Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Scheint nicht jeder mit- bekommen zu haben!)

Dass man für eine solche Politik bei der Opposition dieses Hauses nicht unbedingt Beifall erntet, ist völlig klar. Den einen wird zuwenig gespart und an der falschen Stelle, den anderen – davon gehe ich aus – wird viel zu viel gespart, aber das, was gespart wird, natürlich auch an der falschen Stelle. Es mag das Vorrecht der Opposition sein, oder manche mögen es dafür halten, dass man Kritik äußert. Kritik darf man äußern, gestalten ist schwieriger.

Herr Röwekamp, ich habe mir noch einmal die Mühe gemacht, nachdem Sie das Parlament ja nicht wissen lassen wollen, was die CDU in diesem Haushalt eigentlich anders machen möchte, Ihren Haushaltsantrag anzusehen. Wer sich Ihren Haushaltsantrag ansieht – dazu kommen wir ja, glaube ich, noch einmal in der zweiten Runde –, stellt fest, dass Sie darin nur aufführen, dass unser Haushalt zurückgewie

sen wird und neu vorgelegt werden soll, aber Sie fordern keine einzige Alternative, Sie machen keinen einzigen Vorschlag. Es ist schwer, sich so mit der Opposition auseinanderzusetzen. Da das Internet aber nicht vergisst, habe ich noch einmal lange auf Ihre Internetseite geschaut, was die Vorschläge der CDU zur Haushaltverbesserung in Reihenfolge sind. Ich lese es einmal vor!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da geht er gleich!)

Herr Kollege Röwekamp hat ja große Dinge erzählt über die Alternativen der CDU in der Haushaltsgestaltung. Ihre Vorschläge in Rangfolge lauten wie folgt: eine Parlamentsverkleinerung, großartig, wenn man die verfassungsrechtliche Lage dieses Bundeslandes kennt, weiß man genau, wie viel sich davon realisieren lässt! Die Fusion staatlicher Theater, großartig, wir haben zwar kommunale Theater, wie man sie fusionieren soll, wissen wir nicht! Die ehrenamtliche Führung der Ortsämter, ein unglaublicher Sparbeitrag!

(Beifall bei der SPD)

Die Durchsetzung eines Notlagentarifvertrags für den öffentlichen Dienst, die Erfahrungen von Berlin, dass das überhaupt kein Sparergebnis bringen wird, haben wir hier schon 27 Mal diskutiert! Die Fusion der Polizei in Bremen und Bremerhaven, Herr Röwekamp, bei Ihnen ist es durchgerechnet worden, als Sie noch Innensenator gewesen sind, Sie haben Abstand davon genommen!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nein, stimmt nicht! Das ist falsch!)

Diese Entscheidung gilt immer noch zu Recht, es gibt dabei überhaupt keinen wirtschaftlichen Effekt!

Weiterhin schlagen Sie die Verringerung der Studienfächer durch eine verbesserte Kooperation mit benachbarten Hochschulen und Universitäten in der Region vor. Ich glaube, die Diskussionen, die wir um den Wissenschaftsplan haben, werden in diesem Bereich etwas bringen. Dann haben Sie noch einen Punkt, Kollege Röwekamp, das ist die Bewertung der durch die Stadt und das Land gehaltenen Unternehmensbeteiligungen und gegebenenfalls die Veräußerung von Unternehmensanteilen. Dabei führen Sie wieder die Veräußerung der GEWOBA an. Das sind die Alternativen der CDU zu unserem Haushalt. Ich kann nur sagen, das nötigt mir einen unglaublichen Respekt ab.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieser Haushaltsentwurf orientiert sich an drei Marken: Die Geschäftsgrundlage dieses Haushalts

entwurfs ist der vereinbarte Konsolidierungspfad, von dem können, wollen und dürfen wir nicht abweichen. Es gibt aber zwei weitere Leitplanken. Die Leitplanken dieses Haushaltsentwurfs sind: Stärkung des sozialen Zusammenhalts und Stärkung der Wirtschaftskraft. Dieser Haushaltsentwurf stellt trotz der schwierigen Finanzlage die strukturpolitisch erforderlichen Investitionen in die Wirtschaftskraft sicher. Bremen und Bremerhaven – das haben Sie ausgeführt – brauchen eine starke Wirtschaft. Warum brauchen wir eine starke Wirtschaft? Das ist kein Selbstzweck, sondern wir brauchen diese starke Wirtschaft, um Arbeitsplätze und Steuern dauerhaft zu sichern.

Die Investitionseckwerte, die wir vereinbart haben, ermöglichen auch künftig, innovative Projekte in Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern, die Häfen zu entwickeln und Gewerbegebiete bedarfsgerecht zu erschließen. Der notwendige Ausbau des ÖPNV-Angebots, die Fortführung des Küstenschutzprogramms und die Investitionen in die CO2-Reduktion werden abgesichert. Die Investitionseckwerte im Jahr 2012 betragen 460 Millionen Euro und im Jahr 2013 468 Millionen Euro. Das heißt, wenn man einmal einen Strich darunter zieht, lässt sich das Wünschenswerte hieraus nicht finanzieren, das Notwendige geschieht. Rot-Grün setzt damit den Wirtschaftskraft stärkenden Kurs fort.

Vielleicht ist es aber einmal besser, nach draußen zu schauen, sich nicht selbst zu loben, sondern zu schauen, wie eigentlich andere bewerten, was wir hier machen. Schaut man auf die Schlagzeilen der Zeitungen in den letzten Wochen, steht da: neuer Umschlagsrekord in den bremischen Häfen, noch nie so viele Touristen in Bremen und Bremerhaven wie im letzten Jahr, Mercedes investiert eine Milliarde Euro in das Werk Bremen. Das sind natürlich Ergebnisse der guten Konjunktur, aber das sind auch Ergebnisse der bremischen Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. H i n n e r s [CDU]: Ha!)

Woran wird denn Kritik geübt, Herr Hinners?

Die CDU kritisiert unsere Entscheidung, Atomtransporte aus den bremischen Häfen zu verbannen. Als ob Atomtransporte einen überhaupt nur im Ansatz messbaren Effekt für die Wirtschaftskraft der bremischen Häfen hätten. Eine solch alberne Diskussion habe ich selten gehört.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Kritisiert wird die Einführung der Citytax. Die Einführung der Citytax ist ein sinnvolles Instrument, weil wir damit in die Stärkung des Tourismus und der Kultur investieren können und unsere Städte in diesem Bereich noch wesentlich attraktiver machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann die ständig wiederkehrende Diskussion um die Reisebusse! Mein Gott, als ob das wirtschaftliche Wohl und Wehe unserer Stadt an roten, grünen oder gelben Plaketten hängen würde. Da wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht, messbare wirtschaftliche Auswirkungen hat das alles nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es klingt da schon total verzweifelt, Kollege Röwekamp, wenn die CDU das Scheitern bremischer Wirtschaftpolitik herbeimenetekelt.

Zur Wirklichkeit der Situation in Bremen eine abschließende Schlagzeile! Das Jahr 2011 war ein erfolgreiches Jahr für die bremische Industrie, und die Auftragsbücher sind voll, auch 2012. Ehrlicherweise ist einzugestehen, dass solche Erfolge nicht nur – oder vielleicht eher nachrangig – durch die Politik verursacht werden. Diese werden durch fleißige Arbeitnehmer und kluge Unternehmer erarbeitet.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man muss sagen, wir machen das ja nicht aus Selbstzweck, wir machen das, um möglichst viele sozialversicherungspflichtige gute Arbeitsplätze zu haben. Gute Arbeitsplätze, von denen Menschen leben können, bei denen sie nicht und nicht permanent mit einem Arbeitsplatzverlust bedroht werden, sind für uns das Ziel einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die von uns initiierten, zusammen mit den Grünen getragenen, von Ihnen massiv bekämpften Gesetze, Tariftreue- und Vergabegesetz, Korruptionsregistergesetz, Landesmindestlohngesetz, dienen alle dem Zweck, dass wir zum einen unsere Unternehmen vor Schmutzkonkurrenz schützen und zum anderen Mindestarbeitsbedingungen schaffen. Ich würde mir wünschen, dass in diesem Sinne die CDU zur Stärkung der Wirtschaftskraft in die Mitte der Stadtgesellschaft zurückkehrt und an diesen Gesetzen mitwirkt und sie sich zu eigen macht. Das ist nämlich nicht sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, das ist nicht grüne Wirtschaftspolitik, sondern das ist Wirtschaftspolitik im Interesse der Menschen und im Interesse dieser Stadt, und es wäre schön, wenn Sie dabei wären.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich den zweiten Bereich ansprechen, der eine ganz wesentliche Leitplanke unseres Handelns ist: der soziale Zusammenhalt! Der soziale Zusammenhalt in dieser Stadt ist wie in vielen anderen Städten bedroht. Die Fliehkräfte zwischen denen, die haben, und denen, die nicht haben, sind zumindest in den letzten Jahren nicht kleiner geworden. Segregation, Gentrifizierung, Chancenungleichheit, all das lässt sich in vielen Großstädten Deutschlands feststellen, aber eben auch in Bremen. Ich glaube, Drehund Angelpunkt, diese Dinge anzugehen und umzudrehen, ist die gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, und der Schlüssel dazu ist Bildung, und die beginnt ganz früh. Dieser Haushaltsentwurf enthält deshalb auch zusätzlich Schwerpunktmittel von insgesamt 37 Millionen Euro. Damit wollen wir die Startchancen von Kindern und Jugendlichen verbessern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es geht um mehr Personal in Schulen und Kindertagesstätten, es geht um eine bessere Ausstattung von Krippen und Kindergärten, und es werden dafür 24 Millionen Euro zusätzlich ausgegeben. Investiv werden für Um- und Neubauten zusätzlich rund 14 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit all diesen Mitteln wird der Ausbau der Kinderbetreuung, insbesondere bei den unter dreijährigen Kindern, verbessert sowie die Sprachförderung und die Angebote für ganztägiges Lernen ausgebaut. Bremerhaven, das hat die Finanzsenatorin soeben ausgeführt, wird als ein Teil unseres Landes, der besondere Probleme hat, auch besonders unterstützt. Vier Millionen Euro für den Bereich der Betreuung der unter Dreijährigen gehen nach Bremerhaven, und das ist notwendig und sinnvoll, wenn man sich die Struktur dieser Seestadt anschaut.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich noch eine Sache ausführen! Das Gebäudesanierungsprogramm wird in den nächsten zwei Jahren auch wieder zu einem Großteil in dem Bereich Schule und Kindergarten tätig werden und dort die Bedingungen verbessern.

Herr Röwekamp, Sie haben gefragt, was denn eigentlich der große Wurf dieser Koalition sei. Diese Koalition richtet sich strikt an den drei Leitplanken aus. Sie richtet sich daran aus, den Konsolidierungsplan einzuhalten, und sie richtet sich daran aus, im Rahmen ihrer Geschäftgrundlage zu schauen: Wie können wir die soziale Spaltung bekämpfen, und wie können wir die Wirtschaftskraft stärken? Das ist in der Tat – Frau Bürgermeisterin hat es ausgeführt – die Mühe der Ebene. Das Ringen darum, ob ein Projekt 50 000 Euro bekommen kann oder vielleicht nur 30 000 Euro oder vielleicht auch gar nichts, mag nicht attraktiv sein, das sind keine einfachen Diskussionen,

das löst auch keine Begeisterung bei den Beteiligten aus. Das ist aber die notwendige Arbeit, die eine Koalition leisten muss, die sagt: Ja, wir wollen die Konsolidierung, ja, wir wollen die Wirtschaftskraft stärken, und ja, wir wollen die sozialen Bedingungen in diesem Land verbessern. Wir werden das tun. Wir haben einen klaren Kompass. Wir haben eine Idee davon, wie diese Stadt aussehen soll. Nach Ihrer Rede vermisse ich bei Ihnen Kompass, Idee und Utopie, und langsam finde ich das, was Sie hier im Parlament abliefern, bedenklich für die Entwicklung dieses Gemeinwesens.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie, Herr Röwekamp, haben sehr auf das letzte Wahlergebnis abgehoben. Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Menschen, die in Bremen die SPD und die Grünen mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen gewählt haben, sondern auch die übriggebliebenen 20 Prozent, die die CDU gewählt haben, es merken werden, mit welch unglaublich gespaltener Zunge Sie in dieser Stadt Politik machen, wenn Sie über Geld und über den Haushalt sprechen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es sind ja nicht nur wir, die das hören, dass Sie an einem Tag mehr Justizbeamte, mehr Polizei, mehr für die Schulen, mehr für die Kindergärten, mehr Investitionen, mehr für die Wirtschaft, mehr für die Kultur und mehr für alles fordern, sondern das bekommt ja draußen auch noch jemand mit. Sich dann tatsächlich hier hinzustellen und zu sagen, diese Koalition sei eine Ausgabenkoalition und sie müsse sich vor allen Dingen bei den Ausgaben einschränken, das ist wirklich nicht mehr zu vertreten, auch wenn man ein großes Herz dafür hat, was eine Opposition angesichts von einer solchen Haushaltsdebatte hier abliefern darf.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie sind gegen jede einzelne Erhöhung unserer Einnahmen. Worüber reden wir eigentlich bei einem Haushalt? Einnahmen und Ausgaben! Sie haben alle Einnahmeerhöhungen abgelehnt, und Sie fordern in fast allen Punkten eine Erhöhung der Ausgaben, und daraus wird bei Ihnen ein besser sanierter und kon––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

solidierter Haushalt als der, den die Finanzsenatorin soeben vorgelegt hat. Das müssen Sie einmal irgendjemandem erklären, wie das eigentlich gehen soll, sehr verehrter Herr Röwekamp!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S e n k a l [SPD]: Plan- los, würde ich sagen!)

Ich möchte mich zunächst auch gar nicht so sehr an dem, was Sie gesagt haben, abarbeiten. Ich möchte einmal die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Finanzbehörde zu danken, den beiden Staatsräten, Herr Strehl und Herr Lühr, dem Haushaltsdirektor, Herr Winters, und vor allen Dingen der Finanzsenatorin. Es ist bundesweit kein Job, auf den sich Leute bewerben, die glauben, dass man dadurch sehr beliebt und sehr populär werden könnte, wenn man anderen Leuten erklärt, dass kein Geld für ihre Wünsche, Hoffnungen und Ausgaben vorhanden ist. Deswegen ist es ein sehr schwerer Job.

Ich danke allen, an der Spitze der Finanzsenatorin und dem gesamten Senat, der uns hier heute als Kollegialorgan diesen Haushalt übermittelt, dass sie es geschafft haben, diese Balance erneut hinzubekommen, die ja so schwierig ist. Ich komme auch noch auf die Schwierigkeiten und auf die Risiken zu sprechen, die in diesem Haushalt stecken! Diese Balance zwischen dem Einhalten des Pfades, dass wir unsere Verschuldung zurückführen wollen, und dem „In-die-Hand-Nehmen“ von Geld für die ganz wichtigen Dinge, was Sie zum Beispiel völlig vergessen haben, nämlich für unsere Kinder in den Kindergärten und in den Schulen, ist ein erneutes Mal gelungen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Man muss außerdem dazu sagen, dass dieser Senat es in der Zusammenarbeit der Senatorinnen und Senatoren geschafft hat, sich darauf zu verständigen, nicht den Weg über Schattenhaushalte, über versteckte Kosten oder über in irgendwelchen Ecken eines Haushaltes versteckte Mittel zu gehen. Es ist ein Haushalt, der komplett transparent ist, der mit Offenheit das alte Haushaltsprinzip „Klarheit und Wahrheit“ ganz nach vorn stellt und der das, was in Bremen lange Zeit auch üblich war, ganz klar gemeinsam zurückweist, nämlich dass wir versuchen, uns selbst, unsere Bürger und diejenigen draußen im Bund darüber zu täuschen, was wir tatsächlich ausgeben, indem wir Mittel in Schattenhaushalten verstecken. Auch das ist eine Errungenschaft dieser Koalition aus SPD und Grünen, dass wir einen solchen Haushalt vorlegen. Auch darauf bin ich sehr stolz, dass das in diesem Haushalt wieder weitgehend gelungen ist.