Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

Es ist schon beschlossen worden! Deswegen kommt der Vorschlag nicht nur zu spät, sondern ist auch noch wenig hilfreich. Er macht aber die Absetzbewegung Ihrer Fraktion vom Betreuungsgeld deutlich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das finde ich, das will ich an dieser Stelle wirklich ganz ehrlich sagen, löblich.

Ärgerlich finde ich, dass Sie sagen, wir würden unsere Hausaufgaben nicht machen und auf Berlin verweisen. Das war ja auch der Vorwurf gestern in der Aktuellen Stunde. Nein, wir haben gestern sehr deutlich gemacht, dass wir auch in Bremen unsere Hausaufgaben machen, aber von Berlin mehr Unterstützung erwarten. Sie hätten, weil es in Berlin ja eine schwarz-gelbe Regierung gibt, Ihre Einflussmöglichkeiten vielleicht ein paar Wochen früher nutzen müssen.

Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass auch innerhalb der schwarz-gelben Regierung offensichtlich hauptsächlich die CSU ist – und dabei ist namentlich Herr Seehofer einer der letzten Mohikaner –, die das Betreuungsgeld noch irgendwie gut findet. Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung hat eine Umfrage durchgeführt und festgestellt, dass selbst die Bürgerinnen und Bürger in Bayern von dem Betreuungsgeld nicht begeistert sind, sondern viel eher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt stellen würden. Also selbst die eigene Klientel der CSU will das Betreuungsgeld auch nicht.

Niemand will es, trotzdem kommt es! Wie kann das angehen? Das kommt daher, dass die Politik in Berlin einen recht merkwürdigen Deal macht. Die FDP bekommt sozusagen die staatliche Unterstützung in der privaten Pflegeversicherung, die ein mindestens genauso ideologisch verbrämtes und hässliches Produkt ist wie das Betreuungsgeld selbst.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Da wird sozusagen Schlechtes mit Schlechtem gehandelt, und am Ende kommt etwas ganz Schlechtes dabei heraus. Das ist die Losung der schwarz-gelben Regierung in Berlin. Genau darüber müssen wir reden, wenn wir über das Betreuungsgeld reden, Herr Rohmeyer, das sehen Sie doch bestimmt genauso! Ich möchte einen weiteren Satz aus dem Antrag der CDU zitieren. Die CDU fordert die Bürgerschaft auf, sich dafür auszusprechen – und meint natürlich, dass es ihre eigene Idee ist –, „unterschiedliche Module der Kinderbetreuung, ob persönlich durch einen Elternteil oder Familienangehörigen oder an einer staatlichen oder privat organisierten Kinderbetreuungseinrichtung, nicht aus ideologischen Gründen gegeneinander auszuspielen“. Dafür braucht man gar keine ideologischen Gründe,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

aber ich finde es erstaunlich, dass Sie auf Bundesebene eine Großelternzeit diskutieren, wobei Sie sozusagen das gleiche altmodische, antiquierte Familienbild haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Großeltern Kinder betreuen, ich habe nur etwas dagegen, wenn Sie all die Betreuungsfragen aus den Einrichtungen, die eigentlich für Kinder sinnvoll sind, wieder zurück in die Familien, in die Privatheit schieben wollen. Nein, die Betreuung ist eine staatliche Aufgabe, und das haben nicht nur wir so erkannt, sondern es wird in der Gesellschaft auch so gesehen.

Uns kommt es darauf an, dass jede Stunde Betreuung für Kinder aus bestimmten Bereichen ein Segen ist. Jede Stunde ist ein Segen!

(Beifall bei der SPD)

Es gibt Eltern, die es besser können, und es gibt Eltern, die es schlechter können. Senatorin Stahmann könnte hier lange über die Familienhilfe des Jugendamtes referieren und darüber, wie die düsteren Seiten dieser Stadt aussehen. Dafür und genau darum wollen wir auch die gesetzliche Regelung auf sechs Stunden Betreuungszeit festlegen. Es wird dann gesagt, ja, die meisten brauchen doch acht Stunden. Die Berufstätigen brauchen acht Stunden, und für sie ist auch das Angebot von acht Stunden besser, das ist wohl wahr, aber für diejenigen, die ich soeben erwähnt habe, ist jede Stunde mehr von großem Vorteil. Dafür kämpfen wir an dieser Stelle ganz energisch.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn dann der Vorschlag kommt, weil wir im Übrigen bei der Kinderbetreuung auch das Problem haben, das entsprechende Personal zu bekommen, wir sollen die Arbeitslosen zu Erziehern machen, mag es sein, dass der eine oder die andere Arbeitslose zur Erzieherin oder zum Erzieher ausgebildet werden kann. Das kann aber nur auf freiwilliger Basis passieren, und außerdem finde ich, dass die Lösung, Arbeitslose kurzerhand in die Erziehung zu schieben, bestimmt nicht im Interesse der Kinder ist, die dann die entsprechende Erziehung erleben müssen.

Ich glaube, dass wir dieses Betreuungsgeld immer noch nicht brauchen, und ich hoffe, dass wir im Jahr 2013 die Möglichkeit haben, einige Fehlentscheidungen der schwarz-gelben Regierung zurückzudrehen, neu zu justieren und damit im Sinne der und für die

Kinder und Eltern einiges besser zu machen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie entlarvend doch Nebensätze sein können, Herr Möhle! „Die Betreuung ist eine staatliche Aufgabe“, nein, die Betreuung ist auch eine staatliche Aufgabe, aber eine „Zwangskitaisierung“ werden wir auf keinen Fall mitmachen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch der Unterschied, warum Sie Ideologie betreiben und wir für Wahlfreiheit stehen.

Das Betreuungsgeld ist die Schimäre, Ihr Feindbild und Ihre Ausrede dafür, warum Sie in Bremen – ich verweise auf die Debatte gestern – selbst nicht alles hinbekommen, was Sie hinbekommen müssten. Das Betreuungsgeld ist ein Baustein, ein Mosaikstein, der zu einer umfassenden Kinderbetreuung in Deutschland gehört. Was Sie hier veranstalten, meine Damen und Herren, ist schon abenteuerlich. Wofür das Betreuungsgeld nicht alles an Bösem in der Welt herhalten soll! Es ist eine abenteuerliche Debatte, die Sie hier im Parlament führen.

(Beifall bei der CDU)

Seit dem Jahr 2007 steht fest, dass der Krippenausbau vorangetrieben wird und dass es einen Rechtsanspruch gibt. Seit dem Jahr 2007 hat Bremen Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Seit dem Jahr 2007 haben wir wichtige familienpolitische Leistungen durch die CDU-geführten Bundesregierungen – die SPD war in Teilen dabei, Sie tun immer so, als ob Sie nie dabei gewesen wären – vorangebracht. Dies ist mit den Namen Ursula von der Leyen und Kristina Schröder verbunden. Jetzt haben Sie in Bremen nichts vorzuweisen, plustern sich auf und rufen nach mehr Geld aus Berlin, weil Sie selbst Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Das Betreuungsgeld hat in Ihrer Debatte die Schurkenrolle übernommen, aber es kann zu alldem, was Sie ihm aufzwingen wollen, gar nicht dienen.

Das Betreuungsgeld ist die Anerkennung einer Vielzahl verschiedener Lebensentwürfe, die man gar nicht in eine einzelne Rolle pressen kann. Das Betreuungsgeld ist ein wichtiges zusätzliches Angebot. Das Betreuungsgeld ist innerhalb der Bundesrepublik sicherlich mehr oder weniger vonnöten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sind Sie dafür oder dagegen?)

Wir hier in Bremen sind der Auffassung, dass das Geld sinnvollerweise besser in den Bereich der unter Dreijährigen fließen sollte, übrigens nicht nur in den staatlichen Bereich, Herr Möhle, sondern auch in den der freien Träger. Dies ist eine Antwort, die wir zur Situation in Bremen mit unserem Antrag gegeben haben.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann sind wir uns ja einig!)

Meine Damen und Herren, Sie sollten aber vielleicht, da Sie ja gestern nicht zu Ihrer Verantwortung in Bremen Stellung genommen haben, gleich noch einmal etwas dazu sagen. Wie wollen Sie es denn jetzt erreichen, dass Sie den Rechtsanspruch bis zum nächsten Jahr erfüllen? Wie wollen Sie die Erwartungshaltung und die Anforderungen der Eltern erfüllen? Wie wollen Sie eine bessere Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung erreichen? Darüber reden Sie gar nicht! Sie arbeiten sich am Betreuungsgeld ab und vernachlässigen Ihre eigenen Aufgaben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

„Die Welt“, eine der liberalen Tageszeitungen dieser Republik,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Das ist aber relativ!)

schreibt: „Rot-Grün verkauft die Eltern für dumm!“ Genau das tun Sie, indem Sie Begriffe erfinden, die Herdprämie ist ja noch ein netter Begriff. Was verbirgt sich aber dahinter? Sie machen mit Ihrer Polemik doch Mütter zu Minnas, meine Damen und Herren! Das werden wir auf keinen Fall mitmachen.

(Beifall bei der CDU – Abg. P o h l m a n n [SPD]: Ja, Mama!)

Das war ein sehr hilfreicher Hinweis, Herr Pohlmann! Sie sollten sich vielleicht um wichtige Sachen kümmern und nicht nur um Getränke und Esshallen in der Überseestadt. Kümmern Sie sich doch einmal um den Kita-Ausbau im Bremer Westen, Herr Pohlmann!

(Beifall bei der CDU – Abg. P o h l m a n n [SPD]: Ja, gern!)

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Jugendsenatorin, die letzte Woche nicht auf der eigentlich wichtigen Deputationssitzung war, im Rahmen der Jugendminister der Länder verhandelt hat, dass sie mehr Geld haben möchte. Mehr Geld ist immer

gut, aber erst einmal muss man seine Hausaufgaben mit dem machen, was man hat. Wir haben Ihnen dazu gestern schon einen Vorschlag gemacht: Ersparen Sie es sich, Theatersitze im Schauspielhaus abzuschrauben! Stecken Sie das Geld in den Kita-Ausbau, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Mit unserem Antrag stellen wir eine Situation für Bremen dar, die sicherlich nicht automatisch eins zu eins auf Südoldenburg, Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen übertragbar ist, aber er gibt eine Antwort für die Situation in Bremen und Bremerhaven. Darum glauben wir, dass das Betreuungsgeld eine sinnvolle Ergänzung des Angebots für junge Eltern ist, nachdem das Elterngeld eingeführt wurde und ein großer Erfolg ist, nachdem wir – –.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Soll sie von 100 Euro leben?)

Herr Tschöpe, es geht nicht darum, davon leben zu müssen, sondern darum, die Leistung, die erbracht wird, auch anerkannt zu bekommen. Darum geht es hier!

(Beifall bei der CDU – Abg. T s c h ö p e [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Rohmeyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tschöpe?

Herr Tschöpe kann sich gern zu Wort melden, Frau Präsidentin! Ich bin sowieso sehr gespannt, was der SPD-Fraktionsvorsitzende zu diesem Thema sagt. Er legt sich ja gern mit seinem Koalitionspartner an, dann kann er sich auch einmal an Frau Senatorin Stahmann abarbeiten. Daher sind Sie jetzt leider nicht an der Reihe, Herr Tschöpe! Ihre Fraktion hat ja noch Redezeit, und ich bin auf Ihre Ausführungen sehr gespannt.

Wir werben ausdrücklich für unseren Antrag, weil er nicht ausgrenzt, sondern das Miteinander der verschiedenen Bausteine für eine gute frühkindliche Bildung entsprechend fördert, weil er nicht polemisiert, sondern die Diskussion um die verschiedenen Lebensentwürfe junger Eltern in Bremen und Deutschland sachlich aufgreift,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dieser Antrag wirft sich doch 100 Meter hinter den Zug, der schon weggefah- ren ist!)

weil unser Antrag im Gegensatz zu Ihrem Antrag – und hier zitiere ich einmal Johannes Rau – versöhnt, statt zu spalten. – Vielen Dank!