Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen wollen – ich glaube, dass wir das auch machen müssen, finde aber, dass man das mit einer etwas anderen Nachdenklichkeit machen muss, Herr Kollege Kastendiek, als Sie es hier heute getan haben –, dann müssen wir uns, das ist hier nicht der Raum, das Projekt über die gesamten zehn, elf Jahre, die es läuft, anschauen. Dann muss man sich das Projekt anschauen mit all den Irrungen und Wirrungen und fragen: Wer hat das Gefühl, von wem über den Tisch gezogen worden zu sein? Wer hat das Gefühl, wo übertrumpft worden zu sein? Wer hat das Gefühl, der jeweils andere mache immer das jeweils Gegenläufige zu dem Projekt? Eine interessante Lektüre dafür sind die Protokolle des Untersuchungsausschusses aus dem Niedersächsischen Landtag und das, was in den Medien stattgefunden hat. Der eine oder andere, den Sie hier als Kronzeugen für Ihre Thesen angeführt haben, ist ein schlechter Kronzeuge. So war bremenports zu der Zeit, die Sie angesprochen haben, Partei und in den Konflikt, der dort stattgefunden hat, tief verwickelt. Deswegen, finde ich, gehört dazu – Sie haben ja auch eine Zeit lang in diesem Land Regierungsverantwortung getragen, auch wenn Sie sich manchmal nicht mehr daran erinnern können –, dass wir mit der nötigen Nachdenklichkeit auf die vergangenen elf Jahre zurückschauen und feststellen, dass viele Dinge nicht optimal gelaufen sind. Genau aus dem Grund ist es wichtig, dass sich gestern Abend Bürgermeister Böhrnsen, Ministerprä
sident McAllister, die Wirtschaftsminister, die Chefs der Senats- und Staatskanzlei, Staatsrat Dr. Heseler, Herr Kluth für die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft und Herr Schiffer von Eurogate, der die längste Anreise hatte, weil er aus Shanghai zu dem Termin gekommen ist – wo er übrigens versucht hat, Kunden für den JadeWeserPort zu werben, so herausragend ist dieses Thema –, getroffen haben. Damit wurde auch unterstrichen, dass es unabhängig von der Frage, wer für welchen Fehler, der gemacht worden ist, verantwortlich ist, wichtig ist, bei diesem Jahrhundertprojekt an einem Strang zu ziehen und deutlich zu machen, dass die JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft und der Betreiber nicht im Dauerstreit liegen können, weil dies schädlich für das Vorhaben ist. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Es wäre auch falsch, wenn man wechselseitig versucht, immer die jeweiligen politischen Truppen, die man mutmaßlich hinter sich zu haben glaubt, ins Feld zu führen. Es ist wichtig, bei einem Hafen, der das Leuchtturmprojekt in Norddeutschland ist, der der Tiefwasserhafen für die Bundesrepublik Deutschland ist, der die starke Stellung unserer Häfen an der deutschen Küste im Wettbewerb mit anderen Häfen unterstreichen soll, der damit auch Haupthafen für Asien werden soll, bei diesem Jahrhundertprojekt an einem Strang zu ziehen und sich nicht von den Debatten über die eine oder andere Fußnote – von denen Sie hier in die Diskussion heute und auch schon in den vergangenen Monaten verhältnismäßig viele eingeführt haben – beeindrucken zu lassen. Es gilt, deutlich zu machen, dass die Eröffnung des Hafens, die jetzt um acht Wochen verschoben wird, eine Fußnote der Geschichte ist, weil ich davon ausgehe, dass der Hafen ein Erfolg wird, und weil ich davon ausgehe, dass wir, wenn wir Mitte nächsten Jahres hier stehen, auf gute Zahlen im Hafen schauen können, weil ich davon ausgehe, dass dieses Gemeinschaftsprojekt dann auch dem Leuchtturmcharakter, den es hat, gerecht wird. Dazu hat das Treffen gestern Abend auch beigetragen, weil deutlich gemacht wurde, wir gehen dieses Thema mit Hochdruck an, die beiden Ministerpräsidenten stehen mit Nachdruck zum JadeWeserPort, und wir gehen auch von dem Erfolg des JadeWeserPorts aus. Es gehört auch dazu – Herr Staatsrat Dr. Heseler hat es übrigens nach der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung auch gesagt –, dass für die Länder Bremen und Niedersachsen natürlich ein Kostenrisiko besteht. Herr Schildt hat darauf hingewiesen, dass man – es gibt den einen oder anderen, der ganz gute Kontakte nach Niedersachsen hat – sich in Niedersachsen vielleicht auch einmal die eine oder andere Bemerkung zu diesem Thema wünschen würde, dass dort einfach das, was offensichtlich ist, anerkannt und das, was auf der Hand liegt, auch zur Kenntnis genommen wird.
Dazu gehört aber natürlich auch festzustellen – wenn Sie jetzt die Frage stellen, über welche Größenordnungen wir reden –, dass hochkomplizierte vertragliche Gebilde zwischen der Arge und der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft, zwischen der JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft und Eurogate und zwischen den einzelnen Beteiligten und den beteiligten Versicherungen bestehen. Deswegen ist es wichtig, diese Gebilde mit all ihrer Komplexität im Blick zu haben und deutlich zu sagen, dass viele der Fragen, die heute hier richtigerweise auch von Ihnen und anderen Kollegen gestellt worden sind, berechtigt sind. Wir arbeiten daran, der Antwort auf diese Fragen näherzukommen.
Abschließend kann aber noch nicht gesagt werden – das gilt für beide Seiten, auch für die niedersächsische –, ob und welche Kosten am Ende bei den Ländern bleiben werden. Das wird auch die Zukunft zeigen.
Wir gehen davon aus, dass bis Ende Juli 1 000 Meter Kaje an den Betreiber Eurogate übergeben werden können. Das ist die Zusicherung der JadeWeserPortRealisierungsgesellschaft, die sich wiederum auf Absprachen mit der Arge beruft. Wir gehen davon aus, dass der Probebetrieb von Eurogate bis Mitte September stattfinden kann und wir dann in die Echtphase für den Hafen eintreten.
Deswegen muss man an dieser Stelle auch noch einmal fragen, ob die Fixierung auf den 5. August, die symbolische Aufladung des 5. August richtig war oder ob es nicht auch zu der Nachdenklichkeit, die man an den Tag legen sollte, gehört festzustellen, dass es falsch war, sich in dieser Weise an diesen einen Tag zu klammern, obwohl man um die Probleme wusste, die auf der Hand lagen, und dass niemand von uns eine vorgetäuschte Eröffnung des JadeWeserPorts will, geschweige denn – und ich glaube, das ist unser gemeinsames Interesse über alle Partei-, Fraktions- und Landesgrenzen hinweg – es sich leisten kann. Neben den Schäden, die durch die Schlosssprengungen entstanden sind, wäre es ein enormer Imageschaden für den JadeWeserPort.
Daher ist es richtig und wichtig, die Eröffnung des Hafens um einige Wochen zu verschieben, es gütlich mit Eurogate zusammen zu machen, weil klar ist, dass wir bei diesem Jahrhundertbauwerk noch lange Erfolg haben und noch lange an einem Strang ziehen wollen. Deswegen ist klar, dass wir gestern den richtigen Schritt getan haben, um diesen Hafen insgesamt zu einem Erfolg zu machen.
Ich widerspreche Ihnen entschieden, Herr Rupp, wenn Sie sagen, die wirtschaftliche Perspektive des JadeWeserPorts sei nicht gesichert. Das ist kompletter Unsinn, das muss man an dieser Stelle auch so deutlich sagen. Die wirtschaftliche Perspektive war im Jahr 2001, als Länder die weitsichtige Entscheidung für dieses Gemeinschaftsprojekt getroffen haben, gesichert und ist auch heute gesichert. Sie müssen sich nur die Zuwachsraten beim Containerumschlag und die Größenentwicklung der Schiffe anschauen! Wenn Sie mich zum Abschluss einen Strich darunter ziehen lassen: Ich bin der festen Überzeugung, dass das gestern für das Projekt, die Gemeinschaft, für das An-einem-Strang-Ziehen der Bundesländer, des Betreibers und der Realisierungsgesellschaft wichtig war. Ich erwarte, dass zukünftig nicht mit der Kakophonie fortgefahren wird, die in den vergangenen Monaten geherrscht hat. Über Auseinandersetzungen freuen sich alle, die dort oben sitzen. Wenn man glaubt, dass man dadurch, dass das „Hamburger Abendblatt“ oder der „Weser-Kurier“ etwas gesteckt bekommen, ein solches Projekt vorantreiben kann, liegt man falsch, dadurch beschädigt man es. Deswegen müssen alle an einem Strang ziehen. Ich bin mir sicher, dass wir Ende September einen großen Meilenstein für die Hafenentwicklung in Deutschland, in Norddeutschland vorantreiben werden, dass der JadeWeserPort für die Länder und Deutschland insgesamt ein Erfolg wird. Die Fragen, die sich noch stellen, werden wir zu gegebener Zeit mit der nötigen Sorgfalt klären. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Rechtsanspruch in Gefahr: Das Betreuungsgeld behindert Bremens Bemühungen beim Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren, und der ZehnPunkte-Plan der Bundesfamilienministerin ist unzureichend Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 5. Juni 2012 (Drucksache 18/447)
Keine ideologische Betreuungsgelddebatte auf Kosten der Familien Antrag der Fraktion der CDU vom 5. Juni 2012 (Drucksache 18/450)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Während Bremen wie die meisten westdeutschen Kommunen große Mühe hat, das notwendige Geld für bedarfsgerechte Plätze für unter dreijährige Kinder zusammenzubekommen, plant die Bundesregierung Milliardenausgaben für ihr ideologisches Kampfprojekt, das Betreuungsgeld. Dieses Betreuungsgeld mag vieles sein, ein Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Zeit ist es nicht.
Das Betreuungsgeld ist eine Kita-Fernhalteprämie, es ist eine bildungspolitische Katastrophe für viele Kinder in unserem Land.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Vizepräsiden- tin S c h ö n übernimmt den Vorsitz.)
In den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für die späteren Bildungschancen gelegt. Eine hohe Beteiligung von Kindern verringert die Abhängigkeit des späteren Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft der Kinder. Hier gibt es bei uns in Deutschland noch einen erheblichen Nachholbedarf. Mit dem Betreuungsgeld wird Familien mit geringem Einkommen ein falscher Anreiz gesetzt, ihre Kinder nicht an frühkindlicher Bildung teilhaben zu lassen.
Das Betreuungsgeld ist eine Herdprämie. Es zementiert alte Geschlechterrollen, anstatt echte Wahlfreiheit für Mütter zu schaffen.
Eine schnelle Rückkehr oder einer schneller Einstieg, insbesondere von jungen Frauen, in das Berufsleben ist nur mit einem bedarfsgerechten Angebot an Betreuungsplätzen möglich. Demgegenüber wird durch das Steuerrecht das Familienmodell der Einverdienerehe, bei der die Frau beim Kind und in der Küche verbleibt, noch immer großzügig subventioniert. Das gilt insbesondere für das Ehegattensplitting.
Letztendlich ist das Betreuungsgeld nichts weiter als eine zweite „Mövenpick-Steuer“. Was die CSU ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
in Bayern braucht, ist ein Symbol für das alte, tradierte Rollenverständnis von Mann und Frau. Das ist nicht nur absurde schwarz-gelbe Retropolitik – was schlimm genug ist –, sondern die schwarz-gelbe Koalition stellt parteipolitische Partikularinteressen über das Gemeinwohl und selbst über ihre eigenen Wähler.
Der letzte Woche von Bundesministerin Schröder vorgelegte Zehn-Punkte-Plan ist nicht mehr als ein Feigenblatt, denn die Probleme der Kommunen beim Ausbau der benötigten Plätze werden dadurch nicht gelöst. Allein in der Stadt Bremen gibt es einen zusätzlichen Bedarf von 800 Krippenplätzen. Wir brauchen verlässliche finanzielle Zuschüsse, um die Plätze dauerhaft bereithalten zu können. Kredite für die Investitionen sind keine Lösung. So billig kann sich die Bundesfamilienministerin nicht aus Affäre ziehen.
Der von der CDU hier vorgelegte Dringlichkeitsantrag ist ebenfalls nicht mehr als ein Feigenblatt und pure Augenwischerei, um einen hier vorgelegten faulen Kompromiss zu verschleiern.
Die Jugend- und Familienministerkonferenz hat den Bund mit großer Mehrheit dazu aufgefordert, die finanziellen Mittel für Krippenplätze dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Beim Krippengipfel im Jahr 2007 gingen alle Beteiligten noch davon aus, dass eine Betreuungsquote von 35 Prozent ausreichen würde, um dem Rechtsanspruch zu genügen. Auf dieser Grundlage wurden die finanziellen Beiträge des Bundes für den Ausbau der Betreuungsplätze berechnet.
Inzwischen wissen wir alle, dass gerade in Ballungsgebieten und Universitätsstädten wie Bremen eine Betreuungsquote von 35 Prozent nicht ausreichen wird, um den Bedarf abzudecken. Sowohl die investiven Mittel für den Neubau oder die Erweiterung der bestehenden Kitas als auch die laufenden Mittel für die Erzieherinnen und Erzieher, die Kosten für das Essen und die Betriebskosten müssen deshalb dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Wir unterstützen deshalb die Forderung der Sozialsenatorin Stahmann nach einem Krippengipfel unter Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen. Ziel eines solchen Gipfels muss sein, eine realistische Vereinbarung über die Ausbauziele und wirksame Maßnahmen zur fristgerechten Umsetzung des Rechtsanspruchs festzulegen.
treuungsgeld in den Ausbau der Plätze für Kinder zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr zu stecken. Damit wäre allen geholfen. Kinder aus einkommensschwachen, einkommensärmeren und bildungsferneren Familien erhalten in den Krippen und Kindertagesstätten Mittagessen und Bildungsangebote. Das wäre ein klarer Weg, um die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, auch angesichts der Aktuellen Stunde gestern, die Diskussionslage zunehmend verwirrend. Gestern ist uns gesagt worden, die Frage des Betreuungsgeldes gehört gar nicht in die Aktuelle Stunde und hätte auch so gut wie nichts mit der Betreuungsfrage insgesamt zu tun. Heute nun diskutieren wir das Betreuungsgeld, und da bekommen wir von der CDU den Hinweis, dass wir die ideologische Betreuungsgelddebatte nicht führen sollen. Das Problem ist, die Betreuungsgeldproblematik ist eine vollständig ideologische.
Vollständig ideologisch! Sie hat fachlich und sachlich überhaupt nichts Vernünftiges an sich, sondern ist ausschließlich ideologisch.
Ich gestehe der CDU in Bremen durchaus zu, dass sie nicht zu den Befürwortern des Betreuungsgeldes gehört.
Ich darf einmal aus dem Antrag, der jetzt von der CDU eingebracht worden ist, zitieren. Die CDU spricht sich dafür aus, „im Rahmen der weiteren Beratung zur Einführung des Betreuungsgeldes den Ländern zu ermöglichen, alternativ zur Zahlung des Betreuungsgeldes an die Eltern diese Mittel für die Verbesserung der Angebots bei der Betreuung der unter dreijährigen Kinder zu verwenden“. Das hätten Sie einmal vor ein paar Wochen, vielleicht sogar Monaten machen müssen, denn soweit ich weiß, wird das Betreuungsgeld heute beschlossen.
(Abg. Frau D r. M o h r - L ü l l m a n n [CDU]: Ist schon!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)
Es ist schon beschlossen worden! Deswegen kommt der Vorschlag nicht nur zu spät, sondern ist auch noch wenig hilfreich. Er macht aber die Absetzbewegung Ihrer Fraktion vom Betreuungsgeld deutlich.