Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Antrag auf Prüfung einer lokalen solidarischen Millionärssteuer eingebracht, weil wir vor dem Hintergrund der vergangenen Haushaltsberatungen erneut feststellen mussten, dass Bremen ein Einnahmeproblem hat und dass man dieses Problem bekämpfen muss.
Wir beantragen drei Dinge: erstens, dass die Bürgerschaft noch einmal bestätigt, dass ohne eine nationale Vermögensteuer in der Bundesrepublik die Bekämpfung der Haushaltsnotlage im öffentlichen Bereich nicht möglich sein wird, zweitens, dass sich der Senat einer Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Brandenburg – wenn ich mich nicht irre – anschließt, die angekün––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
digt haben, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung der Vermögensteuer in den Bundesrat einzubringen, und drittens, die zunächst etwas absurde, aber möglicherweise dann doch gar nicht so absurde Idee zu prüfen, ob nicht, bevor auf Bundesebene die Vermögensteuer eingeführt wird, eine lokale Vermögenssteuer, eine Millionärssteuer, eingeführt werden kann.
Was genau verstehen wir unter einer Millionärssteuer? Es gibt unterschiedliche Modelle, eine lokale Vermögensteuer einzuführen. Wir haben versucht, Zahlen zu finden, um einmal eine Vorstellung zu entwickeln, um was es dabei geht. Es wird ja immer sofort gesagt, wir wollten das kleine Häuschen der Oma enteignen oder das letzte Hemd der Menschen versteuern. Nur um es einmal deutlich zu machen: Bremen hat ungefähr 10 000 Vermögensmillionäre, die zusammen circa 26 Milliarden Euro besitzen, wenn sie durchschnittlich reich sind. Wir haben vorgeschlagen zu sagen: Ein Vermögen von bis zu einer Million Euro fällt unter den Freibetrag, sodass das kleine Häuschen der Oma auf jeden Fall darin enthalten ist.
Wir haben dann gesagt, alles, was darüber hinausgeht, wollen wir einmal probehalber mit einem Prozent pro Jahr versteuern. Das würde für Bremen ein Aufkommen von circa 160 Millionen Euro Vermögensteuer bedeuten. Jetzt weiß ich auch, dass davon ein Teil in den Länderfinanzausgleich fließt, aber man kann sich auch vorstellen, dass man verhandelt und dass ein Teil in Bremen bleibt. Es würde also ein Beitrag zur Verbesserung der Haushaltssituation sein, und es würde die Menschen im Land Bremen, die mehr als eine Million Euro Vermögen haben, nicht ärmer machen, sondern sie würden nur langsamer reich.
Es ist schwer, Zahlen zu Reichtum zu finden. Die Zahlen, die man findet, sind aber ausgesprochen interessant. Wir haben Ihnen ein paar in die Vorlage hineingeschrieben. Mich fasziniert besonders, dass sich aus den Untersuchungen ergibt, dass, wenn man Millionär ist, das Vermögen durchschnittlich um acht Prozent pro Jahr steigt, und wenn man Milliardär ist, steigt es sogar um zehn Prozent pro Jahr. Das heißt, je mehr Geld man hat, desto schneller steigt es auch. Was bedeutet eigentlich acht Prozent Steigerung? Acht Prozent Steigerung heißt, wenn ich heute mit einem Vermögen von 100 Euro beginne, verdoppelt es sich in ungefähr acht oder vielleicht auch zehn Jahren, und in den nächsten zehn Jahren verdoppelt es sich noch einmal. Wir sprechen aber nicht über 100 Euro, sondern über Größenordnungen von mittlerweile circa neun Billionen Euro privatem Vermögen in der Bundesrepublik. Davon ist die Hälfte Geldvermögen oder angelegtes Geld, der Rest sind Immobilien und Ähnliches.
Wir befinden uns in einer Situation, in der das Vermögen schneller wächst als die Volkswirtschaft. Wir
wissen auch, dass die Einkommen der öffentlichen Hand in den letzten Jahren, zumindest seit dem Jahr 1972, nicht gestiegen sind und dass die Menschen, die lohnabhängiges Einkommen beziehen, einen Reallohnverlust hinnehmen müssen, während Vermögensgewinne und Gewinne aus Unternehmen in einer Weise gestiegen sind, die deutlich höher liegen, im Schnitt bei vier Prozent!
Wir wissen auch, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht um vier Prozent und schon gar nicht um acht oder zehn Prozent im Jahr gewachsen ist. Das heißt, wir haben eine Situation, in der der private Reichtum in einer Geschwindigkeit steigt, dass er immer größere Teile des Bruttoinlandsprodukts aufzehrt und dafür andere, nämlich die öffentliche Hand und die lohnabhängig Beschäftigten, einfach weniger Geld bekommen müssen, weil die Menge des Geldes einfach begrenzt ist. Jetzt sagen wir, dass die Vermögensteuer – um das noch einmal zu Ende zu führen – nur natürliche Personen entrichten sollen, also Menschen, nicht etwa Betriebe oder Firmen. Das wäre an dieser Stelle eine falsche Idee.
Ich habe mir auch einmal die Frage gestellt, wie Vermögen eigentlich entstehen. Vermögen entstehen ja auf unterschiedliche Weise.
(Heiterkeit bei der CDU – Abg. K a s t e n - d i e k [CDU]: Haben Sie ein Rezept dafür? – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Also Ar- beit ist es nicht!)
Es gibt die Variante, dass irgendwann einmal jemand einen Taler in den Sparstrumpf und unter das Kopfkissen legt. Diese Vermögensform gibt es auch. Es gibt in der Tat Menschen, die vergleichsweise hart für ein vergleichsweise bescheidenes Vermögen gearbeitet haben, indem sie gespart haben. Sie haben dann vielleicht am Ende ihres Lebens 150 000 oder 200 000 Euro zusammengespart.
Es gibt zwei wesentliche Vermögensquellen, für die diejenigen Menschen nichts tun müssen, außer Besitzer von Anteilsscheinen zu sein. Wer in diesem Jahr – und jedes weitere Jahr – glücklicher Besitzer von Telekom-Aktien war, konnte sich über eine Rendite von ungefähr 7,8 Prozent freuen.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Facebook war das! – Abg. S t r o h - m a n n [CDU]: Ich habe Nokia-Aktien, die taugen gar nichts!)
Dafür muss man nichts tun, man muss sie nur irgendwann kaufen, und jedes Jahr steigt sozusagen das Vermögen um acht Prozent.
Es war bei der Telekom nicht immer so, aber es gibt ja auch Schuldverschreibungen und ähnliche Dinge. Das heißt, wenn man Anteilseigner solcher Verschreibungen ist, bekommt man das Geld einfach jedes Jahr oben darauf, ohne dass man es bezahlen muss, und es ist in aller Regel mehr als ein Prozent.
Es gab noch eine zweite Methode, wie man, ohne dass man irgendetwas dafür getan hat, ziemlich zügig zu einem vergleichsweise hohen Vermögen kommen konnte. Wenn man in der Bundesrepublik Deutschland Einkommensteuer bezahlen musste, hat man im Jahr 2002, also ungefähr vor zehn Jahren, auf 100 000 Euro Einkommen als Alleinstehender ungefähr 41 000 Euro Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag gezahlt. Im Jahr 2012 sind es 35 000 Euro, und das ist eine Differenz von gut 5 000 Euro. Aufaddiert ergibt sich eine Steuerersparnis in Höhe von 42 000 Euro, und wenn man das Geld dann mit einem durchschnittlichen Zinssatz von vier Prozent angelegt hätte, sind es 50 000 Euro.
In den letzten zehn Jahren konnte also jemand, der ein Einkommen von über 100 000 Euro hatte, ohne dass er mehr arbeiten und sich anstrengen musste, 50 000 Euro Vermögen ansammeln. Das wird bei Menschen, die ein noch höheres Einkommen haben, natürlich noch viel deutlicher. Dieses Geld fehlt unter anderem hier in Bremen.
Ich habe einmal eine Liste der Steuererleichterungen der letzten zehn Jahre bei der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Erbschaftsteuer gesehen. Die Liste ist eng beschrieben, fast eine DIN-A-4Seite lang, und unter dem Strich sind es seit ungefähr zehn Jahren 350 Milliarden Euro, die auf Einnahmeseite fehlen. Es liegt die Anfrage der Grünen vor, die die Auswirkungen der sogenannten Steuererleichterungen der Bundesregierung der letzten zwei Jahre auf die nächste Zeit beschreibt. Sie haben es addiert: Bis zum Jahr 2015 kommen 750 Millionen Euro zusammen. Dieses Geld verschwindet ja nicht irgendwo. In aller Regel verschwindet dieses Geld in den Taschen der Menschen, die in den Genuss der Steuererleichterungen kommen, und in aller Regel wird es dann Vermögen. Deswegen finden wir es vollständig richtig zu sagen, wir brauchen in der Bundesrepublik eine Vermögensteuer aus ökonomischen Gründen, weil sich eine Volkswirtschaft einen derart übergeordneten Reichtum nicht leisten kann.
Beschäftigt man sich einmal ein bisschen mit Ökonomie, dann weiß man, dass es so etwas wie eine Überakkumulation des Kapitals geben kann, also eine Situation, in der es auf der einen Seite so viel Geld in Firmen und privaten Vermögen und auf der anderen Seite so wenig Kaufkraft gibt, dass man überhaupt nicht mehr weiß, was man damit anfangen soll. Man flüchtet dann in einen Kasino-Kapitalismus, spekuliert und verursacht eine Finanzkapitalblase, die irgendwann platzt, aber real ist es so, dass die Realwirtschaft nicht weiter wächst. Es wird nur noch in Rationalisierungsmaßnahmen investiert, damit man
mit weniger Menschen mehr produzieren kann, aber es wird nichts Neues gebaut, und es werden Firmen gekauft, aber nicht ausgeweitet. Es entsteht eine Situation, in der trotz eines Aufschwungs die Arbeitslosigkeit nicht deutlich sinkt, in der der Abschwung immer größer wird und das Bruttoinlandsprodukt im Jahresschnitt immer weiter sinkt. Das ist eine Überakkumulationskrise, und die muss man bekämpfen. Man bekämpft sie im Moment aber nur dadurch, dass man die Vermögenssteuer abschöpft.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. S t r o h - m a n n [CDU]: Proletarier aller Länder ver- einigt euch!)
Das ist eine gute Idee! Das „Proletarierer aller Länder vereinigt euch“ ist immer die billigste Form, die Augen vor konkreten ökonomischen Zwängen zu verschließen und einfach so zu tun, als gäbe es das nicht und als ob wir hart arbeitenden Menschen ihnen ihr hart erspartes Vermögen unbedingt entreißen wollen würden.
Wir wollen eine Vermögensteuer, die Bund und Länder wieder in die Lage versetzt, handlungsfähig zu sein. Wir wollen dafür sorgen, dass Menschen in diesem Land für Arbeit wieder anständige Löhne bekommen. Das ist das Ziel dieser Unternehmungen, und deswegen muss man die Vermögensteuer einführen. Ich sage Ihnen noch einmal: Das Problem ist, dass es, selbst wenn man eine Vermögensteuer mit einem Prozent einführt, nicht zu Armut bei den Millionären führt, sondern dass sie nur etwas langsamer reich werden.
Wir haben, wie gesagt, beantragt, dass sich Bremen der Initiative zur Einführung einer Vermögensteuer anschließt. Wir haben beantragt zu prüfen, ob eine lokale Vermögensteuer eingeführt werden kann. Ich werde in einem zweiten Beitrag noch einige Ar
gumente vortragen, warum es unserer Meinung nach funktionieren kann, sie lokal in Bremen einzuführen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat uns heute einen kleinen und gut illustrierten Essay als Antrag vorgelegt, dessen Kern wir hier im Wesentlichen schon bei den Haushaltsberatungen am 9. Mai 2012 diskutiert haben. Der Vortrag des Kollegen Herrn Rupp war auch wieder sehr unterhaltsam.
Mein Kollege Dr. Güldner hat mir zwischendurch die Zusammenfassung gesagt, die er wiederum, wie er mir sagte, vom Kollegen Schrörs gehört hätte. Sie geht so: Wie kommt man in Deutschland am besten zu einem kleinen Vermögen? Indem man vorher ein großes Vermögen hatte. Ja, gute Geschichte, das stimmt wirklich! Insofern, Herr Rupp, will ich gleich am Anfang sagen, Sie rennen mit den meisten Dingen, die Sie gesagt haben, hier bei uns offene Türen ein.
Darum geht es heute aber nicht, glaube ich, sondern es geht darum, dass wir uns mit Ihrem Antrag und dem Beschlussteil auseinandersetzen und sagen, ob wir ihn mitbeschließen werden oder nicht. Das will ich jetzt machen und gleich am Anfang sagen – der erste allgemeine Teil, in dem Sie fordern, der Senat solle aufgefordert werden, neben dem Bundesrat eine offensive Steuerpolitik mit Vermögensteuer und so weiter zu ergreifen –: Wir müssen in diesem Hause den Senat nicht ein weiteres Mal auffordern, sich für eine andere Steuerpolitik in Berlin einzusetzen. Das haben wir bereits mehrfach beschlossen.
Die Koalition ist sich dort einig, und der Senat handelt vor allen Dingen auch danach. Ich will Ihnen ganz offen sagen, man kann natürlich sagen, dann machen wir es noch einmal. Aber nein, das gäbe ein vollkommen falsches Bild, wenn wir heute so täten, als bräuchte der Senat dazu unsere Aufforderung. Das ist nicht der Fall!
Gemeinsam haben die beiden Parteien, die die Koalition tragen, vereinbart, ich darf zitieren: „Wir wollen das Steuerrecht so verändern, dass hohe Einkommen
und große Vermögen in einem stärkeren Maße als bisher zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Daher wollen wir insbesondere im Bundesrat für eine sozial gerechte Erbschaft- und Schenkungsteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine stärkere Belastung von großen Vermögen eintreten.“ Ein guter Vertrag, eine gute Vereinbarung!