Protokoll der Sitzung vom 11.07.2012

Wenn Sie sehen, dass Herr Sommer in der Anhörung nicht nur deutlich gemacht hat, dass das ein gutes Bremer Modell ist, sondern auch, dass dieses Bremer Modell nach seiner festen Überzeugung in der Republik Schule machen wird, dann können Sie dies daran sehen, dass Hamburg dabei ist zu folgen, dass Schleswig-Holstein in der Koalitionsvereinbarung festgelegt hat, dass es ein Landesmindestlohngesetz auflegen wird, dass in Hessen und Thüringen darüber diskutiert wird.

Sie können sich sicher sein, dass die große parlamentarische Mehrheit in diesem Haus und auch die große Mehrheit der Deutschen auch im nächsten Jahr dafür kämpfen wird, dass wir dann endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland bekommen, gegen den insbesondere Sie und Ihr Koalitionspartner sich in den vergangenen Jahren gewehrt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gehört auch dazu, dass man natürlich deutlich macht, dass sich in der Betrachtung, wer seinen Beschäftigten welche Löhne zahlt, auch Situationen gebildet haben, in denen der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern einen vernünftigen Lohn zahlt, über Steuern und anderes denjenigen mit subventioniert, der seinen Leuten Dumpinglöhne zahlt. Das ist eine ungerechte Wettbewerbsverzerrung, die übrigens von staatlicher Seite subventioniert wird, weil diese Arbeitnehmer am Ende dann zum Staat gehen und ergänzende Sozialhilfe beantragen. Das entspricht nicht unserem Menschenbild, das entspricht nicht unserer Auffassung von einer sozialen Politik und von guten Arbeitsverhältnissen. Insofern werden wir auch dagegen weiter kämpfen, dass auf diese Weise schlechte Arbeitsverhältnisse in diesem Land subventioniert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann lavieren Sie immer weiter herum. Sie trauen sich nicht richtig zu sagen, eigentlich sind wir gegen gesetzliche Mindestlöhne. Sie sind inzwischen glücklicherweise davon ab, immer den Eindruck zu erwecken, als würden gesetzliche Mindestlöhne dazu führen, dass die Bremerinnen und Bremer zukünftig zum Haare schneiden nach Polen fahren, weil man sich dort dann günstiger die Haare schneiden lassen kann, weil hier dann eine Frau, die die Haare schneidet, 8,50 Euro bekommt, oder dass ein Reinigungsgewerbe zukünftig nicht mehr die Büros in Bremen reinigen kann, sondern der Chef es dann selbst macht, weil er einen Mindestlohn zahlen muss, oder dass im Wachgewerbe nicht mehr die Gebäude, Juwelierläden und Banken bewacht werden, sondern dass es die Beschäftigten oder Chefs dann selbst machen. Sie haben sich bislang immer dadurch hervorgetan, dass Sie in der Debatte um gesetzliche Mindestlöhne mit Scheinargumenten operiert haben, Sie operieren weiter mit Scheinargumenten.

Wir setzen die richtigen Maßstäbe, um deutlich zu machen, dass wir gesetzliche Mindestlöhne wollen, und gehen als Bremer einen wichtigen Schritt voran. Insofern ist das heute ein guter Tag für Bremen, es macht deutlich, dass Politik glaubwürdig ist, dass bremische Politik an der Stelle, wo sie Einfluss nehmen kann, diesen Einfluss nimmt, dass wir uns für faire Arbeitsbedingungen und guten Lohn einsetzen, und deshalb hat dieses Gesetz eine Vorbildfunktion. Insofern danke ich der breiten parlamentarischen Mehrheit dieses Hauses, dass sie dieses Gesetz in dieser Breite getragen hat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über die Änderungsanträge abstimmen.

Zuerst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 18/477, abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 18/477 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Änderungsantrag zu.

Nun lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/518 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab.

Jetzt lasse ich über das Mindestlohngesetz für das Land Bremen, Drucksache 18/229, in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Mindestlohngesetz für das Land Bremen, Drucksache 18/229, unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Änderungen in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU)

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

Notruf per SMS und Applikation für Smartphones und Tablet-Computer für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung einführen

Antrag der Fraktion der CDU vom 17. April 2012 (Drucksache 18/338)

Wir verbinden hiermit:

Unverzüglich einfachen und verlässlichen Notruf bei Polizei und Rettungsdiensten auch für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung einführen!

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 5. Juni 2012 (Drucksache 18/448)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer, ihm beigeordnet Herr Staatsrat Münch.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als Erster erhält das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Haus in den letzten Jahren des Öfteren über Barrierefreiheit debattiert. Für über 1,5 Millionen Menschen in Deutschland, die aufgrund einer Hörschädigung nicht telefonieren können, ist das Absetzen eines Notrufs per Telefon oder Handy nicht möglich.

In eine Notfallsituation kann jeder Mensch einmal schnell kommen, egal ob im Haushalt, bei einem Verkehrsunfall, in den eigenen vier Wänden, bei einem Spaziergang am Weserdeich oder als Zeuge einer Gewalttat. Dann zählt – das wissen Sie alle – jede Minute, um die Alarmierung der Polizei oder der Rettungskräfte in die Wege zu leiten. Für jeden Menschen, der kein Problem mit dem Telefonieren hat, ist das natürlich kein Problem, und es ist schnell zu erledigen. Sie wählen einfach den Europa-Notruf 112 oder den nationalen Notruf 110, aber unsere hörgeschädigten Mitmenschen bekommen dann Probleme. Deshalb ist es wichtig, auch für viele Menschen, die hörgeschädigt sind, Hilfestellungen in Notfällen zu installieren. Kommt es zu einem Unfall oder zu gesundheitlichen beziehungsweise lebensgefährlichen Situationen, dann müssen Rettungskräfte oder die Po––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lizei auch durch hörgeschädigte Menschen alarmiert werden können.

Der Antrag der Fraktion von Rot-Grün zielt in die gleiche Richtung, aber er unterscheidet sich ein wenig von unseren Forderungen. So wollen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, dass sich der Senat auf Bundesebene sowie auch in den bereits tätigen Arbeitsgruppen einsetzt, dass unverzüglich ein bundesweit einheitliches und verlässliches System für Notrufe für Menschen mit Hör- und Sprachbeeinträchtigungen entwickelt und eingeführt wird. Wir finden das gut, und wir werden dies natürlich auch unterstützen.

Warum aber nicht erst bei uns in Bremen und Bremerhaven? Wir wollen dies auch schnellstens für unsere Hör- und Sprachbehinderten im Land Bremen einführen. Man kehrt – das ist so ein Sprichwort – zuerst einmal vor seiner eigenen Haustür und packt selbst an. Wir haben die Möglichkeit, dieses schon bestehende System verlässlich mit Rückfragemöglichkeiten und der dazugehörigen Ortung einzuführen. In Bremerhaven – sie haben dort gerade eine neue Einsatzleitstelle bekommen – wird schon daran gebastelt. Wir stellen hier in Bremen, das wissen Sie alle, Weltraumtechnik und Hochtechnologie her, und so werden wir auch dies, wie es schon in vielen Bundesländern möglich ist, technisch lösen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, der Wille muss vorhanden sein. Nicht auf die lange Bank schieben, nein, Handeln ist hier die Devise! Das Bestreben des Deutschen Schwerhörigenbundes ist es schon immer gewesen, dass auch hörgeschädigte Menschen am bewährten Notrufsystem teilhaben können. Zusammen mit der Feuerwehr und der Polizei hat der Deutsche Schwerhörigenbund in der Firma Protegon aus Düsseldorf einen Kooperationspartner gefunden, diese Firma ist ein Anbieter von mobilen Sicherheitslösungen. Aus ihrem Haus stammt eine SOS-Notfallapp für Smartphones.

Das System beinhaltet auch die Kommunikationsmöglichkeiten per SMS und ist eines der zurzeit modernsten Notrufsysteme. Wird ein Notruf ausgelöst, übermittelt das Smartphone automatisch, soweit die Möglichkeit besteht, ein Foto vom Geschehen und den aktuellen Standort des Notrufenden via GPS. Der Notruf selbst geht sekundenschnell in der Notrufzentrale der ibs in Gelsenkirchen ein und wird dort an die zuständige Polizei oder Feuerwehr weitergeleitet. Die Notrufzentrale der ibs in Gelsenkirchen ist rund um die Uhr an 365 Tagen besetzt. Die SOS-Notfallapp, die Registrierung und eine damit verbundene vertragliche Bindung mit dieser Firma sind, allerdings zu vergünstigten Tarifen, kostenpflichtig.

In der Regel werden alle Menschen, die Probleme mit den Ohren haben, gleichgestellt. Heraus kommt dann das Wort gehörlos, doch da gibt es sehr große Unterschiede. Es gibt Menschen, die einmal hören konnten, die aber durch einen Unfall oder durch andere Dinge plötzlich nicht mehr hören können. Sie

werden sich auch noch irgendwie sprachlich verständigen können.