Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE] – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Allen Menschen aus aller Welt, die hierher kommen!)

Ohne Jacobs University hätten wir unter dem Strich weniger.

Den Kritikern sei auch gesagt, da wird auch immer wieder von Verstaatlichung gesprochen: Eine Verstaatlichung dieser Jacobs University ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, das wäre für das Land Bremen noch viel teurer. Wenn man die Strukturen in Bremen-Nord aufrechterhalten wollte, dann könnten wir uns das sonst, das wage ich hier zu behaupten – Sie wagen ja auch einige Finanzaussagen, die meines Erachtens sehr schwierig nachvollziehbar sind –, hier in Bremen nicht erlauben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nun stehe ich hier aber heute nicht als Wissenschaftspolitiker, sondern ich stehe hier heute als der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion und möchte insofern auch noch einmal auf für mich sehr wichtige Aspekte eingehen, nämlich auf die wirtschaftsstrukturpolitischen Effekte der Jacobs University für Bremen-Nord und auch weit über BremenNord hinaus. Die Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, und ich betone noch einmal, nicht aus dem Wissenschaftsetat, steht nämlich in Konkurrenz zur Finanzierung von Projekten anderer Ressorts, möglicherweise des Wirtschaftsressorts. Deshalb haben wir einige Erwartungen an die Jacobs University, und die werde ich auch gleich, wenn ich mich erneut zu Wort melde, deutlich formulieren, Frau Vogt. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute erneut, wie schon so häufig, auf Initiative der Fraktion DIE LINKE über die Jacobs University. DIE LINKE stellt in ihrem Antrag, den sie uns heute vorlegt, drei Forderungen auf, Verhandlungsabbruch des Senats zwischen der Jacobs University und der Jacobs Foundation, die noch nicht beschlossenen, aber in Rede stehenden öffentlichen Mittel sollen sofort dem Wissenschaftshaushalt zur Verfügung gestellt werden, und sie fordert die vollständige Offenlegung der finanziellen Situation der Jacobs University, um bereits geflossene Mittel und Ausfallrisiken transparent zu ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

machen. Außerdem bezeichnet sie, so ist ihr Einführungssatz, das Geschäftsmodell Jacobs University als gescheitert.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ist es auch! Bundesweit, nicht nur hier!)

Ich kann mir nicht helfen, aber konstruktiv klingt das alles nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es wundert mich manchmal schon, wie schnell die Menschen vergessen. Schauen wir noch einmal kurz auf die Entwicklung: Ich erinnere mich noch gut, als ich als Projektbetreuerin bei der Wirtschaftsförderung Bremen zuständig für Bremen-Nord war, das war im Jahr 1994. Mein Kollege und ich betreuten damals auch das brachliegende Kasernengelände in BremenGrohn, immer auf der Suche nach Investoren. Der Abwärtstrend war bereits allgegenwärtig, und dann kam im Jahr 1995 der Bankrott des Vulkan, da ging es erst richtig los, in Bremen-Nord war das an jeder Ecke spürbar.

Das Projekt Internationale Universität Bremen ist in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre, als in Bremen übrigens die Große Koalition regierte, auf den Weg gebracht worden. Daran waren viele Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, auch auf internationaler Ebene, beteiligt, weil sie von dem Gedanken getragen waren, dass sich das Kasernengelände mit Campuscharakter besonders gut für eine solche international ausgerichtete Ausbildungsstätte eignen und Bremen sich mit einer solchen Einrichtung auch ein Stück wieder weiterentwickeln würde. Es war auch das Bekenntnis der Bremer Familie Jacobs zum Standort Bremen, auch wenn die Familie und die Unternehmen heute nicht mehr hier ansässig sind.

Im letzten Jahr haben wir das zehnjährige Jubiläum der Jacobs University gefeiert. Bei dem Festakt konnte man den Geist der Internationalität und insbesondere den Stolz aller anwesenden Professoren und Studenten auf ihre Universität spüren. 1 400 Studenten aus 108 Ländern der Welt studieren mittlerweile in Bremen-Grohn, einer an sich eher strukturschwachen Region. 127 Professoren und 260 wissenschaftliche Mitarbeiter arbeiten dort. Es gibt vielfältige multikulturelle Verbindungen, insbesondere auch im lokalen Umfeld, und Bremen wird mit der Jacobs University seinem weltoffenen und international ausgeprägten Ruf wieder stärker gerecht. Die wissenschaftlichen Errungenschaften, darauf ist Herr Kottisch schon eingegangen, und der Beitrag zur Exzellenzinitiative sowie die vielfältigen wissenschaftlichen Kooperationen sind bemerkenswert und zeigen, dass auch gerade in den Gemeinsamkeiten zwischen den hier ansässigen Universitäten ein Erfolg für den Wissenschaftsstandort Bremen liegt.

(Beifall bei der CDU)

Den wirtschaftlichen Beitrag, den die Jacobs University in Bremen und für Bremen leistet, hat meines Wissens noch niemand untersucht, circa 2 000 Menschen, die alle in Bremen arbeiten, wohnen und Geld ausgeben, von dem Imagegewinn, wie gesagt, auch auf internationaler Ebene einmal ganz zu schweigen! Das sind aber Fakten, die für die Fraktion DIE LINKE unerheblich sind. Nein, Sie lehnen es sogar ab. Sie tun sich naturgemäß auch schwer mit Begriffen wie Leistung, Stolz und Exzellenz.

(Beifall bei der CDU)

Nach meinem Kenntnisstand soll der in Rede stehende finanzielle Beitrag auch eher aus dem Wirtschaftsressort kommen. Dann würde es sich eher auch um eine den Wirtschaftsstandort stabilisierende Maßnahme handeln. Wir sind auch der Meinung, dass der Wissenschaftshaushalt hierfür nicht in Anspruch genommen werden sollte.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Wird er aber zwangsläufig!)

Aus der Opposition heraus freuen wir uns, wenn die Jacobs University als nicht mehr wegzudenkender Teil der Bremer Wissenschaftslandschaft vom Senat und von seinen handelnden Akteuren positiv begleitet wird. Dass man Anspruch auf finanzielle Transparenz hat, wenn man Geld gibt, liegt auf der Hand und ist auch bei jedem Bank- oder Kreditgeschäft so, auch bei privaten, das kennen wir alle. Der Anspruch der privaten Universität, sich auch privat zu finanzieren, muss dabei gewahrt werden, und auch wir lehnen eine Daueralimentierung deswegen ab.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber was machen Sie denn seit zehn Jahren?)

Bis die Jacobs University aber über einen Kapitalstock verfügt, wie wir ihn aus amerikanischen Vorbildern kennen, muss man ihr schon noch Zeit gewähren.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Wie lange denn?)

Deshalb sind wir auch sehr froh, dass erst kürzlich die Jacobs Foundation ein erneutes Bekenntnis zu ihrer Universität abgegeben hat. Ich kann nur davor warnen, sich dem Sprachgebrauch der LINKEN hier im Saal anzuschließen und die Jacobs University als gescheitert zu bezeichnen.

Fazit: Die Jacobs University ist wirtschaftlich und wissenschaftlich eine Bereicherung für Bremen.

(Beifall bei der CDU)

Das System ist auf einem guten Weg, der öffentliche Mittel mittel- und langfristig überflüssig machen muss. Man muss auch offen und kritisch über vieles reden, gerade angesichts der schwierigen Verhältnisse an den staatlichen Hochschulen. Trotzdem geht der Vorschlag in die richtige Richtung, und einen überstürzten Ausstieg, wie ihn DIE LINKE fordert, lehnen wir entschieden ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zwar grundsätzlich so, und diese Auffassung teilt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einmütig, dass es zwischen den beiden Teilen Ihres Antrags in der Tat keinen Zusammenhang gibt und auch nicht geben darf, dass nämlich eine weitere Förderung der Jacobs University zulasten der öffentlichen Hochschulen geht.

Es ist aber für mich persönlich, der viele Jahre lang in der Hochschulpolitik tätig war, absolut nachvollziehbar, sowohl im Hinblick auf Ihren Antrag, als auch im Hinblick auf die Diskussion an den öffentlichen Hochschulen, dass in einer Situation, in der politisch überlegt wird, die Jacobs University weiter zu unterstützen – davon hatten wir uns auch schon einmal gedanklich verabschiedet, weil das Modell ein ganz anderes war –, auch an den öffentlichen Hochschulen die eigene Situation diskutiert wird. Es ist auch nachvollziehbar, dass man die beiden Lagen, die wir an den öffentlichen Hochschulen haben, und die Debatte zur Jacobs University jetzt insofern miteinander verbindet, dass es zwar keinen direkten Zusammenhang bei der Finanzierung gibt, aber dass man den Anlass nutzt, um bestimmte Missstände oder Probleme an den öffentlichen Hochschulen zu thematisieren.

Ganz ehrlich gesagt, in welchem Tiefschlaf oder Koma müssten Studierende oder Mittelbauvertreter und -vertreterinnen sein, wenn sie diese Situation nicht mit einer solchen Debatte verbinden würden?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist doch vollkommen klar, dass die Situation an den öffentlichen Hochschulen angespannt ist. Wir haben sehr viele Studierende. Wir haben gerade einen Doppeljahrgang, und wir haben im Land Bremen natürlich begrenzte Mittel.

Die begrenzten Mittel für die öffentlichen Hochschulen sind weit mehr, als Bremen sich eigentlich leisten könnte. Es ist in dieser Debatte auch notwendig, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

zumindest einmal kurz zu erwähnen, dass diejenigen süddeutschen Bundesländer, die uns immer wegen des Länderfinanzausgleichs kritisieren, uns in großen Scharen Studierende nach Bremen schicken, die dann aus dem kleinen Haushalt der Freien Hansestadt Bremen finanziert werden müssen, ohne dass es dafür im Länderfinanzausgleich irgendeinen Ausgleich gibt. Ich glaube, auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Situation an den Hochschulen ist also kompliziert und schwierig, die Hörsäle sind überfüllt, und wir können diese Situation nur begrenzt durch zusätzliche Mittel auffangen. Wir tun aber – und irgendwie kommt mir diese Debatte auch aus anderen Bereichen, nämlich aus der Kinderbetreuung und aus der Schule, bekannt vor – sehr viel mehr, als wir uns eigentlich, wenn wir ganz strenge Maßstäbe der Haushaltssanierung anlegen würden, überhaupt finanziell leisten können, weil wir Prioritäten in diesem Bildungsbereich gesetzt haben. Das heißt, wir haben in der Vergangenheit das, was für viele andere Bereiche der Verwaltung gilt, nämlich dass Tarifsteigerungen einfach durch Einsparungen im eigenen Bereich erbracht werden müssen oder dass wir mehr Sondertöpfe aufgelegt haben, und zwar in Höhe von vielen Millionen Euro, um den Hochschulen unter die Arme zu greifen, hier nicht umgesetzt.

Wir tun also mehr, als uns ein ganz strenges Finanzregime eigentlich erlauben würde, und auch das muss an dieser Stelle gesagt werden. Wenn man sich die Zahlen anschaut, die die Finanzierung der Hochschulen betreffen, geben es diese Zahlen, wie so einige andere auch, nicht her, dass man von permanenten Kürzungen oder permanenter Unterfinanzierungen der Hochschulen sprechen kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Vielleicht noch ein Gedanke! Die Situation an den öffentlichen Hochschulen hat viel mit den Haushalten zu tun. Wenn ich ein neues Hörsaalgebäude bauen will und Menschen einstellen will, dann ist dafür Geld notwendig. Wir haben gestern über die Arbeitsbedingungen auch des Mittelbaus diskutiert. Mir hat bei dieser Diskussion gefehlt, dass vielleicht einmal auch an dieser Stelle erwähnt worden wäre, dass wir Professorinnen und Professoren haben, die sich in den letzten Jahren in zunehmendem Maße ihre Lehrverpflichtungen entziehen, sie einem sowieso schon materiell und auch von der Belastung her überlasteten Mittelbau aufladen, dass die Leidtragenden dieser Entwicklung am Ende die Studierenden sind und dass wir auch solche kritischen Entwicklungen an den öffentlichen Hochschulen im Land Bremen versuchen müssen zu stoppen und umzukehren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Jacobs University ist meiner Meinung nach eine gute akademische Einrichtung. Wenn man dort zu Diskussionen und Veranstaltungen eingeladen wird, findet man ein positives Klima vor. Man kann sie, glaube ich, nicht in irgendeine Ecke, weder in die Unternehmensprofitecke noch in eine politisch sonst wie unerwünschte Ecke, stellen. Man muss aber sagen, das ursprünglich angedachte Geschäftsmodell der Jacobs University – und das sind dann ja nicht die Studierenden oder die Lehrenden – ist natürlich nicht aufgegangen, man könnte auch sagen, es ist zu großen Teilen in der bisherigen Form gescheitert. Das muss man so feststellen. Wäre es nicht so, wäre schon lange die Situation eingetreten, Frau Grobien, dass der Kapitalstock, die Renditen, die Studiengebühren und weitere Drittmittel die Finanzierung sicherten. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall, sonst würde man nicht bei der Freien Hansestadt Bremen vor der Tür stehen, das erklärt sich schon allein durch diese Situation.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dennoch muss man sich, glaube ich, die Jacobs University im Lichte der strukturellen Situation in Bremen-Nord noch einmal anschauen. Wir sind in unserer Fraktion zu der Erkenntnis gekommen, wenn Unternehmen auch in anderen Bereichen in die Krise geraten, wenn großer Arbeitsplatzverlust droht – man muss sich einmal vorstellen, in Bremen-Nord hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse halbiert, wir haben eine höhere Anzahl von Arbeitslosigkeit, wir haben die geringste Anzahl von Beschäftigung überhaupt, wir haben eine höhere Anzahl von Minijobs, von befristeter Beschäftigung und Zeitarbeitsbeschäftigung, wir haben also eine extreme Strukturschwäche in Bremen-Nord –, dann wäre das auch bei jedem anderen Privatunternehmen ein Anlass für die Politik, denken Sie an Opel oder an welche Dinge auch immer, die uns jahrelang begleiten, darüber nachzudenken, wie wir bestimmte Unternehmen unterstützen können. Als Maßnahme der Wirtschaftspolitik und der Strukturförderung, gerade in Bremen-Nord, das extrem strukturschwach ist, muss man diese Maßnahme ansehen.

Es ist meines Erachtens wichtig, noch einmal zu betonen, welche Kollateralschäden denn entstehen würden, wenn wir das nicht täten. Da bitte ich Sie, sehr verehrte Frau Kollegin Vogt, auch noch einmal Stellung zu nehmen. Wir haben Kredite, die wir abschreiben müssten. Wir müssten 8,5 Millionen Euro an den Bund für die verbilligte Nutzung des Geländes der ehemaligen Bundeswehrkaserne zurückzahlen, und wir haben viele andere Kollateralschäden.

Die öffentlichen Aufwendungen, die der Haushalt tragen müsste, wenn das ganze Unternehmen in Bremen-Nord einfach Bankrott machen würde, würden ein Vielfaches der drei Millionen Euro, die jetzt in Rede stehen, übersteigen. Von der wirtschaftlichen Seite her kann es keinen Sinn machen, dass wir sagen, das machen wir einfach einmal so, und dann zahlen wir am Ende mehr und haben weniger Geld für die öffentlichen Hochschulen, als es jetzt bei diesem Modell der Fall ist.

Unter Abwägung all dieser unterschiedlichen Gründe, die sehr viele Aspekte haben, und unter der Berücksichtigung dessen, dass wir uns intensiv mit den Problemen der öffentlichen Hochschulen beschäftigen und auch einige Veränderungen vornehmen müssen, haben wir uns entschieden, dass wir unter der Voraussetzung, dass das Ganze nicht zulasten der öffentlichen Hochschulen geht, dieser Maßnahme nähertreten können. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.