Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Dafür kann man keine Lehrer einstellen!)

Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung, denn Schulqualität misst sich auch an Ausfallraten, und dort gibt es bei Ihnen offensichtlich Grund zum Nachsitzen!

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. S c h l e n - k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ein völlig altes Modell!)

Das Zweite zu diesem Stichwort! Sorgen Sie langfristig für eine auskömmliche Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften und Unterrichtskapazitäten. Vermeiden Sie Zwischenankündigungen von 1,2-prozentigen Sparquoten, dem Bereitstellen von sogenannten Personalverstärkungsmitteln, und sorgen Sie nicht für babylonische Sprachverwirrung! Vermeiden Sie es, auf nebulöse und ungewisse Gewinne aus der tatsächlichen oder vielleicht doch eher vermeintlichen demografischen Rendite zu setzen! Ermöglichen Sie eine langfristige und vor allem seriöse Planung der Schulen! Hangeln Sie sich nicht von Haushalt zu Haushalt! Auch Klarheit und Transparenz sind Merkmale eines guten Haushalts, gerade wenn es wie in

der Struktur unserer Bildungslandschaft viele Akteure und Bedarfsträger gibt, die Sie und uns verstehen wollen und sollen.

(Beifall bei der CDU)

Qualität hat aber natürlich auch etwas mit Ausstattung zu tun. Sorgen Sie für eine Ausstattung der Schulen, die zumindest dem Stand der Zeit entspricht! Reagieren Sie nicht immer reflexhaft abwehrend, wenn jemand einmal zu Recht darauf hinweist, dass die DDR in heutigen Geschichtsbüchern, aber glücklicherweise nicht mehr in den Atlanten, vorkommen sollte, auch wenn Teile dieses Hauses dies vielleicht anders sehen mögen!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Wer denn?)

Statten Sie die Lehr- und Lernmittelfreiheit angemessen aus, und vermeiden Sie den offensichtlichen Eindruck einiger Schulen, dass sie ein Antiquariat verwalten!

Tun Sie etwas für den baulichen Zustand der Schulen, und tun Sie es schneller als in der Vergangenheit! Nicht jede Maßnahme muss – zumindest gefühlt – Jahre dauern. Sorgen Sie dafür, dass es saubere Schulen sind! Das hat nicht nur etwas mit Hygiene zu tun, sondern auch mit dem Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern, vor Schülerinnen und Schülern und vor Eltern.

(Beifall bei der CDU)

Messen Sie Ihre politischen Möglichkeiten an Ihren finanziellen Möglichkeiten! War die Einführung der Oberschule noch mit zusätzlichen Entlastungen der betroffenen Schulen durch zusätzliche Stunden unterlegt, stimmen die Kapazitäten für die Einführung der Inklusion offensichtlich nicht. Abgesehen von zum Teil fehlenden geeigneten Räumlichkeiten fehlten im letzten Jahr Lehrerstunden, und jetzt wird möglicherweise die Zahl der zur Verfügung stehenden Sozialpädagogen knapp. Vielleicht ist gar nicht das Geld das, was fehlt,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber wie ist das mit dem Unterrichtsausfall?)

sondern diese Arbeitskräfte sind auf dem Ausbildungsund dem Arbeitsmarkt schlicht nicht mehr zu bekommen und müssen nun wahrscheinlich mit kostspieligen Fortbildungsmaßnahmen für das gemeinsame Ziel der Inklusion weitergebildet werden. Der Erfolg von Inklusion wird aber maßgeblich von zeitgerecht zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen abhängen, und da gibt es Zweifel.

Manchmal sollte Schnelligkeit kein Selbstzweck sein. Manchmal sollte man sich nicht effekthaschend rühmen, der erste im Kanon der Bundesländer zu sein, sondern sich auch einmal fragen, warum 15 andere

Bundesländer das Reformvorhaben vielleicht aus guten Gründen langsamer entwickeln. Manchmal hat der Umgang und der Einsatz von Ressourcen auch etwas mit politischer Klugheit und mit der realistischen Einschätzung der eigenen Möglichkeiten zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Ein anderes Reformvorhaben ist auch wenig überzeugend angegangen worden. Bei der Ausgestaltung der Ganztagsschule haben Sie unter anderem aus mangelhaft zur Verfügung stehenden Mitteln mit der offenen Ganztagsschule eine Leitvariante aus der Taufe gehoben.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: So ein Quatsch!)

Statt Qualität mit der gebundenen oder teilgebundenen Form zu wählen, haben Sie die offene Form gewählt.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Schauen Sie ein- mal, was andere Bundesländer machen!)

Vorwiegend Betreuung am Nachmittag ist uns zu wenig. Wir werden Ihren koalitionären Streit, Herr Güngör, in dieser Sache weiter mit Interesse verfolgen und an der Seite derer stehen, die Klasse statt Masse realisieren wollen.

(Beifall bei der CDU – Abg. G ü n g ö r [SPD]: In CDU-geführten Bundesländern gibt es nur offene Ganztagsschulen, oder was?)

Lassen Sie mich anmerken: Sparsame und effektive Haushaltsführung hat auch mit einer guten Zusammenarbeit zwischen Ressorts zu tun, und die scheint mir zwischen Bildung und Jugend stark verbesserungsfähig zu sein. Wenn schon kein sinnvoller Ressortzuschnitt zustande kommt, dann vermeiden Sie bitte möglichst Doppelstrukturen und Reibungsverluste, wie wir sie zulasten der Beteiligten in Ihrem Ringen zwischen Ganztagsschule und Hortangebot erleben mussten!

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist vorläufig abgelaufen, deshalb lassen Sie mich darauf hinweisen, nutzen Sie die Mittel, die Sie haben, effektiv im Sinne der Schülerinnen und Schüler!

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Das tun wir!)

Das tun Sie eben in dem Sinne nicht!

Wir werden uns mit Ihrer Bildungspolitik weiterhin insbesondere qualitativ, weniger quantitativ auseinandersetzen.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Das wäre einmal etwas Neues!)

Das ist unsere Maßgabe, und das ist auch unser Signal in dieser Haushaltsberatung! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass die Senatorin gleich sagen wird, dass der Bildungshaushalt nicht gekürzt wird, weil es ja Umschichtungen gegeben hat, zum Beispiel in den Mitteln der Altersteilzeit, und dass jetzt die nominelle Kürzung gar nicht ins Gewicht fällt. Bei dieser Debatte werden aber immer zwei Sachen vergessen! Das eine ist schlicht und ergreifend die Inflationsrate. Zieht man diese hinzu, fehlen im Haushalt im Vergleich zum Ansatz von 2011 14 Millionen Euro. Das andere sind die tatsächlichen Ausgaben pro Schülerin und Schüler, die eine vergleichbare bundesweite Größe sind.

Wir hatten im Bundesland Bremen im Jahr 1995 Ausgaben pro Schüler in Höhe von 5 200 Euro. In diesem Jahr sind es 4 600 Euro Personalausgaben plus 700 Euro, also eine Summe von 5 300 Euro. Man kann sagen, es ist gleich geblieben, das stimmt aber nicht, denn inflationsbereinigt, hätten wir noch die Größe aus dem Jahr 1995, wären es 6 460 Euro. Das ist so ziemlich genau das, was das Bundesland Berlin – übrigens auch ein Haushaltsnotlageland, aber mit vergleichbaren sozialen und ökonomischen Herausforderungen wie im Bundesland Bremen – für Schülerinnen und Schüler ausgibt, und zwar aktuell. Das sind keine veralteten Zahlen, denn wir haben uns einmal die Mühe gemacht, den aktuellen Haushalt von Berlin daraufhin zu durchforsten. Das heißt, andere Stadtstaaten, die ähnliche Probleme haben, wie Berlin, das auch ein Haushaltsnotlageland ist, machen es anders.

Es ist nicht so, Herr Dr. vom Bruch, dass wir genügend Lehrer hätten.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Deswegen ist unsere Forderung, die wir gestellt haben, zusätzlich 300 Lehrer in diesem Jahr und 300 Lehrer im nächsten Jahr einzustellen, auch durchaus berechtigt. Sie haben doch gerade den Unterrichtsausfall erwähnt, der ja nicht vom Himmel fällt, sondern den wir aufgrund nicht genügender Unterrichtsvertretungen haben. Das ist doch der Kern der Sache!

Das andere ist: Natürlich brauchen wir mehr Lehrer für die Inklusion und für die Oberschulen, und wir brauchen in bestimmten Stadtteilen mit Sicher––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

heit auch noch einmal die Diskussion, ob man die Lehrerzahl in den Grundschulen verstärken muss oder nicht. Deswegen ist die Situation für uns nicht darstellbar, dass wir sagen, 20 Prozent der Lehrerstellen sind gekürzt worden, es sind irgendwie 1 045 Stellen weg, und jetzt müssen wir da nicht nachsteuern. Wir haben Herausforderungen: Wir brauchen den Ganztagsschulausbau und die durchgängige Sprachförderung, wir haben die Inklusion und die Oberschule, und das ist mit den bisherigen Mitteln nicht zu leisten!

Unsere Forderungen haben wir sehr genau berechnet. Wir haben mit dem Personalrat gesprochen und geschaut, was es eigentlich bedeuten würde, wenn wir die Inklusion und die Oberschule schulgesetzkonform umsetzen. Wir haben geschaut, wie viel Unterrichtsausfall wir haben, und wir sind auf ganz andere Zahlen gekommen. Wir sind auf eine Zahl gekommen, die so hoch war, dass wir gesagt haben, das können wir selbstverständlich nicht fordern. Der Personalrat geht von 1 700 Stellen aus. Wir haben aber einfach einmal geschaut, wie viel ausgebildete Referendare Bremen denn einstellen könnte, wie viele denn in Bremen und im Bremer Umland einen Platz an Schulen suchen, um hier unterrichten zu können. Das ist exakt die Zahl von 300 zusätzlichen Lehrern, die wir dieses Jahr noch einstellen könnten, und, Herr Güngör, es ist auch finanzierbar.

Unsere Änderungsanträge liegen die Hälfte unter dem, was Bremen noch neu aufnehmen könnte, ohne den Konsolidierungspfad zu verlassen. Wir machen auch noch einen konkreten Vorschlag, wie wir zu Mehreinnahmen kommen, indem wir in der nächsten Landtagssitzung unseren Antrag auf Vermögenssteuer diskutieren werden. Es ist ja nun nicht so, dass wir uns keine Gedanken machen, woher wir das Geld bekommen, das ist nämlich der Unterschied zur CDU, die immer nur Steuern senken will und sich dann wundert, dass sie kein Geld mehr für Polizei oder Lehrer hat.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. S t r o h - m a n n [CDU]: Stimmt doch gar nicht!)

Kurz: In unseren drei Änderungsanträge, was den schulischen Bereich betrifft, fordern wir 300 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer in den Jahren 2012 und 2013, 100 zusätzliche Sozialpädagogen für die Inklusion, die übrigens auch Frau Senatorin JürgensPieper immer als Bedarf beziffert hat, und Lehr- und Lernmittel. Das ist nämlich genau der Punkt, Herr Dr. vom Bruch, wir müssen, wenn wir Ganztagsschulen ausbauen, auch Mensen bauen. Das sind genau die beiden Posten, die wir im dritten Antrag haben. Diese Änderungsanträge sind gerechtfertigt und auch finanzierbar, und es wäre sehr schön gewesen, Sie wären uns hier gefolgt.

Ein kleiner Nebenaspekt! Hochschulen kommen in dem Bereich Bildung immer ein bisschen zu kurz. Die Hochschulen und die Universität in Bremen sind

am meisten von Drittmitteln abhängig. Selbst die Rektoren, sowohl der scheidende Rektor der Universität als auch der zukünftige, sagen im Ausschuss durchaus, dass die hohe Abhängigkeit von Drittmitteln, weil die Deutsche Forschungsgesellschaft natürlich nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre Inhalte vorgibt, dazu führt, dass die Unabhängigkeit der Lehre an Bremens Universität und an Bremer Hochschulen in Gefahr ist. Daher ist auch dieser Änderungsantrag gerechtfertigt! – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorweg: Die Unabhängigkeit der Lehre und der Forschung ist in Bremen mitnichten gefährdet, das, denke ich, ist neben der Spur.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bremen hat sich zu einem national und international anerkannten Wissenschaftsstandort entwickelt und hat Erfolge vorzuweisen, sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Bremen hat seine Auflagen im Hochschulpakt weit mehr als erfüllt, und mit der erfolgreichen Teilnahme am „Qualitätspakt Lehre“ wurden insgesamt 10,3 Millionen Euro Bundesmittel eingeworben. Bei der Drittmittelakquise erreicht Bremen ein Spitzenplatz. Jeder eingesetzte Euro bringt noch einmal das Doppelte zurück.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!)