Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Ich möchte darauf eingehen, was Frau Dogan gesagt hat. Sie hat ja schon im Vorfeld gesagt, ich würde die Zahlen herunterspielen. Ich habe ganz bewusst nur die Zahlen aufgegriffen, bei denen es um physische Gewalt geht. Die Zahlen zu Mobbing und Ähnlichem – das haben Sie angesprochen – habe ich überhaupt nicht genannt. Wenn wir die Zahlen noch hinzunehmen, dann sieht es doch deutlich anders aus, dann liegen wir bei über 60 Prozent der Gefangenen, die indirekte Gewalterfahrungen in der JVA Bremen gemacht haben. Ich finde, auch das ist besorgniserregend, denn, wie ich bereits sagte, Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Ich möchte auch noch etwas zu den Disziplinarverfahren sagen, mit denen die Taten oder Verfehlungen in der JVA geahndet werden. Wenn es da solche Verbesserungen gegeben haben sollte, wie hier gesagt wurde, dann müsste man das ja auch an den Zahlen der Disziplinarverfahren sehen. Genau das sieht man nicht!

Eine andere Sache, die ich ansprechen möchte, ist die Antwort auf Frage 9, in der es heißt, dass Polizei und Justiz effektive Sanktionen erheben, wenn es zu solchen Taten in der JVA kommt. Auf der anderen Seite steht in der Antwort auf dieselbe Frage, dass eine Statistik, in wie vielen Fällen Anklage erhoben wird beziehungsweise in wie vielen Fällen es zu Verurteilungen kommt, gar nicht geführt wird. Woher nimmt der Senat die Erkenntnis, dass dem so ist?

Ich finde es sehr besorgniserregend, dass der Senat selbst mitteilt, dass jeder zweite Gefangene drogengefährdet und jeder dritte therapiebedürftig ist. Sehr bedauerlich ist auch die Zahl der abgebrochenen Therapien. Von 84 Teilnehmern – wir haben ja nicht nur das eine Mal nachgefragt, wie es in der JVA aussieht – einer Therapievorbereitungsgruppe, es geht um die Bekämpfung von Drogensucht, haben nur 22 Gefangene die Therapie abgeschlossen. Meinen Sie nicht, dass man bei solchen Zahlen, wenn man sie hört und liest, schon ein bisschen intensiver und nachdenklicher an das herangehen sollte, was man noch verbessern kann?

Dann muss man auch einmal die sogenannte Fünfunddreißigerbehandlung – also wenn eine Strafe nach Paragraf 35 Betäubungsmittelgesetz zurückgestellt wird – in Beziehung dazu setzen, dass man noch nicht einmal eine Statistik darüber führt, in wie vielen Fällen es zu weiteren Anträgen kommt. Wer einmal mit Drogensüchtigen zu tun gehabt hat – und ich habe solche Anträge auch einmal bearbeitet –, weiß, dass es immer wieder passiert. Dann muss man aber auch einmal solche Statistiken führen und Zahlen erheben, damit man überhaupt weiß, wo man ansetzen kann. Da gibt es, meine ich, erheblichen Nachholbedarf, denn gerade die Drogenkriminalität ist ein großes Problem, insbesondere wenn wir an Wohnungseinbrüche und Ähnliches denken, gegen das wir dringend vorgehen müssen. Das meine ich!

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie jetzt von dem Ansprechpartnersystem sprechen, ist das ja alles schön und gut. Sie sagen, wir führen ein Ansprechpartnersystem ein, wir erhöhen die Kontrolle während der Um- und Aufschlüsse. Das ist ja alles schön und gut, aber ich sage Ihnen eines, auch das ist personalintensiv. Das müssen die Mitarbeiter, die sowieso schon unter der Last der Tätigkeiten, die sie haben, ächzen, alles noch zusätzlich bewältigen. Sie reden sich immer schön heraus, das ist alles nett, das haben Sie in anderen Bereichen auch getan.

Wenn es um die Justiz geht, dann können Sie wunderbar sagen, da haben wir etwas getan. Dass aber das Personal das letzten Endes auch bewältigen muss, das sagen Sie nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Peters-Rehwinkel.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nur ganz kurz! Sie gehen ja davon aus, dass es eigentlich mehr Sanktionen für die Delikte geben soll. Wenn Sie dann sagen –

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Und mehr Therapie!)

ja, genau, das ist jetzt das nächste Wort, das ich sage –, „im Zusammenhang mit Therapie gesehen“, meinen Sie, dass es die Therapiebereitschaft und -möglichkeit einzelner Menschen unterstützt, wenn sie so sanktioniert werden?

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das können sie gar nicht machen, wenn sie Drogen nehmen!)

Ich meine, wenn sie in Haft sind – es ist ja schon einmal ein sehr massiver Eingriff, keine Freiheit mehr zu haben – und wenn sie dann im Weiteren wirklich schuldhafte Pflichtverletzungen innerhalb der Anstalt begehen, dann finde ich es richtig, zuerst einmal über die Verweisebene zu gehen, um dann zu schauen, ob auch andere Maßnahmen erforderlich sind. Das Leben der Insassen ist in den meisten Fällen schon hart genug, deswegen nehmen sie ja Drogen. Ich denke, diese Erkenntnis sagt klar, dass wir etwas für die Insassen tun müssen.

Ich bin auch froh, dass es die JVA demnächst in verbesserter, umgebauter Form geben wird. Der Neubau wird einige Probleme lösen. Wenn Sie sagen, die Zahlen weisen nicht darauf hin, dass sich die Situation verbessert hat, möchte ich anmerken, wir haben hier kaum Strafgefangene mit langen Strafen, sondern Insassen, die dort einige Monate, vielleicht zwei oder drei Jahre einsitzen, dann kommen neue Strafgefangene, und mit denen fangen die Mitarbeiter wieder ganz von vorn an.

Die Zahlen können im Hinblick darauf, was sich verbessert hat, nicht so aussagefähig sein, weil die Menschen dort nicht wie wir in eine Wohnung einziehen, sondern dort für eine ganze Zeit sein müssen, aber dann sind sie auch irgendwann zum Glück wieder weg. Ich weiß nicht, ob Sie wirklich wissen, dass das Leben der Insassen sehr problematisch ist, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

wüssten Sie es, würden Sie nicht so tun, als könnte man über Disziplinarmaßnahmen und Ähnliches das Leben der Insassen auf einmal auf null drehen, sie kommen heraus, und alles ist großartig.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Ich habe mit den Menschen zu tun gehabt, ob Sie es glauben oder nicht!)

Das ist alles ein bisschen merkwürdig. Ich denke, Sie reden schön daher, und Sie sollten nicht sagen, wir würden uns herausreden. Dem möchte ich wirklich entschieden entgegentreten. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Piontkowski, ich finde, dass Sie hier ein Zerrbild geschaffen haben, das mit der Realität des Strafvollzugs nicht im Geringsten zu tun hat. Unklar ist, welche Schlussfolgerungen Sie eigentlich ziehen wollen, und ich finde, dass Ihre Aussagen auch voller Widersprüche sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn Sie unsere Antworten auf Ihre Große Anfrage gelesen haben, dann ergibt sich daraus, dass wir bei 600 Gefangenen im Durchschnitt sieben bis acht Strafanzeigen im Monat haben, und wenn Sie sich den Sachverhalt der Anzeigen anschauen, dann handelt es sich um einen relativ hohen Anteil von Körperverletzungen,

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Aber auch von Drogendelikten!)

aber diese Körperverletzungen sind sehr niedrigschwellig, es sind kaum welche dabei, bei denen man überhaupt irgendetwas sehen kann. Ich will das nicht verharmlosen, aber es sind niedrigschwellige Delikte.

Bei den Drogen, die gefunden werden, handelt es sich zu 90 bis 95 Prozent in sehr geringen Mengen um Marihuana, harte Drogen werden so gut wie gar nicht gefunden. Sie haben den Eindruck erweckt, dass Mord und Totschlag in unseren Justizvollzugsanstalten stattfinden und dass es überhaupt kein Problem ist, an Drogen zu kommen.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Staatsrat!)

Sie haben gerade gesagt, es sei jetzt wieder jemand durch Drogen ums Leben gekommen. Wie ist er ums

Leben gekommen? Indem er ein Pflaster mit Fentanyl missbraucht hat, das zur medizinischen Behandlung aufgeklebt war! Es ist sehr schwer, im Vollzug an Drogen zu kommen, und deshalb lassen sich die Insassen Extremes einfallen, um ihrer Not zu begegnen. Ich finde, das Bild, das Sie hier zeichnen, hat mit der Realität nichts zu tun. Wir haben uns entschlossen, an einer Dunkelfelduntersuchung teilzunehmen, um mehr zu erfahren und Straftaten auch tatsächlich vermeiden zu können. Das war ein ganz entscheidender Punkt, wir waren das erste Land, das sich beteiligt hat. Diese Untersuchung beruht darauf, dass niedrigschwellig nachgefragt wird, sie beruht allein auf Selbstangaben, und wir haben massive Schlussfolgerungen daraus gezogen. Ich will einmal sagen, welche Maßnahmen wir durchführen: Verstärkte Revision, es wird viel stärker kontrolliert als vorher. Wir haben die höheren Mauern – das haben wir vorher schon gemacht – und einen detektierten Innenzaun. Es wird eine Trennung zwischen Gefangenen, die Lockerungen haben, die also Außenkontakt haben, und anderen Gefangenen geben. Sie werden also schwerer Dinge mit hineinbringen und an andere weitergeben können. Wir werden den Umschluss erschweren. Wenn geringe Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen, dann werden sich die Gefangenen nicht mehr gegenseitig auf den Zellen besuchen können. Es gibt jetzt auch in Bremerhaven ein Ansprechpartnersystem, in Bremen ist es schon vorhanden. Das sind wesentliche Punkte! Zur Personalsituation, die Sie angesprochen haben! Die Personalausstattung unserer JVA liegt im Bundesdurchschnitt.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Sie waren doch auch auf der Personalversamm- lung!)

Jawohl, da rede ich jedes Mal! Ich bin auf jeder Personalversammlung zugegen. Sie liegt exakt im Bundesdurchschnitt, die Kolleginnen und Kollegen sind hoch belastet, das ist ganz klar, aber sie machen eine gute Arbeit, und ich möchte nicht, dass sie hier herabgesetzt werden. Das gefällt mir überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben die rosa Zelle angesprochen. Das ist zu einer Lachnummer geworden, weil Sie das in die Öffentlichkeit getragen haben. Niemand anderes! Sie haben das in die Öffentlichkeit getragen. Das ist ein Mittel, um die Verschmutzung von Zellen zu vermeiden, Gewalttätigkeit zu vermeiden, und das ist wirkungsvoll. Das muss man nicht ins Lächerliche ziehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe Ihre Anfrage für die Fragestunde gelesen, in der Sie den Notschalter in einem Wartezimmer in der JVA zum Thema machen. Es handelt sich um einen Trakt, der im Januar aufgegeben wird!

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Wenn es acht Jahre keinen Notschalter gibt, ist das ein Trauerspiel!)

Weil er immer wieder zerstört wurde und weil es keine Ersatzteile mehr gibt, das ist die Realität!

Der Umzug steht bevor, und es ist eine Investition – nach dem jetzigen Stand – von 25 Millionen Euro in ein neues Zentralgebäude erfolgt. Das ist das, was wir machen. Wir richten jetzt – nach dem UVI-Programm – für 1,8 Millionen Euro 20 zusätzliche Plätze für eine Sozialtherapie ein. Ihre Forderungen werden von uns bereits massiv umgesetzt, und zwar mit erheblichen Mitteln. Ich bin dafür dankbar, dass wir diese Mittel für die Modernisierung unseres Strafvollzugs bekommen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Also, 20 Plätze Sozialtherapie zusätzlich! Das sind Dinge, die wir konkret durchführen, und die machen wir deshalb, um die Leute wieder in die Gesellschaft zu integrieren, das ist doch völlig klar. Wir haben also einen Strafvollzug, der sich in einer guten Entwicklung befindet. Der offene Vollzug wird gestärkt, um die Wiedereingliederung der Gefangenen zu unterstützen. Wir haben ein umfangreiches Übergangsmanagement.

Wir achten auf Straftaten. Straftaten werden im Vollzug nicht geduldet, das ist ganz deutlich und ergibt sich auch aus der hohen Zahl der Anzeigen. Sie müssen sich schon entscheiden. Sie müssen sich entscheiden, Sie können uns nicht vorhalten, dass es eine ordentliche Zahl von Anzeigen gibt. Das heißt nur, dass konsequent dagegen vorgegangen wird. Die Zahl von relevanten, von schweren Straftaten ist aber im Vollzug extrem niedrig.

Ich will noch etwas zu der Praxis sagen, wie in der Justiz damit umgegangen wird. Die Gerichte beschweren sich darüber, wenn wir bei einem Drogenfund in der JVA mit weniger als einem Gramm Marihuana ein Verfahren durchführen. Darüber beschweren sich die Gerichte, das wird aber durchgeführt. Das wird durchgeführt, und es wird konsequent verfolgt, und es hat Nachteile für Gefangene, wenn sie sich nicht drogenfrei im Vollzug halten. Das hat Nachteile, die wir konsequent durchführen.

Wir erschweren also, soweit es irgendwie geht, die Möglichkeit, Drogen im Vollzug zu konsumieren. Gewalt wird massiv entgegengetreten. Das ist die Realität, und das ergibt sich auch aus der Antwort auf die Große Anfrage. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/682, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Asylsuchende und Geduldete zu Integrationskursen zulassen

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 4. Oktober 2012 (Drucksache 18/592)

Wir verbinden hiermit:

Deutschunterricht für Asylsuchende und Geduldete im Land Bremen