Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig – Beifall bei der CDU)

Unterhaltsvorschüsse konsequent einfordern

Antrag der Fraktion der CDU vom 10. Juli 2012 (Drucksache 18/505)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

(Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Ach nein!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann das Rau––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nen von Frau Garling verstehen, wir haben das Thema schon mehrfach diskutiert. Schauen wir einmal, wie es heute läuft!

Meine Damen und Herren, kennen Sie Herrn Zwegat? Der Schuldnerberater hilft im Privatfernsehen überschuldeten Personen, sich zu konsolidieren. Er stellt dabei stets als Erstes Einnahmen und Ausgaben gegenüber. Für die Beamten wollen Sie, wie wir gestern hören konnten, die freie Heilfürsorge sparen, und auf der Einnahmeseite lassen Sie Leute davonkommen, die sich vor ihrer Verantwortung drücken. Das ist zutiefst ungerecht denjenigen gegenüber, die sich ihrer Verantwortung stellen, ihren Elternpflichten nachkommen und bezahlen. Da müssen sich die Ehrlichen einmal wieder als die Dummen vorkommen. Ich kann Ihnen sagen, damit ist die CDU nicht einverstanden.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Sie klatscht aber immer noch nicht!)

Bei den Unterhaltsvorschüssen schieben Sie seit dem Jahr 2000 einen großen Berg von circa neun Millionen Euro einzutreibender Gelder gegenüber den Eltern vor sich her, der sowohl vom Bundes- als auch vom Landesrechnungshof seit nunmehr zwölf Jahren kritisiert wird. Das ausgestellte Zeugnis war vernichtend. So titelte der „Weser-Kurier“ im Jahr 2008 nach dem letzten Bericht des Landesrechnungshofs „Ein El Dorado für säumige Väter“. Sie belohnen die Unehrlichen, diejenigen, die sich ihrer Verantwortung nicht stellen. Anstatt diese mit den Mitteln des Rechtsstaates zu verfolgen, geben Sie das Geld lieber aus dem ohnehin schon leeren Staatssäckel.

Die CDU hat ein anderes Verständnis an dieser Stelle. Hierzu ein Blick in die nüchternen Zahlen, die uns der Senat zur Verfügung gestellt hat! Während die laufenden Fälle anscheinend noch halbwegs abgearbeitet werden, stellt sich das Bild bei den Altfällen ganz anders dar. Die Zahlen sprechen nach wie vor eine deutliche Sprache. Im Jahr 2012 waren 2 667 Fälle rückständig, wovon 1 964 Fälle zahlungsunwillig waren, und seit fünf Jahren hat sich in diesem Bereich nichts getan. Die Zahlen der Zahlungsunwilligen sind marginal verändert, und die neun Millionen Euro Außenstände sind in fast gleicher Höhe stehen geblieben. Ein Handwerker wäre schon lange pleite, wenn er seine Rechnungen nicht eintreibt.

Wenn man es selbst nicht schafft, dann muss man sich überlegen, wie man es vielleicht mit Unterstützung schaffen kann. Unsere Initiativen und unsere Angebote, hier eine Veränderung herbeizuführen, wurden aber immer mit dem Hinweis abgelehnt, es sei durch Personalaufstockung zu schaffen. Dass die Sozialbehörde es aber allein nicht schafft, lässt sich klar an den Zahlen nachweisen, nicht nur in Bezug auf den gleichbleibend hohen Außenstand von neun Millionen Euro, den ich schon erwähnt habe, sondern auch in Bezug auf das Personal, das dort eingesetzt

wird. Im Jahr 2008 wurde das Personal auf ein Beschäftigungsvolumen von 11,07 Stellen erhöht, weil der Rechnungshof den zu geringen Personaleinsatz und die Überlastung der Mitarbeiter gerügt hatte. Im Jahr 2012 sind derzeit acht Mitarbeiter mit einem Beschäftigungsvolumen von 7,39 Stellen in diesem Bereich tätig, und zwei weitere Kollegen unterstützen sie. In welchem Umfang wird leider nicht mitgeteilt.

Sieht so der Wille des Senats aus, alle Einnahmequellen auszuschöpfen, oder sind die neun Millionen Euro Peanuts? Wir können uns das nicht leisten, meine Damen und Herren! In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage heißt es, dass die Mitarbeiter zusätzlich noch andere Aufgaben wahrnehmen und jeder Beschäftigte durchschnittlich circa 1 700 Fälle, 1 050 Fälle allein nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, zu bearbeiten hat. Das ist ein Rückfall in alte Muster. Das ist genau das, was der Rechnungshof kritisiert hat. Wir sind wieder da, wo wir schon einmal waren, wo wir Kritik entsprechend abbekommen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ein so geringer Personaleinsatz wie im Jahre 2008 schon vom Rechnungshof gerügt wird, warum holt man sich dann nicht Hilfe bei anderen? Wir haben mit der Behörde der Finanzsenatorin eine Behörde, die sich mit Vollstreckungen auskennt. Sie hat auch nette Vollstreckungsbeamte, die auch persönlich vorbeischauen und dort den einen oder anderen doch noch zu einer Zahlung im positiven Sinne bewegen.

Auch Bremerhaven ist wesentlich besser. Warum nutzen wir das nicht? Wir fordern daher den Einsatz von Fachkräften der Finanzbehörde wie es auch beispielsweise in Bayern der Fall ist, denn dort gibt es spezifisches Know-how. Wir fordern auch die konsequente Androhung von Ordnungswidrigkeitsverfahren bis hin zur Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen gegen die Auskunftspflicht. Sie haben bisher immer gesagt, andere Instrumente seien erfolgreicher. Wie erfolgreich kann man sehen, neun Millionen Euro Außenstände in 2008, neun Millionen Euro Außenstände heute. Die Außenstände sind also mit Ihren Instrumenten nicht reduziert worden.

Die Beauftragung externer Dritter – die sogenannten Inkassobüros – kann auch ein Weg sein. Da wird immer das datenschutzrechtliche Argument herangezogen, aber in Hessen läuft ein mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmtes Konzept. Im Gutachten des hessischen Datenschutzbeauftragten heißt es dazu: „Ich halte die Einschaltung eines privaten Inkassobüros dann für rechtlich unproblematisch, wenn das Büro als Verwaltungshelfer im Wege der Auftragsdatenverarbeitung bei der Vollstreckungsarbeit Hilfsdienste leistet. Die Vollstreckungsaufgabe bleibt in diesem Fall in der Hand der öffentlichen Stelle, das Inkassobüro erbringt lediglich Unterstützungsleistungen.“ Dort gibt es sehr positive Erfahrungen mit diesem Modell, und die Rückholquote hat

sich wesentlich verbessert. Auch andere Kommunen fangen an, mit Inkassounternehmen zusammenzuarbeiten, zum Beispiel Berliner Bezirke, oder haben Sondereinsatzgruppen wie beispielsweise Leipzig.

Es ist Zeit, etwas zu verändern, um die neun Millionen Euro endlich abzubauen, die uns seit vielen Jahren im negativen Sinne begleiten. Wir brauchen das Geld dringend. Wir haben gerade gestern über den Ausbau der Plätze für unter Dreijährige diskutiert. Ich habe den Bereich der freien Heilfürsorge angesprochen. Das sind alles Bereiche, in denen wir jetzt Gelder kürzen müssen oder nicht in ausreichendem Maße haben, weil der Staat an anderer Stelle die Einnahmen, die er erzielen könnte, nicht in vollem Maße ausschöpft. Deswegen lassen Sie uns zu diesem Thema endlich eine bessere Lösung erarbeiten! – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wendland.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion trägt mit ihrem Antrag ein durchaus berechtigtes Anliegen vor. Richtig ist, dass wir alles daransetzen müssen, ausgelegte Zahlungen des Staates an Väter und Mütter wieder zurückzuholen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um es kurz zu machen: Ihre Absicht ist lohnenswert, Frau Ahrens, Ihre vermeintliche Analyse des Problems und Ihre vorgeschlagenen Instrumente haben aber nur ein Ziel, nämlich einmal wieder populistische Politik zu inszenieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Ist der Vorschlag, der in einem anderen Land umgesetzt wur- de, populistisch?)

Die CDU unterstellt in ihrem Antrag der Sozialbehörde, sie würde nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um säumige Elternteile zur Kasse zu bitten. Mit diesem gezielten Vorwurf des Nichtkönnens versucht die CDU zu verschleiern, welche glasklar festzustellenden Ursachen es sind, die einer hohen Rückholquote im Lande Bremen entgegenstehen. Warum können viele Väter und Mütter keinen Unterhalt leisten?

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Ich rede von den Zahlungsunwilligen, nicht von denen, die nicht können!)

In der Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der CDU wird dargestellt, dass in 66 Prozent der Fälle mit offenen Rückforderungen keine Heranziehung

erfolgt. Die Begründung ist, diese unterhaltspflichtigen Elternteile können aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht zahlen. Die Ursachen dafür liegen in der Sozialstruktur. Das Land Bremen hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil an arbeitslosen Menschen, die entweder keine Arbeit haben oder aber Arbeit haben, von ihrem Lohn aber nicht leben können und somit ebenfalls auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Über 20 Prozent der Bremerinnen und Bremer sind armutsgefährdet. Viele von ihnen sind zudem verschuldet. Diese Faktoren beeinflussen die Leistungsfähigkeit der Unterhaltsschuldner. Dass diese objektiven Fakten an der CDU vorübergezogen sind, können wir uns beim besten Willen nicht vorstellen.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Auch der Umstand, dass die CDU den einfachen Wirkungszusammenhang von eingeschränkter Leistungsfähigkeit und der daraus resultierenden eingeschränkten Einnahmesituation Bremens ignoriert, zeigt einmal mehr, dass sie lieber Nebelkerzen wirft, anstatt eine Politik zu betreiben, die Menschen in eine bessere Lebens- und Arbeitssituation versetzt.

Frau Wendland, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Ahrens?

Nein, ich möchte gern erst einmal im Text weitermachen!

Anstatt immer wieder die gleichen schlechten Anträge zu stellen, könnte die Bremer CDU-Fraktion doch einmal ihre Energie dafür einsetzen, ihre eigene Bundespartei dazu anzuhalten, eine bessere Arbeitsmarktpolitik zu machen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist in der Tat ein Unding, wenn sich ein Elternteil der Verpflichtung entzieht, sein Kind auch materiell zu unterstützen. Deswegen muss es unser Ziel sein, dafür zu sorgen, die vom Staat vorgestreckten Unterhaltszahlungen zurückzuholen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten liegt Bremen da zurück. Wir sollten zumindest die Quoten der anderen Stadtstaaten auch hier in Bremen erreichen. Ihre Vorschläge, Frau Ahrens, sind aber weder neu, noch sind sie tragfähig, wie Sie in Ihrem Antrag behaupten, um die Rückholquote Bremens zu verbessern. (Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Da- von sind wir aber noch weit entfernt!)

Stattdessen ziehen Sie einen alten Hut aus der Tasche, den wir hier im Parlament die letzten Jahre gefühlt schon mehrfach eingehend erörtert haben. Zum Beispiel fordern Sie wiederholt die Beauftragung externer Dritter zur Eintreibung festgestellter Forderungen. Ich sage Ihnen, eine Privatisierung staatlicher Aufgaben in diesem hochsensiblen sozialen Bereich halten wir für absolut nicht tragfähig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Wir dürfen bei allem aber nicht vergessen, dass gerade alleinerziehende Frauen Empfängerinnen der Unterhaltsleistungen sind. Alleinerziehende Frauen sind besonders armutsgefährdet. Sie sind die Hauptbetroffenen, die von den Vätern keinen Unterhalt bekommen. Deswegen ist es besonders wichtig, sie mit diesem Problem nicht allein zu lassen. Das Eintreiben von Unterhaltszahlungen ist ein erster Schritt dahin, dass Frauen zukünftig wieder direkt von dem Vater ihrer Kinder den Unterhalt erhalten und nicht als Bittstellerinnen auftreten müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Wir lehnen den Antrag der CDU ab, weil die vorgeschlagenen Instrumente nicht funktionieren. Trotzdem ist das Thema wichtig, und wir sollten im Ehrgeiz nicht nachlassen, um die Rückholquote zu verbessern. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.