Auch an dieser Aussage, an dieser Untersuchung, kommen Sie nicht vorbei. Dies findet im Übrigen im internationalen Vergleich seine Entsprechung: In den USA sind dazu auch Erhebungen und Untersuchungen gemacht worden, die ergeben, dass es keine Auswirkung auf die Beschäftigungssituation hat.
Im Übrigen ist es ja auch völlig unlogisch. Glauben Sie denn, dass unsere privaten Postdienstleistungen, bei denen gegenwärtig in erheblichem Maß unter 8,50 Euro gezahlt wird, durch polnische oder usbekische private Postdienstleitungen verdrängt werden oder wo sie sonst herkommen würden? Das ist doch völlig unrealistisch! Sie werden dadurch nicht verdrängt. Dies ist auch in diesem Fall selbst im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums herausgearbeitet worden.
Letzte Bemerkung zu der Frage und der Rolle der Tarifverträge! Wir reden nicht – das möchte ich auch ganz deutlich sagen – über das Ersetzen des Tarifvertragswesens durch gesetzlich verordnete Löhne, wir reden über eine Untergrenze, von der wir sagen, dass darunter nach einem gesellschaftlichen Diskurs und abgeleitet aus einer ökonomischen und sozialpolitischen Betrachtung nichts geht. Was die Tarifvertragsparteien oberhalb dessen machen, bleibt unangetastet und muss unterstützt werden, das müssen sie selbst machen.
Dabei bleiben wir, das werden wir ihnen nicht aus der Hand nehmen, das ist unser fester Wille, und das ist auch ihr Auftrag.
Damit will ich auch noch einmal etwas zu Frau Bernhard sagen! Das Problem ist dabei nicht nur die Höhe. Ich kann auch 12,50 Euro irgendwie ableiten, das ist überhaupt kein Problem, auch dazu gibt es vergleichende Untersuchungen, die Argumentation findet man. Darüber sollten wir auch nicht polemisieren. Was ich falsch finde, ist zum Beispiel zu sagen, wir müssen die Höhe des Mindestlohns an die Frage knüpfen: Was habe ich, wenn ich mein Leben lang Mindestlohn bekomme, als Rente? Im Übrigen verweise ich Sie auf den richtungsweisenden Aufsatz von Herrn Dr. Johannes Steffen von der Arbeitnehmerkammer zu dem Thema Ihrer Forderung von zehn Euro und den Auswirkungen auf die Rente. Es ist wirklich lesenswert, noch einmal nachzuvollziehen, warum er dort zum Beispiel zu der Feststellung kommt, dass es ein bisschen unsinnig ist.
Ich glaube, es ist auch perspektivisch falsch zu sagen, ich verdiene mein Leben lang nur den Mindestlohn, und daraus leitet sich auch meine Rente ab. Nein, wir müssen doch die Menschen in den Arbeitszusammenhängen, in denen sie sind, darin bestärken, dass sie sich sowohl individuell als auch kollektiv weiterentwickeln.
Ein Leben lang vom Mindestlohn abhängig zu sein, ist nicht unsere Vorstellung, sondern unsere Vorstellung ist in der Tat, dass die Menschen sich dann im Zweifel auch zu Koalitionen zusammenschließen, wie es im Grundgesetz steht, und sich mit ihren Arbeitgebern im Rahmen der Tarifautonomie auf der Basis einer unteren Grenze zusammensetzen und auch darüber reden, wie es nach oben weitergeht, sowohl individuell als auch kollektiv. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kastendiek, weil Sie Zahlen genannt haben und Zahlen ja auch immer an der einen oder anderen Stelle ein Je-nachdem-wie-man-will-Bild entwickeln, ich glaube, dass es trotz wachsendem Niedriglohnsektor, den Sie nicht erwähnt haben, überhaupt nicht sein kann, dass wir mit einem hohen Frauenanteil uns dauerhaft einem Mindestlohn als wirkliche Lohnuntergrenze verweigern können. Das funktioniert nicht! Das können wir nicht machen!
Es geht auch nicht darum, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, eine Differenzierung nach Branchen und Regionen vorzunehmen, weil genau das wieder Tür und Tor dafür öffnet, dass man in Mindestlohnbereichen, in denen auch und vor allem Frauen tätig sind, unter eine Lohnuntergrenze kommt, die Sie dann auch noch gesetzlich bestätigt bekommen. Das wollen wir nicht!
Da Sie Zahlen genannt haben: Ich habe das soeben schon erwähnt, heute arbeitet bereits jede fünfte vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin im Niedriglohnbereich. Was heißt das? Im Jahr 2009 erhielten 3,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland weniger als sieben Euro pro Stunde. Rund 1,2 Millionen Beschäftigte bekamen sogar einen Stundenlohn von fünf Euro, Herr Kastendiek. Diese Entwertung von Arbeit mit ihren katastrophalen Folgen für die Betroffenen und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R u p p [DIE LINKE]: Und wer hat es erfunden?)
Ich will noch ein bis zwei Sätze und Bemerkungen zu Ihrem Antrag machen! Sie schreiben im Vorspann: „Die weitaus meisten Erwerbstätigen, rund 70 Prozent, sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.“ Der Anteil an sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen ist mit 70 Prozent immer noch viel zu gering, das hätte dort stehen müssen. Als Konsequenz daraus resultieren nämlich die Aufstocker, die Frauenarmut, die Altersarmut und so weiter. Das beschreiben Sie aber überhaupt nicht in Ihrem Antrag.
Ein zweiter Punkt! Es gibt Branchen, in denen es keine funktionierende Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gibt und in denen teilweise Niedriglöhne gezahlt werden, die mit der sozialen Marktwirtschaft unvereinbar sind. Dabei verkennen Sie in Ihrem Antrag, Herr Kastendiek und liebe CDU, dass der Anteil an Niedriglohnempfängern im Land Bremen so hoch ist. Sie tun so, als wäre es ein zu vernachlässigendes Problem. Genau das ist es nicht, und darum braucht es eine absolute Lohnuntergrenze! Wenn Sie das nicht nachvollziehen können, empfehle ich Ihnen, noch einmal die Auflistung zu den Aufstockerzahlen, die wir hier auch debattiert haben, zu lesen, darin finden Sie alle Zahlen.
Dann komme ich zu Ihrem Beschlussteil! Unter Punkt 2 Ihres Beschlussteils steht, der Senat solle sich auf Bundesebene für die Einführung einer verbindlichen Lohnuntergrenze einsetzen. Wer die Protokolle des Bundesrates liest, weiß, dass das Land Bremen sich zusammen mit Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg für eine Mindestlohninitiative eingesetzt hat
Herr Kastendiek, das ist die Wiederholung der Wiederholung. Wenn Sie tatsächlich dafür sind, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, dann telefonieren Sie doch mit den anderen Bundesländern! Dies hätten Sie doch vorher tun und damit unseren Senat, der hier sitzt, unterstützen können.
Sie schreiben in Punkt 2 b: „Die Höhe der Lohnuntergrenze sowie gegebenenfalls vorzunehmende Differenzierungen nach Branchen und Regionen sol
len durch eine paritätisch besetzte Kommission der Tarifvertragsparteien festgelegt und regelmäßig überprüft werden. Eine politische Einflussnahme auf den Prozess muss ausgeschlossen sein.“ Was bedeutet denn das? Sie sagen unter Punkt 2, ja, wir wollen, dass sich der Senat für eine verbindliche Lohnuntergrenze einsetzt, gleichzeitig schreiben Sie aber, es sind noch Differenzierungen vorzunehmen. Der Maler oder der Paketlieferer verdient nicht so viel, weil das in seinem Tarifgefüge nicht wiederzufinden ist. So, meine Damen und Herren, kann man keine Politik machen! Wir glauben, dass es richtig ist, eine absolute Mindestlohngrenze einzuführen. Wenn jemand mehr zahlt, dann freuen wir uns darüber, wenn jemand sagt, es ist nach den Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft zu verantworten, dies bei der Höhe zu belassen, ist das auch in Ordnung. Es gibt aber eine Sicherheit für die Menschen in dem Mindestlohnbereich! – Vielen Dank!
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich recht herzlich auf dem Besucherrang zwei neunte Klassen der Edith-Stein-Schule aus Bremerhaven. Seien Sie ganz herzlich willkommen!
Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Sie nun schon nicht finden, dass es vielleicht den Einzelnen besser gehen sollte, müsste der CDU doch zumindest nachvollziehbar sein, dass es wirklich eine ökonomische Frage von eminenter Bedeutung ist, und zwar der Punkt, dass man sagt, dieser Staat kann doch nicht Milliarden Euro investieren, um tatsächlich Kombilöhne mehr oder weniger mitzufinanzieren. Das ist doch das, was hier passiert, und das halte ich für falsch! Das andere ist, dass wir inzwischen erkannt haben, dass die Binnennachfrage doch wirklich extrem hinter dem zurückhängt, was wir eigentlich brauchen. Insofern ist es doch eine rein wirtschaftliche Überlegung zu sagen, wir brauchen diese Mindestlöhne. Dies ist doch letztendlich nicht so kompliziert nachzuvollziehen. Das andere ist, es ist doch keine Symbolfrage, ob jemand praktisch 6,50 Euro verdient oder tatsächlich zwei bis drei Euro mehr. Die Menschen müssen davon leben können. Ich bin sehr dankbar über den Einwurf der Grünen, die dies hier auch zum frauenpolitischen Thema machen – das ist ja nicht immer das, was man als ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Erstes erwarten muss, dies muss ich hier in diesem Zusammenhang wirklich einmal anerkennen –, denn sie sind diejenigen, die es letztendlich brauchen, völlig klar und eindeutig! Wir haben eine Entwicklung, die genau an diesen Gruppen mehr oder weniger spart und die das mehr oder weniger auch ausgebeutet und ausgenutzt hat.
Es ist richtig, die Gewerkschaften sind in Teilen ziemlich schwach. Wir haben vor 20 Jahren einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und Tarifgemeinschaften von 70 Prozent gehabt, jetzt sind es 50 Prozent! Das ist eine ganz unsäglich schlechte Entwicklung, das stimmt! Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir uns mehr oder weniger in einem Zeitalter der prekären Beschäftigung befinden mit Niedriglöhnen und unbefristeten Minijobs. Die Menschen haben durch Hartz IV und die Zumutbarkeitsgrenzen, die wir inzwischen eingeführt haben, nicht gerade Vertrauen gewonnen, die Angst ist durchaus groß, und wir haben einen hohen Anteil an Menschen, die sich gar nicht mehr trauen, in irgendeiner Weise Widerstand zu formieren, das kennt man doch inzwischen aus den Betrieben.
Dann gibt es die anderen Branchen, die es letztendlich, weil sie sehr hoch qualifiziert sind, auch nicht mehr nötig haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Diese beiden Zusammenhänge sind keine besonders positiven Entwicklungen. Wenn wir jetzt sagen, dass wir die Tarife, die wirklich am Existenzminimum noch unterschritten werden, möglichst noch so belassen sollen, dann finde ich das indiskutabel. Das sind selbstverständlich das Gaststättengewerbe, die Friseurinnen et cetera. Wovon müssen die denn leben?
Ich möchte noch einmal zu den 8,50 Euro zurückkommen! Ich frage mich umgekehrt ernsthaft: Wie leiten Sie denn Ihre 8,50 Euro ab? Es ist ja nicht so, dass wir hier irgendwelche Mondzahlen in die Runde werfen, sondern tatsächlich internationale Vergleiche und Studien ausgewertet und unsere Zusammenhänge ausgerechnet haben. Ich muss auch zum Kollegen Reinken sagen,
selbstverständlich habe ich mir das von Herrn Dr. Johannes Steffen angesehen. Es gibt in seiner Arbeit auch den interessanten Satz: „Ein allgemeiner Mindestlohn bildet somit eine zwar notwendige, aber im Zeitverlauf längst noch keine hinreichende Bedingung für eine in Zukunft armutsfeste Rente“. Das kann ich nur unterstützen! Es gibt sehr viele andere Bedingungen und Effekte, die dort hineinwirken. Wenn wir aber heute schon ausrechnen können, wo die Menschen mit 8,50 Euro aktuell stehen, dass sie sich nämlich damit kaum etwas leisten können, und dass das nicht armutsfest ist, dann werden wir das auch perspektivisch nicht hinbekommen. Ich finde, dann sollte man
das von vornherein mit einbeziehen und ehrlicherweise auch sagen, dieser Wert ist eigentlich schon überholt. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir fiel vorhin bei den Äußerungen der Kollegen Reinken und Willmann ein Satz, eine Aufforderung meines alten Grundschullehrers ein, der sagte: Lesen heißt lösen.
Ich ergänze, wenn man es dann auch noch versteht, dann begegnet man einem Problem doch vielleicht etwas anders, als wenn man seine Vorurteile und Scheuklappen in Debattenbeiträgen nicht ablegt.
Herr Willmann, wenn Sie sagen, unsere Aufforderung an den Senat hätte der Senat schon in verschiedenen Debatten des Bundesrates erfüllt, dann mag das so sein, dass der Senat sich im Bundesrat dafür eingesetzt hat. Ich kann das nicht genau sagen, weil ich mir ehrlicherweise nicht die Protokolle der Bundesratssitzungen abends bei einem Glas Wein vor dem Fernseher durchlese, dort habe ich irgendwie spannendere Sachen vor mir.
Wenn Sie aber den Unterschied nicht verstehen, was wir mit allgemeinen Lohnuntergrenzen meinen und wo der Unterschied zwischen Lohnuntergrenzen und dem gesetzlichen Mindestlohn ist, dann finde ich, sollten Sie sich ehrlicherweise hier auch nicht melden, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Reinken, Sie haben ja noch einmal das Gutachten der Prognos AG im Auftrag der FriedrichEbert-Stiftung genannt. Übrigens finden sich die Zahlen, was die Problematik Bremen angeht, hier wieder. Wie gesagt, es sind andere Zahlen als die, die Sie und Herr Willmann hier präsentiert haben. Ich will jetzt nicht in den Streit eintreten, welches Gutachten welcher Statistiker richtig ermittelt hat. Ich dachte mir, Mensch, ein Gutachten der FriedrichEbert-Stiftung müsste zumindest bei den Sozialdemokraten auf Akzeptanz stoßen, aber auch da gilt, was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Es wird aber in der Einleitung eindeutig darauf hingewiesen, Herr Reinken, auch das hätten Sie dann seriöser Weise in ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
dem Zusammenhang zitieren müssen. Sie haben gesagt, dass die fiskalischen Effekte in den Ergebnissen der Prognos-Studie so hoch sind. Auf Seite sieben, wenn Sie gerade einmal nachblättern mögen, wird dann aber auch festgehalten, dass die Quantifizierung oder Modellierung von Beschäftigungswirkungen der zu betrachtenden Mindestlöhne nicht Gegenstand dieses Gutachtens war. Das heißt, man hat einfach unterstellt, dass es weder positive noch negative Beschäftigungseffekte gibt. Sehr viele andere Experten sagen aber – der Sachverständigenrat, ich habe es zitiert –, gerade in den Ergebnissen und Vergleichen aus Frankreich wird es negative Beschäftigungseffekte haben, und daher treten diese fiskalischen Effekte, die Sie hier behaupten, nicht ein. Dies noch einmal zur Klarstellung der Diskussion beziehungsweise der Fakten! Ich will auf Herrn Willmann jetzt nicht weiter eingehen! Wenn Sie oder Herr Reinken sagen – ich weiß nicht, wer von Ihnen beiden es war –, wenn es in Bremen kein Problem ist, dann dürfte das doch mit den finanziellen Belastungen – –. Solch eine Milchmädchenargumentation! Damit tun Sie dem Sachverstand und auch dem Intellekt der Zuhörenden wirklich keinen Gefallen. Die Tatsache, dass wir es in Bremen vielleicht so nicht als gesellschaftliches Problem haben, heißt doch noch lange nicht, dass Ihre gesetzlichen Vorschläge keine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt haben. Ich erwarte von einer seriösen Haushalts- und Regierungspolitik, dass Sie, wenn Sie hier ein Gesetz einbringen, das finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt haben kann, diese auch benennen und sagen, wie es finanziert werden soll. Das ist das Mindestmaß an Seriosität für Haushaltspolitik. – Herzlichen Dank!