Mitteilung des Senats über die vom Senat beschlossene Mitantragstellung zur Bundesratsinitiative „Entschließung des Bundesrates zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 42 Prozent auf 49 Prozent – Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen“
Ich weise noch darauf hin, dass wir uns pünktlich um 12.00 Uhr gemeinsam zu der Gedenkminute zu den terroristischen Anschlägen der Nazigruppe verabredet haben. Ich bitte, dass wir dann auch vollständig im Plenarsaal vertreten sind.
Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 7. Februar 2012 (Drucksache 18/229) 1. Lesung
Faire Löhne durch verbindliche Lohnuntergrenze sichern – bestehende Tarifverträge achten – bremischen Sonderweg vermeiden
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Die Grünen haben das bremische Landesmindestlohngesetz eingebracht, über das wir heute in erster Lesung beraten. Ich will gleich zu Beginn sagen, dass ich stolz darauf bin, dass uns gemeinsam diese Initiative gelungen ist.
Ich bin sicher, es wird gegen dieses Landesgesetz viele Argumente geben, mindestens so viele, wie es sie seinerzeit gegen Tariftreue- und Vergabegesetzregelungen gab. Diese gehören mittlerweile in vielen Bundesländern zum Standard. Wenn ich richtig informiert bin, demnächst auch in Baden-Württemberg.
Uns ist völlig klar, eine Landesmindestlohnregelung ersetzt keine bundeseinheitliche Lösung. Sie muss vorher her. Die Gründe dafür ergeben sich aus der traurigen Realität unseres überaus reichen Landes. Wir haben mittlerweile einen ausgedehnten Niedriglohnsektor. Im Jahr 2009 arbeiteten 5,78 Millionen Menschen für Löhne unter 8,50 Euro, davon circa 70 Prozent in normalen Arbeitsverhältnissen und 30 Prozent in Minijobs. Nimmt man den Maßstab Niedriglohnschwelle, dann ist der Anteil der Niedriglöhner im Jahr 1999 von 14,6 auf 18,7 Prozent im Jahr 2010 in Westdeutschland und von 35 auf 40 Prozent in Ostdeutschland gestiegen. Das ist ein sozialpolitischer Skandal! Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Das ist ein Stück Menschenwürde, und wir wollen dazu beitragen, es ihnen zurückzugeben.
Wir subventionieren diesen Sektor mit aufstockenden Leistungen. Um dem Argument gleich entgegenzutreten: Aufstockung ist nicht grundsätzlich schlecht und hat nicht grundsätzlich seine Ursache in zu niedrigen Löhnen. Wenn der Lohn aber selbst bei 40 Stunden Arbeit nicht ausreicht und aufgestockt werden muss, dann stimmt etwas nicht. Deswegen brauchen wir eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung. Wir sehen aber nicht, dass wir schnell dahin kommen, und bis zum Herbst 2013 ist es ja noch ein bisschen hin.
Die Gegenargumente gegen einen gesetzlichen Mindestlohn sind im Laufe der letzten zwölf Monate deutlich dünner und weniger geworden. Ich finde auch die Annäherungen der CDU zu diesem Punkt grundsätzlich gut, wäre allerdings froh, wenn es nicht nur ein Reflex auf das gewachsene Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit der Gesellschaft ist, sondern eine Überzeugung von der sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Notwendigkeit der Erschaffung eines bundeseinheitlichen Mindestlohns.
Im Übrigen lässt sich diese Notwendigkeit auch ökonomisch ableiten, denn Gefahren für die ökonomische Entwicklung gehen nicht vom Verlust unserer Exportstärke aus. Sie haben wir dank hoher Produktivität und Innovationskraft in den exportorientierten Branchen bei guter Entlohnung. Gefahren für die Konjunktur gehen – nach übereinstimmender Einschätzung vieler Ökonomen – von der zu geringen Binnennachfrage aus, die in der zurückbleibenden Massenkaufkraft ihre Ursachen hat, und das liegt auch an dem expandierenden Niedriglohnbereich.
Im Übrigen gibt es in 20 von 27 europäischen Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn, und sie können nicht alle falschliegen. Großbritannien ist bekanntlich nicht sozialdemokratisch, und Luxemburg ist unter der Präsidentschaft von Herrn Juncker bekanntlich auch nicht planwirtschaftlich organisiert. Man kann dort also lernen, und das wollen wir in dem kleinen und beschränkten Rahmen tun, den wir haben.
Wir wollen eine landesgesetzliche Regelung, weil die bundeseinheitliche Regelung fehlt. Wir wollen nicht die Hände in den Schoß legen, sondern die Möglichkeiten ergreifen. Das wird nur begrenzt möglich sein, darüber sind wir uns im Klaren, und wir wollen auch keine falschen Hoffnungen wecken. Unser Ansatz ist, wer in Bremen Aufträge oder Geld bekommt, muss seine Beschäftigten anständig mit einem Mindestlohn entlohnen, wer Zuwendungen erhält, muss seinen Beschäftigten zumindest den Mindestlohn zahlen, und wo Bremen seinen Einfluss geltend machen kann, setzen wir uns für die Zahlung des Mindestlohns an die Beschäftigten ein.
Man liest dann, so viele Fragen seien noch unausgegoren. Mir wäre es ja lieber, wir würden uns gemeinsam darauf einigen, dass die Zustände gegeißelt werden müssen, die jetzt nicht akzeptabel sind, als dass wir schon einmal erklären, warum dieses oder jenes nicht geht. Ich bin deswegen Bürgermeister Jens Böhrnsen für seine klaren Worte zur BürgerparkTombola dankbar. Ich fand die rechtfertigenden Worte zum Niedriglohn in diesem Bereich schwach, um einmal höflich zu bleiben. Spenden gibt man bekanntlich gern und freiwillig. Das andere war damals der Zehnt an den Lehnsherrn.
Wir werden zum Gesetzentwurf den nötigen parlamentarischen Prozess einleiten, in dessen Verlauf, so viel ist gewiss, viel von der sozialen Realität sichtbar wird, sicherlich auch viele Probleme. Wir werden diesen Prozess verantwortlich und mit den Betroffenen gemeinsam durchführen.
Noch ein Wort zur Höhe des Mindestlohns und damit auch zum Änderungsantrag der LINKEN! Wir orientieren uns mit den 8,50 Euro an der gegenwärtigen Debatte zum Mindestlohn. Wir sind damit im Einklang mit den Sozialverbänden und dem DGB, wir leiten es von der Grenze ab, von der die aufstockenden Leistungen beantragt werden können. Das halten wir für den Beginn zum jetzigen Zeitpunkt auch für richtig. Natürlich kann man immer noch mehr darauflegen. DIE LINKE war konsequent, sie sagt im Antrag, auf halbem Weg stehengeblieben. Darauf würde ich sagen, dann wären 17 Euro der richtige Mindestlohn, weil es genau das Doppelte des halben Weges ist. Wir halten es für richtig, dass wir uns der Position anschließen, die gegenwärtig mit den Sozialverbänden und dem DGB diskutiert wird, und sie in ein Gesetz umsetzen. Sie ist auch begründbar und ableitbar. Wir wollen die Entwicklung der Landesmindestlohnkommission überlassen, die wir mit Vertretern der Tarifvertragsparteien besetzen, denn in der Tat verstehen sie am meisten davon, wie es dann weiterzugehen hat. Meine letzte Bemerkung deswegen auch dazu! Die Tarifautonomie ist in der Tat ein hohes Gut, und wir werden sie nicht schleifen, mit einem gesetzlichen Mindestlohn schon gar nicht. Im Gegenteil, wir wollen starke Gewerkschaften, und wir wollen auch starke Arbeitgeberverbände. Wir wollen, dass die Menschen ihr Schicksal in der Frage, wie sie behandelt werden und ihre Tarifverträge gestalten, selbst in die Hand nehmen. Tarifautonomie setzt aber gleiche Augenhöhe voraus, Tarifpartnerschaft, wie sie der CDU-Antrag noch einmal beschreibt, ebenso! Das Bundesarbeitsgericht hat übrigens im Zusammenhang mit der Arbeitskampffähigkeit der Gewerkschaften in einem richtungsweisenden Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass Verhandlungen ohne die Möglichkeit, Druck auszuüben, so zu sehen seien wie kollektives Betteln, nachzulesen in einem Urteil vom Anfang der Siebzigerjahre. Ich glaube, diese Einschätzung trifft für große Bereiche, in denen heute versucht wird, Tarifverträge ohne die nötigen Voraussetzungen zu verhandeln, zu. Es gibt Bereiche, die frei von Tarifbindungen der Arbeitgeber sind. Sie sind auch kaum gewerkschaftlich organisiert. Dort greifen mangels Tarifverträgen auch kaum noch die Regelungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Dort muss der Gesetzgeber reagieren. Das muss eigentlich auf Bundesebene geschehen. Das wollen wir auf Landesebene machen. Deswegen sagen wir auch, wir lehnen den Antrag der CDU zu diesem Punkt ab und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein allgemeingültiger Mindestlohn, der eine absolute Lohnuntergrenze darstellt, Beschäftigte vor Armutslöhnen schützt und für faire Wettbewerbsbedingungen sorgt, ist elementare Grundlage sozialer Gerechtigkeit. Das war Grundlage der gemeinsamen Unternehmung von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, Ihnen hier heute ein Landesmindestlohngesetz vorzulegen, und darüber wollen wir heute reden. Das gilt natürlich und ohne Einschränkung auch für die Beschäftigten und Unternehmen im Land Bremen. Ein gesetzlicher Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze, das wissen wir, ist generell auf Bundesebene zu regeln. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung, der Gewerkschaften, zunehmend der Arbeitgeber, der Wissenschaftler, der Abgeordneten, der Ministerien quer durch die Bundesländer und den Bundestag sprechen sich zunehmend für einen flächendeckenden Mindestlohn aus. Selbst die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft – das konnten wir vor Kurzem auch im „Weser-Kurier“ lesen – und Bundesminister Niebel von der FDP sind dafür. Verfolgt man die Debatten, so geht es nicht mehr darum, ob wir einen Mindestlohn einführen, sondern vielmehr darum, wie ein Mindestlohn eingeführt wird, der den sozialen und den wirtschaftlichen Anforderungen in diesem Land gerecht wird. Die in der Bundes-CDU – der Eindruck entsteht auch, wenn man den Dringlichkeitsantrag der CDU liest – diskutierten Vorschläge, die Mindestlöhne auf tarifliche Vereinbarungen zu beschränken, lösen aber nicht das Problem. Im Gegenteil, es würde ein Flickwerk mit vielen Schlupflöchern bleiben.
Um dieses Beispiel, das man immer findet, auch hier noch einmal zu nennen: Die Frisörin in Sachsen verdient auch weiterhin weniger als drei Euro in der Stunde, alles tariflich vereinbart, weil die Tarifbindung nicht aufgehoben werden soll und das nicht einmal sittenwidrig ist, da nur sittenwidrig ist, was ein Drittel unter dem tariflichen Lohn liegt. Es kann sich jeder selbst ausrechnen, wie wenig es dann sein dürfte. In Sachsen sind es bei der Frisörin übrigens knapp zwei Euro, nur um das einmal nachzurechnen. Die Debatten der letzten Wochen im Bundestag und im Bundesrat zeigen aber bei allem, was sich gesellschaftlich tut, allzu deutlich, dass ein allgemeiner, flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn mit dieser Bundesregierung nicht funktionieren wird. Das ist nicht einfach nur schade, das ist für uns unsozial und ungerecht.
Kernpunkt sozialer Gerechtigkeit ist, dass derjenige, der Tag für Tag und Woche für Woche arbeitet, auch
vom Lohn dieser Arbeit leben kann. Bündnis 90/Die Grünen und die SPD können sich sicher sein, dass die Mehrheit der Bremer und Bremerhavener Bevölkerung für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sind. Das zeigen auch kleine Umfragen in den letzten Wochen. Natürlich wäre uns Grünen eine bundeseinheitliche Lösung, eine gesetzliche Lohnuntergrenze für alle abhängig Beschäftigten und für Unternehmen in Deutschland zu schaffen, sehr viel lieber gewesen. Solange dies aber nicht möglich ist oder scheint, will Rot-Grün im Land Bremen so weit wie möglich seinen Gestaltungsspielraum nutzen und heute in erster Lesung ein bremisches Landesmindestlohngesetz verabschieden. Wir wollen, dass dort, wo öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, faire, auskömmliche Löhne gezahlt werden. In Bremen wurde dies im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung und bei der Auftragsvergabe unterhalb der europaweiten Ausschreibung bereits umgesetzt. Um auch der Verwunderung gleich zu begegnen, die die CDU in ihrer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht hat, was die geringfügig Beschäftigten in senatorischen Behörden, Sonderhaushalten und so weiter erhalten: Wenn man einmal ausrechnet, was dort für Löhne gezahlt werden, dann kommt man zum Beispiele auf 19,28 Euro die Stunde, die den geringfügig Beschäftigten bei Eigenbetrieben, Museumsstiftungen et cetera gezahlt werden, und bei Betrieben mit mindestens 50 Prozent Beteiligung sind es 11,64 Euro, also weit über 8,50 Euro und sogar über der Forderung der LINKEN von zehn Euro. Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf weiten wir die landesgesetzlich möglichen Handlungsfelder für einen Mindestlohn aus, das wissen wir. Beispiele dafür sind die zur Verfügungstellung öffentlichen Raums oder die Gewährung von Zuwendungen an Dritte durch öffentliche Mittel im Land Bremen. Wir wissen, dass wir mit diesem Gesetzesvorschlag auch hier wieder politisches Neuland betreten werden. Wir haben vorab auch schon zugesichert, dass wir eine umfangreiche Anhörung durchführen werden, die in der Deputation für Arbeit, Wirtschaft und Häfen stattfinden wird. Es wird an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch Änderungen, Präzisierungen oder Umformulierungen geben. Wir freuen uns zumindest auf diesen Prozess und bitten Sie um Zustimmung in dieser ersten Lesung. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
unterstützen die Einführung eines Landesmindestlohns uneingeschränkt, wir finden das vollkommen richtig! Das ist eine Forderung, die wir schon lange hatten, insofern begrüßen wir ihn und finden es gut, dass er eingeführt wird.
Ich brauche hier nicht noch einmal alles wiederholen! Es ist richtig, mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen, unserem Niedriglohnsektor et cetera stehen wir gerade in Bremen mit einem ausgesprochen großen Anteil da. Insofern ist es richtig! Es ist auch richtig, dass es in 20 europäischen Ländern bereits einen Mindestlohn gibt, und das sind letztendlich auch Länder, die deswegen nicht in ihrer wirtschaftlichen Schaffenskraft beeinträchtigt worden sind. Es ist beispielsweise total spannend, dass es in Frankreich ein Achtel der Beschäftigten betrifft. Insbesondere sind es hier Frauen, ethnische Minderheiten und diejenigen, die praktisch im Nahrungsmittelbereich, für häusliche Dienstleistungen und Ähnliches angestellt worden sind, die davon profitieren. Es ist letztendlich so, dass der Mindestlohn insofern auch eine Frauenfrage und eine Frage von antirassistischer Lohnpolitik ist. Deshalb können wir dort nur hundertprozentig zustimmen!
Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist der Vorwurf der CDU, es sei reine und blanke Symbolpolitik. Das möchte ich an dieser Stelle ganz entschieden zurückweisen. Das ist der erste Ansatz, und was Sie sagen, ist letztendlich vollkommen falsch.
Ich finde es gut, dass Bremen so etwas einführt. Ich finde es sehr gut, dass wir dort praktisch auch die Ersten sind, und ich bestätige nur, dass es gerade als Landesmindestlohngesetz ein wichtiger Schritt ist. Es ist ja kein flächendeckender Mindestlohn, den wir hier einführen, sondern ein Landesmindestlohn, der natürlich auch gewisse Einschränkungen hat. Es ist aber trotzdem etwas, das für die eine oder andere nicht nur faktisch mehr Lohn im Geldbeutel bedeutet, sondern es hat auch eine wichtige Signalwirkung. Darauf bin ich wirklich ganz stolz, dass wir es hier zuwege bringen.