise die Macht übernommen. Wir wissen alle, dass das Militär in Ägypten auch irgendwie die Wirtschaft stellt. Natürlich ist es immer die Frage: Ist das wirklich Demokratisierung? Inwieweit geht das? Allerdings gibt es auch viele Menschen in Ägypten, die von dem profitieren, was sich da in den letzten 15 Monaten durchgesetzt hat, zum Beispiel Meinungsfreiheit, dass man offener sagen kann, dass man das Regime kritisiert, dass man die Polizei kritisieren kann. Das war alles bis zum Januar letzten Jahres nicht möglich. Von daher wären wir gut beraten, in diesen Fragen einen längeren Atem zu haben.

Mir ist die Frage gestellt worden, warum eine Aktuelle Stunde in Bremen. Ich finde das sehr sinnvoll. Ich bin auch froh, dass diese Aktuelle Stunde durchgeführt worden ist, weil wir hier in Bremen natürlich etwas machen können, und wir müssen es auch tun. Es sind ein paar Dinge genannt worden, das ist beispielsweise der Abschiebestopp. Es wäre auch gut,

auch wenn wir wissen, nach sechs Monaten muss das durch das BMI verlängert werden, wenn wir hier einen sechsmonatigen Abschiebestopp erlassen. Was auch wünschenswert wäre – und das müssen wir uns in Bremen auch wirklich auf die Fahnen schreiben –, ist der sichere Aufenthalt für geduldete Syrer in Bremen. Wir haben die Möglichkeit, den humanitären Aufenthalt zu nutzen. Die Ausländerbehörde hat da Ermessensspielräume, und ich fände es sehr sinnvoll, wenn Herr Mäurer darauf hinwirkt, dass die Ausländerbehörde diesen Ermessensspielraum nutzt und den geduldeten Syrern hier in Bremen eine Aufenthaltsperspektive gibt.

Außerdem fänden wir es wunderbar und wünschenswert, wenn sich Herr Mäurer auf Bundesebene und bei der Innenministerkonferenz dafür einsetzt – das ist ein weiterer Punkt –, dass Kontingentflüchtlinge nach dem Resettlement-Programm hier aufgenommen werden. Wir wissen, dass zahlreiche syrische Flüchtlinge im Moment an der türkischen Grenze unter ziemlich elenden Bedingungen in Lagern hausen. Ähnlich wie bei der Frage der Flüchtlinge aus dem Maghreb wäre es gut, wenn die EU und auch Deutschland vorangehen und diese Flüchtlinge aufnehmen.

Ganz klar sage ich auch, das, was wir in Bremen machen können, ist natürlich neben den Fragen der Abschiebung, des Aufenthalts und diesem Resettlement-Programm, dass wir auf Bundesebene vetreten – auch das wäre eine Aufgabe, die Herr Mäurer leider wieder übernehmen muss –, dass die Abschiebungen entsprechend der Dublin-II-Verordnung gestoppt werden. Viele syrische Flüchtlinge, auch Deserteure der syrischen Armee, wurden 2011 noch nach Ungarn abgeschoben, und ich glaube, das geht nicht. Wenn man wirklich sagt, wir wollen ein deutliches Zeichen setzen, wir wollen die syrische Opposition unterstützen, müssen auch diese Rückschiebungen nach Ungarn aufhören. Das heißt, diese Rückschiebungen in das erste Einreiseland in der EU müssen formell gestoppt werden, um den Menschen hier eine sichere Aufenthaltsperspektive zu geben.

Ich glaube, wenn Herr Mäurer sich dafür einsetzt – und ich weiß, dass er das in anderen Bereichen auch schon zugesagt hat –, dann können wir aus Bremen ein sichtbares Zeichen setzen, den Menschen zu helfen. Insofern hat diese Aktuelle Stunde dann ihren Sinn und Zweck erfüllt. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin bestimmt nicht im Verdacht, auf dem linken Auge blind zu sein, deswegen kenne ich die Debatten auch, die Ausein

andersetzung, die kritische Diskussion und die Frage, wen man unterstützt, und wo man dann doch Bedenken, Sorgen, Vermutungen in den Vordergrund stellt. Ich möchte mich bei allen Fraktionen dafür bedanken, dass wir in der heutigen Debatte alle gemeinsam die Solidarität mit den Menschen in Syrien in den Vordergrund gestellt und betont haben, was wir hier in Bremen tun können, was wir tun sollen, und dass wir das gemeinsam machen. Das möchte ich hervorheben, weil ich glaube, das ist das Wesentliche an der heutigen Debatte! – Danke!