Ich glaube im Übrigen, dass es richtig ist, dass wir jetzt eine grundlegende Debatte über die Änderungen in unserer Landesverfassung führen, und deswegen hat die CDU-Bürgerschaftsfraktion ihre eigenen beabsichtigten Verfassungsänderungen auch als Drucksachen zwischenzeitlich eingebracht. Ich biete ausdrücklich an, dass wir, wenn wir das im Juli be
raten, gern auch in dem jetzt zu wählenden Ausschuss gemäß Paragraf 125 darüber debattieren können. Ich biete gern an, dass wir versuchen, die beiden Initiativen der Verfassungsänderung zu bündeln, um eben zu vermeiden, dass wir auch in dieser Legislaturperiode wieder viermal die Verfassung ändern, weil ich der festen Überzeugung bin, dass ein Mal eigentlich reichen müsste. Ich glaube auch, dass wir eine große verfassungspolitische Debatte aus Anlass der Diskussion benötigen, die Rot-Grün untereinander geführt hat, nämlich: Unter welchen Voraussetzungen wollen wir eigentlich in Zukunft Verfassungsänderungen ermöglichen? Wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion schlagen dazu vor, wie in anderen Ländern auch und wie im Übrigen auch in Bremen bis zum Jahr 1994 praktiziert, die Verfassungsänderungen immer obligatorisch einem Volksentscheid vorzulegen. Wir glauben, dass die Identifikation der Bremerinnen und Bremer mit der Verfassung dadurch steigt, das bestätigen im Übrigen auch die Erfahrungen aus Bayern und Hessen. Wir glauben, dass es in der Regel auch immer eine breite Mehrheit für diese Verfassungsänderungen geben wird, weil sie schon im Verfahren eben darauf abgeklopft werden, dass sie am Ende auch eine Mehrheit in der Bevölkerung brauchen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist also der Auffassung, unsere Landesverfassung ist ein hohes Gut, und wir sollten sie nicht zu häufig, nicht aus jedem Anlass und nicht nur aus parteipolitischer Motivation heraus einer Änderung unterziehen. Deswegen ist mein herzlicher Appell: Lassen Sie uns in den nächsten Wochen über das reden, worüber wir heute nicht reden, nämlich nicht über die verfahrensmäßigen, sondern über die substanziellen Änderungen unserer Landesverfassung! Wollen wir die Verlängerung der Legislaturperiode? Wollen wir das Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung? Wollen wir die Hürden zur Volksgesetzgebung senken? Wollen wir in Zukunft obligatorisch die Bevölkerung immer dann fragen, wenn wir die Änderung unserer Landesverfassung für geboten halten? Wir als CDU-Fraktion haben uns dazu klar positioniert, und ich möchte Sie herzlich bitten und auffordern, bis zur nächsten Sitzung der Bremischen Bürgerschaft auch an dieser Debatte teilzunehmen und sich nicht weiter aus koalitionsinternem Gezänk von dieser Debatte fernzuhalten. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, ich glaube, es war die Finanzsenatorin, die Ihnen anlässlich der heutigen Debatte zur Bremer Landesbank gesagt hat: Sie können es nicht lassen! Es ist wieder genau dasselbe, was heute Morgen passiert ist. Eine Angelegen
heit, in der man sich eigentlich einig ist, wird solange gewendet, gedreht, herumgeschleudert und mit Zusatzelementen versehen, bis man einen Diskurs führen kann. Ich dachte, wir führen diese Debatte hier so, wie wir sie im Vorfeld geführt haben, nämlich im großen Einvernehmen. Ja, es gibt Auseinandersetzungen in der Koalition zu einzelnen Vorschlägen der Verfassungsänderung, aber Herr Kollege Röwekamp, bitte nehmen Sie auch zur Kenntnis: Die CDU ist nicht diejenige, die entscheidet, wann und ob in Bremen die Landesverfassung geändert wird, sondern das macht das Parlament.
(Beifall bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das macht das Parlament! Das ent- scheiden auch nicht Sie!)
Wenn Sie Anträge stellen, die Sie für die Juli-Sitzung gestellt haben, wird sich das Parlament damit befassen und Ihnen die entsprechende Antwort geben. Ich sage Ihnen schon eine Antwort: Ein obligatorisches Referendum wird es mit der SPD und, ich gehe auch davon aus, mit der Koalition nicht geben. Ansonsten sind wir bereit, die Diskussion zu führen. Aber, Herr Röwekamp, ganz ehrlich, wir haben in der letzten Legislaturperiode, glaube ich, dreimal die Verfassung geändert. Ich habe sehr große Hochachtung davor gehabt, wie es gelaufen ist, da gab es nämlich keine Zweidrittelmehrheit von Rot-Grün, sondern eine Zweidrittelmehrheit konnte nur erreicht werden, indem entweder Sie oder die beiden im Parlament vertretenen kleineren Parteien zugestimmt haben. Erstaunlicherweise hat bei allen Verfassungsänderungen, die wir vorgenommen haben und die gesellschaftspolitisch notwendig gewesen sind, beispielsweise die Gleichstellung der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern, der Konsens in diesem Hause von einer neoliberalen FDP bis hin zur Linkspartei gereicht. Die Einzigen, die sich verweigert haben, an der Gestaltung der Verfassung mitzuwirken, waren Sie, und ich hoffe, das geht nicht so weiter!
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: So wie wir es machen! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Im- mer draußen stehen und meckern, das ist die Position der CDU! – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Wir machen diese Verfas- sungsänderung mit, hoffen aber, dass Sie den Mut zu mehr haben! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Immer meckern! – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Ich meckere doch nicht, wir machen ja mit! Aber wir können mehr!)
Ihnen liegen zwei Verfassungsänderungen vor, die sich aufdrängen. Die eine ist die Einführung des Gesetz- und Amtsblattes in elektronischer Form. Wir haben bisher 300 Abonnenten beim Gesetzblatt und 400 Abonnenten beim Amtsblatt. Die Änderung, dass sie in elektronischer Form herausgegeben werden, drängt sich auf. Das ist auch ein gutes Beispiel, denn es zeigt, dass diese Landesverfassung eine große Zahl von Detailregelungen enthält, die man im Grunde auch vernünftig anpassen muss.
Ich komme gleich zu dem zweiten Punkt, Herr Röwekamp! Überlegen Sie gut, ob Sie die Verfassungsänderung wirklich an einen Volksentscheid binden wollen. Es gab gute Gründe, warum dieses Parlament im Jahr 1994 mit Ihrer Zustimmung gesagt hat, eine Verfassungsänderung nur einstimmig oder nur mit einem Volksentscheid soll es zukünftig nicht mehr geben, denn es gibt eine große Zahl von Detailänderungen. Stellen Sie sich vor, wenn die Änderung, dass es das Amtsblatt und Gesetzblatt elektronisch geben soll, mit einem Volksentscheid vorgelegt werden würde, dann bräuchten Sie ein Quorum von 50 Prozent.
Dies sind nicht die einzigen Detailregelungen, die Landesverfassung enthält eine Vielzahl anderer Detailregelungen. Die Frage der Verfassungsänderung, glaube ich, darf man nach augenblicklichen Mehrheitsverhältnissen nicht situativ entscheiden, man muss sie strukturell entscheiden, und dabei muss man sich die Inhalte einer Verfassung anschauen. Es gibt Änderungsbedarfe, denen man nachkommen muss.
Zur zweiten Verfassungsänderung nur ganz kurz! Es ist so, dass der Artikel 79 bereits ein umfassendes Informationsrecht vorsieht. Das ist vernünftig. Das wird jetzt dadurch ergänzt, dass bei jeder Abweichung der Senat eine besondere Begründung geben muss. Der Bundesrat besteht aus den Mitgliedern der Landesregierung, und auch das ist eine sehr vernünftige Regelung. Es ist gut, dass es diese Änderung gibt, und ich würde solche Änderungen nicht an einen Volksentscheid binden.
Sie werden immer wieder vor diese Fragen gestellt werden. Denken Sie daran, Sie brauchen immer ein Quorum von 50 Prozent, selbst wenn die Landesver
fassung auf ein Quorum von 40 Prozent geändert werden sollte! Diese Quoren müssen bei einer sehr großen Vielzahl von Einzelregelungen zustande kommen, und das ist wirklich sehr schwer. Das führt im Prinzip zu einer Versteinerung der Verfassung.
Das ist das, was wir eigentlich vorher hatten. Es führt zu einer Versteinerung und Unlebendigkeit der Verfassung, und ich glaube, davor sollte man sich hüten! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsrat Professor Stauch, Sie wissen natürlich, dass die Wahrheit, die gelebte Praxis in den beiden Ländern, die die obligatorische Volksbefragung haben, eine völlig andere ist. Auch da lebt die Verfassung, und auch da werden die notwendigen Veränderungen, die technischer Natur sind, selbstverständlich nachvollzogen. Es hat bisher immer, bis auf eine Ausnahme in Hessen, eine große Mehrheit der Bevölkerung für die beabsichtigten Verfassungsänderungen gegeben.
Es gibt dazu eine wunderbare Präsentation von Mehr Demokratie e.V. – die kann ich Ihnen gern einmal zur Verfügung stellen –, mit der nachgewiesen wird, dass in beiden Ländern, in Hessen und Bayern, alle notwendigen Verfassungsänderungen, die dem Volksentscheid obligatorisch vorgelegt worden sind, immer die notwendige Mehrheit gefunden haben. Genau das meine ich! Ich will nicht 17-mal in 16 Jahren die Verfassung ändern, sondern ich will, dass wir uns auf die notwendigen Änderungen beschränken, diese zusammenfassen und versuchen, dafür gemeinsam bei der Bevölkerung in Bremen und Bremerhaven zu werben. Ich habe keine Angst davor, dass Menschen darüber abstimmen, ob die von uns beabsichtigten, teilweise auch politisch motivierten Verfassungsänderungen gewollt sind oder nicht. Wer wirklich mehr Demokratie will, der muss das auch einmal in die Verfassung schreiben und nicht immer nur davon sprechen.
Deswegen glaube ich, Bayern und Hessen zeigen, dass es nicht so ist, dass der Volksentscheid notwendige Verfassungsänderungen blockiert. Im Gegenteil, die Diskussionsbereitschaft und Beteiligung der Menschen an verfassungspolitischen Diskussionen ist in diesen beiden Ländern ungleich größer als in Bremen. Deswegen sage ich, muss man das wieder einführen, was wir im Jahr 1994 versehentlich oder absichtlich falsch gemacht haben und zur Folge hatte,
Herr Professor Stauch, dass wir danach viermal so oft die Verfassung geändert haben wie in den 47 Jahren vorher. Das ist nicht das, was wir unter einem maßvollen Umgang mit Verfassungsänderungen verstehen. Deswegen freue ich mich auf die Debatte. Sie zeigt, dass wir darüber auch lebhaft diskutieren können, und deswegen ist es, glaube ich, ein bisschen vorschnell, schon heute anzukündigen, was man mit den Anträgen in der nächsten Sitzung machen will. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, in Ruhe und sehr sorgsam darüber zu sprechen, denn am Ende, glaube ich, ist es nicht falsch, die Menschen in Bremen und Bremerhaven zu fragen, was ihrer Auffassung nach in der Verfassung stehen soll und was nicht. Wir verstehen das zumindest unter Demokratie. – Danke!
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich greife das Wort vorschnell von Herrn Röwekamp auf. Mir leuchtet es überhaupt nicht ein, dass man auf die Schnelle am Rande einer Debatte über die Einführung eines elektronischen Amtsblattes entscheidet – sozusagen eine Jahrhundertentscheidung –, wie in Zukunft in Bremen die Verfassung geändert werden kann oder nicht.
Das ist davon vollkommen unabhängig, denn ich habe Ihren Beitrag soeben gehört! Ich glaube, dass wir diese Debatte gründlich vorbereiten sollten. Wir müssen jetzt wirklich sehr intensiv und an der Sache orientiert nachdenken – wir als Grüne haben Ihren Vorschlag zur Kenntnis genommen – und prüfen, welche Vor- und Nachteile das hat, und das ist ausführlich zu diskutieren. Anschließend kommen wir nach entsprechender Vorbereitung zurück in dieses Haus, um eine von Ihnen vorgeschlagene Verfassungsänderung zu diskutieren, aber nicht einmal eben auf die Schnelle am Rande einer Debatte über irgendwelche anderen Themen. Sie schießen wieder vorschnell drei Argumente in die Gegend, und dann haben Sie sozusagen mehr Demokratie, das Volk und alles andere auch noch vereinnahmt. So funktionieren hier keine Debatten!
Bringen Sie bitte Ihren Antrag ein, dann wird er auf die Tagesordnung gesetzt, und alle haben aus––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
reichend Zeit, sich damit zu befassen! Ich schlage sogar vor, dass wir uns dafür richtig viel Zeit nehmen, weil Sie auch mehrere Themen angesprochen haben, die uns sicherlich alle bewegen, und dass wir uns dann, wenn dieser Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung steht, in einer ausführlichen und seriösen Debatte darüber unterhalten. Es aber einmal kurz am Rande zu diskutieren, sich dabei als Demokraten und die anderen als undemokratisch zu bezeichnen und auf die Schnelle und so nebenbei entscheiden zu wollen, so führen wir keine Debatten über Verfassungsänderungen! – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! So ist es nun einmal, wenn man erstens zu Beginn der Debatte nicht im Raum ist und zweitens nur die halbe Wahrheit sagt, Herr Dr. Güldner! Die Wahrheit ist nämlich, wir wussten schon seit längerer Zeit, dass es Verfassungsänderungen geben wird, weil Notwendigkeiten bestanden, wie zum Beispiel die Frage des elektronischen Registers, und weil wir beispielsweise schon eine Verfassungsänderung im interfraktionellen Einvernehmen geschoben hatten. Wir hatten die Mitteilungspflicht über die Abweichungen ja nicht geschoben, weil wir auf das elektronische Register gewartet haben, sondern wir haben im Verfassungsund Geschäftsordnungsausschuss darüber gesprochen. Ich habe Sie gefragt: Wann kommen Sie mit Ihren im Koalitionsvertrag verabredeten Verfassungsänderungen? Da hieß es: Wir kommen damit bis zur Sommerpause.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben Ihren Antrag erst am Montag beschlossen!)
Deswegen haben wir die Änderungen verschoben, und nun beraten wir nur diese beiden Kleinigkeiten, weil Sie sich innerhalb der Koalition zwar zunächst auf etwas verabredet hatten, das aber jetzt nicht mehr stattfindet. Ich erinnere mich noch genau, Herr Tschöpe, als Sie mich gefragt haben, wie sich die CDU bei der Verlängerung der Legislaturperiode verhalten wird. Ich habe Ihnen gesagt, stellen Sie Ihre gemeinsame Initiative bitte so lange zurück, bis wir in der Partie zu einer Mehrheitsmeinung gekommen sind. Wir haben die Entscheidung getroffen, ich habe es Ihnen mitgeteilt, und dann haben wir gesagt, in Ordnung, dann können wir die Verfassungsänderungen jetzt gemeinsam beraten. Dass Sie sich jetzt innerhalb der
Koalition irgendwie darüber entkoppelt haben, ob Sie vier oder fünf Jahre wollen oder nicht und ob dazu obligatorisch oder speziell einzelfallbezogen die Bevölkerung gefragt werden soll, liegt ja nicht in der Verantwortung der CDU.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was hat denn das mir Ihrem neu- en Vorschlag zu tun?)
Wir haben unsere Verfassungsänderungsanträge so lange zurückgestellt, weil wir darauf gewartet haben, dass die Koalition ihre angekündigten Verfassungsänderungen endlich vorlegt. Ich finde es schade, dass wir jetzt nur zwei Kleinigkeiten in der Verfassung ändern und dass es uns eben nicht gelingt, die ganz wichtigen aus den unterschiedlichen politischen Lagern verabredeten beziehungsweise angekündigten Verfassungsänderungen gemeinsam zu beraten. Es wird wieder dazu führen, dass wir mehrere verfassungspolitische Beratungen haben werden
Das, finde ich, ist schade, nur weil – und das ist nämlich die ganze Wahrheit – Sie mit Ihren Verfassungsänderungen nicht zurechtkommen!