Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Da verbietet sich die Schonung des eigenen Personals wie selbstverständlich. Das hat nicht allen Zeugen vom Senat und aus der Verwaltung immer gefallen, das weiß ich wohl, aber wir würden immer wieder so handeln. Auch der gemeinsam getragene Beschluss zur Durchsuchung der Räumlichkeiten im Klinikum Bremen-Mitte hat nicht überall für Freude gesorgt, aber er war im Sinne der Aufklärung notwendig und geboten. Hier hat das Parlament zweifellos Stärke gezeigt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Im Ergebnis legen wir Ihnen heute eine umfassende und kritische Bestandsaufnahme der dem Untersuchungsausschuss übertragenen Fragestellungen vor. Die Ausschussmehrheit hat sich bewusst nicht an Spekulationen beteiligt, wie es andere getan haben, sondern faktenbasiert und sachlich gearbeitet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die schweren Mängel im Hygienemanagement des Klinikums Bremen-Mitte waren offensichtlich, sie waren mit bloßem Auge erkennbar. Mehrere Gutachter stellten dem Krankenhaus und speziell der betroffenen Station ein schlechtes Zeugnis aus. Gleiches gilt für die Reinigung. Es bleibt unerklärlich, warum auch nach dem Bekanntwerden der Keimproblematik immer noch nicht gründlich und korrekt gereinigt wurde. Das Personal wurde teilweise mit falschen Reinigungsanweisungen in den Dienst geschickt. Diese

Anweisungen müssen künftig nicht nur leicht verständlich, sondern auch richtig sein, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sicherlich ist die Personalplanung auf einer solchen Station wie der Neonatologie nicht einfach. Dies liegt auch ein bisschen in der Natur der Sache begründet, dass sich Frühgeborene eben nicht an den Zeitplan halten und sich nicht tagelang vorher ankündigen. Trotzdem muss sich eine Klinik darauf einstellen. Auf der betreffenden Station hat es phasenweise einen nicht ausreichenden Personalbestand gegeben. Das lässt sich unabhängig davon sagen, welcher Empfehlung für welchen Pflegeschlüssel man am Ende folgt. Dies bedeutete für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie teilweise auf der Station rotieren mussten. Deshalb ist es auch der Klinik dringend anzuraten, bei der Personalplanung von einer maximal belegten Station auszugehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In der Phase der Bestandsaufnahme sind wir teilweise nicht mehr aus dem Kopfschütteln herausgekommen. Sehr gern hätten wir dazu die handelnden Personen befragt, aber der Untersuchungsausschuss ist zu Beginn seiner Arbeit auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Mehrere Zeugen machten von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Offensichtlich war es die Strategie der damaligen GeNoGeschäftsführung, möglichst wenig Informationen zur Verfügung zu stellen. Dies ging so weit, dass das sogenannte Reinigungsgutachten dem Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung gestellt wurde und erst durch die Beschlagnahmung ans Licht der Öffentlichkeit kam.

Durch den Wechsel in der Geschäftsführung änderte sich auch die Strategie in der Unternehmenskommunikation mehr als deutlich. Auch der zwischenzeitlich entlassene Professor Dr. Huppertz ist wieder im Dienst. Die Umstände seiner Entlassung und die Ergebnisse der Untersuchung lassen uns zu dem Schluss kommen, dass er sich hierbei offensichtlich um einen Bauernopfer handeln sollte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich gebe zu, ich habe am Anfang etwas Zeit gebraucht, um mich in das Modell der GeNo-Strukturen einzuarbeiten. Ich habe nämlich nicht verstanden, warum trotz eigenständiger Geschäftsführung der Klinik am Ende doch jede Entscheidung durch die GeNo-Geschäftsführung getroffen werden musste. Man hatte phasenweise das Gefühl, dass kein Blei

stift angeschafft werden konnte, ohne dass dieser Kauf nicht durch den jetzt freigestellten Geschäftsführer Herrn Dr. Hansen genehmigt wurde.

Am Ende darf man wohl feststellen, dass nicht ich es nicht verstanden habe, sondern dass der Führungsstil des ehemaligen Geschäftsführers nicht zur Struktur der Holding passte. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass der Personalabbau offensichtlich über das angestrebte und vertretbare Maß hinaus betrieben wurde. Neueinstellungen wurden häufig zeitlich verschoben, um dadurch ein besseres wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen, allerdings ohne die konkrete Situation vor Ort zu beachten. Das kann so nicht funktionieren, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch bei den standortübergreifenden Zentren hatte ich zuerst an meiner eigenen Fähigkeit gezweifelt. Nachdem uns aber auch mehrere Mitarbeiter der GeNo und der Kliniken die entsprechenden Organigramme und Verteilung der Aufgaben nicht erklären konnten, war ich erleichtert, aber auch zugleich beunruhigt. Hier bedarf es für die Zukunft klarer Strukturen und Regeln. Lassen Sie mich aber auch feststellen, dass aus Sicht der Grünen die Zentralisierung dieser sehr sensiblen und anfälligen Patienten absolut Sinn macht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Natürlich rückt bei einer solchen Untersuchung auch das Gesundheitsamt in den Fokus. Am Ende dieses Untersuchungsausschusses dürfte allen klar sein, dass sich eine Situation, in der man gar keine Kontrollen mehr macht, nie mehr wiederholen darf. Dass es eine dauerhafte Erreichbarkeit geben muss, sollte nun selbstverständlich sein. Es ist außerdem unstrittig, dass es einen Verstoß gegen die Übermittlungspflicht gegeben hat.

Eine Begleitung der GeNo-Kliniken durch die Gesundheitsbehörde fand nach unserem Empfinden nur im Rahmen der Aufbereitung der wirtschaftlichen Daten statt. Allerdings haben wir gravierende Fehler der Gesundheitsbehörde im Untersuchungsausschuss nicht erkannt. So gesehen sind auch entsprechende Rücktrittsforderungen aus Sicht der Fraktion der Grünen unbegründet und zurückzuweisen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Allerdings – lassen Sie mich diesen Einschub ruhig machen! – hätten wir uns in der einen oder anderen Frage der Informationspolitik ein etwas glücklicheres Agieren gewünscht, wenn ich an das Auftreten von Herrn Götz vor dem Untersuchungsausschuss denke oder an die Pressekonferenz anlässlich

einer möglichen Erklärung in Bezug auf die Dosieranlage.

Wir haben – zusammengefasst – an allen Ecken und Enden Mängel festgestellt, aber wir wissen bis heute nicht, ob ein Fehler, und wenn ja, welcher, den Tod der Kinder verursacht hat. Wer etwas anderes behauptet, wer hier behauptet, ein Mangel oder das Zusammenwirken mehrerer Mängel habe den Tod der Kinder verursacht, der spekuliert, er stellt sich über zahlreiche Urteile von Experten und kann diese Aussage durch nichts belegen.

Ich gebe unumwunden zu, dass auch wir gern jemanden hätten, der hier die Verantwortung und die Schuld trägt. Dass dies nicht so ist, bedauere ich auch, gerade auch im Hinblick auf die offenen Fragen der hinterbliebenen Familienmitglieder. Wenn es uns schon nicht gelungen ist, die Ursache zu finden, so sollten wir wenigstens sicherstellen, dass in Zukunft Maßnahmen ergriffen werden, die das Risiko deutlich minimieren. Ich sage ganz bewusst deutlich minimieren, denn wer von keimfreien Kliniken spricht, hat auch nach 13 Monaten der Arbeit des Untersuchungsausschusses nichts verstanden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Da könnte man auch von patientenfreien Kliniken sprechen!)

Meine Vorrednerin ist schon auf weite Teile der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses eingegangen. Ich will das nicht alles wiederholen, und ich gehe auch davon aus, dass Sie alle dieses Werk aufmerksam und ausführlich gelesen haben. Lassen Sie mich deshalb nur auf einige wenige Aspekte eingehen, die aus Sicht der Grünen zwingend sind!

Die Frage der Transparenz ist sehr wichtig und kann auch nicht im Stillen erfolgen – kleine Anmerkung –, um unsere Kliniken nachhaltig aufzustellen. Das Auftreten von MRSA am Klinikum Bremen-Mitte hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir für die Zukunft entscheiden müssen, was öffentlich gemacht werden muss und was nicht. Das ist ein schwieriger Spagat, darüber müssen wir zukünftig eine breite Diskussion führen. Fakt ist jedoch, eine Skandalisierung jedes Keimauftritts hilft niemandem.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir glauben auch nicht, dass sich der Staat aus der Verantwortung für die kommunalen Kliniken verabschieden darf. Das Bekenntnis der Bürgermeisterin und des Bürgermeisters zu den vier kommunalen Kliniken stützen sowohl die SPD-Fraktion als auch die grüne Fraktion ausdrücklich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es sind unsere Kliniken, aber die politische Führung unseres Bundeslandes trägt hierfür Verantwortung. Das ist im Übrigen kein Wunschgedanke der Grünen, sondern aus unserer Sicht auch die politische Botschaft des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen aus dem Jahr 2002. Dort heißt es im zweiten Leitsatz: „Das in den Artikeln 65, 66, 67 Absatz 2, 118, 120 und 127 Landesverfassung niedergelegte demokratische Prinzip und dessen Anwendung auf die vollziehende Gewalt gebieten, dass im Falle der Übertragung von Staatsaufgaben auf Private im Wege der Beleihung die Aufgabenverantwortung und die daraus folgende Garantenstellung für die Aufgabenerfüllung weiterhin beim Senat verbleiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die parlamentarische Verantwortung der Mitglieder des Senats und des Senats insgesamt verlangt eine umfassende Rechts- und Fachaufsicht über die Beliehenen.“ Weiter heißt es im dritten Leitsatz: „Die Grundsätze demokratischer Legitimation, Verantwortlichkeit und Kontrolle der Regierung verlangen, dass die im Gesetz vorgesehen Instrumente der Fachaufsicht und der Weisungsbefugnis gegenüber den Beliehenen auch effektiv genutzt werden. Mindesterfordernis für die Erfüllung dieser Pflicht ist die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Personalstellen in der öffentlichen Verwaltung und deren Besetzung mit Amtswaltern, die die Aufsichts- und Weisungsrechte des verantwortlichen Mitglieds des Senats sachgemäß und kontinuierlich ausüben können.“ Insofern hat der Untersuchungsausschuss mit seiner Forderung nach einer Aufstockung des medizinischen Fachpersonals innerhalb der Gesundheitsbehörde auch hier die richtige Richtung vorgegeben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir brauchen eine Gesundheitsbehörde, die die GeNo und ihre Kliniken inhaltlich begleitet. Der designierte neue Senator für Gesundheit hat beim Aufbau dieser notwendigen Strukturen unsere volle Unterstützung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schlussendlich muss es in den Krankenhäusern eine Kultur des Hinsehens geben, die es erlaubt, Kolleginnen und Kollegen, aber auch Vorgesetzte und ganz sicher auch Ärzte auf die Einhaltung der Hygieneregeln hinzuweisen, ohne dabei gleich einen beruflichen Nachteil befürchten zu müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Eine wichtige Rolle wird dabei der Krankenhaushygieniker spielen. Er muss ein ausgewiesener Facharzt sein, da sind wir uns einig, und er muss dabei auch die Zeit haben, diese Rolle auszufüllen.

Wir Grünen wären nicht die Grünen, wenn wir nicht auch einen Moment innehalten und uns fragen würden, woher eigentlich alles kommt. Warum haben wir eigentlich diese multiresistenten Keime? Herr Saffe ist im Untersuchungsausschuss häufig belächelt worden, weil er gerade dieser Frage nachgegangen ist. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, auch die Ursachen zu bekämpfen, das heißt, wir müssen weg von der Massentierhaltung, wir müssen die Antibiotikavergabe viel mehr einschränken und uns selbst auch in unserem eigenen Fleischkonsum zurücknehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe das Schmunzeln meiner Fraktion durchaus mitbekommen!

Ich will die verbleibende Zeit nutzen, um noch kurz auf die Voten der CDU und der LINKEN einzugehen. Bei der LINKEN darf ich – ohne dem Redebeitrag der geschätzten Frau Bernhard vorgreifen zu wollen – erst einmal feststellen, dass für sie das Ergebnis bereits vorher feststand. Sie haben den Untersuchungsausschuss genutzt, um Ihre langjährigen politischen Forderungen erneut aufzuwärmen, den Vergleich mit dem alten Wein und den neuen Schläuchen schenke ich mir an dieser Stelle. Ihrem Bericht mangelt es aber an einem Punkt durchgehend: Sie können Ihre Behauptungen nicht belegen. Vor jedem Gericht und in jeder wissenschaftlichen Arbeit würden Sie mit diesen Thesen Schiffbruch erleiden, meine sehr verehrten Damen und Herren der LINKEN!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie haben hier am Ende eine Abrechnung mit der GeNo und dem Senat vorgelegt, mehr nicht! Ihr Vorwurf an die Koalition, wir hätten die Aufklärung blockiert und alles im Eilverfahren abhandeln wollen, ist geradezu absurd.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich will jetzt aber nicht auf die einzelnen Diskussionen eingehen, die wir gemeinsam im Untersuchungsausschuss geführt haben. Es war ja auch nicht die Koalitionsmehrheit, die die eine oder andere Entscheidung getroffen hat, sondern in der Regel ist dies einvernehmlich mit den Abgeordneten der CDU geschehen. Ich glaube, wir müssen uns auch für die zukünftige Arbeit immer daran erinnern, dass Untersuchungsausschüsse keine Volkshochschulkurse sind.

Jetzt noch etwas in die Richtung der CDU! Herr Bensch, Sie haben fairerweise darauf hingewiesen, dass bereits viele richtige und notwendige Maßnahmen im Bericht der Koalition stehen. Zur Frage der Einheitsgesellschaft: Diese am Ende eines solchen Untersuchungsausschusses zu fordern halte ich für falsch, weil wir uns nur einen sehr begrenzten Ausschnitt der gesamten GeNo-Struktur vorgenommen haben. Wir können zwar Aussagen für einen bestimmten Bereich treffen, aber die GeNo umfasst deutlich mehr als das, was wir uns angesehen und was wir ermittelt haben. Ich glaube, die politische Diskussion darf man sehr gern führen, das will ich nicht in Abrede stellen, aber aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses abzuleiten, dass wir nun eine Einheitsgesellschaft brauchen, halte ich an dieser Stelle für falsch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Debatte über die Ressortaufteilung werden wir sicherlich morgen erneut führen, aber ich glaube, dass mir – der ich vor Beginn des Untersuchungsausschusses in der Gesamtthematik der GeNo nicht so fest verwurzelt war wie zum Beispiel Herr Bensch oder auch Frau Bernhard – klar geworden ist, dass es eine sehr große Aufgabe ist und einer engen Begleitung bedarf. Ich glaube, dass der Weg, den wir jetzt gemeinsam gehen werden, ein zusätzliches, achtes Ressort für eine Übergangszeit zu wählen – und nichts anderes ist es ja –, noch einmal deutlich macht, dass uns diese Kliniken wichtig sind, wir sie begleiten werden und hinter ihnen stehen. Das ist auch aus Sicht der Fraktion der Grünen der richtige Weg.