Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/308, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Herr Senator Dr. Lohse, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir sogleich in die Aussprache eintreten können.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute die Mitteilung des Senats zum Thema umweltfreundliches Bestattungswesen
im Land Bremen. Lassen Sie mich zunächst einen Satz zur Anfrage und ihrem Hintergrund vorwegschicken, denn das Thema mutet vielleicht bei dem einen oder anderen erst einmal etwas exotisch an!
Diese Anfrage wurde in enger Absprache mit Bestattern und Umweltinitiativen erarbeitet, und für uns Grüne sind hierbei zwei Aspekte wichtig: Es geht uns um den respekt- und pietätvollen Umgang mit den Verstorbenen und um die Frage, wie das Bestattungswesen umweltfreundlicher gestaltet werden kann.
Sicherlich steht bei dem Verlust eines geliebten Menschen ganz klar die Trauer im Vordergrund. Sehr viele Menschen machen sich aber auch ganz genaue Gedanken darüber, wie die Trauerfeier gestaltet werden soll und wie und wo sie oder ihre Angehörigen bestattet werden wollen. Es gibt einen deutlichen Trend hin zu individuellen, aber auch umweltfreundlichen Bestattungen. In anderen Ländern ist man hier schon sehr viel weiter, wie zum Beispiel in Großbritannien, wo es eine richtige Green-Funeral-Bewegung gibt. Andere Städte und Kommunen diskutieren dieses Thema genauso wie wir heute in Bremen, so zum Beispiel Osnabrück.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, DBU, beschäftigt sich auch mit diesem Thema und untersucht in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern die Stofftransporte in Friedhofsböden, weil klar ist, dass Quecksilber- oder Medikamentenrückstände dort in den Boden oder das Grundwasser gelangen können. Diese Ergebnisse sollen dabei helfen, Alternativen für eine umwelt- und gesundheitsschonende Bewirtschaftung von Friedhofsflächen zu entwickeln. Nicht zuletzt gibt es hier in Bremen eine große Messe, die Messe „Leben und Tod“, oder auch Schülerprojekte mit einer Ausstellung, die sich jüngst mit dem Thema Sterben und Tod beschäftigt haben.
Ich möchte die Anfrage in drei Punkte aufgliedern: erstens, umweltfreundliche Bestattung und umweltfreundliche Materialien, zweitens, umweltfreundliche Friedhöfe, und drittens, die Aufhebung des Friedhofzwangs.
Zu den umweltfreundlichen Bestattungen! Die Friedhofsgesetzgebung in Bremen, die vor einiger Zeit reformiert wurde, schreibt vor, dass nur umweltverträgliche Materialien in Särgen, Urnen und Totenkleidung verwendet werden dürfen, die innerhalb der Totenruhe verrotten, und das, meine Damen und Herren, ist gut. Bei allem Respekt und der gebotenen Pietät den Verstorbenen gegenüber, es lässt sich nun einmal nicht leugnen, dass es auch Umweltprobleme im Bereich des Bestattungswesens gibt.
Ein wesentliches Problem ist, wie in unzähligen Internetbeiträgen von Wissenschaftlern beschrieben, die Quecksilberkontamination aus Krematorien. Laut dem Bundesverband Deutscher Bestatter gibt es in
Deutschland erst seit dem Jahr 1996 gesetzlich vorgeschriebene und überwachte Messungen der Abgase aus Krematorien, wobei die Abgasverordnung keine Grenzwerte für Quecksilber, das bei der Verbrennung von Amalgamfüllungen – viele haben ja nach wie vor Amalgamfüllungen – freigesetzt wird, vorschreibt. Der Mitteilung des Senats entnehmen wir, dass bei der freiwilligen Untersuchung – und ich finde es gut, dass in Bremen freiwillige Untersuchungen gemacht werden – die Quecksilberkonzentration 3,1 bis 5,7 Mikrogramm pro Kubikmeter betrug. Diese Konzentration ist höher als der zulässige Grenzwert für Quecksilber von 0,05 Mikrogramm pro Kubikmeter, der in der 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgelegt worden ist. Sicherlich sind, und das ist auch ein gutes Ergebnis, in den bremischen Krematorien Filteranlagen eingebaut, und sicherlich sind die Frachten nicht so hoch wie in anderen Ländern, das ist sehr positiv. Die letzte Untersuchung fand im Jahr 2004 statt, und ich denke, wir sollten uns darum kümmern, dass in Bremen regelmäßig die Quecksilberkonzentration in den Krematorien gemessen wird.
Zudem rege ich an, dass bei einer Modernisierung der Krematorien in Bremen darauf geachtet werden muss, dass auch hier im Land Bremen Pappsärge eingeäschert werden können. Sie sind umweltfreundlich, kostengünstig – die Kosten spielen bei vielen Menschen auch eine Rolle – und müssen derzeit von Bremen zum Beispiel nach Stade in die Krematorien gebracht werden. Ich möchte, dass dies in Zukunft in Bremen, wie in vielen anderen Städten und Krematorien, auch möglich ist. Der nächste Punkt, die Friedhöfe! Aufgrund der Vielzahl der Urnenbestattungen in Bremen – wir entnehmen dem Bericht, es sind mehr als 80 Prozent – wird es in Zukunft mehr Friedhofsfläche geben, als eigentlich benötigt wird. Ich habe den Anspruch, dass ein Konzept erstellt wird, was mit diesen Flächen passieren soll. Ich bin dafür, dass diese Flächen ökologisch aufgewertet und bepflanzt werden, denn Friedhöfe sind Plätze der Ruhe, Plätze des Gedenkens, aber sie sind auch Plätze der Naherholung und der Biodiversität. Der dritte Punkt! Wenn wir den Wunsch nach individuellen Bestattungen ernst nehmen, so kommen wir auch hier in Bremen nicht daran vorbei zu diskutieren, ob wir den in Bremen festgelegten Friedhofszwang aufheben. Viele Menschen wollen zum Beispiel in Friedwäldern bestattet werden. Das ist in Bremen derzeit nicht möglich. Wer das möchte – der nächste Friedwald ist in Hude –, muss in das niedersächsische Umland gehen. Wenn wir über die Würde eines Verstorbenen reden, dann sollten wir auch den individuellen Wunsch des Bestattungsortes des Verstorbenen respektieren.
Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder Europas und, wenn ich mich nicht irre, sogar weltweit, in denen es aufgrund des im Jahr 1934 verabschiedeten Feuerbestattungsgesetzes nur an bestimmten dafür vorgesehenen Orten möglich ist, bestattet zu werden. In allen anderen Ländern ist es sehr viel liberaler geregelt. Ich glaube, es ist dringend an der Zeit, auch hier in Bremen eine Liberalisierung vorzunehmen, denn nichts ist unwürdiger – und auch darüber gibt es eine Unmenge von Zeitungsberichten, zum Beispiel auch im „Spiegel“ –, als die Asche des Verstorbenen auszuführen und dann wieder illegal in das Land einzuführen, um dem Wunsch des Angehörigen Folge zu leisten, woanders als auf dem Friedhof bestattet zu werden.
ich komme zum Schluss! –, wie zukünftig Friedhöfe und Krematorien noch ökologischer gestaltet werden können und der Friedhofszwang aufgehoben werden kann beziehungsweise individuelle Bestattungen ermöglicht werden können. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, dass ich zunächst Probleme gehabt habe, mich diesem Thema zu nähern. Es liegt vielleicht daran, dass auch ich mich ungern mit dem Thema Tod und Sterben und allem, was damit zusammenhängt, beschäftige. Es liegt sicherlich auch daran, dass ich gerade Tod, Sterben, Bestattungswesen – gerade dieses Bestattungswesen – bislang eigentlich immer überwiegend in einer kulturellen Perspektive gesehen habe, unter dem Blickpunkt des Rituals des Abschiednehmens, des Rituals des Trauerns, und das alles eingebettet in eine Kultur der Pietät.
Wenn man es unter diesem Blickwinkel betrachtet, wundert es natürlich nicht, dass solche Fragen, wie sie in der Großen Anfrage gestellt worden sind, auch erst einmal verstören und stören, gerade wenn sie so weit gehen, nach Laugenzersetzung oder Kompostierung zu fragen. Dann kommt natürlich sehr spontan der Eindruck auf, dass hier eine Grenze überschritten werden könnte, die den Respekt und die Pietät betrifft, und es schleicht sich möglicherweise auch der Verdacht ein, dass hier dem Imperativ des Um
weltschutzes doch auch Dinge untergeordnet werden sollen, die sich ihm so eigentlich nicht fügen können. Das war meine erste Reaktion.
Wenn man sich dann näher mit dem Thema befasst, kommt man natürlich auch sehr schnell zu dem Punkt, an dem man sagt, diese individuelle Sichtweise, diese kulturelle Betrachtungsweise kann nur die eine Seite sein. Das Bestattungswesen hat eben auch eine praktische Seite, es hat eine wirtschaftliche Seite, und wer in Hamburg einmal mit der U-Bahn oder der SBahn gefahren ist und die Werbeanzeigen von Bestattungsunternehmen gesehen hat, vor allem die Vielzahl der Werbeanzeigen, der weiß, dass Bestattung auch eine geschäftliche Dimension hat. Mit allen diesen Dingen müssen wir uns in der Politik befassen, deshalb haben wir auch ein Friedhofgesetz und andere Vorschriften, die hier mit hineinreichen, und dann müssen wir uns auch mit solchen unbequemen Themen wie Verwesung, dem Vergehen von Bestattungsmaterialien und möglichen giftigen Emissionen beschäftigen. Ich denke aber, nachdem ich diese vielen Antworten gelesen habe, können wir für Bremen und Bremerhaven feststellen, dass wir in diesem Bereich im Großen und Ganzen auf einem sehr hohen Niveau sind, auch in ökologischer Hinsicht, wenngleich – Frau Dr. Schaefer hat darauf hingewiesen – es noch Punkte gibt, die sicherlich verbesserungsfähig sind.
Ich habe aus der Antwort auf die Große Anfrage auch ein bisschen herausgelesen, dass natürlich manche ökologische Idee, wie zum Beispiel die mit den Pappsärgen, vielleicht doch noch hinterfragt werden muss und zumindest in der jetzigen Situation nicht die Lösung sein kann, denn das, was dort beschrieben wird, was dort passiert, ist etwas, das dann doch noch anders gelöst werden muss. Ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen, weil ich auch, ehrlich gesagt, sagen muss, dass ich mich dort nicht so auskenne.
Ich will den letzten Punkt auch mit ansprechen: Friedhofszwang von Urnen! Ja, ich denke, wir sollten über solche Dinge nachdenken, aber ich denke auch, dass dies ein Punkt ist, bei dem es um sehr viele Fragen geht. Die Friedhöfe, die wir heute haben, wurzeln eigentlich in der Kultur der Industrialisierung und der Urbanisierung des 19. und 20. Jahrhunderts. Wir haben eine Moderne, die in vielen Dingen individueller ist, individualisierter herangeht und auch in solchen Bereichen natürlich die Frage stellt, wie man neuen Bedürfnissen, neuen Wünschen gerecht wird.
Ich denke aber, dass diese Dinge nicht nur etwas mit der Individualisierung, sondern auch sehr viel mit der Privatisierung zu tun haben. Sie werfen auch die Frage auf, was im öffentlichen Raum von unseren Friedhöfen an neuen Angeboten, an neuen Gestaltungen geboten werden kann, sodass man nicht allein den privaten Weg gehen muss. Ich denke, das ist eine Herausforderung, die weit über die Frage der reinen Umweltverträglichkeit hinausgeht und die wir in einem breiteren Kontext diskutieren sollten.
Erlauben Sie mir einen letzten Hinweis! In der Verbraucherzentrale habe ich sehr häufig die Erfahrung gemacht, dass sehr viele ältere Menschen weniger von der Frage der umweltfreundlichen Bestattung bewegt sind als vielmehr von der Frage, ob es ihnen gelingt, in würdevoller Weise bestattet zu werden. Weil sie zu wenig Geld haben, fallen sie häufig auf dubiose Sterbegeldversicherungen herein, aber die Sorge ist vorhanden. Ich denke, wenn wir in Zukunft über Fragen des Bestattungswesens reden, sollten wir auch immer diese soziale Dimension des Bestattungswesens mit diskutieren. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über das Bestattungswesen und damit auch die Diskussion über Tote ist nicht leicht, in jedem Fall erfordert sie ein hohes Maß an Behutsamkeit, Sensibilität, Respekt und Taktgefühl, die ich übrigens in Ihrer Rede, Herr Gottschalk, gefunden habe, vielen Dank! Die Große Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen lässt dies alles in etlichen Punkten vermissen, es kommt nämlich darauf an, wie man über das Thema spricht; dass wir darüber sprechen müssen, ist unstrittig! Dieses Wie ist den Grünen im Hinblick auf ein umweltfreundliches Bestattungswesen ganz und gar nicht gelungen. Man kann seine Fragen im zuständigen Referat oder in der Deputation stellen, ohne gleich an die Öffentlichkeit zu gehen, denn zur parteipolitischen Profilierung eignen sich Themen, in denen es um den Tod geht, ganz sicher nicht.
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was war das denn mit der Bibel letzte Woche?)
Die Diskussion über das Bestattungswesen in Bremen an sich ist nicht neu und natürlich auch zulässig. Es gibt übrigens in wenigen Tagen hier in Bremen eine Messe zum Thema Leben und Tod vom 10. bis 11. Mai, und es ist schon interessant, wie sie auf der Einladung für diese Veranstaltung werben. Da ist die Rede von Liebe, Würde, Vertrauen, Fürsorge, Hoffnung, Abschied, Trost und Mitgefühl. Das klingt anders!
Politisch wurde zuletzt im Jahr 2004 über dieses Thema debattiert. Damals wurde die Diskussion durch ein Positionspapier von Herrn Eckhoff als Bausenator und Herrn Kastendiek in seiner Eigenschaft als CDU-Fraktionsvorsitzender angestoßen. Dieses Positionspapier und die sich anschließende Diskussion ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
hatten aber eine andere Qualität, und sie berücksichtigten die Würde der Toten. Darin ging es auch um Themen, die in Ihrer Großen Anfrage enthalten sind.
Gerade bei einer öffentlichen Debatte über dieses Thema muss man daran denken, dass in diesem Augenblick Menschen in unserer Stadt trauern, weil sie einen Angehörigen verloren haben. Wir müssen an alle diejenigen denken, die selbst schwer erkrankt sind und den Tod unmittelbar vor Augen haben. Wir müssen auch an die vielen alten Menschen denken, die ebenfalls wissen, dass sie am Ende ihres Lebens stehen. Was sollen diese Menschen davon halten, dass wir über die Schadstoffrückstände von Toten reden? Was sollen diese Menschen davon halten, wenn sie lesen oder hören, dass die Grünen in Frage 11 über die Promession, Gefriertrocknung mit anschließender Kompostierung, der Toten diskutieren? Was sollen sie davon halten, dass wir uns mit der alkalischen Hydrolyse, der Laugenzersetzung, der Toten öffentlich beschäftigen? Das ist einfach pietätlos, es tut mir leid!
Wir können doch nicht verbal Tote in ihre Einzelteile zerlegen und sie auf ihre Umweltverträglichkeit untersuchen! So geht es nicht! Wir dürfen die Toten nicht als Sache, Produkt oder Objekt betrachten. Respekt und Ehrerbietung vor den Toten sieht anders aus. Im Antragstext haben Sie diese jedenfalls in einigen Punkten verloren!
Noch ein Punkt! Christen, Juden, Muslime, Hindus, Zugehörige anderer Religionen müssen von dieser Diskussion ganz besonders betroffen sein. Für sie alle ist der Körper des Menschen, auch der tote Körper, keine Sache. Alle Religionen sehen die Toten in einer unterschiedlichen Beziehung zu Gott. Deshalb wird die Art und Weise, wie in diesem Antrag über die ökologische Verwertung von Toten nachgedacht wird, die Todesriten und auch das Todesverständnis aller Religionen verletzen, weil es so nicht geht. Deshalb ist es übrigens auch wichtig, dass man in der Schule von diesen Wertevorstellungen und Riten der Religionen etwas lernt.
Ich fasse zusammen: Der Umweltschutz ist für den Menschen da. Der tote Mensch kann nicht Mittel zum Zweck des Umweltschutzes werden. Es muss in unserer Gesellschaft noch Tabuzonen geben. Dazu gehört der Respekt vor der Würde der Toten und auch der Respekt vor den Religionen, ihren Riten sowie ihren Traditionen, ganz besonders im Hinblick auf den Tod. Verschiedene Punkte der Großen Anfrage werden diesem Anspruch nicht gerecht. Ich betone noch einmal: Ich bin die Letzte, die den Tod tabuisieren will!