Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 18/593 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Lohndrückerei im Werftsektor verhindern – öffentliche Beteiligungsverantwortung wahrnehmen

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 9. Januar 2013 (Drucksache 18/721)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte diesen Antrag liebend gern zusammen mit dem Antrag „Kriterien ,guter Arbeit’ in die Wirtschaftsförderung integrieren“ behandelt. Das wird heute wahrscheinlich gar nicht mehr aufgerufen, weil die Zeit bereits fortgeschritten ist.

Wir haben hier ein Beispiel, das explizit für schlechte Arbeit steht, und zwar bei einem Unternehmen, an dem das Land Bremen beteiligt ist. Dass die Lloyd Werft eine lange Geschichte hat, ist allgemein bekannt, hoffe ich, ich werde darauf auch gar nicht weiter eingehen. In den Jahren 2004/2005 gab es die Insolvenz, und in der Folge stieg das Land bei der Lloyd Werft mit ein. Damals war es noch die BIG, also die Bremer Investitions-Gesellschaft, dann hat es die WFB, die Wirtschaftsförderung Bremen, übernommen. Es sind circa 13 Prozent, das befindet sich bei einer ungefähren Werteinschätzung bei ungefähr drei Millionen Euro.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es sollte Arbeitsplätze sichern und den Standort erhalten. Damals waren es ungefähr 500 Arbeitsplätze. Inzwischen hat der Haupteigentümer gewechselt, seit dem Jahr 2010 ist es Herr Petram, der die Anteile von dem italienischen Staatsunternehmen übernommen hat. Im Jahr 2010 hat er noch vollmundig erklärt, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen, dass es keine tarifliche Verschiebung gibt, dass insofern alle, die dort beschäftigt sind, beruhigt in die Zukunft sehen können.

Die Situation stellt sich jetzt allerdings ganz anders dar. Es soll eine neue Betriebsgesellschaft geben, wohin die Arbeitnehmer wechseln müssen. Letztendlich sind es 298 Arbeitnehmer, 42 werden ihren Arbeitsplatz verlieren, und es gibt ein ausuferndes Dumping in der Weise, dass die Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden unentgeltlich erhöht wird, das heißt, das ist ein realer Lohnverlust. Darüber hinaus wird auf Weihnachtsgeld verzichtet werden müssen. Wer das nicht mitmacht, wird auf die Straße gesetzt. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Das sind völlig rigide Methoden, und es gab lange Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Sie konnten es auch in den Medien verfolgen, es ist eine völlig unsägliche Geschichte.

Jetzt geht es allerdings noch eine Runde weiter – zum Zeitpunkt unserer Antragsstellung war das noch gar nicht klar –, jetzt geht es darum, dass sich die Arbeitgeberseite davor drückt, einen akzeptablen Sozialplan zu verhandeln. Wir sind also in einer Situation, in der sich die Spirale ausschließlich nach unten dreht. Es wird eigentlich gar kein Sozialplan angeboten, den man als solchen bezeichnen könnte. Normalerweise ist hier in Bremen ein Richtwert von einem Monatsgehalt pro Jahr durchaus üblich. Jetzt sind wir schon bei 20 bis 25 Prozent. Das ist, wie ich finde, unanständig.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist wirklich überhaupt nicht akzeptabel. Das Ganze ist ein dermaßen würdeloser Umgang mit den Beschäftigten, eine einzigartige „Friss-oder-stirbPolitik“. Ich muss an der Stelle zu der Entwicklung der Werftgeschichte feststellen: Diese Trennung in eine Aktiengesellschaft und Betriebsgesellschaft, die jetzt vollzogen wird, heißt ja faktisch letztendlich, dass das unternehmerische Risiko ausschließlich auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt wird. Das ist ein Vorgang, der insofern keine Ausnahme ist, das haben wir an vielen Stellen, aber es ist in keiner Weise etwas, das zu akzeptieren wäre.

Interessant ist, wo Bremen beteiligt ist, verfolgt es Ziele. Ich habe schon auf den Antrag hingewiesen, den die Koalition zu „Kriterien ,guter Arbeit’ in der Wirtschaftsförderung“ gestellt hat. Dort sind ja wesentliche Kernpunkte von guter Arbeit genannt, die hier alle mit den Füßen getreten werden. Dort hat der sozialdemokratische Wirtschaftssenator trotz dieser Entwicklung die Haltung der Arbeitgeber unterstützt, muss ich sagen. Der Senat hat sich gegen den Betriebsrat und gegen die Beschäftigteninteressen gewendet, und das finde ich in dem Zusammenhang keine Entwicklung, die in irgendeiner Weise akzeptabel ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir bringen diesen Antrag hier ein, weil man sagen muss, diese Entwicklung kann Bremen nicht mittragen. Ich frage Sie ernsthaft: Warum sind Sie denn an solch einem Betrieb beteiligt? Dann gehen Sie doch unter Protest heraus. In der Mindestlohndebatte hatten wir ganz ähnliche Auseinandersetzungen, und dort, muss ich sagen, ist doch die Unglaubwürdigkeit auf der gesamten Linie gegeben. Man kann nicht auf der einen Seite Kriterien verlangen, die die Wirtschaft darauf festlegen soll, Arbeitnehmerinteressen zu verteidigen und einzuziehen, und auf der anderen Seite, wenn man dann beteiligt ist, das sträflich vernachlässigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, dass sich der Senat weiterhin für den Erhalt aller Arbeitsplätze einsetzt und sich dagegen wendet, dass in Zukunft Belegschaften quasi erst einmal outgesourct werden, um dann durch Leiharbeitsfirmen und Dumpinglöhne über die Hintertür wieder mit einbezogen zu werden. Außerdem möchten wir, dass der Senat ein Konzept vorlegt, wie man einmal ganz allgemein diese Entwicklung auf dem Werftensektor einer Prüfung unterziehen kann, und dass er sich einmal überlegt, welche Konzepte faktisch perspektivisch überhaupt zu vertreten sind. Es ist ja nicht so, dass im Werftensektor kein Geld zu verdienen wäre, und es ist beileibe nicht so, dass Werften nicht davon profitieren würden, dass staatlich investiert wird. Das betrifft die Zuwegungen, die Verkehrsbetriebe – (Glocke)

ich komme gleich zum Schluss! – und genauso den Hafenausbau. Das heißt, sie profitieren ja durchaus davon, und insofern ist dies momentan ein falscher Deal. Ich finde, im Mittelpunkt müssen die Beschäftigten stehen und nicht eine Standortpolitik, die sich im Wesentlichen an den Interessen der Arbeitgeber ausrichtet. – Danke!

(Beifall bei den LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich habe aufgrund Ihres Vortrags, Frau Bernhard, kurzzeitig überlegt, dem Beispiel der Abgeordneten Frau Häsler von heute Morgen zu folgen und Ihnen aus meiner Kenntnis heraus einen längeren Vortrag über die Situation im Schiffbau und über Betriebssanierungen in dem Bereich zu halten, das lasse ich aber lieber! Was Sie jetzt hier aber vorgebracht haben zum Thema Werftindustrie, zeugt von einer derartigen Unkenntnis des Problems einschließlich der Tarifverträge, dass ich nur lachen kann.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich will Ihnen eines sagen: Weder die SPD-Fraktion noch der Senat braucht hier Belehrungen darüber, dass wir solidarisch sein müssen mit Beschäftigten, die um den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpfen, um Tariftreue und um Standortsicherung. Belehrungen darüber brauchen wir nicht, das ist für uns selbstverständlich!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ganz persönlich will ich Ihnen sagen, ich habe persönlich zu viele Sanierungen erlebt und auch selbst mit gestaltet, und ich habe mich oftmals auch über Unterstützung gefreut, wenn sie von außen kam, aber ich habe auch immer gewusst, dass Unterstützung dann, wenn ihr Antrieb Populismus ist, überhaupt nichts hilft und überhaupt nichts bringt,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

und mich ärgern solche Anmaßungen. Das vorausgeschickt!

Völlig klar ist, dass es dort weitergehen muss. Es muss für Lloyd eine Lösung gefunden werden, es muss ein Kompromiss gefunden werden, und ein Kompromiss, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zu unterscheiden von einer Unterwerfung. Es ist auch völlig klar, dass eine Geschäftsführung, bei der ganz oben auf einer Entlassungsliste Betriebsräte und Gewerkschafter stehen und die so in eine Verhandlung geht, signalisiert, dass sie diejenigen loswerden will, mit denen ich eigentlich einen Konsens haben will, und es ist ein Signal: Wer sich engagiert, der wird schon merken, was er davon hat.

Das ist natürlich eine verantwortungslose Strategie der dortigen Geschäftsführung. Das kann man vorübergehend mit den persönlichen Eigenarten alter „Werftgranties“ erklären wie Herrn Haake, deren Stil möglicherweise etwas speziell ist, wie der Stil auf Werften auch ein bisschen anders ist als in Banken, aber es ist trotzdem nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was daraus werden kann, beobachten wir bei Atlas in Delmenhorst: 200 Arbeitsgerichtsverfahren in zwei Jahren, und kein Ende in Sicht. Werftarbeiter sind selbstbewusst, flexibel, qualifiziert und motiviert, und was die Kollegen der Lloyd Werft in den letzten Jahrzehnten schon gebracht haben, war gute Arbeit, und das wird auch weiter gute Arbeit sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das darf man nicht zerstören, und ich habe große Zweifel, ob die Hauptanteilseigner, ob der Gesellschafter mit der Besetzung seiner Verhandlungsführung gegenwärtig eine gute Hand beweist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das ist aber ein betriebliches Thema, das ist das Thema der Gesellschafter. Da müssen wir an jeder Stelle sagen, wo wir es können, so geht das nicht, aber wo ist jetzt bitte schön die Verantwortung der Politik? Der Antrag will weismachen, die Verantwortung der Politik wäre die für die Führung des Unterneh

mens. Ich halte das für populistisch. Zur Verantwortung gehört, dass man sich in Erinnerung ruft, dass Bremen dort nicht eingestiegen ist, um eine gute Kapitalanlage zu gewinnen, sondern Bremen ist dort eingestiegen, um überhaupt den Laden zusammenzuhalten, um die Tür zu öffnen für einen industriellen Investor.

Werte Frau Bernhard, Sie können sich einmal umschauen, wer heute überhaupt noch ein Interesse daran hat, industriell in Werften zu investieren. Fahren Sie einmal nach Emden, unterhalten Sie sich gegenwärtig mit den Kollegen von SIAG, was diese zu dem Investor sagen, der dort aufgetaucht ist, den sie als letzten Notnagel für ihre Arbeitsplätze haben! Das ist doch alles Populismus, und Lloyd ist heute erneut an der Kante. Jetzt geht es darum, einen Strukturwandel zu gestalten, für den man einen Unternehmer braucht, der etwas unternehmen will. Eine qualifizierte und motivierte Belegschaft braucht aber leider nun einmal auch Aufträge, die von ihr dann abgearbeitet werden müssen, und sie sollten zumindest die Kosten wieder einbringen, die sie erzeugen.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht aus meiner Sicht nur mit einem Konsens im Betrieb über Ziele und den Weg, und das ist das Problem. Darauf hat der Wirtschaftssenator in seinem offenen Brief hingewiesen, den ich an dieser Stelle nicht kritisiere. Ich fand es richtig und verantwortungsvoll, dass er auf dieses Problem hinweist, und ich erwarte es auch von meinem Senator, dass er die Akteure zusammenbringt. Das ist die Möglichkeit, die die Politik hat: immer wieder an den Tisch zu zwingen, um miteinander zu reden und zu verhandeln, und Versuche hat es gegeben. Melf Grantz ist verbrannt, van Betteray ist verbrannt. Die sind ja nicht einmal eben aus dem Hut gezaubert worden, sondern die Idee, dort zu vermitteln, war ja auch ein Stück politischer Einfluss.

Was machen wir denn dann, wenn im Betrieb keine Einigung zustande kommt? Sie sagen, es solle nicht einmal einen Sozialplan geben. Sie wissen doch, Interessenausgleich und ein Sozialplan sind erzwingbar. Natürlich wird es irgendwann eine Einigung geben! Was machen wir denn, wenn die sich im Betrieb nicht einigen? Was soll denn dann bitte schön Politik machen? Der Schlüssel dazu ist in der Tat der Betrieb, und der muss den Weg gehen.

Tarifflucht sagt der Antrag. Ich will nur sagen, es gibt mittlerweile einen Tarifvertrag. Meint der Antrag der LINKEN jetzt diesen Tarifvertrag, den die IG Metall geschlossen hat, mit ihren Mitgliedern einstimmig verabredet hat?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Genau!)