Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, federführend, und die staatliche Deputation für Gesundheit vorgesehen.

Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich recht herzlich auf dem Besucherrang Studierende der öffentlichen Hochschulen. – Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Kein weiteres Steuergeld für die Jacobs University – stattdessen in Universität Bremen und öffentliche Hochschulen investieren!

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 6. November 2012 (Drucksache 18/624)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier im Oktober über den Beitrag der Polizistinnen und Polizisten und Feuerwehrleute zu ihrer Krankenversicherung diskutiert, und da fiel hier das Wort von Herrn Dr. Kuhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das wäre der Beitrag, den Feuerwehrleute und Polizistinnen und Polizisten zur Sanierung des Haushalts erbringen müssten. Einen Tag nach dieser Debatte wurde bekannt, dass die Jacobs University wieder einmal das Land Bremen um Subventionen bittet. Das hat nicht nur unsere Fraktion, ehrlich gesagt, aus der Fassung gebracht, weil der Begriff Haushaltssanierung unter diesen Voraussetzungen natürlich ein sehr dehnbarer ist, sondern das hat auch Studierende, Dozenten, Lehrbeauftragte und auch Direktoren der Hochschulen umgetrieben. Das sieht man auch an der Resonanz hier im Publikum.

Die Jacobs University steht also wieder einmal vor der Pleite, und das Land Bremen soll wieder mit Mil––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

lionen kommen und das Projekt über den nächsten Winter, nein, über die nächsten Winter retten. Ehrlich gesagt, jedes andere Unternehmen in Bremen reibt sich hier ein bisschen verwundert die Augen, denn Marktmechanismen werden im Handumdrehen außer Kraft gesetzt, und betriebswirtschaftliche Defizite, denn um nichts anderes handelt es sich hier, werden auf die Steuerzahler umgelegt.

Die Jacobs University hat in den zehn Jahren ihres Bestehens, früher noch IUB, bereits 135 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln bekommen. Bremen als Land hat ihr außerdem schlüsselfertige Gebäude hingestellt, von denen die Studierenden und Beschäftigten an den öffentlichen Hochschulen und der Universität in Bremen nur träumen können. Es ist da alles vom Feinsten. Zuletzt wurde im Sommer 2012 das Sportzentrum eingeweiht, das war natürlich auch doppelt so teuer wie geplant, wo die Rudermannschaft der JUB auf Olympianiveau trainieren soll. Interessanterweise hat sie allerdings nicht in London teilgenommen. Zusätzlich bürgt das Land Bremen noch für einen Kredit, der eigentlich längst hätte zurückgezahlt werden müssen, also kommen diese 50 Millionen Euro für die Bürgschaft noch einmal hinzu, denn im Fall einer Pleite der Jacobs University sind die auch höchstwahrscheinlich weg.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie wollen sie ja pleitegehen lassen!)

Sie ist pleite, Herr Dr. Kuhn! In den letzten Jahren hat sie nicht einmal das Ziel geschafft, ihre Ausgaben durch die Einnahmen zu decken, im Gegenteil! Sie liegt 50 Prozent darunter, teilweise sogar 40 Prozent. Rote Zahlen sind das, und schwarze Zahlen sehen anders aus.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Pleite ist etwas anderes!)

Es ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass sich das ändert, es ist nämlich eine relativ einfache betriebswirtschaftliche Rechnung: Bei 20 Millionen Euro, die diese Universität im Jahr Minus macht, sind drei Millionen Euro Subventionen nicht ausreichend, das zu heilen, und auch die Vorgaben, die der Senat macht, wären dazu nicht geeignet. Wir haben das einmal hochgerechnet. Es wären ungefähr zehn Millionen Euro günstigstenfalls, wenn die Jacobs University diese Einsparungen machen könnte, die dann vielleicht zum Tragen kommen würden, denn es ist nicht gesichert, dass sie das kann. Es bleibt immer noch ein Defizit.

Ich möchte aber diese Zahlen noch einmal ins Verhältnis setzen. Wir haben 190 Millionen Euro öffentliche Mittel, also Steuergelder, die in den letzten zehn Jahren an eine Privateinrichtung geflossen sind. Für jede Absolventin und jeden Absolventen der Jacobs University zahlte das Land Bremen in den vergan

genen zehn Jahren im Schnitt 85 000 Euro. Die Absolventen der öffentlichen Hochschulen, die in überfüllten Hörsälen sitzen und ewig lange warten müssen, um beim Prüfungsamt einen Termin zu bekommen, sind dem Land Bremen nur die Hälfte wert. 46 583 Euro gab das Land Bremen pro Absolvent einer öffentlichen Hochschule in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich aus. Das können Sie alles aus den statistischen Jahrbüchern und den Haushalten der Freien Hansestadt Bremen entnehmen, das sind keine Geheimzahlen.

Die öffentlichen Mittel, die für eine gute Lehre und Forschung notwendig sind, werden seit Jahren systematisch in einer Privatuniversität mit ihren Schulden versenkt. Der Hochschulgesamtplan V, einen neueren haben wir ja nicht, für die Universität Bremen hat schon immense Einsparungen erbracht. Es mussten Studiengänge geschlossen werden, Professoren wurden entlassen, und wir haben an den öffentlichen Hochschulen und an der Universität einen Sanierungsstau, der von den Rektoren nicht einmal ansatzweise mehr schöngeredet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, das kann man ruhig einmal beim Namen nennen, das ist nämlich rot-grüne Umverteilungspolitik zugunsten gesellschaftlicher Eliten und zulasten der Allgemeinheit.

Wie hieß es in Ihrem Koalitionsvertrag? Politische Schwerpunkte können wir nur setzen, wenn an anderer Stelle gespart wird. Genau das passiert gerade, an der Universität Bremen und an den Hochschulen wird gespart, und zwar drastisch. Wenn man sich den Bericht ansieht, den Sie an den Stabilitätsrat zur Einhaltung des Konsolidierungskurses bis zum Jahr 2016 geschickt haben, wird eines deutlich, an den öffentlichen Hochschulen und der Universität Bremen soll bis zum Jahr 2016 nämlich exakt diese Summe jährlich gespart werden, die Sie jetzt einer privaten Universität geben wollen. Das ist Umverteilung, und zwar von der Allgemeinheit zu einer Privatangelegenheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschule Bremen hat sich aufgrund dieser Bedingungen schon selbst im Mai dazu geäußert. Sie hat gesagt, wir werden ein Konsolidierungsprogramm haben, das uns nicht mehr ermöglicht, unser Niveau zu halten, die Zahl der Studierenden zu erhalten. Es ist völlig klar, dies bedeutet, dass die Hochschule Bremen jetzt auch nach der Universität vermutlich Studiengänge schließen wird, und sie wird auch weniger Studierende aufnehmen. Das finde ich insbesondere dramatisch, weil die Hochschule Bremen auch Nichtabiturienten das Studium ermöglicht. Ich glaube, diese Weichenstellung, die Sie hier vornehmen, geht wirklich komplett in eine andere Richtung als das, was

Sie uns im Koalitionsvertrag hier vollmundig verkündet haben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kottisch.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, hoch geschätzte Gäste auf dem Besucherrang! Frau Vogt, das waren wir, die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Bürgermeister Böhrnsen und Frau Bürgermeisterin Linnert gebeten haben, Gesprächsangebote der Jacobs University aufzugreifen und mit der Jacobs University und der Jacobs Foundation über die Fortführung der Jacobs University zu sprechen. Insofern könnte ich es mir jetzt leicht machen und sagen, wir warten erst einmal die Ergebnisse dieser Gespräche ab, schauen sie uns dann einmal an, bewerten sie neutral und sehen dann weiter, und Ihren Antrag ablehnen, da wir unseren Auftrag im Prinzip mit einer Zustimmung ad absurdum führen würden. Das wollen wir nicht!

Wir wollen es uns nicht leicht machen, sondern wir wollen uns hier heute der Debatte stellen und über die Notwendigkeit einer privaten Universität in Bremen-Nord sprechen. Den Gegensatz, den Sie hier aufgebaut haben, wollen wir entlarven, und wir wollen Sie entlarven,

(Beifall bei der SPD)

auch dahingehend, dass Sie wieder einmal das tun, was Sie immer hier in diesem Haus versuchen, nämlich auf dem Rücken bestimmter Zielgruppen populistische Politik zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen es uns nicht so leicht machen, und das hängt insbesondere damit zusammen, dass wir die Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Hochschulen im Land Bremen als wichtig empfinden. Wir schätzen die öffentlichen Hochschulen, und darum stellen wir uns heute dieser Debatte. Ich selbst bin Alumnus der Universität Bremen und auch heute noch Mitglied im Vorstand des Alumni-Vereins der jetzigen Exzellenzuniversität Bremen, und ich identifiziere mich, das sage ich ganz deutlich, in höchstem Maße mit der Universität Bremen. Die Zeiten, die wir damals dort erlebt haben, das darf ich einmal in diese Richtung sagen, waren recht wild. Ich hoffe, Sie knüpfen daran an und kämpfen weiterhin für die öffentlichen Hochschulen in diesem Land Bremen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Aus dieser Position heraus möchte ich eine Lanze für die Wissenschaftsinstitution Jacobs University brechen. Mit der Jacobs University verbindet die deutsche Wissenschaftscommunity bereits heute, nach sehr kurzer Zeit, eine hohe Reputation. Aus unserer Sicht, und so ist sie konzipiert, passt sie sich als ergänzender Faktor gut in die bremische Wissenschaftslandschaft ein. Über die Kooperation im Zuge der Exzellenzinitiative ist deutlich geworden, dass auch eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Universität Bremen gut funktionieren kann, auch dies möchten wir in Zukunft intensiver spüren. Wir möchten, dass die öffentlichen Hochschulen von der Jacobs University profitieren, aber dazu später mehr.

Frau Vogt, wenn es dem Senat nun also gelingen sollte, eine Verhandlungslösung zu präsentieren, die zum Wohle der Jacobs University, der Stadt und der Region sowie der beteiligten Menschen wirken kann, dann, finde ich, können wir uns einer neutralen Bewertung dieser Lösung nicht verschließen. Eines sage ich hier und heute jedoch ganz deutlich auch noch einmal in diese Richtung: Eine finanzielle Beteiligung Bremens darf nicht zulasten der öffentlichen Hochschulen gehen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sollten öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, dann erstens nicht aus dem Wissenschaftshaushalt, insofern gibt es also Ihren Widerspruch nicht, Frau Vogt,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Doch, den gibt es!)

und zweitens – das ist uns ganz wichtig – nur mit einer weit überproportionalen Beteiligung der Jacobs Foundation!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das muss man sich auch einmal vor Augen führen, dafür muss man ja nicht Mathematik studiert haben, das Geld der Jacobs Foundation stünde der bremischen Wissenschaftslandschaft doch gar nicht zur Verfügung, wenn es keine Jacobs University gäbe.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Das sind jährlich zweistellige Millionenbeträge. Wir leben, das haben Sie ja zu Recht gesagt, in einem Haushaltsnotlageland. Wir können doch nicht zweistellige Millionenbeträge einfach so ausschlagen! Sie kommen der Wissenschaftslandschaft Bremens zugute, Frau Vogt, und das können Sie nicht leugnen, das geht doch gar nicht!

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE] – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Allen Menschen aus aller Welt, die hierher kommen!)